Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Tief in einem dunklen Verließ warten unermessliche Schätze auf wagemutige Held*innen, die hinabsteigen, um die Reichtümer zu bergen. Goblins, Trolle, Drachen und andere unsagbare Monstren warten dort auf sie. Das klingt altbacken? Nein, denn Dungeon Drop ist ein ausgefallener Dungeon Crawler.

Das Genre der Dungeon Crawler hat viele berühmte Ableger. Es gibt kaum jemanden, der noch nie etwas vom Urvater des Genres HeroQuest oder in neuerer Zeit von Gloomhaven gehört hat. Nun gibt es einen weiteren äußerst ungewöhnlichen Vertreter dieser Spielegattung: Dungeon Drop.

Bei Dungeon Drop handelt es sich nicht um einen typischen Dungeon Crawler, auch wenn der Name des Spiels darauf hindeutet. Hier geht es um Geschicklichkeit und um ein gutes Augenmaß. Wo andere Vertreter des Genres mit großen Materialschlachten aufwarten, kommt Dungeon Drop in einer kleinen Spielschachtel, aber in dieser verbirgt sich eine ganze Menge Spielspaß.

Triggerwarnungen

keine typischen Trigger

[Einklappen]

Spielablauf

Die Spielschachtel ist ein kleiner Würfel, in dem sich der gesamte Inhalt des Spieles befindet. Das Spiel besteht vor allem aus einer großen Anzahl kleiner Würfel. Diese Würfelchen in unterschiedlichen Farben und zwei unterschiedlichen Größen repräsentieren die Gegenstände und Monster im Dungeon. So sind beispielsweise die grünen Würfel Monster, die goldenen und durchsichtigen Würfel Schätze. Auch gibt es Schatztruhen und dazugehörige Schlüssel. Eine besondere Bedeutung haben jedoch die grauen Würfel, diese werden „Säulen“ genannt.

Übersicht über die verschiedenen Würfel
Übersicht über die verschiedenen Würfel

Zunächst bekommen alle zu Spielbeginn einen Charakter. Der Charakter besteht aus zwei Karten, der Charakterkarte und der Klassenkarte. Die Charaktere haben jeweils auf der Charakter- und der Klassenkarte eine individuelle Fähigkeit. Außerdem sind die Lebenspunkte und der Initiativewert festgehalten. Zudem erhalten die Spielenden eine Questkarte anhand derer sie sehen, welche Schätze sie sammeln müssen, um Siegpunkte zu erhalten.

Um das Spiel aufzubauen, werden zuerst die kleinen und großen Würfel getrennt. Die kleinen Würfel werden dann, gemeinsam mit dem Drachenwürfel, aus 15 bis 30 Zentimetern Höhe auf den Tisch fallen gelassen. So wie die Würfel gefallen sind, müssen diese nun erst einmal liegen bleiben. Auf welcher Seite sie liegen ist dabei unerheblich.

Charakterkarten und eine Questkarte
Charakterkarten und eine Questkarte

Ein Spielzug ist in drei Aktionen unterteilt. Die erste Aktion ist das Erkunden. Man zieht blind eine von der Spielendenzahl abhängige Anzahl der großen Würfel aus der Spielschachtel und lässt diese in den Dungeon fallen. So kommen neue Würfel auf das Spielfeld, welches sich dadurch ständig verändert. Hierbei kann auch versucht werden, andere Würfel durch geschicktes Einwerfen zu treffen und so zu bewegen.

In der zweiten Aktion, dem Aktivieren, können die Spielenden eine der beiden Fähigkeiten des eigenen Charakters nutzen. So kann beispielsweise der Bestienmeister kleine Monster-Steine schnipsen, um so Schätze, die getroffen wurden, zu ergattern. Ein Zwerg kann einen Goldwürfel als Säule verwenden, während ein Adlerkrieger mit seiner Fähigkeit aus vier Säulen einen Raum bilden kann. Durch die verschiedenen Kombinationen der Charakterkarten entstehen sehr viele Möglichkeiten, Einfluss auf das Spiel zu nehmen.

Bei der dritten Aktion, dem Plündern, muss nun geschaut werden, wo ein Raum im Dungeon zu finden ist. Ein Raum besteht in der Regel aus drei grauen Würfeln, den Säulen. Innerhalb dieses Raumes oder dessen Grenze dürfen sich keine weiteren Säulen befinden. Wenn ein Raum gefunden wurde, können alle Würfel, die sich innerhalb dieses Dreieckes oder auf dessen Grenze befinden, eingesammelt werden. Bestenfalls sind dies Schätze und damit, je nach Quest, Siegpunkte. Sollte sich ein Monster im Raum befinden, so muss dieses auch mit aufgenommen werden. Monster werden als Schadensmarker auf die Lebenspunkte des eigenen Helden gelegt. Die Helden können nicht sterben. Sind keine Lebenspunkte mehr übrig, kann kein weiterer Raum gelootet werden, in dem sich ein Monster befindet. Es sei denn, man findet einen Heiltrank im Dungeon, um Lebenspunkte zurückzuerhalten.

