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Holt eure Trinkhörner hervor und macht es euch vor einem prasselnden Feuer gemütlich: Die Graphic Novel Nordische Mythen & Sagen von Splitter entführt in die faszinierenden Welten von Odin und Thor. Wir haben uns die ersten beiden Bände der Adaption von Neil Gaimans Buch genauer angesehen.

Mythen & Sagen gehören seit Jahrtausenden zu den essenziellen Bestandteilen der menschlichen Kultur. Sie liefern uns Geschichten zu furchterregenden Monstren, legendären Waffen und bilden die Grundlage vieler Feierlichkeiten und Festtage.

In der westlichen Sphäre dürfte neben der griechischen Sagenwelt die nordische Mythologie zu den bekanntesten gehören. In den letzten Jahren wurde sie in zahlreichen Medien präsentiert, sei es in Videospielen wie God of War und natürlich in den Filmen und Comics aus dem Hause Marvel, in denen Thor eine gewaltige Rolle spielt.

Wer sich für die Hintergründe dieser Erzählungen interessiert, könnte bei der Serie Nordische Mythen & Sagen aus dem Hause Splitter fündig werden. Dabei handelt es sich um die Graphic Novel-Adaption von Neil Gaimans Buch zur nordischen Mythologie, in welchem er die Geschichten der alten Quellen in neuer Form aufarbeitet. Der Schöpfer bekannter Geschichten wie American Gods und The Sandman hat selbst nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr ihn diese alten Sagen in seinen Werken inspirieren.

Unmittelbar zur Veröffentlichung der finalen Graphic Novel im Mai 2023 werfen wir deswegen einen Blick auf die ersten beiden Bände der Reihe Nordische Mythen & Legenden. Vermögen sie uns in eine sagenhafte Welt zu entführen?

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Handlung

Die wichtigste Information vorweg: Nordische Mythen & Legenden liefert im Gegensatz zu beispielsweise der Reihe Mythen der Antike keine geschlossene Handlung in einem Band, sondern fungiert als Geschichtensammlung. Diese reichen von Erzählungen zur Schaffung der Welten, wie Thor seinen Hammer erhielt, den Umtrieben von Loki bis zur Herkunft der Dichtkunst.

Dementsprechend wechseln sich Akteur*innen und Schauplätze oftmals ab, wobei die bekanntesten Gestalten des Mythenkosmos regelmäßig auftauchen. Allerdings wird schnell ersichtlich, dass davon ausgegangen wird, mit vielen Namen und Sagengestalten vertraut zu sein. Zwar werden einige der Figuren und Wesen in kurzen Worten vorgestellt, doch verwendet das verantwortliche Team wenig Platz der Seiten für tiefgründige Charakterisierung. Sämtliche Akteur*innen sind äußerst geradlinig und oberflächlich gestaltet, was natürlich ihre Rollen als stereotypische Verkörperungen einzelner Aspekte in der Sagenwelt reflektiert.

Dies macht sich in einigen Geschichten deutlicher bemerkbar als in anderen. So kommt in der Erzählung der Geschichte Die Kinder von Loki das Gefühl auf, dass dessen monströser Nachwuchs mit Ausnahme von Fenrir nur sehr spärlich beleuchtet wird.

Dementsprechend hinterlassen auch jene Sagen mehr Eindruck, in denen weniger die Vorstellung der Mythenwelt, sondern eine konkrete Handlung im Vordergrund steht. Im ersten Band gehören dazu die Geschichten um die Schätze der Götter, sowie Freyas ungewöhnliche Hochzeit. Über beide Bände hinweg hinterlässt Die Äpfel der Unsterblichkeit den meisten Eindruck, da es viele positive Elemente anderer Geschichten kombiniert.

Zeichenstil

Die Geschichten werden von verschiedenen Zeichner*innen und Kolorist*innen umgesetzt. Zu den bekanntesten von diesen dürften Mike Mignola (bekannt durch Werke wie Hellboy oder Baltimore) und P. Craig Russell, welcher auch bereits die Graphic Novel-Adaption von American Gods visuell umgesetzt hat, gehören.

