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Kyssen verdient sich ihren Lebensunterhalt als Godkillerin, als sie auf die junge Adlige Inara trifft. Diese ist an Skediceth, den Gott der Notlügen, gebunden. Entgegen ihres Dranges, den Gott zu töten, reist Kyssen mit Inara in Begleitung des Ritters Elogast an den letzten Ort, an dem noch wilde Götter leben.

Kyssen arbeitet seit Jahren als erfolgreiche Godkillerin. Mit Mitteln der Straße und ihrem schnellen Verstand weiß sie mit jeder noch so finsteren Gottesgestalt umzugehen und die Aufträge der Dorfvorstehenden zu erfüllen. Alles geht seinen gewohnten Trott, bis Kyssen auf ein junges Mädchen trifft. Inara, Tochter einer Adelsfamilie, wendet sich ausgerechnet an die Godkillerin, um einen kleinen Gott, der sich an sie gebunden hat, loszuwerden. Kyssen ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Drang, den Gott, den sie als Parasit ansieht, zu töten und Inara zu helfen. Denn tötet sie den Gott, stirbt auch das Mädchen. Gemeinsam machen sie sich auf nach Blenraden, der abgeriegelten und zerstörten ehemaligen Hauptstadt des Landes. Sie erhoffen sich Hilfe von den letzten wilden Göttern, die dort leben.

Triggerwarnungen

Auflistung der vorhandenen Inhalte

– Psychische Krankheiten (PTSD, Alkohol)

– Phobien (Blut, Feuer)

– Gewalt (Amputation, Tod von Tieren, Mordversuch, menschliches Opfer)

 

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Story

Die Handlung beginnt einige Zeit nach monumentalen Ereignissen, die im Buch zwar erwähnt werden, aber bereits stattgefunden haben. Diese veränderten die Welt. Einst lebten in der Welt viele Götter, kleine Götter des Alltags bis hin zu großen und starken Göttern der Naturgewalten oder beispielsweise des Krieges. Götter vergingen und neue wurden erschaffen, abhängig von der Menge der jeweiligen Gläubigen, der Intensität ihres Glaubens und ihrer Opferbereitschaft. Letztere nahm derart groteske Züge an, dass die Götter ihre Gläubigen zu Menschenopfern anstachelten. Um dieses Tun zu stoppen, zogen die Menschen im Auftrag des Königs gegen die Götter in den Krieg. Nach Ende des Krieges und mit Sturz der großen Götter wurden diese fortan verboten. Nur noch einige kleine Götter, herbeigerufen durch Glauben und Hoffnungen einiger Dörfler*innen, klammern sich an ihre Existenz und versuchen wieder Macht anzusammeln. Und um diese kümmern sich die sogenannten Godkiller, verdingte Krieger*innen im Auftrag des Königs.

Die Geschichte wird von vier sehr verschiedenen Protagonist*innen erzählt. Kyssen stellt als Godkillerin die primäre Protagonistin dar. Sie wird begleitet von der jungen Inara sowie Skediceth, dem Gott der Notlügen. Als letztes stößt Elogast zu der Gruppe hinzu, ein ehemaliger Ritter, der seine Vergangenheit hinter sich ließ, um Bäcker zu sein.

Zu Beginn der Handlung begleiten die Lesenden Kyssen auf ihrer Jagd nach Göttern. Sehr an The Witcher erinnernd verdingt sie sich über Aufträge, die sie von Dorf zu Dorf führen. Durch lokale Glauben und kleine Altäre entstandene Götter, die in den schauerlichsten Gestalten auftreten, werden von ihr gekonnt geschlagen und bis auf die letzte Opfergabe zerstört. Sie wird hierbei als starke, selbstbewusste Frau charakterisiert, „voller Wut und voller Liebe und höllisch kompetent“, so die Autorin. Ihr Kampfstil ergibt sich aus ihrer Vergangenheit und gegen wen und was sie kämpfen musste, sodass es eine Mischung aus Fechten, Boxen und schmutzigen Tricks ist. Da sie nie auf Augenhöhe kämpfen konnte, nutzt sie jede ihr zur Verfügung stehende Ressource. Kyssen wird von der Autorin als behinderte Figur beschrieben, die in der Vergangenheit ein Bein verlor. Diese Information über Kyssen wird normal im Text beschrieben, ohne ihr zu viel oder zu wenig Raum zu geben. Typische Schmerzen in Zusammenhang mit dem Tragen einer Prothese werden ebenso beschrieben wie Kyssens Unsicherheit mit ihrer Behinderung, als sie erstmals in eine etwas intimere Situation mit einer anderen Person kommt. Gleichzeitig findet das Thema in Kyssens Alltag, in dem es keine Relevanz hat, entsprechend auch keine Erwähnung. Dem Text ist anzumerken, dass die Autorin Wert auf Gleichberechtigung legt und den Text einem Sensitive Reading durch sensibilisierte Redakteur*innen unterzog.

