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Noch heute dominieren sie das kleine Brettspielregal der weltweiten Hausehalte: Risiko, Cluedo, Das Spiel des Lebens und vor allem Monopoly. Die Verkaufszahlen führen sie weiter an, nicht aber die Top-Listen der besten Spiele. Was gibt es für Alternativen, um Nicht-Spielende genau da abzuholen, wo wir sie verloren haben?

Die einen wurden für ihr Leben vom Spielbrett vertrieben, die anderen haben sie in (verklärt) positiver Erinnerung, wieder andere kaufen die vielen Neuauflagen und oft nerdigen Sondereditionen, meist ohne sie je zu spielen. Wir reden von den weltweit bekanntesten Brettspielen – denen, die in Fernsehserien und Web-Comics vorkommen und welche die ersten Assoziationen sind, wenn wir dem neuen Date von unserem Hobby erzählen.

Dabei sind Risiko, Cluedo und Das Spiel des Lebens allesamt schon im Rentenalter und Monopoly in seiner ersten Version bald 120 Jahre alt. Besonders das letztgenannte zählt in der aktiven Brettspielszene zu einem der verpöntesten Spiele überhaupt, aufgrund seiner Verkaufszahlen und den vielen Bildern im Kopf von Nicht-Spielenden, die sich fragen, wie man tatsächlich wöchentlich so viel Zeit verbringen kann mit so etwas – wenn sie dabei an ihre Kindheit und die familiären Spieleabende zurückdenken.

Doch die Grundideen und -motive, teilweise sogar -mechaniken wurden vielfach weiterentwickelt. Cluedo kann als zentrale Wurzel sowohl von Social-Deduction-Games als auch Krimi-Spielen wie Detective betrachtet werden. Risiko ist letztlich nicht nur der bekannteste Vertreter eines ganzen Genres, der Kriegssimulations- beziehungsweise Ameritrash-Spiele, sondern auch zentraler Vorfahre von Tabletop und Rollenspielen. Das Spiel mit der Schlossallee hat als einfache Wirtschaftssimulation natürlich zahlreiche direkte und indirekte Nachfahren im Eurogame-Bereich.

Wir haben versucht, jeweils ein Spiel zu finden, das für uns den Geist des Klassikers aufgreift, aber ein tieferes und zeitgemäßeres Spiel daraus gemacht hat. Wir sind sicher, euch fallen sofort jede Menge weitere Alternativen ein und freuen uns natürlich über eure Gedanken und Anregungen.

Risiko

Das Strategie-Spiel um die Weltherrschaft in 42 Gebieten stammt bereits aus den 1950ern. Das simple Prinzip der drei Angriffs- gegen die zwei Verteidigungswürfel wurde zudem ebenfalls für alle möglichen Editionen genutzt. Natürlich finden sich da (manchmal mit leichten Regelmodifikationen) phantastische Schlachtplätze wie Der Herr der Ringe, Star Wars oder auch A Game of Thrones. Das erste Legacy-Spiel war ebenfalls eine Bearbeitung von Risiko, bei der Alien-Rassen auf der Erde landen und sich bei ihrer Ausbreitung bekämpfen. Damit hatten wir in den 15 Partien durchaus Spaß, was zum einen an sinnvollen Regelmodernisierungen, aber natürlich auch an den vielen Legacy-Elementen lag. Risiko ist am Ende jedoch recht glücksabhängig und ein frühzeitiges Ausscheiden oder – schlimmer noch – gerade so am Leben halten von schwächeren Mitspielenden hat schon so manchen eine Partie vermiest.

Risiko @ Hasbro Gaming
Risiko © Hasbro Gaming

Dann lieber: Der Eiserne Thron

Der Eiserne Thron lässt sich beschreiben als ein komplexes Risiko ohne Würfelglück in der Welt von George R. R. Martins Epos Das Lied von Eis und Feuer, das durch die Serie A Game of Thrones weltbekannt geworden ist. Alle der bis zu sechs Mitspielenden verkörpern je ein Haus von Westeros und wer zuerst sieben Felder mit Burgen eingenommen hat, gewinnt sofort. Das wollen die anderen natürlich zu verhindern wissen.

