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Achtung, das Verlies wird angegriffen! Erbarmungslose Held*innen wollen in den Dungeon eindringen, um wertvolle Schätze zu plündern. Doch als eine Einheit aus asymmetrischen Monsterclans gehen wir zum Gegenangriff über, denn Helden müssen draußen bleiben. Ob das Spiel nur schön aussieht oder auch mehr kann, haben wir für euch getestet.

1997 machte es der Computerspiel-Klassiker Dungeon Keeper vor und drehte das Spielprinzip von Dungeon Crawlern und damit auch die die Rollenverteilung von Gut und Böse um. Diese Rollenumkehr ist mittlerweile auch außerhalb von Videospielen vertreten. Der Tausch der Rollen kann im Bereich Pen and Paper beispielsweise bei Der tiefe Wald erlebt werden und auch Brettspiele machen den Perspektivwechsel möglich. Anders als der Retro-Look beim Brettspiel Boss Monster erscheint Helden müssen draußen bleiben mit seinen putzigen Monstern in niedlicher Optik, hinter der allerdings ein knallhartes Spiel für Kenner*innen steckt.

Triggerwarnungen

keine typischen Trigger

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Spielablauf

Helden müssen draußen bleiben ist ein kooperatives Spiel, bei dem ein bis vier Spielende aus asymmetrischen Monsterclans wählen können, um die Schätze des Dungeons vor der Gilde – bestehend aus vier verschiedenen Arten von Helden – zu beschützen. Wurde der Gildenstapel zweimal durchgespielt, und der wertvollste Schatz vor den Held*innen beschützt, ist das Spiel gewonnen.

Im ersten Szenario Hexenkessel wohnen die Monster zur Miete bei einer Hexe
Im ersten Szenario Hexenkessel wohnen die Monster zur Miete bei einer Hexe

Zu Beginn einer Runde wird eins von 20 Szenarien aus dem Verliesführer ausgewählt und aufgebaut. Alle Mitspielenden suchen sich einen von neun Monsterclans aus, und bekommen die dazugehörige Clankarte sowie das passende Startdeck, im Spiel benannt als Taktikkarten. Zum möglichen Ausbau des Startdecks wird eine Auslage aus Beutekarten vorbereitet, welche im Laufe des Spiels erworben werden können. Die gegnerischen Helden werden gemeinsam mit den passenden Szenariokarten zu einem Gildenstapel gemischt und auf das gewählte Schwierigkeitsplättchen gelegt, dann geht es ab in den Dungeon.

Das Verlies

Das Verlies besteht aus unterschiedlichen Räumen, die durch Türen oder Portale benachbart zueinander begehbar sind. In manchen Räumen können Ressourcen produziert werden, welche in anderen Räumen zu neuen Taktikkarten aus der Beuteauslage umgewandelt werden können. Durch Aktionen der Spielenden kann zum Beispiel in der Gruft ein Knochen in den Raum gelegt werden, mit dem im Streichelzoo ein Biest ins eigene Deck gelockt werden kann. Ein besonderer Raum im Dungeon sind die Gefängniszellen, dessen Aktion einmal pro eigenem Zug genutzt werden kann: Um drei weitere Karten vom eigenen Nachziehstapel ziehen zu dürfen, muss ein Held vom Gildenstapel in die Gefängniszellen geworfen werden. Diese Aktion kann taktisch genutzt werden, um den Durchlauf des Gildenstapels zu beschleunigen, allerdings mit dem Risiko, dass die Helden aus dem Gefängnis ausbrechen und Schätze plündern. Zwei weitere Spezialräume kommen in späteren Szenarien hinzu.

Die Monsterclans

Beschreibung und Übersichtskarte vom Echsenvolk
Beschreibung und Übersichtskarte vom Echsenvolk

Alle Monsterclans haben einen besonderen Schwerpunkt und eine Spezialfähigkeit. Manche Monster sind gut im Angriff, andere in der Verteidigung und manche eignen sich besonders zur Unterstützung. Außerdem bestehen alle Monsterclans aus einer unterschiedlichen Anzahl von Monstern. Für jedes Szenario gilt es zu überlegen, welche Monsterclans gewählt werden, um den Dungeon erfolgreich zu verteidigen. Dabei hilft zum einen eine Beschreibung aller Clans in der Anleitung, als auch die Übersichtkarten, auf denen die Anzahl und Spezialfähigkeit der Monster, Lebenspunkte und der Startraum zu sehen sind.

