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Legacy Games – Kampagnen-Brettspiele, die man von Partie zu Partie weiterentwickelt, indem man Kisten öffnet und neues Spielmaterial entdeckt, das Brett bemalt oder beklebt, Karten hinzufügt oder zerreißt, Charaktere erschafft, ausbaut oder tötet – erobern den Markt. Welche gibt es bereits? Und was kommt noch auf uns zu?

Nachdem wir Siedler, Bohnanza und Carcassonne rauf und runter gespielt hatten, bekam meine erste regelmäßige Brettspielrunde Ende der 90er Jahre ein Motto: „Das Leben ist zu kurz, um ein Spiel zweimal zu spielen.“ Zwischenzeitlich hatte der ein oder andere zwar schon mal das Gefühl, dass es auch interessant sein könnte, Anfängerfehler zu verarbeiten und das Gelernte in einer zweiten Partie anzuwenden, aber ein paar von uns haben bereits damals schneller neue Spiele erworben, als wir sie „abarbeiten“ konnten. Mit fast 2.000 Neuerscheinungen auf der letzten Spielemesse wird dieses Problem nicht kleiner – entsprechendes Kleingeld und Regalplatz vorausgesetzt.

Eine Fülle an Spielmaterial und Erweiterungen versuchen dem Homo Ludens ein immer wieder anderes Spielerlebnis zu ermöglichen. Gerade kooperative Spiele sind, wenn sie sehr strategisch ausfallen, einmal geknackt, meist uninteressant, und so braucht es genug Zufallskomponenten und Variation, um einen gewissen Wiederspielbarkeitswert zu besitzen. Bei neuen Spielen gibt es immer wieder innovative Mechaniken, die dann von anderen kopiert, variiert oder sogar transzendiert werden.

Eine dieser Ideen, die eine Art Paradigmenwechsel in der Spielewelt einläutete, und die Spieler immer noch in zwei Lager spaltet, sind die von Rob Daviau erfundenen Legacy Games: Spiele, die man von Partie zu Partie für immer verändert, die über mehrere Spiele eine zusammenhängende sich weiterentwickelnde Geschichte erzählen, in denen man Entscheidungen trifft, die später Konsequenzen haben. Die Einflüsse von Rollen- und Computerspielen sind hier offenbar. Doch ein Spielbrett bemalen, Aufkleber anbringen und gar Spielkarten zerreißen – das tut manchem weh. Und jedes dieser Spiele hat ein Ziel und somit eine letzte Partie … danach kann man das Spiel ins Regal stellen, um neben den anderen zuzustauben. Schauen wir uns mal an, welche sieben Spiele in den letzten sieben Jahren so herausgekommen sind, wie sich das Legacy Game bis heute entwickelt hat und was die Zukunft so bringt.

Risiko Evolution / Risk Legacy (2011)

Man nehme einen Spiele-Klassiker von 1959, den fast jeder von uns schon mal gespielt hat, und der in vielen verschiedenen Versionen erhältlich ist, doch anstatt immer wieder von vorne anzufangen, verändern wir die Welt. So ähnlich muss der Grundgedanke von Rob Daviau gewesen sein. Die Welt ist (anders als im Original) nicht schon von Anfang an unter den Mitspielern aufgeteilt. Stattdessen startet jeder mit seiner Fraktion (für die man über die Zeit auch immer mehr Sonderfähigkeiten aussuchen darf) im Jahr 2128 auf einer geklonten Erde, die es neu zu besiedeln gilt.

Beginnend mit einem einzigen der 42 Länder, breitet man sich die ersten paar Runden erst einmal aus. Nach ein paar Runden stößt man dabei natürlich an seine Gegenspieler. Ab da gilt im Grunde das bewährte Spielprinzip mit bis zu drei Angriffs- und zwei Verteidigungswürfeln für den Kampf um Territorien, Verstärkungseinheiten durch Kartensets und gehaltenen Kontinenten. Man gewinnt eine Partie, ähnlich wie in den neueren Versionen des Spiels, durch das Sammeln von vier Siegpunkten, die unter anderem durch die Eroberung und das Halten der Hauptstadt eines Gegners zu erzielen sind.

