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Wähle deinen Charakter, wirf deine Würfel und schnappe dir den Thron. Dieses Motto begleitet uns während einer Partie Dice Throne. Mittlerweile mit zwei Seasons von je acht Charakteren, einem Spin-Off und einer Lizenz-Version gesegnet, ebbt das Interesse nicht ab. Kann der Spielspaß uns überzeugen?

Nate Chatellier und Manny Tremblay haben mit ihrem Erstlingswerk Dice Throne eine kleine Lawine losgetreten. Haben die beiden Autoren sich zunächst im Bereich der Apps und Videospiele einen Namen gemacht, war die erste englische Instanz ihres Ausflugs in die analoge Welt der Brettspiele schon ein großer Erfolg auf Kickstarter und spielte über 180.000 USD von anvisierten 15.000 USD ein – und das zunächst noch als unabhängiges Studio. Diese Zahlen wurden im Anschluss pulverisiert: Season zwei kam auf knapp 700.000 USD und die beiden Ableger Dice Throne Adventures als Kampagnen-Variante und Marvel Dice Throne mit der namhaften Lizenz erreichten beide Fördersummen von circa zwei Millionen Dollar. Und auch auf Deutsch bei der Spieleschmiede waren die ersten beiden Versionen des kompetitiven Spiels ein voller Erfolg. Daher ist es nicht verwunderlich das auch der kooperative Ableger Adventures wohl noch dieses Jahr eine rein deutsche Kampagne erhält.

Die Geschichte des Spiels erinnert entfernt an Mortal Kombat: Der Verrückte König sitzt seit tausenden Jahren fest auf seinem Thron und sucht würdige Herausforder*innen. Jedes Jahr lädt er die unterschiedlichsten Recken aus allen Winkeln und Zeitaltern zu einem Turnier ein. Nur wer am Ende übrig bleibt, kann den Thron für sich beanspruchen.

Wir haben für diesen Artikel den Hype um das Spiel ausgeblendet, um genau zu schauen, ob das Spiel ein überzeugendes Duell-Spiel ist, wie beispielsweise das von uns bereits getestete Radlands, und wie es sich in den Varianten mit mehr als zwei Personen schlägt.

Die beiden Kämpfer Mönch und Paladin.
Ein Hinweis in eigener Sache: Dice Throne ist darauf angelegt, die unterschiedlichsten Charaktere gegeneinander antreten zu lassen. Daher gibt es zum Erscheinen dieses Artikels 16 Charaktere in acht Boxen. Für diese Rezension stand uns die Variante Kampfmönch gegen Paladin zur Verfügung. Für den Test der Runden mit drei oder mehr Personen wurde digital über den Tabletop Simulator gespielt.

Spielablauf

Der Aufbau von Dice Throne gestaltet sich herrlich simpel. Den Spielenden wird die kleine Box mit dem Material für den zu spielenden Charakter in die Hand gedrückt, alles wird ausgebreitet, das Kartendeck gemischt und es kann losgehen. Das ist ungemein angenehm, um mal eben eine schnelle Runde oder die dringend nötige Revanche zu spielen. Das Spiel ist im Grunde genommen ein Dice-Battler bei dem einige Charaktere und auch das Artwork durchaus Erinnerungen an Street Fighter erwecken. Wie es sich für einen „Prügler“ gehört, endet das Spiel, wenn nur noch ein Charakter über Lebenspunkte verfügt.

Die Charaktertableaus.

