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Ist es möglich, das epische Spielgefühl einer tagesfüllenden Partie Twilight Imperium in ein kürzeres und weniger komplexes Roll-and-Write zu überführen? Diesen spannenden Versuch unternimmt Fantasy Flight Games mit Twilight Inscription. Wir schauen uns an, ob uns der Kampf um Mecatol Rex mit Würfel und Stift genauso packt.

Gute Vorzeichen liefert Fantasy Flight Games allein schon mit Autor James Kniffen, der das gewagte Projekt, das epische Twilight Imperium in ein Roll-and-Write-Spiel zu verpacken, als Autor mit kreativem Inhalt füllen durfte. Seine mit Hits wie Forbidden Stars, Star Wars: Armada, New Angeles und Civilization: Ein neues Zeitalter gespickte Ludographie lässt uns Großes erwarten. Was ist Twilight Inscription also geworden? Ein Roll-and-Write im Twilight Imperium-Universum oder ein Versuch, das große Vorbild in klein abzubilden?

Auf den ersten Blick fällt auf, dass Twilight Inscription für ein Roll-and-Write sehr viel Platz auf dem Tisch benötigt. Jede Tafel, die beschrieben wird, ist ungefähr 23 x 18 cm groß, und davon haben alle Mitspielenden gleich vier im Einsatz. Wenn dann noch bis zu acht Personen an der Partie teilnehmen können und auch weiteres Spielmaterial untergebracht werden will, darf der Tisch gerne etwas größer sein. In Puncto Platzanspruch steht die kleine Schwester dem großen Twilight Imperium schon mal wenig nach. Neben den Tafeln und einem Stift bekommen alle Mitspielende eine der 24 Fraktionen zugelost, die wir spätestens seit Twilight Imperium – Prophezeiung der Könige kennen und die jeweils eine thematisch zu ihnen passende Fähigkeit mitbringen. Aber wie spielt es sich denn nun?

Spielablauf

Deutlich simpler fällt dann der generelle Spielablauf aus, was nicht heißt, dass die Komplexität nicht noch kommt: In fünf Phasen unterteilt werden 25 Ereigniskarten nacheinander aufgedeckt und abgehandelt, und zwar so lange, bis die Karte „Kampf um den Thron“ in Phase fünf das Spiel beendet. Dann werden die Punkte auf allen vier Spieltafeln zusammengezählt, und Mecatol Rex – der Zentralplanet des Twilight-Imperium-Universums – hat eine neue herrschende Fraktion.

In den Ereigniskarten gibt es die vier Typen „Strategie“, „Krieg“, „Produktion“ und „Galaktischer Rat“. Nur die Strategiekarten werden aktiv gespielt, die anderen drei lösen bestimmte Ereignisse aus, die sich auf die Fortschritte auf den Tableaus beziehen. Doch dazu später mehr. Schauen wir uns an, wie das zentrale Spielelement abläuft, also die Strategieereignisse:

Strategieereignis

Bei den Strategieereignissen wählen alle Mitspielenden zunächst je eine der eigenen vier Spieltafeln als aktive Tafel aus. Auf dieser können dann die Ressourcen (Baustoff/Einfluss/Forschung), die auf der Karte abgebildet sind, eingesetzt werden. Anschließend werden weitere Ressourcen gewürfelt, die dann genauso auf der aktiven Tafel eingesetzt werden.

Orientierung für die eigene Spielweise bringen vor allem die Fraktionskarten, die neben einer dauerhaften Fähigkeit im oberen Teil der Karte auch eine zweite zu aktivierende Fähigkeit haben. Das Symbol „Fraktion“ findet sich einmal auf jeder Tafel und ermöglicht diese Aktivierung.

Was genau beim Einsetzen passiert, hängt von der gewählten Tafel ab:

Navigation

Eine Tafel Navigation auf Seite B.
Eine Tafel Navigation auf Seite B.

Für alle Tafeln gilt: Die B-Seiten sind für alle Mitspielenden gleich, auf den A-Seiten gibt es acht unterschiedliche Varianten. Was anfangs etwas irritiert, wird im nächsten Moment schnell klar: In Twilight Inscription steht „B“ für Beginner und „A“ für Advanced – daher sind die A-Seiten unterschiedlich und nicht, wie eher gewohnt, die B-Seiten.