Anders als beim Vorgänger, wird hier der Kampf nicht durch Würfelwürfe entschieden: Die Kampfstärke der Einheiten auf beiden Seiten wird verglichen (die Stärke umliegender eigener oder fremder Einheiten kann dazuzählen), und dann dürfen beide noch eine von sieben Handkarten spielen. Diese stellen die Anführer*innen der bekannten Häuser dar und haben ihrerseits Werte bis vier, die sie hinzuaddieren, und dazu noch weitere Effekte. Einmal gespielt, kommt die Karte jedoch erst wieder auf die eigene Hand, wenn sich dort nur noch eine einzige befindet. Dadurch, dass die eigene Kartenhand stets einzusehen ist, gibt es hier ein ähnlich strategisches Element wie beim Kampf von Scythe.

Der Eiserne Thron © Asmodee
Der Eiserne Thron © Asmodee

Weitere Kartendecks entscheiden, wann gemustert (also neue Einheiten den eigenen hinzugefügt) werden darf, Armeen ernährt werden müssen und wann die Wildlinge kommen, die wir gemeinsam zurückschlagen müssen, sonst drohen Nachteile. Und unsere Befehle geben wir nicht reihum, sondern gleichzeitig mit verdeckten Plättchen. Zudem wird zwischendurch auf bestimmte Positionen (Spielreihenfolge, Kampfvorteile, spezielle Plättchen) geboten mit Macht, die alternativ zu Angriffen in Feldern generiert wird. Das Spiel ist schon um einiges komplexer als sein geistiger Vorgänger, aber wer sich einmal reingefuchst hat, wird viel und lange Spaß dran haben. Und wem das nicht reicht, für diejenigen gibt es noch weitere Kartendecks mit anderen Szenarien/Häusern und eine große Erweiterung, in der auch Daenerys aus Essos mit ins Spiel kommt, natürlich inklusive Drachen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games, Heidelberger Spielverlag, Asmodee
  • Autor*in(nen): Christian T. Petersen
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Spieldauer: 60-120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (3) 4 5 6
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Spiel des Lebens

So einfach war die Welt früher: Wir setzen uns in ein Auto, fahren über Ereignisfelder, gehen studieren oder lieber gleich arbeiten, heiraten und dann haben wir noch bis zu vier Plätze für weitere blaue oder rosafarbene Plastikstiftkinder, die wir in die Steckplätze unseres Cabrios friemeln können. Das Spiel mit dem regenbogenfarbenen Glücksrad von 1960 hat unsere Vorstellung von Liebe und Leben wohl ähnlich geprägt wie Disney-Filme, nur mit mehr Versicherungen und Investitionen. Aber irgendwie hat das recht haptische Spielmaterial damals schon ein wenig darüber hinweggetäuscht, dass wir im Grunde nicht viele Entscheidungen oder Strategieoptionen haben bei diesem linearen Glücksspiel, bei dem wir mehr Publikum unserer eigenen Lebensgeschichte sind, als sie wirklich zu spielen.

Spiel des Lebens © Hasbro Gaming
Spiel des Lebens © Hasbro Gaming

Dann lieber: Das Streben nach Glück

Die gleiche Grundidee greift Das Streben nach Glück auf. Hier haben wir jedoch weit mehr Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten und natürlich Punkte zu sammeln. Wir bekommen zu Beginn eine Persönlichkeit, die unsere Startressourcen bestimmt (Wissen, Kreativität und Einfluss) und uns eine Charakterfähigkeit verpasst.