Das allgemeine Spielprinzip ist schnell verinnerlicht. Abwechselnd führen die Spielenden ihren achtphasigen Spielzug aus. Zunächst werden in der Vorbereitungsphase alle erforderlichen Aktionen durch Statuseffekte oder Fähigkeiten ausgeführt. Hiernach erhält man in der Einkommensphase einen Kampfpunkt (die Währung des Spiels) und darf eine Karte auf die Hand ziehen. In der Hauptphase können die eigenen Handkarten für Kampfpunkte ausgespielt werden. Dies sind in dieser Phase insbesondere Verbesserungen, die die eigenen Aktionen auf dem Tableau stärken oder abändern, oder Aktionskarten. Von diesen gibt es drei Arten: Hauptaktionskarten, die nur in dieser Phase gespielt werden dürfen, die jederzeit spielbaren Sofortaktionskarten und die Würfelaktionskarten, die nur im Zusammenhang mit einem Würfelwurf ausgespielt werden können. Die beiden letzteren dürfen sogar in den Zügen der anderen Spielenden gesetzt werden.

Ist diese Vorbereitung abgeschlossen folgt die Angriffsphase. Nun darf bis zu dreimal mit den eigenen Würfeln geworfen werden. Hierbei darf nach jedem Wurf entschieden werden, welche Ergebnisse stehen bleiben und welche neu geworfen werden. Alle Spielenden dürfen nun durch Karteneffekte die Würfel manipulieren. Befinden wir uns in einem Drei- bis Sechs-Personen-Spiel muss noch mit dem „fertigen“ Würfelergebnis ein Ziel auserkoren werden. In der Duell-Variante entfällt dies natürlich. Jenes Ziel darf nun einen einzigen Verteidigungswurf werfen. Auch hierbei ist es erlaubt die Würfel zu manipulieren.

Sind Schaden und Effekte abgehandelt hat die aktive Person nun eine zweite Hauptphase, um aufzuleveln oder anderweitig Karten auszuspielen. Zu guter Letzt folgt die Abwurfphase, in der alle Karten, die das Handkartenlimit von sechs überschreiten würden, für je einen Kampfpunkt verkauft werden müssen.

Eine Auswahl der Karten des Kampfmönches.

Sollten mehr als zwei Personen am Spiel teilnehmen gibt es spezielle Modi, die vom Spiel vorgegeben werden. Bei drei Personen wird eine Art des „King of the Hill“-Prinzips  gespielt. Hierbei erhält man Bonuskarten, wenn man die Person mit den meisten Lebenspunkten angreift. Bei vier Personen gibt es ein Team-Match indem die Teams mit einem gemeinsamen Lebenspunktevorrat spielen. Das Spiel mit mehr als vier Personen wird nicht empfohlen, ist aber möglich. Hier spielt man entweder ebenfalls „King of the Hill“, oder ein Drei gegen Drei, respektive Zwei gegen Zwei gegen Zwei Team-Match.

Ausstattung

Das Insert des Paladins ohne Charaktertableau.

Das Material von Dice Throne macht wirklich Spaß. Die Box ist wunderbar handlich und fasst ein Regelwerk und je zwei Sortierhilfen von gametrayz. Das Team hat gute Arbeit geleistet: Bis auf die charakterspezifischen Marker hat alles hat seinen Platz und ist sofort griffbereit.

Die Charaktertableaus sind wunderschön. Im „geschlossenen“ Zustand sieht man das Konterfei des spielbaren Alter Egos und beim Aufklappen der Leporello-Falz sind alle Fähigkeiten sichtbar und durch stimmiges Artwork begleitet. Zudem verfügt jeder Charakter über ein Cheat-Sheet auf dem die (für alle Charaktere) individuellen Statuseffekte aufgeführt und erklärt sind. Auch die Kampfpunkte- und Lebenspunktezähler sowie Würfel sind für alle verfügbaren Kämpfer*innen speziell gestaltet. Etwas dicker hätten die Karten sein dürfen. Hier ist aber mit Kartenhüllen, die sehr empfehlenswert sind für die Decks, schnell Abhilfe geschaffen. Das Regelwerk ist anschaulich geschrieben und – bedingt durch die einfachen Regeln – sehr schnell verinnerlicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Grimspire / Roxley
  • Autor*in(nen): Nate Chatellier, Manny Tremblay
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 20 bis 40 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 (5) (6)
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Preis: ca. 28 EUR pro Box
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Grimspire gibt es die Anleitung und die Regeln für größere Runden zum Download.