Auf der Tafel „Navigation“ können die Ressourcen über das Menü oben links ausgegeben werden und so erkundend neue Verbindungslinien in die Galaxie gezeichnet oder bereits verbundene Sternensysteme eingekreist werden. Eingekreiste Systeme geben Vorteile, die bei gepunkteten Rändern sofort ausgelöst oder bei gestrichelten Linien später eingesetzt werden können.

Besonders sind die Relikte und Mecatol Rex auf der Tafel „Navigation“. Wird ein Sternsystem mit Reliktsymbol beansprucht, wird eine von 16 Reliktkarten gezogen, die Siegpunkte bringt und im Spiel für einen mächtigen Effekt eingesetzt werden kann. Wer Mecatol Rex beansprucht, trägt seine Fraktion auf dem Tableau „Mecatol Rex“ ein. Je früher eine Fraktion dort ist, desto größer sind die Siegpunkte und die Anzahl an Ratsstimmen, die sie erhält.

Am unteren Rand der Tafel sind zwei Technologien zu finden. Solche finden sich auf allen vier Tafeln und können durch Sammeln von Forschung-Ressourcen oder durch Abgabe des passenden Technologiesymbols freigeschaltet werden. Diese Vorteile werden vor allem auf der Tafel „Expansion“ freigespielt.

Die sechs Ressourcenwürfel
Die sechs Ressourcenwürfel

Neben den Technologien sind die drei speziellen Fokus-Ressourcenwürfel abgebildet. Bei jedem Strategieereignis werden alle sechs Ressourcenwürfel geworfen, jedoch können die drei farbigen Würfel mit ihren attraktiven Doppelressourcen nur dann verwendet werden, wenn sie für die aktive Tafel auch freigeschaltet wurden.

Industrie

Auf der Tafel „Industrie“ findet die Buchhaltung durch die mit Vorteilen auf allen Tafeln gesammelten Stimmen, Handelswaren und Massenprodukte statt. Die drei Sorten von Massenprodukten geben bei bestimmten Mengen Siegpunkte.

Die sechs Ressourcenwürfel
Die sechs Ressourcenwürfel

Zusätzlich erhöhen sie bei gefüllten Spalten auf dem Wirtschaftsplan die Handelswaren-Produktion. Handelswaren geben ebenfalls Punkte und können ansonsten nur mit bestimmten Fähigkeiten verwendet werden. Auch der mit Vorteilen gesammelte Einfluss und die daraus resultierenden Stimmen werden auf dieser Tafel gesammelt und können dann bei Ereignissen „Galaktischer Rat“ eingesetzt werden. Dazu später mehr.

Wie auf der Tafel „Navigation“ können die Ressourcen auch auf dieser Tafel über ein Menü eingesetzt werden, hier allerdings, um auf der Wabenstruktur des Industrierasters Vorteile einzusammeln. Es können nur Vorteile beansprucht werden, die an eine verschrottete Wabe grenzen. Daher müssen im Verlauf weitere Waben verschrottet werden, um zusätzliche Bereiche in der Struktur erreichen zu können. Was komisch klingt, fühlt sich auch erst so an, aber spätestens in Kombination mit den beiden Technologien auf der Tafel lassen sich darüber ziemlich schnell große Mengen an Vorteilen einsammeln, was in den ersten Partien vermutlich eher unterschätzt wird. Gerade die Fokuswürfel, die am Rand der Struktur zahlreich freigeschaltet werden können, bringen große Vorteile im weiteren Spiel. Mit dem Einsetzen freigeschalteter Technologiesymbole lassen sich noch zusätzliche Bereiche oder Abkürzungen in der Struktur planen.

Bei der Beschreibung dieser Tafel wird vermutlich bereits deutlich, dass die Verzahnung der unterschiedlichen Tafeln letztlich die Komplexität und den Reiz des Spiels ausmachen.

Expansion

Eine Tafel „Expansion“ auf Seite B
Eine Tafel „Expansion“ auf Seite B

Auf der Tafel „Expansion“ gibt es kein Menü für die Verwendung der Ressourcen. Stattdessen können diese von Beginn an auf drei Raumstationen gesammelt werden, um Fokuswürfel freizuschalten. Hauptsächlich wird die Tafel aber genutzt, um die auf der Tafel „Navigation“ freigespielten Planetenvorteile zum Freischalten von Planeten zu nutzen, auf denen in Spalten und Zeilen Ressourcen gesammelt werden können, um bei Fertigstellung ganzer Reihen/Spalten die angegebenen Vorteile freizuschalten. Zusätzlich wird auf dieser Tafel die Bevölkerung der Fraktion festgehalten, die durch Vorteile auf „Militär“ und „Expansion“ erhöht wird und am Ende Siegpunkte bringt.

