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Ein unheimlicher Jahrmarkt mit einer Direktorin, deren Verschwinden bis heute nicht geklärt ist. Klingt nach einer guten Prämisse für ein düsteres Mystery-Erlebnis. Mysterium Park verspricht genau dies und versetzt die Teilnehmer*innen in die Situation, endlich die Wahrheit zu Tage zu fördern …

Die sehr stimmungsvoll gestaltete Box. © Libellud

Im Jahr 2015 brachten die Spieleautoren Oleksandr Nevskiy und Oleg Sidorenko eine internationale und überarbeitete Version ihres Spiels Tajemnicze Domostwo (polnisch für „Mysteriöses Haus“) auf den Markt. Diese Version erhielt den Namen Mysterium. Der kooperative Deduktions-Mix aus Dixit und Cluedo durfte sich über gute Kritiken freuen und sah einige Spiele, die versuchten, in eine ähnliche Richtung zu gehen, wie z. B. Obscurio. Dieses Jahr schlug das Autorenduo erneut zu und verlegte die Suche nach Vergeltung eines Geistes von einem unheimlichen Herrenhaus in einen nicht minder gruseligen Jahrmarkt.

Schon beim Betreten des namensgebenden Mysterium Parks werden die Spielenden von Visionen heimgesucht und müssen der Person, die die verstorbene Direktorin verkörpert, helfen, ihre Qualen endlich hinter sich zu lassen. Dies alles im Vergleich zum Vorgänger aber mit weniger offenen Fragen und deutlich reduziertem Spielmaterial. Doch nicht immer bedeutet weniger Spielmaterial auch gleichzeitig weniger Spielspaß. Oder?

Spielablauf

Das Ziel des Spiels ist es, dass die teilnehmenden Spiritist*innen dem Geist helfen, endlich in Frieden zu ruhen. Dies kann nur geschehen, wenn innerhalb von sechs Spielrunden die Tatverdächtigen und die möglichen Tatorte ausfindig gemacht wurden, damit in einer alles entscheidenden Runde der Mord endgültig aufgeklärt wird.

Zu Beginn des Spiels wird bestimmt, wer die Rolle des Geistes der Direktorin übernimmt. Die anderen Spielenden werden zu Spiritist*innen, also Medien, die die Visionen des Geistes deuten müssen. Der Geist erhält die Visionskarten, die Handlungskarten, den zugehörigen Kartenhalter und drei Ticketplättchen. Für alle gut sichtbar wird der Spielplan mit dem Rundenanzeiger auf die Spielfläche gelegt, und alle Spielenden erhalten die Erkenntnisplättchen und Eingebungsmarker der jeweils gewählten Farbe.

Der beispielhafte Aufbau einer Vier-Personen-Partie. © Libellud

Der Geist zieht nun nacheinander drei Handlungskarten, die fortan bestimmen, in welcher Runde, an welcher Stelle, für welche*n Spiritist*in der jeweilige Hinweis liegt. Zusätzlich mischt der Geist die Visionskarten, von denen im Anschluss sieben Stück als Handkarten gezogen werden. Die erste Runde wird eingeläutet, indem die Personenkarten ebenfalls gemischt und neun davon aufgedeckt auf den Spielplan gelegt werden. Dies sind die neun Verdächtigen für die jeweilige Spielrunde. Die Ortskarten kommen erst später ins Spiel.

Die sechs Spielrunden laufen sehr ähnlich ab. Es beginnt in jeder Partie damit, dass die Spielenden durch die Visionskarten des Geistes die Unschuldigen unter den neun Personenkarten identifizieren müssen. Am Ende müssen drei Tatverdächtige übrigbleiben. Erst wenn alle Unschuldigen identifiziert wurden, wechselt das Schema marginal, und in der zweiten Phase gilt es, drei mögliche Tatorte ausfindig zu machen.

Jede Runde muss der Geist mithilfe der Handkarten den Spiritist*innen Hinweise geben auf den durch die Handlungskarte zugewiesenen Tatverdächtigen oder Tatort. Falls der Geist das Gefühl hat, mit einer oder mehreren Karten die richtige Spur legen zu können, gibt er diese Karten für alle sichtbar an die Person, der der Hinweis gegeben werden soll. Anschließend wird auf sieben Handkarten nachgezogen. Dieses Prozedere wiederholt sich in einer Spielrunde solange, bis alle Spielenden außer dem Geist eine oder mehrere Karten vor sich ausliegen haben. Es ist nicht erlaubt, nach dem Nachziehen erneut Karten zu geben. Sollte der Geist einmal das Gefühl haben, mit seinen Handkarten keine vernünftigen Visionen erzeugen zu können, darf eines der drei Tickets verwendet werden, um bis zu sieben Handkarten auszutauschen.