Als Siegpunkte sammeln wir langfristiges Glück, aber es gibt auch eine Leiste für kurzfristiges Glück, welche die Zugreihenfolge bestimmt – und vor allem gibt es Stress. Haben wir zu viel davon, so bringt uns das um. Der Stresslevel steigt beispielsweise, wenn wir Überstunden machen. Leider lässt er sich verdammt schwer wieder abbauen. Durch die Überstunden haben wir jedoch mehr Handlungsoptionen in diesem Worker-Placement-Spiel, können also mehr Aktivitäten nachgehen (Tanzen oder Rollenspielrunden vielleicht) oder Dinge kaufen (wie Yachten oder Comicsammlungen) und dadurch eben glücklich werden. Dadurch riskieren wir jedoch, früher zu sterben. Den Stresslevel zu senken, ist wie erwähnt schwierig und nur mit einer sehr gesunden Lebensweise hinzubekommen, die dann wiederum aber am kurzfristigen Glück zerrt. Dafür aber kann es gut sein, dass mein Alter Ego ein, zwei Spielrunden mehr hat, um mein persönliches Lebensziel zu verfolgen.

Dieses kann dann eben auch sehr unterschiedlich ausfallen: Wir können voll auf unsere Karriere setzen oder auf die Familienplanung, vollkommen in unserem Hobby aufgehen oder uns mit möglichst viel Geld Glück einfach kaufen. Und wem das nicht reicht, findet bei kleinen und großen Erweiterungen noch Haustiere, Urlaubsreisen, Nostalgie oder auch die Möglichkeit, kriminelle Wege einzuschlagen.

Streben nach Glück © Kobold Spieleverlag
Streben nach Glück © Kobold Spieleverlag

Die harten Fakten:

  • Verlag: Artipia Games, Kobold Spieleverlag
  • Autor*in(nen): Adrian Abela, David Chircop
  • Erscheinungsjahr: 2015 (2019 auf Deutsch)
  • Spieldauer: 60-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 40 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Monopoly

Monopoly ist berühmt für lange Runden, Familienstreits und frustrierte Mitspieler*innen. Zudem spielt fast niemand das Spiel nach den korrekten Regeln (erst, wenn jemand auf die letzte Straße zieht und sie gekauft wird, dürfen Häuser gebaut werden) oder gar bis zum Ende (wenn alle anderen der bis zu acht Mitspielenden bankrott sind). Auch Spielkonzepte wie Aussetzen oder eine klare Win-Strategie (niemals ein Hotel bauen und stattdessen die limitierten Häuser auf billigen Straßenzügen horten) sind schlicht nicht zeitgemäß. Doch nicht zuletzt dank hunderter regionaler oder thematischer Editionen (von The Walking Dead bis Fortnite) ist Monopoly für viele Menschen weltweit immer noch das erste Brettspiel, das ihnen in den Sinn kommt. Doch es gibt eine Menge Spiele, die das Grundprinzip des bereits 1904 von Elizabeth „Lizzie“ Magie Philipps patentierten The Landslord‘s Game weiterentwickelt haben – und dabei viel mehr Tiefe und Abwechslung bieten.

Monopoly © Hasbro Gaming
Monopoly © Hasbro Gaming

Dann lieber: Machi Koro

Auch bei Machi Koro würfeln wir reihum und ausgehend von unseren bisherigen Karten erhalten wir Geld aus der Bank oder von unseren Mitspielenden. Dann können wir weitere Karten kaufen, also Gebäude in unserer Stadt errichten, um bei bestimmten Würfelwürfen mehr Geld zu erhalten. Das Spiel gewinnt, wer alle sehr teuren Projekte gebaut hat. Auf dem Weg dahin können wir auf Nummer sicher gehen, damit wir bei möglichst allen Würfelwürfen etwas bekommen (auch bei denen anderer) oder risiko-orientiert auf wenige Zahlen setzen; ebenso können wir gemütlich unser Ding machen oder versuchen, uns vor allem bei den anderen zu bedienen.