Der Gewinner darf wählen und z. B. einen Kontinent benennen (um dort künftig eine Bonuseinheit mehr zu erhalten) oder eine Großstadt gründen (in der künftig nur noch er starten darf). Die Verlierer dürfen – sofern sie überlebt haben – Kleinstädte gründen, die einer Region eine Population mehr bescheren oder Länder-Karten upgraden, damit sie künftig mehr Bonuseinheiten einbringen. Wer die meisten der 15 Partien gewinnt, ist der Gesamtsieger und darf dem Planeten einen Namen geben. Danach könnte man theoretisch das Spiel mit dem letzten Setup weiterspielen.

In Puncto Aufholmechanismen starten alle, die noch nie gewonnen haben, mit einem Siegpunkt, so dass es zumindest recht unwahrscheinlich ist, dass jemand nie gewinnt. Außerdem sind die Siegerboni zwar sehr nett, aber zu Beginn jeder Partie sucht man sich reihum die beste Position auf diversen Tracks aus: Spielreihenfolge, Anzahl der Start-Einheiten, etc. und eben auch die Fraktion, mit ihren bisherigen Boni, so dass man nicht unbedingt etwas von seinem Bonus aus vergangenen Spielen hat.

Insgesamt ist es je nach Ausgestaltung der Gruppe allerdings recht wahrscheinlich, dass nach ca. zehn Runden nur noch zwei bis drei Spieler eine wirkliche Chance auf den Sieg haben, was für die Nachzügler die Motivation sicherlich dämmen kann. Wer aber mal wieder zurückkehren will zu diesem Klassiker (auch wenn es mittlerweile sicher einige strategischere 4X-Spiele gibt), der sollte vielleicht einen Blick auf diese recht unbekannte Variante werfen.

  • Autor: Rob Daviau, Chris Dupuis
  • Verlag: Hasbro, Heidelberger Spieleverlag
  • Spieleranzahl: 3, 4 oder 5
  • Spielzeit: 15 Spiele á 60 Minuten
  • Alter: 13+
  • Preis: ca. 70 Euro (deutsche Version), ca. 45 Euro (englische Version)
  • Bezugsquelle: Amazon (deutsche Version), Amazon (englische Version)

 

Pandemic Legacy Season 1 (2015)

Beim ersten Teil von Pandemic Legacy, das 2016 und 2017 Platz eins bei den BoardGameGeek Top-Spielen belegte, spielt sich die erste Partie fast noch komplett wie das kooperative Grundspiel. Vier verschiedene Viren verbreiten sich jeweils in einem Teil der Welt, und zwei bis vier mutige Spielercharaktere reisen von Großstadt zu Großstadt, um Kartensets gleicher Farbe zu sammeln und damit die vier Heilmittel zu entdecken. Gleichzeitig müssen sie diese Städte heilen, denn jede Spielrunde kommen neue Infektionen hinzu. Wenn dies irgendwo zu viele werden, droht man das Spiel zu verlieren. So muss man beständig zwischen dem kurzfristigen Eindämmen von akuten Gefahren und dem langfristigen Ziel des Spielsiegs abwägen, indem man gemeinsam die möglichst optimalen vier Spieleraktionen, die jeder hat, verplant.

Es gibt die klassischen Rollen, wie den Wissenschaftler (der leichter Heilmittel finden) und den Arzt (der besser Orte heilen kann), für die im Laufe des Spiels neue Fähigkeiten erworben werden können. Sie können Beziehungen miteinander eingehen, die beiden Vorteile bieten, aber sie können auch Narben erhalten (wenn sie in einem infizierten Ort ihren Zug beginnen) und bei zu vielen davon sogar sterben. Dafür kommen aber komplett neue Charaktere hinzu. Ohne zu spoilern lässt sich sagen, dass die Krankheiten mutieren und dadurch das Spielsystem sukzessive modifizieren. Jedes Spiel stellt einen Monat dar, für den es spezifische Spielziele gibt. Wenn man ein Spiel verliert, bekommt man eine zweite Chance für den jeweiligen Monat – wird diese Partie auch verloren, geht das in die Gesamtwertung mit ein.

Man startet mit vier mächtigen Aktionskarten (wie die allseits beliebte „ruhige Nacht“, in der keine Infektionen geschehen), wenn man gewinnt, erhält man zwei weniger fürs nächste Spiel, verliert man eine Runde, gibt es wieder zwei mehr.  So ergibt sich ein gewisses Balancing. Falls die Gruppe vier Partien nacheinander verlieren sollte, gibt es sogar noch eine große Hilfe.

Anders als bei Risiko gibt es hier nicht nur ein großes Spielziel und Kisten zu öffnen, sondern auch eine sich entwickelnde Geschichte, die großenteils linear erzählt, deren Ende aber von den Spielern beeinflusst wird und in der durchaus Wendungen passieren – seid gewarnt!