In diesem Beispiel muss es dem Geist gelingen, die Hinweise so zu geben, dass nur die drei Verdächtigen, also der Zuckerwatteverkäufer oben links, der Magier in der Mitte links und die Schneiderin in der Mitte rechts, übrigbleiben.

Sobald die ersten Karten verteilt sind, dürfen die Spielenden diskutieren und überlegen, auf welche Person oder welchen Tatort die Visionen (die ausgeteilten Karten) hinweisen könnten. Der Geist darf diesen Diskussionen lauschen und sollte sich die Denkweise der Teilnehmenden für kommende Runden merken, aber niemals dürfen die Gespräche kommentiert oder durch Gesten nonverbale Hinweise gegeben werden.

Wenn ein*e Spiritist*in der Meinung ist, den Hinweis richtig gedeutet zu haben, kann der eigene Eingebungsmarker auf die entsprechende Person oder den Tatort gestellt werden. Das Prinzip „gelegt ist gelegt“ gilt hier nicht. Es darf so oft der eigene Marker verschoben werden, bis alle einheitlich dem Geist mitteilen, dass ihre Wahl endgültig ist. Es ist erlaubt, dass mehrere Eingebungsmarker auf der gleichen Karte stehen, es steht dann lediglich fest, dass mindestens eine Person falsch liegt. Es gibt für eine Runde kein Zeitlimit.

Wenn die endgültige Wahl getroffen ist, erscheint der Geist erneut auf der Bildfläche und verkündet die richtigen und falschen Entscheidungen. Sollten ein oder mehrere Marker auf der Karte platziert sein, die auf der Handlungskarte das Zeug*innensymbol trägt, muss dies zuerst preisgegeben werden. Die entsprechende Karte erhält den Zeug*innenmarker. Die Eingebungsmarker auf dieser Karte müssen auf eine andere Karte platziert werden, alle Spielenden dürfen die Wahl noch einmal überdenken.

Danach teilt der Geist mit, welche Entscheidungen richtig und welche falsch sind. Hat man richtig gedeutet, nimmt man den Eingebungsmarker zurück, entfernt die Karte vom Spielfeld, ersetzt sie durch das eigene Erkenntnisplättchen und wirft alle eigenen Visionskarten ab. Lag man falsch, nimmt man lediglich seinen Eingebungsmarker vom Spielfeld und darf die Visionen behalten, die durch neue in der nächsten Runde ergänzt werden. Der Rundenanzeiger rückt ein Feld vor. Erst wenn alle Spiritist*innen die richtige Karte gewählt haben, wechselt man zu Rundenbeginn von den Personen zu den Tatorten und wiederholt dort das identische Prozedere inklusive neuer Handlungskarte. Falls die Ermittlungen zu Tatverdächtigen und möglichen Tatorten am Ende der sechsten Runde nicht abgeschlossen sind, verlieren alle gemeinsam das Spiel.

Im Endgame darf die letzte Vision aus maximal zwei Karten bestehen.

Sollten die Teilnehmenden jedoch vor oder mit Ablauf der sechsten Runde die jeweils drei verbleibenden Tatmerkmale ausfindig gemacht haben, gibt es eine letzte, alles entscheidende Phase.

Der Geist mischt die drei verbleibenden Tatverdächtigen und Tatorte und legt je ein Set auf den Spielplan, sodass die römischen Ziffern zu sehen sind und jeder der drei Ziffern ein Set zugeordnet wird. Anschließend sieht sich der Geist seine letzte Handlungskarte verdeckt an und muss mit einer letzten Vision die Spiritist*innen zur richtigen Lösung führen. Die letzte Vision darf aus maximal zwei Karten bestehen: Eine muss auf die Person, die andere auf den Tatort hinweisen. Alle Spiritist*innen entscheiden gemeinsam, auf welche Ziffer die Wahl fällt. Bei der richtigen Wahl gewinnen alle gemeinschaftlich.

Ausstattung

Im Vergleich zum großen Ableger hat Mysterium Park deutlich reduziertes Spielmaterial. Es gibt keinen Sichtschirm mehr für den Geist, der Rundenmarker ist in ein Spielfeld integriert und wird nicht durch eine Pappstanduhr dargestellt. Besonders auffällig ist, dass es nur zwei statt drei Tatmerkmalen gibt, da die Tatwaffen wegfallen. Zudem werden die Spiritist*innen nur durch die Farbwahl bei den Markern unterschieden und haben keinen Spielcharakter vor sich ausliegen. Dieses deutlich reduzierte Material wirkt sich dementsprechend auch auf die Größe des Spielkartons aus. Daher wirkt es wie ein typisches „Mitbringspiel“ oder ein „Absacker“ zum Ende eines Spieleabends. Doch diese Reduzierung bringt dem Spiel keinen merklichen Abbruch im Spielspaß ein und ist daher positiv zu bewerten. Das Material ist von hoher Qualität und gerade die Eingebungsmarker, die durch Glaskugeln dargestellt werden, sind – wie schon im Vorgänger – ein echter Hingucker.