Auf der offiziellen Webseite des Franchise gibt es für jeden Charakter eine Übersicht mit eigener FAQ sowie zwei Comics mit Hintergrundgeschichte zum Herunterladen. Dort gibt es ebenfalls eine Newsletter-Anmeldung für eine mögliche, noch nicht bestätigte, Digital-Version.

Fazit

Wenn ich an dieser Stelle nur das Spiel an sich, seine einfachen und doch spaßigen Regeln und das großartige Material bewerten würde, gäbe es, ohne mit der Wimper zu zucken, von mir die volle Punktzahl. Dice Throne macht einfach sehr vieles richtig. Neben dem einfachen Einstieg auch für Gelegenheitsspielende, bietet das Spiel eine Hintergrundgeschichte, die einfach danach schreit durch das Adventures-Spin-Off weiter ergründet zu werden. Das Material ist top und mehr als zweckmäßig. Eine Partie hat die perfekte Länge für ein taktisches Duell-Spiel und bietet dennoch genug Spielraum für das bekannte „eine Partie geht noch“. Und ja, ich würde eindeutig empfehlen, Dice Throne mit zwei Personen gegeneinander zu spielen, vielleicht noch im Team. Sind mehr Spielende anwesend würde ich eher zu einem kleinen internen Turnier raten. Das weckt Erinnerungen an Nachmittage nach der Schule vor dem Super Nintendo mit Street Fighter und Konsorten.

Doch warum die Einschränkung zu Beginn des Fazits? Dies liegt an der Art wie das Spiel außerhalb von Crowdfundings vertrieben wird. Alle Boxen sind einzeln zu erwerben. Und mit jeder Box bekommt man exakt zwei Charaktere. Das ist super, um erst einmal auszutesten, ob das Spiel für einen selbst geeignet ist oder nicht. Und ich habe eben auch selbst geschrieben, dass ich das Spiel als Duell-Spiel, also für zwei Personen sehe. Aber um langfristig zu motivieren, braucht es einfach mehrere Charaktere zur Auswahl. Das Roster eines guten Prügelspiels besteht nun einmal aus mehr als zwei Figuren (auch wenn Masahiro Sakurai, der Vater von Super Smash Bros. hier mit der letzten Instanz etwas übertrieben hat). Wenn man das eigene Aufgebot an verfügbaren Kämpfer*innen erweitern will geht dies schnell ins Geld. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels würde es 224 Euro kosten, alle 16 Charaktere zu besitzen. Natürlich darf man sich fragen, ob man dann immer direkt alles kaufen muss. Aber wir sind Brettspiel-Fans und da gibt es eigentlich nur Alles oder Nichts. Ein wenig Hoffnung besteht darauf, bei der angekündigten Kampagne der Spieleschmiede für die deutsche Version von Dice Throne Adventures vielleicht eine Option vorzufinden, die für einen schmaleren Taler die Sammlung komplett werden lässt.

So bleibt der Wermutstropfen, dass ein absolut hervorragendes Spiel durch den Sammeldrang „nur“ sehr gut ist. Dennoch, wer die Chance hat ein großes Paket auf dem Zweitmarkt zu schießen oder wem es das Geld für die Neuanschaffung wert ist: Tut es! Dice Throne macht einfach Spaß.

  • Schnell erklärt, aufgebaut und neu gespielt
  • Klasse Artwork und hervorragendes Insert
  • Die Lore rund um das Spiel bietet unfassbar viel Spielraum
 

  • Für Langzeitspaß benötigt man mehrere Boxen
  • Die ausgelöste Sammelwut kann schnell ins Geld gehen
  • Manche Erklärungen auf Tableaus unnötig ausführlich

 

Artikelbilder: © Grimspire / Banner von © Roxley Games
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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