  • Autor: Rob Daviau, Matt Leacock
  • Verlag: Z-Man Games, Asmodee, Heidelberger Spieleverlag
  • Spieleranzahl: 2, 3 oder 4
  • Spielzeit: 12-24 (ca. 15-18) Spiele á 60 Minuten
  • Alter: 13+
  • Preis: ca. 50 Euro (blau), ca. 70 Euro (rot)
  • Bezugsquelle: Amazon (blau), Amazon (rot)

 

Seafall (2016)

Nach dem großen Erfolg, insbesondere von Pandemic, hatte sich Rob Daviau bereits so einen Namen gemacht, dass der dritte Legacy-Titel nicht auf einem erfolgreichen anderen Spiel aufsetzte, sondern ein eigenständiges Spiel wurde. Vielleicht waren Vorab-Hype und Erfolgsdruck deswegen zu groß, denn das Spiel kam bei Kritikern und Spielergemeinde nicht sehr gut an.

Jeder Spieler hat dabei zwei Schiffe, mit denen er über Seefelder von Insel zu Insel fahren kann, um Handel zu treiben, sein Schiff und seinen Hafen auszubauen, neue Orte zu entdecken und sie oder auch die anderen Spieler auszurauben. Im weiteren Spielverlauf fährt man dann immer weiter raus aufs offene, unerforschte Meer, um dort weitere Inseln zu entdecken (aufzukleben), auf denen größere Gefahren lauern. Mit Handel, Entdecken und Rauben gibt es auch recht unterschiedliche Siegesoptionen.

Gerade beim Entdecken gibt es oft Entweder-oder-Entscheidungen aus einem großen Buch mit nettem Flavour-Text für Vor- oder Nachteile. Inseln (oder Gegner) die man bereits beraubt hat, sind aber auch nachtragend, und so ist es später schwieriger, sich ihrer Rohstoffe oder Schätze zu bemächtigen. Ein wesentlicher Teil des Spiels sind Beraterkarten, die man käuflich erwerben kann und von denen man eine pro Zug einsetzen darf für mächtige Boni, die man am Ende des Spiels, wie auch die Grundwerte seines Schiffs, noch verbessern kann. Von den Beratern darf man jedoch nur einen behalten.

Ein solides Spiel, in dem man sein Schiff mit neuen, besseren Segeln oder anderen Ausbauten ausstattet, die man jedoch alle für jede weitere Partie komplett wieder zurücksetzen muss. Auch das lineare Brett, bei dem man nur in eine Richtung reisen kann, wirkt irgendwie hölzern, auch wenn man versteht, dass eine Ausbreitung in alle Richtungen dafür sorgen würde, dass sich Spieler nicht mehr begegnen und somit komplett nebeneinander her spielen würden.

In jeder Partie geht es um einen Punkt mehr als in der vorherigen, allerdings macht man auch mehr Punkte, so dass sich alle ähnlich lang spielen und – wie bei einem Aufbauspiel – meist schneller beendet sind, als man zunächst dachte. Startspieler (was ein deutlicher Vorteil ist) wird derjenige mit den aktuell wenigstens Gesamtpunkten und dieser erhält auch am meisten Boni; danach kommt der mit den zweitwenigsten Punkten usw. In jeder Runde gibt es noch spezielle Spielziele – diese zu erreichen und eine Partie zu gewinnen bringt mächtige Boni für die restlichen Spiele.

Wenn man etwas in den Foren liest, findet man heraus, dass sich in vielen Spielerunden recht früh ein Sieger abgezeichnet hat, den die anderen nicht mehr einholen konnten. In meiner Runde wird dies auch befürchtet – vielleicht haben wir es deshalb noch nicht beendet … Seafall enthält viele schöne Ideen, von denen aber leider manche etwas zu sehr mit dem Holzhammer durchgesetzt werden. Es ist das einzige Spiel auf dieser Liste, welches nicht mit maximaler Spieleranzahl am besten sein soll und zumindest die englische Ausgabe ist recht günstig zu erwerben.