Wir würfeln für den Nervenkitzel, bauen immer weiter und Geld wird hin- und hergewechselt. Allerdings verzichten wir auf leere Runden, in denen nichts passiert, niemand muss frühzeitig aus dem Spiel ausscheiden und noch stundenlang zuschauen, und auch ausgesetzt wird nicht. Zudem dauert eine Runde vielleicht eine halbe Stunde und es bleibt noch Zeit für weitere mit diesem ziemlich günstigen Spiel.

Mittlerweile gibt es auch eine Legacy-Variante, in der zehn aufeinander aufbauende Runden gespielt werden, die gemeinsam eine kleine Geschichte erzählen.

Machi Koro © Kosmos
Machi Koro © Kosmos

Die harten Fakten:

  • Verlag: Kosmos
  • Autor*in(nen): Masao Suganuma
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: ca. 10 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Cluedo

War es Baronin Patrizia von Porz mit dem Heizungsrohr in der Bibliothek oder vielleicht doch Oberst Günther von Gatow mit dem Kerzenleuchter im Arbeitszimmer? Der Brettspielklassiker Cluedo (oder im Original Clue) von 1948 hat neben zahlreichen Adaptionen in diversen Settings (Harry Potter, Downton Abbey, The Walking Dead) 1985 auch einen Film mit Tim Curry und eine deutsche interaktive Krimi-Show in den 90ern erhalten. Unser Autor hat zwar für Spiel-Notizen in den 1990ern eine Excel-basierte Kombinatorik-Matrix erstellt, aber letztlich überwiegt beim Laufen durch die neun Zimmer auf der Suche nach Tatverdächtigen und Mordwerkzeug doch schlicht der Glücksaspekt.

Cluedo © Hasbro Gaming
Cluedo © Hasbro Gaming

Dann lieber: Unangenehme Gäste

Vermutlich handelt es sich bei diesem Kickstarter-Erfolg aus Spanien um die konsequenteste Fortführung eines bewährten Spielprinzips auf dieser Liste. Mr. Walton hat das Zeitliche gesegnet und wir befinden uns inmitten seiner schrulligen Hinterbliebenen im sepiafarbenen Anwesen.

Der Tatort ist klar; dafür sind wir hier angehalten, neben der Tatwaffe auch ein Motiv zu finden und in schwierigeren Spielmodi auch Kompliz*innen. In jeder Runde gibt es neue Karten und wir machen ein Angebot zum Kartenaustausch. Die anderen können darauf eingehen und ich darf mir dann eins dieser Angebote aussuchen – wenn ich keins erhalte, bekomme ich ganz frische Informationen vom Stapel, was für alle anderen natürlich nicht so gut ist.

Sonst tauschen wir eben Indizien und Aussagen. Diese sind komplexer als beim geistigen Vorgänger: Eine Person hat gesehen, wie eine andere Person einen Raum verlassen hat oder bezeugt, dass eine weitere Person auf jeden Fall die Wahrheit sagt. Denn Mörder*in und Kompliz*in dürfen lügen. Daher sind die einzelnen Notizzettel auch ungleich komplexer in diesem Puzzle an Informationen. Insgesamt 3.600 unterschiedliche Kartensets/Szenarien lassen sich mit Hilfe einer App zusammenstellen, in der Spielanleitung sind aber auch bereits einige mit dabei.

Das Originalspiel ist weitgehend vergriffen, aber Taverna Ludica Games haben eine deutsche Version angekündigt, die auch bereits für voraussichtlich Juli 2021 vorbestellt werden kann.

Unbeliebte Gäste © Taverna Ludica Games
Unbeliebte Gäste © Taverna Ludica Games

Die harten Fakten:

  • Verlag: Megacorping Games, Taverna Ludica Games
  • Autor*in(nen): Ron Gonzalo García
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Spieldauer: 45-75 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) 2 3 4 5 6 (7) (8)
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon (Englisch), idealo (Englisch), Taverna Ludica Games (Vorbestellung der deutschen Version)

 

Artikelbilder: © wie kennzeichnet
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Saskia Harendt

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