Militär

Eine Tafel „Expansion“ auf Seite B
Eine Tafel „Expansion“ auf Seite B

Auf der Tafel „Militär“ wird für den Krieg gerüstet. In jeder Partie Twilight Inscription finden vier Kriege statt, in den Phasen zwei bis fünf je einer. Für jeden dieser Kriege gibt es auf der Tafel ein Raster, in das gebaute Einheiten eingesetzt werden können. Um Einheiten zu bauen – die größeren Einheiten bringen am Ende wertvolle Siegpunkte –, müssen Ressourcen gesammelt werden. Einheiten dürfen jeweils nur an bereits bestehende Einheiten oder die orangene Einsatzlinie angrenzend eingezeichnet werden und keine roten Anomalien überdecken.

Jeder Punkt im Raster, der durch eine Einheit bedeckt wird, zählt als Kampfstärke im Krieg. Diese wird jeweils mit dem linken und rechten Sitznachbarn verglichen – 7 Wonders lässt grüßen. Im Raster gibt es eine senkrechte Trennlinie, die Einheiten links bzw. rechts davon zählen jeweils für den Vergleich mit dem jeweiligen Nachbarn an dieser Seite.

Letztlich bestehen die Komplexität und der Reiz von Twilight Inscription also darin, in den Strategieereignissen die richtige Tafel zum richtigen Zeitpunkt zu aktivieren. Als Orientierung dienen dabei sowohl die Aufträge als auch die Vorteile, die die eigene Fraktion bringen.

Die Tafel „Navigation“ schaltet dabei die Planeten auf Expansion frei. Auf der Tafel „Expansion“ kann letztlich alles, vor allem aber Technologievorteile gesammelt werden. Auf der Tafel „Industrie“ werden reichlich Massenprodukte und Einfluss eingesammelt und vor allem die wertvollen Fokuswürfel freigespielt. Aber auch die Tafel „Militär“ sollte nicht zu spät aufgerüstet werden, um gewappnet für den nächsten Krieg zu sein. Am Anfang gilt es, möglichst schnell Technologievorteile und zusätzliche Fokuswürfel freizuspielen und für die anderen Ereignisse rechtzeitig, die richtigen Sachen zu sammeln und vorzubereiten:

Produktion

Einfach abgehandelt sind die Ereigniskarten „Produktion“ in den Phasen zwei bis fünf: Bei diesen werden Handelswaren produziert, und zwar über den Wirtschaftsplan auf der Tafel „Industrie“. Dort wird die Produktion der Handelswaren jeweils um eins erhöht, wenn eine Spalte an Massenprodukten erfolgreich wie aufgedruckt gefüllt wurde.

Galaktischer Rat

Die Agenden bei Twilight Inscription. Aus je vier in drei Phasen wird zufällig eine ausgewählt.
Die Agenden bei Twilight Inscription. Aus je vier in drei Phasen wird zufällig eine ausgewählt.

In den Phasen zwei bis vier tagt der Galaktische Rat jeweils einmal, um über eine Agenda abzustimmen.

Alle Mitspielenden entscheiden geheim, wie viele ihrer auf der Industrietafel gesammelten Stimmen sie auf die aktuelle Agenda abgeben wollen und ob sie sich dafür oder dagegen entscheiden. Die Stimmen werden ausgezählt und die siegreiche Agenda-Seite wird ausgeführt

Krieg

Beim Ereignis „Krieg“ werden die Einsatzlinien nach oben verlegt und anschließend auf den Militär-Tafeln die Kampfstärken in der aktiven Einsatzzone mit den Nachbarn verglichen. Wer jeweils stärker ist, bekommt den oberen Vorteil der Zone, der Schwächere den unteren „Vorteil“ – den Verlust von einem Siegpunkt. Bei Gleichstand werden beide Vorteile gestrichen.

Solomodus

Tafel „Mecatol Rex“ mit KI-Fraktion
Tafel „Mecatol Rex“ mit KI-Fraktion

Für den Solomodus und das Spiel zu zweit wird noch eine KI-Fraktion ins Spiel gebracht, der die Fokuswürfel verwendet. Dafür wird die Rückseite der Tafel „Mecatol Rex“ verwendet.