Auch die Schachtel kann mit einem tollen Sortiereinsatz punkten. Das gesamte Spielmaterial hat einen dedizierten Platz. So haben sogar die kleinen Ticketmarker kleine Aussparungen, sodass nichts durch die Schachtel fliegt oder verrutschen kann – ein Merkmal, von dem sich viele Spielehersteller eine Scheibe abschneiden könnten.

Alles hat seinen perfekten Platz und nichts verrutscht.

Die Gestaltung der einzelnen Karten ist wie aus dem Vorgänger und dem geistigen Vorbild Dixit gewohnt surreal und beinahe hypnotisch. Gerade die Visionskarten haben dieses gewisse Etwas, was man sich sonst unter einer Traumreise vorstellt.

Die Personenkarten bieten eine düster-bunte Mischung verschiedenster Jahrmarkts-Stereotypen. Doch die Darstellungen schaffen es, dass man es nicht als plumpes Bedienen von Klischees wahrnimmt, sondern vielmehr als eine liebevolle Hommage an Geschichten aus der Kindheit oder Gruselgeschichten am Lagerfeuer. Auch der Zeichenstil der Tatortkarten passt in das Bild, welches das Spiel einfangen möchte.

Hier ein Beispiel für sehr ähnliche Orte mit wenigen klar unterscheidbaren Merkmalen.

Doch haben die Tatorte im Vergleich zum „großen“ Spiel ein Problem: Viele Orte ähneln sich, so gibt es nicht viele eindeutig differenzierbare Unterschiede zwischen beispielsweise dem Ticketschalter und der Zuckerwattebude. Natürlich erkennt man, was dort dargestellt wird, doch machen die klaren Parallelen es dem Geist oftmals schwer, mit den surrealen Visionskarten gute Hinweise zu geben, insbesondere dann, wenn zwei solcher Geschwisterorte im Spiel sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Libellud, Asmodee
  • Autoren: Oleksandr Nevskiy, Oleg Sidorenko
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Sprachneutral; Anleitung in Deutsch
  • Spieldauer: 30-45 Minuten
  • Spieler*innenanzahl: 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 25 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die Spielregel als PDF-Datei zum Download.

Auf der Webseite von Asmodee Deutschland steht die Spielregel als PDF-Datei zum Download bereit.

Fazit

Zugegeben, als Fan von Mysterium machte sich bei erster Betrachtung des deutlich kleineren Spielekartons und dem reduzierten Material etwas Ernüchterung breit. Doch wie sehr tat dieser Ersteindruck Mysterium Park unrecht. Das Spiel reduziert an genau den richtigen Stellen. In keiner Runde wurden auch nur ansatzweise Elemente vermisst. Es macht so vieles richtig. Gerade für Kenner*innen des Vorgängers ist ein Einstieg kinderleicht, die marginalen Regeländerungen sind schnell verinnerlicht. Und auch Neulingen ist das Spiel in Windeseile beigebracht. Mit seiner verkürzten Spielzeit ist Mysterium Park ein schönes Spiel für zwischendurch oder auch für mehrere Runden hintereinander.

Natürlich macht das Spiel am meisten in der Gruppe Spaß und funktioniert mit ein wenig Improvisation auch über Webcam und Skype oder ähnlichen Programmen. Doch im Vergleich zum Vorgänger hatte die Testspielrunde auch einigen Spaß zu zweit oder zu dritt. Hier übernehmen die teilnehmenden Personen (außer der*die Spieler*in des Geistes) je zwei Spiritist*innen.

Alles in allem haben wir hier einen würdigen Nachfolger für ein spaßiges, einfach zu erklärendes Gruppenspiel. Ein kleiner Kritikpunkt bleibt bei der hohen Schwierigkeit der Tatortkarten. Das war in einigen Runden durchaus frustrierend gerade für den Geist. Und apropos frustrierter Geist: Der Grat zwischen Belustigung und purer Verzweiflung, wenn die Mitspielenden die gegebenen Hinweise vollkommen überinterpretieren oder Dinge erkennen, die der Geist nicht im Ansatz meinte, ist sehr schmal. Das kann in manchen Spielgruppen zu Frust und Ärger führen, ist aber im Großteil der Zeit hoch amüsant.

 

Artikelbilder: © Libellud
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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