Der Spielzug

Ein Spielzug besteht aus fünf Phasen:

1. Karten spielen:

Phasenübersicht und fünf von zehn Startkarten vom Echsenvolk
Phasenübersicht und fünf von zehn Startkarten vom Echsenvolk

Zu Beginn des Spiels haben alle Mitspielenden fünf Karten auf der Hand, welche Aktionen für die eigenen Monster möglich machen. Alle Handkarten dürfen ausgespielt werden, können aber auch auf der Hand behalten werden, beispielsweise um Verteidigungskarten für die später erfolgende Heldeninvasion aufzusparen. Sind auf einer Karte mehrere Symbole abgebildet, können die Aktionen auch auf verschiedene Monster in unterschiedlichen Räumen des eigenen Clans aufgeteilt werden. Wird beispielsweise eine Karte mit dem Schuh-Symbol und der Zeigefingerhand ausgespielt, kann sich ein eigenes Monster aus einem Raum in einen benachbarten Raum bewegen, während die Zeigefinger-Aktion von einem anderen eigenen Monster in einem anderen Raum genutzt werden kann. Mit der Zeigefingerhand wird die Aktion Aktivieren ausgelöst, mit der zum Beispiel die individuelle Monsterclan-Spezialfähigkeit oder die besondere Raum-Aktion genutzt werden kann. Andere Aktionen dienen beispielsweise zum Bekämpfen der Helden. Alle Aktionssymbole, die auf Karten oder Verlies-Räumen auftauchen, sind auf der Rückseite der Anleitung übersichtlich dargestellt. In den ersten Spielrunden ist diese Übersicht sehr hilfreich, die Ikonographie ist aber – besonders für geübte Vielspielende – recht eingängig, intuitiv und schnell erlernbar.

2. Beute austauschen:

Biester, Schriftrollen, Ausrüstung und Tränke in der Beuteauslage
Biester, Schriftrollen, Ausrüstung und Tränke in der Beuteauslage

Innerhalb eines Spielzugs darf jederzeit eine eigene Handkarte abgeworfen werden, um beliebig viele Karten aus der Beuteauslage abzuwerfen und neue nachzuziehen.

In der Beuteauslage können sich bis zu vier verschiedene Kartenarten befinden, mit denen das eigene Deck ausgeweitet werden kann: Biester, Ausrüstung, Schriftrollen und Tränke. Jede der vier Kartenarten hat dabei einen bestimmten Schwerpunkt, den es passend zu Monsterclan und Schwierigkeitsgrad abzuwägen gilt.

Besonders im leichten Spielmodus kann die erste Welle des Gildenstapels dafür genutzt werden, neue Taktikkarten zu erwerben, da die Aktionen nicht für die dringende Verteidigung benötigt werden. In härteren Spielmodi sieht das schon anders aus, daher kann es sich dann besonders lohnen, die Beuteauslage auszutauschen, um bestimmte Taktikkarten in die Auslage zu bekommen und das eigene Deck zu optimieren.

3. Nachziehen:

Wurden alle gewünschten Handkarten benutzt, wird nun wieder auf fünf Handkarten nachgezogen.

4. Heldeninvasion:

Die Helden stürmen den Dungeon. Jetzt werden – je nach Schwierigkeitslevel von moderat bis unbarmherzig – ein bis drei Heldenkarten vom Gildenstapel gezogen. Es gilt den Gildenstapel in zwei Wellen durchzuspielen, dann ist das Spiel bei erfolgreicher Verteidigung des wertvollsten Schatzes gewonnen. Im moderaten Modus decken die aktiven Mitspielenden in der ersten Welle eine Karte, in der zweiten Welle zwei Karten vom Gildenstapel auf. Die Karten zeigen jeweils an, welche Art Held in welchem Raum auftaucht. Die vier verschiedenen Heldenarten haben dabei jeweils eine Spezialfähigkeit, die ausgelöst wird, sobald ein Raum von ihnen betreten wird. Die Bogenschützin schießt in den Raum Richtung Schatzkammer und verursacht dabei möglicherweise einem Monster Schaden, der Krieger klaut alle Ressourcen, die im Raum liegen, die Schurkin entfernt alle Fallen des Raumes und der Magier aktiviert alle Helden im Gefängnis, aber nur, wenn er selbst dort den Raum betritt.

Nachdem die Helden ihre Spezialfähigkeit ausgeführt haben, wird der Raum von ihnen in einer bestimmten Reihenfolge nach Fallen, Monstern und Schätzen abgesucht. Bis dieser Ablauf von den Spielenden verinnerlicht ist, kann auf die Übersicht auf der Rückseite des Verliesführers zurückgegriffen werden.