Das Aufeinandertreffen Inaras mit Kyssen bringt die Geschichte dann in Fahrt. Inara als adlige Tochter, die wenig außerhalb des Hofes ihrer Familie gesehen hat, lief gemeinsam mit Skediceth, dem Gott der Notlügen, von zu Hause weg. Ihre Perspektive ist die eines zwölfjährigen Kindes, das geliebt, aber auch ernst genommen werden möchte. Auch ihre Beziehung zu dem Gott, der an sie gebunden ist, findet Beachtung. Skediceth als Gott, wenn auch zu Beginn nur ein kleiner und schwacher, kennt intuitiv nur das Streben nach Macht. Dem gegenüber stehen das Vertrauen und die freundschaftliche Zuneigung, die sich zwischen den beiden gebildet hat. Wie der Gott handelt und ob er aus menschlicher Sicht moralisch handelt, ist daher stets ein gewisser Unsicherheitsfaktor, der die Geschichte würzt. Kyssen ist beim Kennenlernen der beiden hin- und hergerissen. Einerseits möchte sie dem Mädchen helfen, auch, weil sie selbst als Kind eine schwere Zeit durchleben musste. Andererseits reizt sie der Gott immer wieder aufs Neue und es fällt ihr schwer, ihn nicht einfach zu töten. Letztlich raufen sich die drei zusammen und machen sich auf den Weg nach Blenraden, der ehemaligen Hauptstadt des Reiches. Dort fanden die letzten großen Gefechte des Götterkrieges statt, und einige letzte Götter aus der alten Zeit fristen dort im Geheimen ihr verbotenes Dasein. Kyssen und Inara erhoffen sich von einem dieser Götter Hilfe, um die Bindung von Inara und ihrem kleinen Gott zu kappen.

Kyssen und Inara geben sich daher als Pilgerreisende aus, um sich einer illegalen Reisegruppe auf einem Pilgerweg nach Blenraden anzuschließen. Auch Elogast kauft sich einen Platz in dieser Gruppe. Zunächst halten Kyssen und Elogast misstrauisch Abstand voneinander, doch Angriffe auf die Reisegruppe zwingen sie dazu, sich gegenseitig ihr Leben anzuvertrauen. Wie Kyssen ist Elogast ein Kämpfer, doch sein Kampfstil ist sofort als der eines Ritters erkennbar. Viel interessanter sind seine Motive: Warum reist ein ehemaliger Ritter des Königs, der sich zur Ruhe gesetzt hatte und wortwörtlich kleine Brötchen backt, mit seinem Schwert auf dem Rücken zur alten Hauptstadt? Elogast kämpfte an der Seite des Königs im großen Götterkrieg und hat bis zum heutigen Tag an den psychischen Folgen des Erlebten zu tragen. Mit Flashbacks, Schlaflosigkeit und weiteren körperlichen Symptomen wird sein PTBS beschrieben. Im Gegensatz zu Kyssen treiben Elogast Liebe und Loyalität zum König an. Er möchte noch ein letztes Mal für seinen König agieren, um alte Schuld zu begleichen.

Gemeinsam reisen die vier auf verbotenen Pilgerwegen zur abgeschotteten ehemaligen Hauptstadt. Ihre Reise ist geprägt von Misstrauen, Gesprächen, Streitereien und ausgetragenen Differenzen zwischen ihnen. Aber auch die Außenwelt lässt sie nicht in Ruhe und legt ihnen den einen oder anderen Stein in den Weg. So spielt über die Hälfte der Geschichte auf der Wanderung der vier durch die Lande, in der die Potenziale und Konflikte der Charaktere ausgelegt und ausgelotet werden. Lesende können mitfiebern, ob sie schließlich zusammenfinden oder an eigenen Konflikten und Angriffen von außen scheitern. Der Höhepunkt der Geschichte spielt schließlich in der Hauptstadt und hält einige Überraschungen parat, sodass sich der Schluss des Buches sehr spannend liest. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen, lässt aber genügend offene Enden als auch einen neuen großen Widersacher über, um auf die Fortsetzung hinfiebern zu können.

Dem Aufbau des Buches ist sehr gut zu folgen. Die Charaktere werden nach und nach eingeführt und jedem Charakter genügend Zeit gewidmet, um diesen kennenlernen und der Handlung folgen zu können. Gleichzeitig baut sich die Geschichte immer weiter auf, wird komplexer und spannender bis hin zu einem Höhepunkt gegen Ende der Handlung.

Schreibstil

Die deutsche Fassung wurde von Wolfgang Thon übersetzt. Die Übersetzung ist ihm ordentlich gelungen, und Lesende können kaum feststellen, dass sie eine Übersetzung und kein sprachliches Original in Händen halten. Einzig der Begriff Godkiller, der auch das Cover ziert und im englischen Original nicht derart auffallen dürfte, lässt den Lesefluss etwas stocken.