  • Autor: Rob Daviau, JR Honeycut
  • Verlag: Ironwall Games, Plaid Hat Games, Heidelberger Spieleverlag
  • Spieleranzahl: 3, 4 oder 5
  • Spielzeit: 12-20 Spiele á 120 Minuten
  • Alter: 14+
  • Preis: 80 Euro (deutsche Version), ca. 30 Euro (englische Version)
  • Bezugsquelle: Amazon (deutsche Version), Amazon (englische Version)

 

Pandemic Legacy Season 2 (2017)

Also doch lieber zurück zum bewährten Modell, auf dem riesigen Erfolg des Vorgängers aufzusetzen. Hierbei wird das Spielprinzip in vielerlei Hinsicht auf den Kopf gestellt. In ca. 100 Jahren ist die Menschheit dann doch fast ausgelöscht, und nur noch wenige Städte entlang des Atlantik werden von schwimmenden Inseln versorgt. Während in Teil eins böse Infektions-Marker auf Städte gelegt werden, die es wegzunehmen gilt, verteilt man hier zu jedem Spielbeginn die knappen Ressourcen, die weniger werden. Falls sie auf null sinken, kommt es zu einer Infektion der Stadt.

Natürlich werden auch die Charaktere wieder mit Sonderfähigkeiten ausgeschmückt und können bei zu vielen Narben versterben, allerdings können sie keine Beziehungen mehr eingehen. Ein großer Fokus des Spiels liegt vor allem darauf, die alte Welt wiederzuentdecken und nach und nach wieder ans Versorgungsnetz anzuschließen. Doch das dünnt die Ressourcen nur weiter aus. So muss man immer wieder entscheiden, welche Risiken man eingehen möchte, beim Versuch neue Versorgungszentren zu bauen (ersetzt das Spielziel Heilmittel zu finden, funktioniert jedoch analog), gleichzeitig aber auch in der Story weiter und dem absoluten Spielziel näherzukommen, bevor die Dezemberpartie nach 12-24 Runden auch dieses Spiel beendet.

Jede Stadt verfügt über eine Anfangsbevölkerung (1-3) und ebenso viele Karten sind auch zumeist im Infektionsdeck wie auch im Spielerkartenstapel. Städte mit Infektionen verlieren jedoch Bevölkerung, Versorgungszentren erhöhen sie. Sinkt der Wert einer Stadt auf null gilt sie als erloschen – mit unschönen Konsequenzen. Das Balancing geschieht, wie in Teil eins, durch mehr oder weniger Aktionskarten, die zur Verfügung stehen. Noch mehr als im klassischen Pandemic und dem noch sehr verwandten ersten Teil, bei dem man sich nur bereits infizierte Städte merken musste, die immer wieder auftauchen können, sorgt die Möglichkeit mehrerer Städte für eine ungleich höhere Komplexität, die man hinnehmen kann (und dadurch seine Schwierigkeit stark erhöht) oder die Optimierer dazu bringt, viel Nachzuhalten durch das Kartenzählen oder komplexe selbstgebaute Tabellen. 

Zu Pandemic Legacy Season 2 gibt es auch eine ausführliche Rezension von uns zu lesen.

  • Autor: Rob Daviau, Matt Leacock
  • Verlag: Z-Man Games, Asmodee
  • Spieleranzahl: 2, 3 oder 4
  • Spielzeit: 12-24 (ca. 15-18) Spiele á 60 Minuten
  • Alter: 13+
  • Preis: ca. 60 Euro (gelb), ca. 68 Euro (schwarz)
  • Bezugsquelle: Amazon (gelb), Amazon (schwarz)

 

 

Charterstone (2017)

James Stegmaier, spätestens als Entwickler von Scythe vielen interessierten Spielern nicht unbekannt, war der erste, der das Legacy-System auf ein sehr klassisches Spielprinzip anwandte: Das klassische Aufbauspiel im Sinne eines Worker-Placement-Games. Jeder der bis zu sechs Spieler hat ein Stadtviertel mit sechs Bauplätzen zur Verfügung, auf dem er Gebäude platzieren kann. Sobald ein Gebäude fertiggestellt (also sein Sticker von der entsprechenden Karte auf ein Feld auf dem Brett geklebt wurde), gilt die Karte als Kiste, die man öffnen kann, um weitere Karten, Gebäude, Gehilfen und weiteres zu erhalten.

Bauen, Kisten öffnen und sonstige Spielziele (für die man Siegpunkte erhält) erreicht man durch das Sammeln von und Eintauschen gegen sechs verschiedene Ressourcenarten (Kohle, Metall, Kürbisse …) wobei jedes Grundgebäude (erhalte eine Ressource X) quasi den unveränderlichen Kern eines der sechs Viertel darstellt. In jeder der 12 Partien gibt es zudem eine Zusatzregel und ein spezielles Spielziel, wodurch man seine Strategien immer wieder etwas anpassen muss.