Eine Falle fügt Helden einen Schaden zu und räumt sie damit aus dem Weg, denn alle Helden haben jeweils einen Lebenspunkt. Ist keine Falle im Raum, greifen Helden Monster an, die dadurch einen Lebenspunkt verlieren. Danach werden die Helden auf die inaktive Seite gedreht. Sind weder Fallen noch Monster in einem Raum, stürzen sich die Helden auf die verschiedenen Schätze im Wert von eins bis vier. Um einen Schatz zu plündern, müssen so viele aktive Helden im Raum sein wie der Wert eines Schatzes. Ein geplünderter Schatz wird umgedreht und die negative Konsequenz wird ausgeführt. Weil zu Spielbeginn alle Schätze verdeckt gemischt und verteilt werden, ist beim Umdrehen der Schätze immer etwas Spannung und Glück im Spiel.

Der Schatz mit Wert zwei wurde von zwei Helden geplündert und umgedreht. Jeder Monsterclan muss eine Handkarte abwerfen.
Der Schatz mit Wert zwei wurde von zwei Helden geplündert und umgedreht. Jeder Monsterclan muss eine Handkarte abwerfen.

Die negative Konsequenz eines Schatzes kann beispielsweise der Verlust einer Handkarte von jedem Monsterclan sein oder aber die Neuaktivierung aller Helden im Raum. Die gilt es zu vermeiden, denn ist ein Raum vollkommen leer, rücken alle aktiven Helden einen Raum weiter Richtung Schatzkammer zum wertvollsten Schatz. Eine gute Verteidigung durch Fallen, Monster oder Handkarten ist also unerlässlich.

Zu den vier Heldenarten des Gildenstapels werden außerdem noch die passenden Szenariokarten gemischt, die jeweils andere Auswirkungen auf das Spiel haben und jedes Szenario einzigartig machen.

5. Ende des Zugs:

Nach der Invasion der Helden wandert der Initiativemarker zum nächsten Monsterclan. Je nachdem wie gebieterisch sich die Mitspielenden fühlen, wird dieser auf die Seite der Peitsche oder Fackel gedreht, ein nettes Gimmick, was aber keine Auswirkungen aufs Spiel hat. Solospielende sind direkt wieder am Zug, eventuell mit einem anderen Monsterclan, je nachdem wie viele Clans zu Beginn des Spiels gewählt wurden. Im Spiel zu viert kann es dann zu etwas Downtime kommen und es lohnt sich mit einer kommunikativen Gruppe zu spielen, die Lust auf ein Koop-Spiel hat.

Ausstattung

Helden müssen draußen bleiben bietet neben vielen Monsterdeck-, Gilden- und Beutekarten eine Menge anderes Material. Sowohl die einseitig bedruckten Verliesräume als auch Ressourcen- und Heldenplättchen sind aus stabiler Pappe. Die insgesamt 45 Monster aus dickem lackiertem Holz spielen nicht nur thematisch die Hauptrolle, sondern stechen auch optisch und haptisch hervor. Alle Teile kommen in der gut sortierten Schachtel unter, die mit einem Plastik-Inlay ausgestattet ist. Bei Transport und senkrechter Lagerung gerät das Spielmaterial allerdings trotz Inlay durcheinander.

Schachtel-Inlay und Rückseiten von Anleitung und Verliesführer
Schachtel-Inlay und Rückseiten von Anleitung und Verliesführer

Das Regelheft ist mit vielen Beispielen ausgestattet und übersichtlich gestaltet, was das Nachschlagen bei aufkommenden Fragen im Spielverlauf erleichtert. Die Regeln und die Ikonographie des Spiels gehen über das Familienspiel-Level hinaus, sind aber für erfahrene Spieler*innen leicht zugänglich. Neben der Anleitung gehört auch der Verliesführer zur Ausstattung. 20 verschiedene Szenarien werden mit einem kurzen unterhaltsamen Text eingeleitet und lassen sich sowohl eigenständig als auch im Kampagnenmodus spielen. Durch die vielfältigen Variationen des Spiels und manche deutschen Formulierungen kann es allerdings gelegentlich hilfreich sein, Fragen durch Nachschlagen der englischen Regeln aus dem Weg zu räumen.

Sowohl beim Verliesführer als auch beim Regelheft wurden die Rückseiten genutzt und bieten damit die Möglichkeit für einen schnellen Überblick über Spielzugablauf, Aktionsmöglichkeiten und Reihenfolge der Heldeninvasion.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mirakulus, Brüeh Games
  • Autor*in(nen): Luís Brüeh
  • Illustrator*in(nen): Luís Brüeh
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: deutsch
  • Spieldauer: 40 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Preis: 55 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Bonus/Downloadcontent

Beim Verlag selbst gibt es leider keinen Download, eine andere deutsche Ausführung der Regeln ist aber auf BoardGameGeek zu finden, ebenso wie eine andere deutsche Version vom Verliesführer.