Bei jedem Würfelwurf in den Strategieereignissen werden die Ergebnisse auf den bunten Fokuswürfeln in den entsprechenden Zeilen abgestrichen. Erreicht die KI-Fraktion bestimmte Vorteile, beansprucht sie Positionen auf der Tafel „Mecatol Rex“ oder bei den Aufträgen und macht sie somit für die Mitspielenden weniger wertvoll. Ebenso fungiert sie als Kriegsgegnerin und bekommt durch die abgestrichenen Ergebnisse Kampfstärke. Für den Galaktischen Rat sammelt sie ebenso Stimmen, und die Mitspielenden können bei der Agenda gegen sie stimmen, um das positive Ergebnis für sich zu beanspruchen.

Ausstattung

Wie von Fantasy Flight Games gewohnt, ist der kleine Karton randvoll mit hochwertigem Material. Ins Auge fallen die sechs großen, bunten Plastikwürfel. Das Spielmaterial für acht Spieler ist bemerkenswert, auch wenn ich mir schwer vorstellen kann, Twilight Inscription jemals zu acht zu spielen. Der Platzbedarf ist einfach riesig und die Übersicht dann kaum noch zu halten.

Die Tafeln sind hochwertig, die beiliegenden Stifte sind mit orangener Kreideflüssigkeit befüllt, was sehr leserlich beim Beschreiben, aber auch beim Abwischen der Boards ziemlich schmierig ist.

Die Wiederspielbarkeit ist recht hoch, da 24 Fraktionen, je drei Aufträge und Agenden pro Phase und acht Varianten auf den A-Seiten der Tafeln einiges zu entdecken bieten.

Es liegt eine Losspielanleitung bei, die bei unserer ersten Partie genutzt wurde und sich als nicht gut geeignet herausgestellt hat. Die Tafeln werden hier nacheinander erklärt und die Phase-I-Ereignisse damit durchgespielt. Dabei bleibt aber im Unklaren, warum in welchen Schritten was gemacht wird. Die folgenden Partien haben gezeigt, dass eine Erklärung der Intentionen der Aktionen beim Start hilft, da so die Zusammenhänge und die dahinterliegende Komplexität zumindest kurz angerissen werden und die Einstiegshürde gesenkt werden kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): James Kniffen
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 90–120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8
  • Alter: 14+
  • Preis: 49 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon (englische Version), idealo

 

Fazit

Um die Frage vom Anfang zu beantworten: Twilight Inscription ist deutlich eher ein Roll-and-Write im Twilight-Imperium-Universum, als der Versuch, den großen Bruder in klein abzubilden. Mir hat es dennoch gut gefallen. Als bekennender Twilight-Imperium-Fan mag ich es, dass die bekannten Fraktionen und Ikonen überall das Bild des Spiels prägen. Da ich kein ausgewiesener Roll-and-Write-Fan bin, kenne ich wenig andere komplexe Spiele des Genres, weshalb Twilight Inscription für mich sehr gut in die Lücke „komplexes Roll-and-Write“ passt. Letztlich würde ich Twilight Inscription Fans von Twilight Imperium oder Roll-and-Writes empfehlen.

Das Material ist sehr ansprechend, die Mechaniken greifen gut ineinander und auch für einiges Wiederspielbarkeitspotenzial ist gesorgt. Gerade wenn die Lernkurve am Anfang überwunden ist, macht das Entdecken der unterschiedlichen Spielweisen der verschiedenen Fraktionen bei gleichzeitiger Orientierung an den gezogenen Aufträgen Spaß. Leider ist die Losspielanleitung ein Wermutstropfen im ansonsten sehr schlüssigen Bild. Mit mehr als fünf Mitspielenden würde ich das Spiel nicht regelmäßig auf dem Tisch sehen, und auch die KI-Fraktion spricht mich eher nicht an. Allerdings waren Partien mit wenigen Personen auch gut in unter 75 Minuten zu schaffen, was mir für das angebotene Spielerlebnis sehr stimmig erscheint. Daher würde ich empfehlen, mit drei bis fünf Spielenden anzutreten, wenn der Tisch es hergibt.

  • Komplexes Roll-and-Write
  • Hohe Wiederspielbarkeit
  • Deutlich kürzer als Twilight Imperium
 

  • Losspielanleitung unbefriedigend
  • Überblick schwierig

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt
Fotografien: Niko Kwekkeboom
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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