Die Erzählung begleitet stets einen der vier Hauptcharaktere. Die Geschichte entfaltet sich aus dem jeweiligen Blickwinkel mit all den ihnen eigenen Gedanken, Wünschen, Hoffnungen und Unsicherheiten. Hier liegen sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche des Romans. Die Protagonist*innen sind interessant, aber auch sehr speziell. So könnten manche Lesende die Geschichte sehr genießen und sich mitunter mit ein bis mehreren Handelnden identifizieren, während andere mit den Hauptcharakteren nicht warm werden und so sich selbst nicht in der Geschichte wiederfinden können.

Der Schreibstil der Autorin hingegen ist einwandfrei. Der Text ist flüssig lesbar. Der Weltenbau kann nur als vorbildlich bezeichnet werden, schafft es die Autorin doch, sich die Welt nach und nach vor den Augen der Lesenden entfalten zu lassen. Vom Einfachen zum Komplexen beschrieben entführt das Buch Lesende langsam aber beständig in seine letztlich sehr interessante High-Fantasy-Welt.

Die Autorin

Hannah Kaner stammt aus dem Norden Schottlands. Sie studierte Englisch in Cambridge und machte ihren Master in Edinburgh. Als Senior Digital Consultant arbeitet sie im Gesundheitswesen und spezialisierte sich auf die Schaffung von Software für unterrepräsentierte Gruppierungen. Bei Godkiller handelt es sich um ihr Debut, das im internationalen englischsprachigen Harper Voyager Verlag seine Heimat fand. Die Fortsetzung Sunbringer erschien März 2024 in englischer Fassung, die deutsche Übersetzung erscheint August 2024 im Piper Verlag. Die Reihe soll insgesamt drei Bände umfassen.

Erscheinungsbild

Das Buch ist ein echter Hingucker. In der deutschen Veröffentlichung griff der Piper Verlag auf das Aussehen der britischen Version zurück, sodass auch diese die Illustration des britischen Künstlers Tom Roberts ziert. Als broschiertes Paperback finden sich weitere Kunstwerke in Form einer Weltkarte sowie eines Bildes eines Handlungsortes in den Klappen des Buches. Die erste Auflage vermarktete Piper gekonnt mit goldenen Einprägungen auf dem Cover sowie Farbschnitt, passend zur Coverillustration.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autorin: Hannah Kaner
  • Erscheinungsdatum: 1. Februar 2024
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Thon)
  • Format: Paperback
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN: 978-3492709217
  • Preis: 18 EUR (Print) + 14,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Kyssen, eine erfahrene und erfolgreiche Godkillerin, die ihren Lebensunterhalt damit verdient, Götter zu töten, trifft auf die junge Adlige Inara. Diese ist mit Skediceth, dem Gott der Notlügen, verbunden. Obwohl Kyssen normalerweise keine Gnade kennt und jeden Gott bezwingt, spürt sie eine gewisse Zuneigung zu Inara und den Wunsch, ihr zu helfen.

Gemeinsam mit Inara und dem desillusionierten Ritter Elogast machen sie sich auf den Weg in die zerstörte Stadt Blenraden. Dort hoffen sie auf Hilfe von den letzten verbliebenen wilden Göttern, um die Bindung zwischen Inara und Skediceth zu lösen. Die Reise ist gefährlich und voller Herausforderungen, da sie nicht nur mit äußeren Bedrohungen konfrontiert werden, sondern auch mit inneren Konflikten und Zweifeln.

Die Geschichte entfaltet sich aus der Perspektive der vier Hauptcharaktere, wobei ihre individuellen Gedanken, Wünsche und Unsicherheiten im Mittelpunkt stehen. Auch Behinderungen werden gekonnt und als Selbstverständnis in der Geschichte erwähnt und repräsentiert. Die Handlung baut sich langsam auf und führt zu einem spannenden Höhepunkt in der ehemaligen Hauptstadt. Der Roman besticht durch seinen flüssigen Schreibstil, den gelungenen Weltenbau und das fesselnde High-Fantasy-Setting.

Das Buch ist optisch ansprechend gestaltet, mit einem Cover illustriert von Tom Roberts. Die deutsche Ausgabe enthält zusätzliche Kunstwerke wie eine Weltkarte und ein Bild eines Handlungsortes in den Klappen des Buches. Die erste Auflage des broschierten Paperbacks vom Piper Verlag besticht durch goldene Einprägungen auf dem Cover und einen farbigen Schnitt.

Bei dem Werk handelt es sich um den ersten Band einer Trilogie. Der gekonnte Auftakt in einem spannenden High-Fantasy-Setting mit interessanten Charakteren macht Lust auf die Fortsetzung der Geschichte.

  • Starke Charakterisierungen
  • Gekonnte Repräsentation von Behinderungen
  • Interessanter Weltenbau
 

  • Sehr spezielle Hauptcharaktere

 

Artikelbilder: © Piper Verlag, © depositphotos Autor: grandfailure
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Rick Davids

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