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Ein Comicband, der sich anfühlt wie ein Safe Space. Die Blüte von Paris stellt uns die Welt eines besonderen Etablissements in den 20er Jahren und dessen Tänzer*innen vor. Ein Wohlfühlbuch rund um die glitzernde „Blüte von Paris“ und die Geschichte von Rose, dem Sohn der Inhaberin dieses Kabaretts.

Die Graphic Novel Die Blüte von Paris überzeugt auf den ersten Blick auch durch das interessante Cover, das eine scheinbar unsichere Person mit Lampenfieber zeigt. Der 20er-Jahre-Stil klingt hier schon an und macht sowohl neugierig auf das blumige Thema als auch auf das Tanz- und Kabarettsetting.

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Handlung

Die „Blüte von Paris“ ist ein schillerndes Kabarett in Paris. Hier lebt Rose, ein junger Mann, der in der fürsorglichen Obhut seiner Mutter und vieler kabarettistischen Tänzerinnen, die in der „Blüte“ zuhause sind, groß wurde. Für ihn ist es selbstverständlich, mittanzen zu wollen und sich auch mit schillernden Outfits und Blumen zu kleiden. Da alle in ihm bereits Talent und Leidenschaft erkennen, ermutigen sie ihn, auch mal im Hauptprogramm aufzutreten, als Margerite, eine andere Tänzerin, ausfällt. Für den jungen Rose ist es eine große Sache; seine nach Blumen benannten Schwestern stehen ihm aber immer zur Seite und motivieren ihn, weitere Shows zu tanzen. Schnell hat Rose auch einen glühenden Bewunderer, Monsieur Aimé d’Orpra, der nach jeder Show, in der Rose auftritt, nach ihm persönlich fragt, da er so hin und weg von dessen Tanzeinlage ist.

Rose tanzt wie ein junger Gott
Rose tanzt wie ein junger Gott

Kurz darauf lädt Monsieur Aimé Rose zu einem gesellschaftlichen Event ein, wo sich Rose feminin in rosigen Farbtönen kleidet. Doch eine der Tänzerinnen, Jasmin, betrachtet diese Entwicklung mit Argwohn, und während Rose die Gesellschaft des Monsieur Aimé sehr genießt, lernt er jedoch auch die Kehrseite des Frauseins kennen: er wird von Typen im Café belästigt.

Durch die Ermutigung der anderen Blüten kann Rose zu der Person werden, die er sein möchte
Durch die Ermutigung der anderen Blüten kann Rose zu der Person werden, die er sein möchte

Später lädt Monsieur Aimé Rose sogar zu sich nach Hause ein, und Rose lernt seinen Gastgeber weiter kennen. Auch die Presse nimmt langsam Notiz von den regelmäßig eindrucksvollen Auftritten von Rose. Er gibt sein erstes Interview, und kurze Zeit später berichten alle möglichen Blätter und Zeitungen von den Shows der „Blüte von Paris“.

Doch wo sich Rose bisher sorgenlos seiner Gestaltwandelung hingeben konnte, entwickelt er nun eine Angst vor den Reaktionen des Publikums. Er fürchtet, verurteilt zu werden, und wie jede künstlerische Person plagen ihn Sorgen; beispielsweise, dass sein Erfolg nur auf Zufall beruht und nicht auf seinem Talent oder, dass er allen gefallen müsse.

Eine schöne Zeit und eine neue Freundin
Eine schöne Zeit und eine neue Freundin

Das Schöne an diesem warmherzigen Comic ist Roses wunderbar fürsorgliches Umfeld, das ihn immer wieder selbstlos unterstützt und aufmuntert. Da Monsieur Aimé Rose etwas Gutes tun möchte, lädt er ihn schließlich auf einen Kurzurlaub in sein Anwesen ein – und zeigt hier eine weitere sanfte Seite und ein Interesse für schöne Pflanzen.

Hier kommt Rose zur Ruhe und lernt eine echte Freundin kennen. Gestärkt und mit doppeltem Selbstbewusstsein kehrt er zur „Blüte“ zurück und erblüht noch viel mehr als je zuvor.

Etwas später taucht jedoch nicht nur eine neue Blume im Kabarett auf, es kündigt sich auch ein unliebsamer Besucher an, der einen Schatten auf das schillernde Leben in der „Blüte“ wirft…

Mehr sei hier nicht dazu verraten, wie es mit Rose und den anderen Blumen weitergeht.

Charaktere

Rose ist ein begabter junger Mann Anfang 20, der einfach nur das macht, was er gerne mag, ohne es groß zu hinterfragen: Tanzen! Die Gartenmetapher, die sich auch durch den Namen der „Blüte“ und die Blumennamen der anderen Tänzerinnen zeigt, spiegelt sich wiederum durch deren liebevolles Hegen und Pflegen, die Rose einfach Raum zum Wachsen geben. Er hat dadurch trotz dem Bewegen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit keine große Identitätskrise, denn in Die Blüte von Paris ist es für alle kein großes Ding, dass ein Mann sich in femininer Kleidung und Make-Up zeigt.

Er wird auch erst etwas in seiner Identität erschüttert, als er nach dem Presseartikel stärker von außen wahrgenommen wird. Auch Monsieur Aimé fragt ihn in einer Szene, ob er „sie“ oder „er“ sagen soll. Darauf antwortet Rose (in der Szene in dem rosenartigen Outfit): „sie“, für den Moment.

Doch auch die anderen Charaktere kommen nicht zu kurz: wir erhalten Einblick in das Leben zweier Tänzerinnen, Jasmin und Margerite, wie sie in die „Blüte“ kamen und welcher Lebensweg sie dorthin brachte. Auch die Mutter von Rose erhält einen größeren Auftritt, der die Hintergrundgeschichte der „Blüte“ und von Rose etwas näher beleuchtet. Alles in allem sind alle Charaktere sehr wohlwollend eingestellt, und jede Person bringt etwas Persönliches und Emotionales in die Geschichte mit ein.

Auch andere Tänzerinnen der Blüte lernen wir näher kennen
Auch andere Tänzerinnen der Blüte lernen wir näher kennen

Zeichenstil

Der Zeichenstil ist sehr modern, er zeichnet sich durch flächige Farben und sehr klare Linien aus, und es wird viel mit Licht und einer Farbpalette in Petrol, Rot und Khaki gearbeitet. Die schillernden Auftritte und Kostüme sind zeichnerisch toll in Szene gesetzt, die Gestaltungselemente der 20er-Jahre kommen wunderbar zur Geltung, hier sind auch Jugendstil-Formen zu erkennen. Das Garten- und Blumenthema ist wunderschön umgesetzt durch florale Muster und Kostüme. Auch das Aussehen der Charaktere ist an den Blumennamen orientiert.

Erscheinungsbild

Die Graphic Novel ist sehr hochwertig gedruckt. Die Farben sind satt, Papierqualität und Zusammenspiel von Text und Bild sind schön umgesetzt. Das Buch hat 211 Seiten, ist durchweg farbig illustriert und birgt am Ende noch einige Skizzen der Zeichnerin.

Fun Fact: laut Bonusmaterial sollte Die Blüte von Paris zunächst ein Kurzfilmprojekt werden. Nicht weiter verwunderlich, da die Autorin auch Animationszeichnerin ist. Doch auch als Graphic Novel kann Die Blüte von Paris eindrucksvoll überzeugen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Carlsen Comics
  • Autor*in(nen): Gaëlle Geniller
  • Zeichner*in(nen): Gaëlle Geniller
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch (aus dem Französischen übersetzt)
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 224
  • Preis: 26 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus

Skizzen und Colour Keys, also Entwürfe für die Filmkomposition, im Anhang.

Fazit

Ein nicht ganz so leichtes Thema, das durchaus viel diskutiert wird, setzt die Autorin und Zeichnerin hier mit einer eindrucksvollen Leichtigkeit um. Rose muss keine eindeutige Geschlechtsidentität haben, er lebt sein Leben, und durch die Pflege von außen wird er zu dem, was wichtig für ihn ist: ein begnadeter und mitreißender Tänzer. Die Rezeption von außen ist zwar gemischt, kann ihn aber nicht mehr groß mitnehmen, da er durch die emotionale Unterstützung seiner Vertrauten dazu ermutigt wird, so zu sein wie er ist.

Dass es im wahren Leben oftmals nicht so einfach ist, ist klar. Dass wir es Anderen aber leichter machen können, wenn wir uns alle gegenseitig unterstützen und unsere Talente fördern, das ist kein utopischer Zustand und zeigt uns diese wunderschön gestaltete Graphic Novel ebenfalls auf sanfte Weise auf.  Auch die Zeichnungen und das historische Setting haben mich sehr angesprochen.

Dennoch habe ich beim Lesen auf einen dramatischen Höhepunkt gewartet, der jedoch nur leicht eintritt. Wer eine dramatische Story erwartet, ist bei Die Blüte von Paris an der falschen Adresse. Wer jedoch eine spannende Geschichte sucht, bei der Zusammenhalt, Freundschaft und echte Fürsorge an erster Stelle steht, sollte es mit Die Blüte von Paris versuchen.

 

  • Detaillierte Illustrationen (vor allem Hintergründe)
  • Wohlfühl-Story
  • Setting in den 20er-Jahren in einem schillernden Kabarett
 

  • Story ist etwas lau, der Spannungsbogen fehlt

 

Artikelbilder: © Carlsen Comics
Layout und Satz: Verena Kröger
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Verena Tribensky

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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Über die Autorin

Verena Tribensky kommt aus Süddeutschland und verfasst schon immer gerne Texte – egal ob Rezension oder kreatives Schreiben. Neben Comics und Brettspielen hat sie auch ein Faible für schöne Illustration und Animationsfilme. Sie geht Bogenschießen und lauscht gerne Hörspielen.

 

 

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