Das Resultat ist eine Vielzahl von visuellen Stilen innerhalb der beiden Sammelbände. Auf der einen Seite sorgt das für Abwechslungsreichtum bei der Lektüre. Auf der anderen Seite sind Unterschiede hinsichtlich der künstlerischen Qualität ersichtlich, speziell da einige Geschichten simpler umgesetzt worden sind als andere. Visuell sticht abermals Die Äpfel der Unsterblichkeit hervor, welches Gabriel Hernández Walta gestaltet hat. Die Zeichnungen wirken im Vergleich zu den übrigen Geschichten detaillierter und die Nutzung von gesättigten Farbtonen hebt die Kolorierung von den oftmals kontrastreichen anderen Umsetzungen ab.

Einen interessanten Abschluss bildet in beiden Bänden eine visuell ansprechende Cover-Galerie, sowie ein Skizzenbuch. In diesem findet sich ein Überblick zu Entwürfen von Figuren und Szenerien, sowie den Rohfassungen einzelner Seiten. Die Kommentare gewähren Einblicke in den kreativen Gestaltungsprozess und sind damit ein wertvoller Überblick zum Entstehungsprozess dieser Geschichtensammlung.

Die harten Fakten: Nordische Mythen Fakten-Bild

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in(nen): Neil Gaiman
  • Zeichner*in(nen): mehrere, u.a. P. Craig Russell, Mike Mignola
  • Erscheinungsjahr: 2021 – 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 176 (Band 1), sowie 154 (Band 2)
  • Preis: 27,00 EUR (Band 1), sowie 28,00 EUR (Band 2)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Nordische Mythen & Legenden ist eine gelungene Sammlung von Geschichten, die von Interpretationen zur Erschaffung der Welten bis zur Herkunft der Poesie reichen. Die ersten beiden Bände der Trilogie präsentieren dabei eine Reihe von Erzählungen mit unterschiedlichen Charakteren und Orten, die sowohl bekanntere und unbekanntere Sagen umfassen. Die Adaption von Neil Gaimans Buch lädt dadurch zu einer umfassenden Reise durch den Kosmos der Legenden ein, welche im dritten Band mit der ultimativen Schlacht Ragnarök enden wird.

Lesende sollten sich bewusst sein, dass das Buch davon ausgeht, dass man mit vielen Namen und mythologischen Figuren vertraut ist und es daher nur kurze Beschreibungen einiger von ihnen gibt. Viele Charaktere sind sehr geradlinig und oberflächlich dargestellt, was ihre Rolle als stereotypische Verkörperungen bestimmter Aspekte der mythischen Welt widerspiegelt. Somit ist es wenig verwunderlich, dass den meisten Eindruck jene Geschichten hinterlassen, bei denen der Fokus deutlich auf der Handlung liegt. Beispiele hierfür sind Geschichten über die Schätze der Götter und Die Äpfel der Unsterblichkeit.

Die Graphic Novel bietet eine Vielzahl von visuellen Stilen, da verschiedene Künstler*innen für die Illustration der Geschichten verantwortlich gewesen sind. Obwohl dies für Abwechslung bei der Lektüre sorgt, führt es auch zu Unterschieden in der künstlerischen Qualität, da einige Geschichten ansprechender inszeniert als andere sind. Jeder Band endet außerdem mit einer attraktiven Cover-Galerie und einem Skizzenbuch mit Entwürfen von Figuren und Szenen.

Nordische Mythen & Sagen ist damit vielleicht nicht der perfekte Einstieg für jemanden, der mit den Legenden um Odin, Thor & Co. noch nie in Berührung gekommen ist. Wer jedoch auf der Suche nach einer ansprechenden Inszenierung bekannter und unbekannter Sagen ist, wird hier auf jeden Fall fündig.

 

  • Gelungene Sammlung nordischer Sagen
  • Vielzahl an Zeichenstilen
  • Üppiges Bonusmaterial
 

  • Vielfach oberflächliche Figuren
  • Wechselnde Qualität der visuellen Umsetzung

 

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Norbert Schlüter
Lektorat: Nina Horbelt
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