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Sammelkartenspiele sind eng mit dem Namen Richard Garfield verbunden. Seine Erfindung von Magic: The Gathering erschuf dereinst ein komplett neues Genre an Spielen. Diesen Coup versucht er nun mit den Unique Games und seinem viel beachteten Titel Keyforge zu wiederholen. Wir haben uns das Spiel für euch angesehen.

Anzügliche oder verwerfliche Namen finden sich mittlerweile nicht mehr. Aber Decks wie „Das eiserne Schaschlik“ haben dennoch einen sonderbaren Klang.

Neben dem überaus erfolgreichen Urvater aller Sammelkartenspiele zählen auch diverse andere Spiele zum Portfolio von Richard Garfield. Teile von diesen sind erfolgreiche Kulthits wie Robo Rally oder King of New York / King of Tokyo, und eine ganze Reihe anderer Sammelkartenspiele, aber eben auch Flops wie RocketVille oder Stonehenge. Der Name allein ist also kein Garant für gute oder erfolgreiche Spiele.

Dass der Name und die Grundidee der einzigartigen Spiele aber einen nicht zu unterschätzenden Sog haben, hat sich Mitte letzten Jahres in den USA gezeigt, als das Spiel erstmals auf der GenCon zu spielen war. Schnell entwickelte sich ein regelrechter Hype um Keyforge. Dabei hat es sicherlich auch nicht geschadet, dass nach einigen Wochen Decks zurückgerufen wurden, die besonders anstößige oder problematische Namen hatten. Die Computer hatten Dinge wie „Titanflayer, the Farmer of Racism“ oder „The Emperor that pays for Boys“ als Namen produziert. Derartige Titel können glücklicherweise mittlerweile nicht mehr entstehen bzw. konnten es im Deutschen vermutlich nie.

Spielablauf

Gespielt wird Keyforge immer als Duell zwischen zwei Spielern. Jeder Spieler hat dabei sein eigenes Deck, das aus zufällig ausgewählten Karten von drei der sieben vorhandenen Fraktionen besteht. Von jeder Fraktion sind in einem Deck zwölf Karten vorhanden, die nicht alle unterschiedlich sein müssen. Es gibt insgesamt 50 verschiedene Karten pro Fraktion. Die Anzahl der dadurch möglichen Decks ist derart groß, dass es kein Deck jemals doppelt geben wird.

Die sieben Fraktionen haben jeweils eine unterschiedliche Ausrichtung und unterschiedliche Hintergrundgeschichten. „Logos“ zum Beispiel ist eine Fraktion, die aus Denkern und Androiden besteht, die versuchen, die Geheimnisse der Welt zu entschlüsseln. Spieltechnisch zeichnen sie sich durch besonders starke Kartenzieheffekte aus. „Sanctum“ hingegen ist eine Fraktion aus den Rittern und Engeln einer Theokratie, die spielmechanisch viele Schutz- und Heilungseffekte besitzen und so dafür sorgen können, dass wichtige Diener länger im Spiel bleiben.

Unveränderliches Deck

Die meisten aus Sammelkartenspielen bekannten Kartenarten sind auch hier vertreten.

Das, was Keyforge von Sammelkartenspielen oder Living Card Games unterscheidet, ist, dass man sein Deck nicht verändern kann. Jedes Deck muss genau so gespielt werden, wie die Algorithmen es geschaffen haben.

Im Spiel selbst sind die beiden Spieler immer im Wechsel an der Reihe. Der aktive Spieler wählt in jedem Zug eine der drei Fraktionen aus, die zu seinem Deck gehören, und kann nun beliebig viele Karten dieser Fraktion spielen, aktivieren oder abwerfen. Dabei gibt es die aus anderen Kartenspielen bekannten Kartenarten: Kreaturen, Soforteffekte, Verstärkungen, etc.

Mit Hilfe der Karten gewinnen die Spieler Æmber. Hat ein Spieler zu Beginn seines Zuges sechs oder mehr Æmber in seinem Besitz, so muss er davon einen Schlüssel schmieden (Keyforge heißt übersetzt etwa Schlüsselschmiede). Hat ein Spieler drei Schlüssel beisammen, hat er das Spiel gewonnen.

Wettbewerbssituation

Æmber (oben rechts) wird benötigt, um Schlüssel (Mitte rechts) zu aktivieren.

Anders als oftmals üblich geht es bei Keyforge also nicht darum, den Gegner zu vernichten, sondern darum, schneller als der Gegner die erforderliche Menge Æmber zu generieren und über je eine Runde zu behalten. Das bedeutet aber nicht, dass das Spiel an sich friedlich wäre. Die ausgelegten Kreaturen können und sollten einander im Verlauf des Spiels regelmäßig verprügeln und töten; und gewonnener Æmber kann mit den richtigen Karten auch gestohlen oder zumindest zeitweise blockiert werden. Möglichkeiten zu Konflikten bietet das Spiel also zu Genüge.

Natürlich gibt es stärkere und schwächere Karten. Ein perfektes Balancing ist nahezu unmöglich und meist auch gar nicht gewünscht in einem Kartenspiel. Besonders starke Effekte werden bei Keyforge dadurch abgemildert, dass ihr Einsatz sogenannte Ketten verursacht. Diese sorgen dafür, dass man in den folgenden Runden weniger Karten nachzieht. Die Ketten sind auch als Ausgleich für unterschiedliche starke Decks gedacht.