Ein Blick in die englischen Regeln kann sich ebenso lohnen wie das Durchforsten vom BoardGameGeekForum, wo der Autor selbst manche Fragen beantwortet.

Zur optischen Erinnerung der Aktionsnutzung kann der Gefängnismarker ausgedruckt werden, ebenfalls auf BoardGameGeek. Dort gibt es auch eine Datei für 3D-gedruckte Token Inserts, die für mehr Ordnung im Spiel sorgen.

Wer auch die Helden spielen und als Holzmeeple auf das Spielbrett bringen möchte, benötigt die Erweiterung Die Rache der Heldengilde.

Fazit

Schon beim ersten Blick auf das Schachtel-Cover besticht Helden müssen draußen bleiben mit verspielter Schrift und niedlichem Design. Die unschuldige Erscheinung zieht sich passend durch das gesamte Spiel über Karten, Plättchen und Monster. Rein optisch wirkt der Dungeon Keeper nicht so hart wie er tatsächlich werden kann, was bei Neulingen falsche Erwartungen wecken und zu Frust führen kann. Alle Fans von Kenner*innenspiele können sich freuen, dass ein anspruchsvolleres Spiel mit niedlicher Optik ausgestattet ist.

Die sehr niedlichen Monsterclans in aufsteigender Reihenfolge
Die sehr niedlichen Monsterclans in aufsteigender Reihenfolge

Mit 20 verschiedene Szenarien und der Kampagne bietet das Spiel eine Menge Varianz, die durch die Vielzahl an Kombinationen aus verschiedenen Monsterclans und Schwierigkeitslevel gesteigert wird. Der Wunsch nach noch mehr Abwechslung muss da erstmal aufkommen, trotzdem ist es ein bisschen schade, dass die Verliesplättchen nicht doppelseitig mit noch mehr Räumen bedruckt sind.

Weil jede Partie anders ist, kann schnell der Wunsch nach einer nächsten Runde oder einem anderen Szenario aufkommen, entweder auf der Suche nach der passenden Kombination aus Monsterclans oder einfach mit den Lieblingsmonstern. Durch Besonderheiten in Szenarien und Varianz an Möglichkeiten kann es dabei schon mal zu Regelunklarheiten kommen.

Insgesamt bietet Helden müssen draußen bleiben viele Stunden Spielspaß, besonders für Solospielende aber auch alle Freund*innen von kommunikativen Koop-Spielen und bekommt deswegen fünf von fünf Echsen.

  • niedliche Optik im Bereich Kenner*innenspiel
  • hohe Variabilität
  • großer Wiederspielreiz

 

  • Verliesräume nicht doppelseitig bedruckt
  • kleine Regel-Unklarheiten

 

Artikelbilder: © Mirakulus
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Nele Peetz
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Über die Autorin

Nele Peetz liebt Spiele, Geschichten und Quatsch und kann das glücklicherweise privat und beruflich ausleben. Sie hat eine Schwäche für liebevoll gestaltete Spiele mit niedlichem Material und freut sich dabei besonders, wenn Wert auf Diversität gelegt wurde. Ist dann noch alles gut sortiert, kann sie stundenlang in Spielwelten eintauchen und sich darin verlieren.

3 Kommentare

  1. Auch ein sehr schönes Spiel für Fantasy affine Kinder.
    Ich kämpfe mich derzeit mit meiner Tochter (11Jahre) in wechselnder Monster-Besetzung durch die Scenarien.

    Anmerkung: Ende letzten Jahres wurde der Kickstsrter für eine große Erweiterung zu Keep the Heroes out erfolgreich abgeschlossen. Für fiejenigen (eie mich) die die deutsche Übersetzung nicht abwdeten können, ist ein late Pledge noch möglich.

  2. Wie schön! Habt ihr Lieblingsmonster oder guckt ihr jedes Mal, welche sich für das Szenario am besten eignen?

    Danke auch für den Hinweis zum Late Pledge. Habe ich mir grade angeguckt und möchte am liebsten sofort das Einhorn spielen und Regenbogen-Überraschungen verteilen. 🥰

  3. Meine Tochter mag die „Blobs“ am liebsten und ich bin ein Rattenfreund. Aber auch der große Träumer bringt Spass, genau wie der Drache und die Gnolle müsste ich auch mal wieder spielen…
    Eigentlich stellen wir unsere Monster ohne Synergiegedanken je nach Laune zusammen.
    Das macht das Spiel manchmal schwerer, aber den Sieg dann um so schöner.

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