Eine Besonderheit ist der Drache. Er kann nicht einfach besiegt werden, denn er verursacht mehr Schaden als die Held*innen Lebenspunkte haben. Der Drache blockiert also meist Räume. Mit Hilfe eines magischen Schildes, der auch im Dungeon zu finden ist, ist es möglich auch ihn zu besiegen.

Der aufgebaute Dungeon mit den offiziellen Spielmatten und Banden
Der aufgebaute Dungeon mit den offiziellen Spielmatten und Banden

Nachdem im aktuellen Spielzug die Würfel aus dem Raum eingesammelt wurden, ist der*die Nächste am Zug. Waren so alle am Zug endet die Runde. Die Zugreihenfolge in der nächsten Runde wird durch die Anzahl der gesammelten Schätze ermittelt. Wer die wenigsten Schätze hat fängt an. Bei gleicher Anzahl an Schätzen entscheidet der geringere Initiativewert die Reihenfolge, der am Gleichstand Beteiligten. Gespielt wird über drei Runden.

Es ist vor allem entscheidend, ob man die Bedingungen der eigenen Quest erfüllt hat. Aber auch Gold, der Drache und Monster geben Siegpunkte. Hat man eine Schatztruhe und einen Schlüssel ergattern können, kann diese geöffnet werden. Dazu wird der Schatztruhenwürfel geworfen, die angezeigte Augenzahl entspricht den Siegpunkten. Ein großartiges Spielelement! Wer am Ende der dritten Spielrunde die meisten Siegpunkte hat gewinnt, bei Gleichstand entscheidet der höchste Initiativewert über den Sieg.

Neben dem Solomodus „Solo Spelunker“ gibt es zusätzlich das „Heldenhafte Teamwork“. Für diesen Spielmodus erhalten alle Spielenden am Anfang eine Spielfigur.

Teamwork klingt kooperativ, ist aber eher ironisch gemeint, denn eigentlich geht es darum, den anderen das Leben schwer zu machen. Diejenigen, die nicht am Zug sind können ihren Spielstein in mögliche Räume stellen. Sollte dieser Raum im aktuellen Spielzug gewählt werden erhalten alle, die ihre Figur dort abgestellt haben, einen Extrapunkt.

Ausstattung

Das Material der normalen Edition ist recht einfach. Es handelt sich um verschiedenfarbige Würfelchen, die mit Ausnahme der Schatztruhen und der Schlüssel, nicht bedruckt sind. Dazu kommen die Charakterkarten, die Quest-Karten und das Material für die verschiedenen Spielmodi.

Vergleich normale Edition / Deluxe Edition
Vergleich normale Edition / Deluxe Edition

Anders ist dies in der Deluxe-Variante des Spiels. Bei dieser sind die Monsterwürfel bedruckt. Außerdem sind zu den Charakteren passende Holzfiguren für das „Heldenhafte Teamwork“ enthalten. Dies macht das Spiel optisch um einiges interessanter und dürfte auch Menschen mit Farbfehlsichtigkeit entgegenkommen. Besonders die als Erweiterungen gelieferten Skelett- und Gallertwürfel sehen großartig aus und bringen zusätzlichen Pep ins Spiel.

Das Artwork ist gut umgesetzt. Niedlich, aber nicht zu niedlich. Dies passt hervorragend zur allgemeinen Leichtigkeit des Spieles. Die Produktionsqualität ist gut, der Preis des Spieles ist angemessen.

Da es im eigentlichen Sinne kein Spielfeld gibt, bietet Phase Shift Games Banden und zwei für das Spiel zugeschnittene Spielmatten an. Die rechteckigen Spielmatten können dazu verwendet werden, dass Spielfeld je nach Spieler*innenanzahl zu verändern. Die dazu gelieferten Banden sorgen dafür, dass die Würfel nicht unkontrolliert umherfallen. Alles wirkt hochwertig verarbeitet, es bleiben keine Wünsche offen. Ein absolutes Must-have!

Zusätzlich bekommt man auch das „Stringy-Thing“, ein sehr nützliches Accessoire. Indem man das Band zwischen Säulen spannt, kann man genau sehen, ob Gegenstände innerhalb oder außerhalb der Grenze des gewählten Raumes liegen. Darüber kann es am Tisch zu Diskussionen kommen, aber mit dem „Stringy-Thing“, einem umfunktionierten Schlüsselanhänger, lässt sich dies einfach nachprüfen.

„Stringy-Thing“
„Stringy-Thing“

Die Erweiterungen Dropped too Deep und Wizards & Spells

In der Erweiterung Dropped too Deep finden sich eine Handvoll neuer Charakterkarten, außerdem gesellen sich zum Drachen neun neue Boss-Monster mit verschiedensten Eigenschaften. Die großen Monster sind an berühmte Kreaturen aus verschiedenen Rollenspielen und Romanen angelehnt. So gibt es beispielsweise Cthulhu oder den Betrachter. Diese bringen zusätzliche Tiefe ins Spiel, da sie verschiedene Sondereffekte auslösen.