Letzteres mag in der Turnierszene vielleicht auch funktionieren, da es dort einen Spielmodus gibt, in dem man zuerst sein eigenes Deck spielt, dann das des Gegners, und schließlich, in der dritten Partie, mit Ketten auf das stärkere Deck bietet. Wenn man das Spiel jedoch zu Hause spielen will, sind sie kein besonders geeignetes Mittel. Dort wird man wohl kaum Spielmodi wie den eben beschriebenen verwenden, sondern jede Partie sollte für sich selbst stehen.

Ausstattung

Die Starter-Box bietet reichlich Platz für die insgesamt überschaubare Menge an Material.

Es gibt zwei verschiedene Dinge, die man bei Keyforge kaufen kann: Zum einen ein Startset, das aus zwei in jeder Starterbox identischen und nicht sehr starken Decks zum Kennenlernen, zwei zufälligen „echten“ Decks sowie allen Markern und sonstigem Spielmaterial besteht, das man für Keyforge benötigt.

Zum anderen kann man einzelne Decks kaufen. Sowohl in der Einsteigerbox als auch bei den Decks später kann man vor dem Kauf nicht sehen, welche Fraktionen oder gar Karten in dem Deck enthalten sind. Will man eine bestimmte Kombination aus Fraktionen haben, so kann man entweder so lange auf gut Glück kaufen, bis man das erwischt, was man haben will, oder man kann auf einen regen Sekundärmarkt zurückgreifen.

Die Starterdecks sind stets gleich und dienen zum Kennenlernen des Spiels.

Der höchste Preis, den dabei ein Deck bisher erzielt hat, lag bei 1100 USD. Das liegt aber schon eine ganze Weile zurück, und aktuelle Preise bewegen sich in erschwinglicherem Gebiet. Zwischen fünf und 80 USD scheint die Spannweite der Decks zu sein, die aktuell auf entsprechenden Marktseiten angeboten werden.

Das Material an sich ist von ordentlicher Qualität. Die Karten sind fest und werden die vielen Mischvorgänge, die Spiele dieser Art hervorrufen, lange überstehen. Die Marker sind funktional und aus stabiler Pappe, vom Design her aber nichts Besonderes.

Negativ fällt die Spielanleitung auf, denn diese ist kein vollständiges Regelwerk, sondern nur eine Einführung. Für die vollständigen Regeln wird auf eine Internetseite verwiesen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee
  • Autor(en): Richard Garfield
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieleranzahl: 2
  • Alter: 12+
  • Preis: 42,99 EUR (Starter-Set) / 11,42 EUR (Deck)
  • Bezugsquelle: Amazon (Starter-Set / Deck)

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage des Spiels finden sich die Spielregeln, Informationen zum organisierten Turnierspiel und einige weitere Links für Interessenten. Was wir leider nicht finden konnten, war ein zentrales Verzeichnis für in Kürze stattfindende Turniere.

Über den Schmelztiegel kann man mit seinen Keyforge-Decks auch online spielen. Dann allerdings nur auf Englisch.

Fazit

Vor dem Kauf der Decks kann man nicht sehen, welche Fraktionen oder gar Karten enthalten sind.

Ich bin zwiegespalten, was ich von Keyforge: Ruf der Archonten halten soll. Die Mechaniken des Spiels sind gelungen und greifen gut ineinander. Es wäre sicherlich ein interessantes Spiel, wenn man sein Deck wirklich so zusammenstellen könnte, wie man will. Oder zumindest im ersten Markt direkt die Ausrichtung anhand der Fraktionen wählen könnte. Auch dann würde es schwer werden, im Freundeskreis sinnvoll langfristig Spaß an dem Spiel zu haben, denn es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sich ausreichend Decks finden lassen, die den Spielern Spaß machen und ähnlich stark sind.

Will man Keyforge auf Turnieren spielen, sieht das anders aus. Die besonders starken Decks werden durch Ketten bestraft, von den unteren Turnieren vielleicht sogar ausgeschlossen. Das erfordert aber eine aktive Turnierszene, und die konnte ich zumindest in Deutschland noch nicht beobachten.

Der Preis der Einzigartigkeit

Und selbst wenn es sie gäbe: Nach meiner Erfahrung leben Sammelkartenspiele in der Turnierszene von einem sich stetig entwickelnden Metagame, bei dem erfolgreiche Decks durch Gegenstrategien gekontert werden, wodurch wieder andere Decks an die Spitze emporsteigen. Dies ist aber durch das Fehlen einer Möglichkeit, Decks gezielt zu bauen oder zu verändern, bei Keyforge ausgeschlossen. Hierdurch lässt sich Keyforge am ehesten mit Draft-Formaten der üblichen Kartenspiele vergleichen. Wie in diesen geht es darum, aus einer relativ festgelegten Auswahl an Karten das Optimum herauszuholen, und nicht darum, ein Deck zu bauen, das eine klare und optimierte Strategie hat. Hier hindert aus meiner Sicht das, was Keyforge einzigartig macht, das Spiel auch daran, wirklich gut zu sein.

Keyforge ist aber auf jeden Fall erfolgreich genug, um eine Erweiterung zu rechtfertigen. Diese trägt den Titel Age of Ascension und soll auf Englisch noch in diesem Monat erscheinen. Auf Deutsch ist sie unter dem Titel Zeitalter des Aufstiegs ebenfalls angekündigt, aber aktuell noch ohne Erscheinungsdatum. Ob diese neuen Schwung in die nationale wie internationale Turnierszene bringen kann, wird die Zeit zeigen. Und mit einer aktiven Turnierszene wäre auch eine höhere Wertung denkbar gewesen. Ohne sie reicht es leider nur für eine durchschnittliche Note.

mit Tendenz nach oben

 

Artikelbild: © Asmodee, Fotografien: © Holger Christiansen, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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