Mit anfangs sechs allgemeinen Gebäuden und den Ressourcen-Gebäuden in den Vierteln ist das erste Spiel mit seinen beiden Spielfiguren noch recht überschaubar: Figur 1 in ein Gebäude, um es auszulösen (wenn man es bezahlen kann), dann Figur 2 ebenso und wenn man das dritte Mal dran ist, alle Figuren zurücknehmen, es sei denn ein anderer Spieler hat einem eine Figur zurückgebracht, weil er ein vorher besetztes Gebäude genutzt hat. Durch mehr und mehr Gebäude und weitere Sonderkarten erhöht sich die Komplexität recht schnell, aber sukzessive, bis man am Ende sein ganz eigenes Dorf (Spielbrett) hat, welches der Ewige König in der recht dünnen Meta-Geschichte florieren sehen will. Dabei gibt es auch ein paar Überraschungen und ungewöhnliche Ideen, über die Spieler sicherlich geteilter Meinung sein werden.

Das Spiel besticht vor allem durch sein niedliches und farbenfrohes Layout, wie auch den einfachen Einstieg –  beides hilft dabei auch jüngere oder Casual-Gamer zu infizieren. Sechs Spieler dauerhaft zusammenzubekommen ist jedoch ganz schön ambitioniert, so gibt es, mit den sogenannten Automata-Regeln, die Möglichkeit, Bots als Gegenspieler hinzuzufügen, was bei weniger als vier Spielern auch empfohlen wird. Andersfalls erhalten unbespielte Viertel schlicht ein zufälliges noch nicht gebautes Gebäude zu Beginn jedes Spiels.

Es gibt Regeln zum Weiterspielen nach der Kampagne, aber nicht nur durch das Wegfallen der Rahmenhandlung fehlt dabei irgendwas und durch den sehr unterschiedlichen Aufbau der Viertel, kann es auch recht unbalanced sein. Dies ist das erste Spiel, welches auch ein Upgrade-Pack bietet. Das Spielbrett ist bereits beidseitig bedruckt, im Upgrade-Pack erhält man ein neues Kartenset. Spieler, die das Spiel bereits durchhaben, haben gegenüber Neuspielern natürlich immense Wissensvorsprünge, aber wenn man noch mal andere Wege ausprobieren will, zahlt man so eben nur den Drittel des Originalspielpreises.

  • Autor: Jamey Stegmaier
  • Verlag: Stonemaier Games, Feuerland
  • Spieleranzahl: (1), 2, 3, 4, 5 oder 6
  • Spielzeit: 12 Spiele á 60 Minuten
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 60 Euro (deutsche Version), ca. 55 Euro (englische Version)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Gloomhaven (2017)

Beim aktuell erfolgreichsten Spiel im BoardGameGeek-Ranking handelt es sich um einen Dungeon Crawler, also ein Spiel, bei dem jeder einen Charakter/Helden hat, der gegen Gegner kämpft, hochlevelt und Beute sammelt, um sich auszurüsten. Viele der neueren Spiele dieser Art sind Kampagnen-Spiele, die sich von Legacy-Games dadurch abgrenzen, dass man sie zurücksetzen kann, um sie noch einmal zu spielen. Meist gibt es dann aber keine größeren Überraschungen in der Geschichte, und das Setup einzelner Kämpfe wird oft zufällig bestimmt aus der Menge verfügbarer Gegnerarten, um die Wiederspielbarkeit zu erhöhen. Oft sind solche Kampagnen 5-10 Spiele lang, in denen die Helden, aber auch die Gegner mächtiger werden. Dann könnte man, z. B. mit anderen Helden, die Geschichte erneut durchspielen. Vermutlich machen wir bald zu Kampagnenspielen einen Überblicksartikel.

Gloomhaven ist jedoch mehr als das und zählt daher zu den Legacy-Spielen. Zum einen wird in der theoretisch 99+ Spiele starken Kampagne das Spielbrett bemalt und beklebt; Karten werden ebenfalls beklebt, andere für immer aus dem Spiel entfernt. Man entdeckt aber auch Umschläge und vor allem werden elf der 17 Klassen erst während und durch die Kampagne spielbar. Dafür muss man alte Helden, die ein Spielziel (wie mild SPOILER „töte X Gegner des Typs Y“ oder „überstehe Z Abenteuer im Landkartenbereich A“) erreicht haben, in den Ruhestand versetzen. Ungewöhnlich und auch ein wenig schmerzhaft, aber durch die unterschiedliche Spielweise fast aller Klassen lohnt es sich.

Auch das Spielprinzip ist für einen Dungeon Crawler ungewöhnlich, denn man bewegt sich nicht und würfelt dann für einen Angriff, sondern man wählt zwei Karten aus einem begrenzten Aktionskartendeck und kombiniert entweder die obere Aktion der einen Karte mit der unteren der anderen oder umgekehrt – zumeist sind das zwar Bewegungs- und Angriffsaktionen, aber so wird das Spiel ungleich taktischer und relativ wenig von Glück abhängig. Es gibt auch ein Angriffsdeck, dieses modifiziert die fixen Angriffswerte jedoch meist nur leicht, so dass mal ein Schaden mehr oder weniger ausgeteilt wird. Im Laufe der Zeit werden die Charaktere mächtiger, indem man beim Leveln sowohl die Aktionskarten als auch das Angriffsdeck verbessert sowie Gegenstände erwirbt.

Es gibt zwar eine größere Story, die sich jedoch irgendwann in Nebenmissionen verliert, aber auch kleine Sequenzen zu Beginn jeder Partie, bei der sich die Gruppe für eine Entweder-Oder-Option entscheidet und mit den positiven oder negativen Konsequenzen lebt. Ein leicht kompetitiver Anstrich kommt dadurch zustande, dass jeder nur für sich Gold sammelt – schließlich sind die Charaktere Söldner – und Tausch/Kauf untereinander nicht gestattet ist. Auch einzelne geheime Kampfziele lassen einen schon mal abwägen, ob man nun seine Aktion zum Wohle der Gruppe einsetzt oder vielleicht doch lieber den Schatz einheimst, der gerade so verführerisch neben einem steht. Zudem besagt die generelle Vorgabe, dass man sich nur grob absprechen darf, anders als bei Pandemic, bei dem man gemeinsam die nächsten vier-fünf Züge der Mitspieler bespricht.

Die Skalierung der Schwierigkeit auf unterschiedliche Spielerzahlen funktioniert gut, durch unterschiedliche viele, respektive starke, Gegner. Trotzdem dauert das Spiel bei mehr Charakteren und entsprechend mehr Gegnern schlicht länger, dafür schaltet man aber auch gemeinsam schneller neue Charaktere frei. Und erst im gemeinsamen Spiel unterschiedlicher Charaktere entdeckt man noch weitere Synergien, gerade im elementbezogenen Magiesystem. Wer noch tiefer eintauchen möchte in das Spiel, das im Herbst 2018 von Feuerland auch auf Deutsch herausgegeben werden soll, kann dazu unsere Rezension lesen.

  • Autor: Isaac Childres
  • Verlag: Cephalofair Games, Feuerland
  • Spieleranzahl: 1, 2, 3 oder 4
  • Spielzeit: 50+ Spiele á 30 Minuten/Spielfigur
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 130 Euro
  • Bezugsquelle: (deutsche Version angekündigt), Amazon (englische Version)

 

The Rise of Queensdale (2018)

Eine gewisse Verwandtheit zu Charterstone lässt sich bei The Rise of Queensdale des deutschen Paares Inka und Markus Brand, die 2017 das Spiel des Jahres für die Exit-Escape-Room-Reihe erhielten, nicht leugnen. Aber während das erstgenannte sehr simplifiziert beginnt und durch die niedliche Comic-Graphik besticht, besitzt Queensdale von Anfang an eine mittlere Komplexität, die während des Verlaufs auch eher ausdifferenziert, als wirklich relevant erhöht wird. Das Artwork des Spiels wurde übrigens von Michael Menzel beigesteuert, der durch seine Illustration des beliebten Kampagnenspiels Die Legenden von Andor bekannt wurde.

Auch hier erhalten die zwei bis vier Spieler zu Beginn ein Stadtviertel, allerdings hat jeder Spieler fünf Würfel, auf denen sich die Ressourcen Holz, Lehm, Stein und Geld wiederfinden, während die übrigen beiden Seiten für alle möglichen weiteren Aktionen genutzt werden können, zum Beispiel das Bauen weiterer Gebäude in seinem Viertel. Das bringt einem künftig neue Handlungsmöglichkeiten, ist jedoch nur ein Kernelement, denn in allen Vierteln liegen auch Kräuterplättchen, die ein Kräutersammler aufsammeln darf, allerdings nur diejenigen der sechs Typen, für die er eine Kräuterhütte hat. Unter diesen befinden sich ebenfalls Ressourcen, aber auch direkte Siegpunkte oder Stimmung, auf deren Leiste ebenfalls Siegpunkte generiert werden können.

Storymäßig errichtet man die Stadt (und das schönste Viertel) dieses Mal im Auftrage des Königs für die Königin. Zu Beginn jeder Partie und beim Erreichen von Etappenzielen werden Karten verlesen, die den Spielverlauf oder das aktuelle Spiel beeinflussen. Nach Beendigung erhalten alle, die ihr jeweiliges Ziel erreicht haben, einen permanenten Bonus, die Verlierer jedoch Siegel, für die man sich neue und bessere Aufkleber für seine Würfel kaufen kann.

Das Spiel wirbt mit seinem Catch-Up-Mechanismus, denn während alle Spieler im ersten Spiel nur zehn Siegpunkte brauchen, so benötigen, alle, die das bereits einmal geschafft haben, im nächsten dann 16, bis jemand bei seinem neunten Sieg 70 Punkte erreicht hat und das Spiel damit beendet. Allerdings erhält man auch nach jedem geschafften Ziel immer mehr Siegpunkte für die drei Standard-Siegpunkte-Generatoren (Bauen, Kräuterhütte errichten und Fanfaren auf der Stimmungsleiste) – so dass sich der Effekt nahezu aufzuheben scheint. Falls ein Spieler jedoch alleine wirklich abgeschlagen sein sollte, bekommt er zufällig für jede Leveldifferenz zu allen Mitspielern recht mächtige Raubritterplättchen, die schon einen ordentlich Vorteil bieten, um wieder Anschluss zu finden.

In unserer aktuell ca. zu zwei Dritteln durchgespielten Kampagne, führt jedoch ein Spieler von Anfang an und erreicht auch fast immer sein aktuelles Ziel. Dadurch habe ich zumindest gerade das Gefühl, dass wir auch etwas zu schnell durchs Spiel kommen – in Foren finden sich jedoch andere Erfahrungen von Spielern, denen das Spiel nach 20 Runden eher zu repetitiv gewesen ist.

  • Autor: Inka Brand, Markus Brand
  • Verlag: Alea
  • Spieleranzahl: 2, 3 oder 4
  • Spielzeit: 9-20 (ca. 12-15) Spiele á 60 Minuten
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 58 Euro
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Ausblick: Was erwartet uns?

Natürlich sind aktuell einige weitere Titel in Arbeit – drei interessante Projekte sollen dieses Jahr noch herauskommen. Aeon’s End Legacy hat Anfang 2018 über 600.000 Dollar eingefahren. Die Legacy-Variante ist bereits der dritte Kickstarter des kooperativen Deckbuilders von 2016, also eines Spieles, bei dem man mit wenigen Karten startet und mit diesen Karten andere, mächtigere erwirbt. Die Spieler verkörpern Rift-Mages, die gemeinsam gegen Monster kämpfen, indem sie ihnen mit Zaubern Schaden zufügen und weitere Rifts öffnen, um mehr Zauber wirken zu können. Charaktere und Karten können durch Beschriften und Bekleben upgegraded werden und natürlich dürfen auch Mysteryboxen mit neuem Spielmaterial nicht fehlen. Auch hierfür soll es ein Recharge-Pack geben, ähnlich wie bei Charterstone.

Mit Betrayal Legacy kehrt Rob Daviau zu seinem mitdesigneten Spiel Betrayal at House on the Hill (mittlerweile auch in der Baldur’s Gate-Version erhältlich) zurück. Die Originalspiele sind eine Art Einsteiger-Dungeon-Crawler, der kooperativ beginnt und sehr schnell erklärt werden kann. Die Spieler entdecken ein Spukhaus (resp. die Stadt Baldur’s Gate, bekannt durch D&D und einige Computerspiele), indem sie neue Zimmer anlegen, diese mit ihren Charakteren betreten, dort Tests absolvieren und Gegenstände finden, allerdings auch geheimnisvolle Omen. Bei jedem Omen wird gewürfelt und irgendwann misslingt einer dieser Würfe und die Kombination von Omen und Raum generiert ein spezielles Szenario, welches im zweiten Teil gespielt wird. Meist ist dann ein Spieler der Verräter und muss gegen die anderen weiterspielen, oft mit geheimen Zielen der beiden Parteien. In den 13 Spielen (+ Prolog) kehren Spieler nun mit den gleichen, alternden Charakteren über Jahrzehnte immer mal wieder zurück ins Geisterhaus; sofern sie einen Aufenthalt nicht überlebt haben, dann mit einem Nachfahren. Auch sollen Gegenstände aus früheren Spielen für die Familie eines Spielers später mächtiger werden.

Auch bei Ultimate Werewolf Legacy hat Rob Daviau seine Finger im Spiel. Gemeinsam mit Ted Alspach, der den Amerikanern das Werwolfen beigebracht hat und mit 64 Charakteren im Grundspiel, vielleicht nicht die schönste, aber dafür die üppigste Werwolfvariante geschaffen hat, geht es um den Kampf der Dorfbewohner gegen die geheimen Werwölfe. Nachts schließen, wie gewohnt, alle Spieler die Augen und „schlafen“, und nur die Werwölfe erwachen, um einen Dorfbewohner zu fressen. Tagsüber diskutieren alle aufgrund der bisherigen Argumentationen der Mitspieler darüber, wer die Werwölfe sein könnten und knüpfen einen auf – das könnte allerdings auch ein unschuldiger Dorfbewohner sein. Wer die andere Gruppe auslöscht, gewinnt.

Interessant wird das Spiel durch viele mächtige Sonderrollen, wie die Seherin, die sich nachts von einem Mitspieler ansehen kann, ob es sich um einen Wolf handelt, oder die Hexe, die einen Heiltrank zur Rettung eines Mitspielers, manchmal aber auch ein Gift brauen kann. In der Legacy-Variante hat man zusätzlich zu seiner geheimen Rollenkarte auch noch eine Familienzugehörigkeit, die bestimmt, mit wem man zusammenspielt – zumindest falls nicht einer davon ein böser Wolf ist. Außerdem spielt man nun fünf Kapitel mit je drei Spielen (+ eine Einführung) und man soll ein Kapitel an einem Abend schaffen. Wie man die idealerweise immer gleichen 8-18 Spieler (+ den benötigten Spielleiter) mindestens fünfmal zusammenbringen können soll, muss man sich allerdings wohl selbst überlegen.

Das wird aber sicher noch nicht das Ende eines Hypes sein, zu dem immerhin Platz eins und zwei der aktuell beliebtesten Spiele gehören und wir dürfen gespannt sein, was es an weiteren Geschichten und noch ungeahnten Ideen geben wird sowie an Spieleklassikern, die ein unerwartetes Revival erhalten, egal, ob Rob Daviau involviert ist oder auch nicht. Ich freue mich drauf und wir werden berichten, denn bislang alle Legacy-Titel haben eines gemeinsam: Sie alle spielen in phantastischen Welten. Und gegen das Argument, dass man die Spiele ja nur einmal durchspielen und sie dann quasi wegwerfen kann, muss ich aus meiner Spielerfahrung entgegnen, dass ich fast kein anderes ernstzunehmendes, größeres Spiel in den letzten zwei Jahrzehnten so oft gespielt habe, wie die je 10-20 Partien der Spieler aus der Auflistung oben – von den ca. 70 Partien Gloomhaven ganz zu schweigen. Unseren Risiko-Planeten habe ich übrigens Bob getauft – vielleicht erkennt ja jemand die Anspielung.

Artikelbild: Verlage der jeweiligen Spiele, Bearbeitet von Verena Bach

 

4 Kommentare

  1. Evolution der Brettspiele? Mh… wohl eher „Evolution in einem Brettspiel“. Bisher habe ich noch kein einziges Legacy-Game gespielt, dass so toll gewesen wäre, dass es irgendwas revolutioniert hätte. Eigentlich fand ich sogar alle ziemlich schlecht, durch die Bank, weil extrem repetitiv. Gloomhaven sticht da noch heraus, weil es abseits des Legacy auch genug Spiel mitbringt.

    • Ich würd ja sagen, sowohl als auch. Denn ebenso wie andere Trends, manche, die sich etablieren wie Card Drafting oder Worker Placement und andere, die glücklicherweise eine Randerscheinung sind wie „ganz viel und schnell würfeln“ – sind alles Entwicklungsschritte in der Genese des Brettspiels. Ebenso auch Legacy-Games. Was hast du denn gespielt?

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