Die zusätzlich mitgelieferten Schadensmarker können zum Markieren von erhaltenem Schaden verwendet werden. So müssen nicht mehr die Monsterwürfel auf die Charakterkarten gelegt werden. Dies erhöht die Übersicht deutlich. Außerdem gibt es für den Teamwork-Modus zu den Charakteren passende Spielerfiguren aus Holz. Die zwei Rüstungswürfel, die der Erweiterung beiliegen, ermöglichen es zudem, leichter große Monster zu besiegen.

Dropped to Deep und Wizards & Spells
Dropped to Deep und Wizards & Spells

Obendrauf gibt es noch einen weiteren Spielmodus, der „Furchtlose Gefährten“ heißt. Bei diesem Modul müssen spezielle Aufträge gemeinsam erfüllt werden. Die kleine Schachtel enthält also jede Menge zusätzlichen Inhalt. Top!

Die Erweiterung Wizards & Spells bringt Zaubersprüche ins Spiel. Im Modus „Finstere Zauber“ können diese verwendet werden, um das Spiel etwas konfrontativer zu gestalten. Die Zauber können aktiviert werden, um das Dungeon zu beeinflussen. Das bringt deutlich mehr Interaktivität ins Spiel.

Bei der Spielvariante „Böser Zauberer“ treten alle Spielenden gemeinsam gegen den „Bösen Zauberer“ an. Diese kooperative Variante verändert das Spielerlebnis noch einmal grundlegend. Zudem enthält die Erweiterung alle Spielmaterialien für eine zusätzliche Person und einen wunderschönen kleinen Stoffbeutel. Wizards & Spells ist eine hervorragende Erweiterung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mirakulus / Phase Shift Games
  • Autor*in(nen): Scott R. Smith
  • Illustrator*in(nen): Marilia Nascimento
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 10–20 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) 2 3 4 (5)
  • Alter: 8+
  • Preis: 20 EUR (Grundspiel)
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt einige Promos und Minierweiterungen.

Die Spielregeln findet man auf der Homepage des Verlages zum Download. Eine inoffizielle deutsche Übersetzung kann man hier herunterladen.

Besonders gelungen finde ich den offiziellen Online-Generator Tinkerer´s Toolkit mit dem neue Charakter- und Questkarten erstellt werden können. Hier kann man sich nach Herzenslust neue Charaktere und Fähigkeiten für das Spiel ausdenken. Eine fantastische kostenlose Ergänzung!

Fazit

Dungeon Drop ist ein extremes Leichtgewicht und damit ist nicht die kompakte Verpackung gemeint. Was sich vordergründig als Dungeon Crawler präsentiert, ist hinter der Fassade eines Fantasy-Spiels ein ungewöhnliches Geschicklichkeitsspiel, das rundum gelungen ist.

Man spürt beim Spielen schnell wieviel Liebe zum Detail in Dungeon Drop eingeflossen ist. Vom Artwork bis hin zu den bedruckten Würfeln der Deluxe-Variante wirkt alles einfach stimmig. Es macht Spaß, über den ausgeschütteten Würfeln zu grübeln, wo der beste Raum ist und welche Edelsteine man braucht, um besonders viele Siegpunkte zu erzielen. Dabei ist das Spiel sehr kurzweilig. Nichts wird künstlich in die Länge gezogen, der Spielablauf ist angenehm flüssig. So spielt man meist nicht nur eine Partie. Die verschiedenen Kombinationen der Charaktere und die unterschiedlichen Aufgaben bringen eine Varianz ins Spiel, die nahezu unendlich erscheint.

Der einzige Wermutstropfen ist der Preis. Das Grundspiel kostet zwar nur 20 Euro, was ein guter Einstiegspreis ist, doch mit allen Erweiterungen, Spielmatten und Banden kostet das Spiel um die 100 Euro. Dungeon Drop ist jedoch durch seinen modularen Aufbau immer für eine Überraschung gut. Vom Solomodus, kooperativem One vs. Many bis zu konfrontativen Spielmodi ist hier alles enthalten, was das Spieler*innenherz begehrt. Man bekommt also mit allen Erweiterungen mehrere Spiele in einem. Von daher kann ich all denen die das Grundspiel mögen, die Erweiterungen wärmstens ans Herz legen. Die Spielmatten und die dazugehörigen Banden sind außerdem ein Must-have.

Dungeon Drop ist ein ideales Spiel für Einsteiger*innen, wie auch alteingesessene Spielende, die ein schönes Warmup-Spiel oder einen Absacker spielen wollen und auf Grund der einfachen, schnell erklärten Regeln ist es ideal für Kinder.

Alles in allem ist Dungeon Drop das perfekte Spiel für Zwischendurch!

 

  • Innovative Spielidee
  • Hoher Wiederspielwert
  • Kompakt
 

  • Kein echter Dungeon Crawler
  • Mit allen Erweiterungen teuer

 

Artikelbilder: © Mirakulus / Phase Shift Games
Layout und Satz: Verena Kröger
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Andreas Memmert

Dieses Produkt wurde privat finanziert.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein