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Brettspiele rund um die Der Herr der Ringe-Romane sind meist komplex und ungeeignet, um Neulinge und Kinder spielend für die Geschichten aus Mittelerde zu begeistern. Nun ist bei Kosmos ein kooperatives Familienspiel erschienen, das diese Lücke schließt. Handelt es sich hierbei um einen Schatz, der uns in seinen Bann zieht?

In Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg erleben die ein bis vier Spielenden die Reise um die Hobbits Frodo und Sam. Begleitet von ihren Gefährten versucht die Gruppe gemeinsam, den Einen Ring im Schicksalsberg zu vernichten, um Saurons Macht zu brechen. Auf dem Weg dahin begegnen der Ring-Gemeinschaft diverse Gefahren. Dabei gilt es, dass die Ringträger nicht die Zuversicht verlieren. Vor allem vor den Nazgûls müssen sich die Spielenden in Acht nehmen, während sie sich über den Spielplan bewegen. Sobald die Ringträger-Spielfigur nach sechs Etappen den Schicksalsberg erreicht, hat die Gruppe gemeinsam gewonnen. Und das ist – trotz des simplen Roll-and-move-Mechanismus – gar nicht so leicht; eine große Portion Glück gehört dazu.

Triggerwarnungen

Monstrositäten, Geister

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Spielablauf

Wie es sich für ein Familienspiel gehört, sind die Regeln von Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg sehr simpel, und das Spiel ist nicht mit komplexeren Der Herr der Ringe-Brettspielen vergleichbar. Die Reise beginnt auf dem schön illustrierten Spielplan im Ort Bruchtal. Reihum steuern die Spielenden alle fünf Spielfiguren, die die Ring-Gemeinschaft bilden. Ihr Ziel ist es, die sechs Etappen – Lothlórien, Rohan, Helms Klamm, Gondor, Minas Morgul und Schicksalsberg – abzulaufen.

Um sich über den Spielplan zu bewegen, der den Pfad durch die bekannten Orte aus Mittelerde nachzeichnet, muss gewürfelt werden. Ein Spielzug besteht daher aus einer Würfelphase und einer Auswertungsphase.

Legolas, die Ringträger – Frodo und Sam –, Gimli, Merry und Pippin sowie Aragorn starten in Bruchtal.
  1. In der Würfelphase würfelt die Person an der Reihe zweimal eine Auswahl an Würfeln. Im ersten Wurf zwei schwarze Begegnungs- und zwei farbige Gefährtenwürfel. Davon wählt sie einen schwarzen und einen farbigen Würfel aus, den sie auf die linke Seite der Würfeltafel legt. Im zweiten Wurf wird der noch übrige schwarze und farbige Würfel sowie ein weiterer farbiger gewürfelt. Von diesem Ergebnis wird der schwarze Würfel und einer von den farbigen ausgewählt.
  2. In der Auswertungsphase werden die Würfel auf der Würfeltafel nacheinander ausgeführt. Von oben nach unten, von links nach rechts. Danach ist die nächste Person an der Reihe und bekommt die Würfeltafel.
Am Ende der Würfelphase liegen vier Würfel auf der Tafel.

Doch was bewirken die Würfel? Die schwarzen Würfel geben an, wem die Ring-Gemeinschaft auf ihrer Reise begegnet. Die Begegnungen liegen in Form von Karten am unteren Spielfeldrand aus. Die Karten an den Positionen eins und sechs liegen verdeckt, der Rest offen. Jede Etappe hat ihr eigenes Begegnungskartendeck, das aus sieben Karten besteht, wovon immer sechs ausgelegt werden. Durch die geringe Anzahl an verschiedenen Karten ist hier keine hohe Varianz von Partie zu Partie zu erwarten.

Begegnungskarten mit rotem Symbol in den Ecken haben in der Regel negative Effekte: Unter anderem können Uruk-hais auftauchen, die Zuversicht der Ring-Gemeinschaft sinkt oder ein Kampf wird ausgelöst. Sofern die Gegnerkarten kein Abwerfen-Symbol zeigen, bleiben diese Karten in der Begegnungsleiste liegen und können mehrmals in der gleichen Etappe aktiviert werden.

Karten mit grünem Symbol helfen der Ring-Gemeinschaft auf ihrer Reise, zum Beispiel, indem Würfel neu geworfen werden dürfen. Wenn der schwarze Begegnungswürfel eine Zahl zeigt, an dessen Position eine solche Freund*innen-Karte liegt, nehmen die Spielenden diese. Sie steht ab jetzt allen zur Verfügung und kann einmalig eingesetzt werden. Zu Spielbeginn ist bereits die Karte Boromir verfügbar.

Sobald eine Karte von der Begegnungsleiste genommen wird, wird eine Ersatzaktion sichtbar. Je nachdem welche Spielfigur abgebildet ist, darf diese sich beim nächsten Mal null bis zwei Felder bewegen.

Die rote Gegnerkarte wird abgeworfen. Bei der nächsten schwarzen Drei darf Gimli sich bewegen.

Die Augenzahl der farbigen Würfel gibt an, wie weit die Gefährtenfiguren laufen. Jeder Würfel repräsentiert eine Figur, die mit je einem farbigen Aufsteller markiert ist. Der orange Würfel steht für die Ringträger, der blaue Würfel für Aragorn und so weiter. Bei der Auswahl der farbigen Würfel ist strategisches Vorgehen nötig, um voranzukommen und im besten Fall nicht auf einem negativen Ereignisfeld zu landen.

Durch das Ereignisfeld mit dem schwarzen Herz sinkt nämlich die Zuversicht; durch das zweite Ereignisfeld erscheint ein Nazgûl. Beides lässt die Niederlagebedingungen voranschreiten: Wird der Eine Ring über das unterste Feld der Zuversichtsleiste gezogen, ist die Partie vorbei. Verloren ist das Spiel ebenfalls, wenn die neun Nazgûls in Minas Morgul erschienen sind.

Noch mal Glück gehabt: Legolas ist zwischen den Ereignisfeldern gelandet.

Man könnte meinen, um zu gewinnen, preschen wir doch einfach immer mit dem Ringträger vor. Schließlich muss nur diese Figur den Schicksalsberg erreichen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Wie im Roman kann die Reise zum Schicksalsberg ohne die Gefährten nicht gemeistert werden. Die Spielenden müssen sich gut absprechen, welche Figuren als nächstes bewegt werden. So bleiben die Spielenden immer in Interaktion. Die Person am Zug hat aber das letzte Wort – sofern keine Alpha-Spieler*innen am Tisch sitzen. Allerdings lässt sich das Spiel auch gut allein spielen, denn im Grunde erfordert das Spielprinzip keine Mitspielenden.

Die Gefährten sind besonders hilfreich im Kampf. Sobald eine Begegnungskarte einen Kampf auslöst, wird der Ringträger von Gefährten unterstützt, die sich auf Feldern vor und auf demselben Feld der gleichen Etappe befinden. Der Kampf ist gewonnen, wenn der weiße Kampfwürfel das Symbol eines der unterstützenden Gefährten zeigt. Der Kampf ist verloren, wenn das Sauron-Symbol oder ein Symbol eines Gefährten, der nicht unterstützt, zu sehen ist.

Etwas unklar bleibt in den Spielregeln, wer die Ringträger unterstützt, wenn sie auf dem Etappenziel stehen. Ist das Etappenziel gleichzeitig der Anfang der neuen Etappe, sprich: Unterstützen auch die Figuren auf der nächsten Etappe? Oder nur die Figuren auf dem Etappenziel? An dieser Stelle hätten die Spielregeln etwas präziser formuliert sein können. So bleibt ein gewisser Interpretationsspielraum, der gegebenenfalls mit Hausregeln nachjustiert werden muss.

Grundsätzlich gilt aber: Erreicht der Ringträger das Etappenziel, beginnt eine neue Etappe. Nachdem alle Würfel abgehandelt sind, werden die Begegnungskarten getauscht. Landet die Ringträger-Figur mit exaktem Würfelwurf auf dem Etappenziel, erhält die Gruppe eine Gandalf-Karte als Belohnung. Die fünf Gandalf-Karten haben ähnlich wie die Freund*innen-Karten einmalige positive Effekte.

Wird im Kampf das Gandalf-Symbol gewürfelt, darf die Gandalf-Karte zum Gewinnen abgeworfen werden.

Hat sich die Gruppe bis Minas Morgul vorgekämpft, beginnt die letzte Etappe. Hier sind die Ringträger auf sich allein gestellt. Haben einige Gefährten das Etappenziel genau erreicht, wird die Ringträger-Figur für die Anzahl dieser Gefährten ein Feld Richtung Schicksalsberg gesetzt. Nun wird pro Runde nur noch ein schwarzer Würfel geworfen. Die gewürfelte Begegnung wird abgehandelt und die Ringträger-Figur anschließend ein Feld weiter gesetzt. So geht es reihum, bis das orange Feld des Schicksalsbergs erreicht oder eine der beiden Niederlagebedingungen eingetreten ist.

Ausstattung

Das übersichtliche Spielmaterial ist familienfreundlich gestaltet und besitzt eine gute Qualität. Vor allem die Holzwürfel fühlen sich sehr angenehm in der Hand an. Neben den bunten Gefährten-Figuren gibt es noch Figuren mit grauen und schwarzen Standfüßen für die Uruk-hai beziehungsweise die Nazgûls mit je einem Anführer.

Der Spielaufbau und das Material auf einen Blick.

Enttäuschend für jene, die schon alles über Tolkien und Mittelerde wissen, ist, dass der illustrierte Spielplan keine originalgetreue Abbildung der Landkarte aus den Romanen darstellt. Darauf wird in der Spielanleitung auch explizit hingewiesen – trotzdem schade. Ansonsten sind die Illustrationen der Standfiguren, Karten und Plättchen sehr stimmungsvoll und passen zur Romanvorlage.

Die Spielanleitung ist zudem mit anschaulichen Bildern und Beispielen unterlegt, sodass direkt losgespielt werden kann. Außerdem werden noch eine einfachere und eine herausfordernde Spielvariante vorgeschlagen.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Kosmos
  • Autor*in(nen): Michael Rieneck
  • Illustrator*in(nen): Alesander Karcz
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 50 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: 36,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Mit der Kosmos-Erklär-App können der Aufbau und die Regeln vorgelesen werden, ohne selbst die Anleitung durchblättern zu müssen.

Fazit

Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg ist ein überraschend fluffiges, spaßiges Familienspiel in der Welt von Mittelerde. Wer allerdings Würfelpech hat, verliert – sehr schnell. Es hat einige Testpartien gedauert, bis der erste Sieg eintrat. Dies macht aber den Reiz aus, es erneut zu versuchen.

Dass die Landkarte nicht dem Original aus den Erzählungen nachempfunden ist, trübt die ansonsten gute atmosphärische Umsetzung der Romanvorlage. Die Begegnungen und der Verlauf der Geschichte erzeugen ein stimmungsvolles, harmonisches Der Herr der Ringe-Feeling in der Gruppe.

Falls ihr es überhaupt in der Gruppe spielt. Da es für den Spielverlauf völlig irrelevant ist, wer würfelt, und die Entscheidungen sowieso gemeinsam getroffen werden, ist Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg eigentlich ein solides Solospiel. So kann man auch dem Alpha-Spieler*in-Problem aus dem Weg gehen.

Durch den simplen Roll-and-move-Mechanismus ist es auch für Familien mit Kindern oder als Absacker geeignet. In reinen Erwachsenengruppen mit Vielspielenden wird es vermutlich kein Dauerbrenner sein. Auch aus diesem Grund landet es bei uns nur im Mittelfeld.

  • einfache Regeln
  • atmosphärische Der Herr der Ringe-Momente
  • kurzweiliges und fluffiges Spielgefühl
 

  • sehr glückslastig
  • Mittelerde-Karte nicht nach Romanvorlage gestaltet
  • repetitiv, da wenig Varianz

 

Artikelbilder: © Kosmos
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Michelle Saarberg
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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