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Nicht alle Spiele bestechen durch ausgefeilte Mechanismen oder besonders viele Miniaturen. Auch durch großartige Kunst und Bildsprache kann man sich aus der Masse hervorheben. Genau das versucht Libellud, die Firma hinter Dixit und Mysterium, nun erneut. Wie kann sich Obscurio im Vergleich zu den Vorgängern platzieren?

Zehn Jahre ist es nun her, dass Dixit den begehrten Titel Spiel des Jahres 2010 ergattern konnte. Und nach unzähligen Erweiterungen erschien 2015 mit Mysterium so etwas wie der Nachfolger. Kooperativ war es dieses Mal, aber dennoch sind beide Spiele eng verwandt. Assoziationen zu äußerst skurrilen Bildern sind ein Grundgedanke, der jeweils tief im Spiel verankert ist. Dennoch konnte Mysterium niemals die Größe oder Beliebtheit von Dixit erreichen.

Entsprechend dachte sich Libellud wohl: „Aller guten Dinge sind drei!“, und brachte im letzten Jahr mit Obscurio den dritten Teil in dieser losen Reihe auf den Markt. Dieses Mal wieder kooperativ, aber im Gegensatz zu Mysterium nicht komplett. Denn es gibt nun einen Verräter unter den Spielern!

Spielablauf

Die Spieler stellen Zauberer dar, die in der Bibliothek eines bösen Hexenmeisters gefangen sind. Die Bibliothek selbst versucht sie am Entkommen zu hindern und ihr einziger Verbündeter ist ein magisches Grimoire (ebenfalls einer der Spieler), das ihnen Hinweise geben kann. Doch leider wurde einer der Zauberer verflucht und arbeitet gegen die Gruppe. Können die Zauberer entkommen oder bricht die Gruppe auseinander, bevor sie den Ausgang erreichen?

Magnetpfeile auf das Licht und die Hand durch das Grimoire.

Gespielt wird Obscurio in Runden. Jede Runde stellt einen Raum dar, in dem es sechs Türen gibt, von denen nur eine die Gruppe näher an den Ausgang bringt. Jede der Türen wird dargestellt durch eine Bildkarte. Die diese Runde korrekte Tür wird vom Spieler des Grimoires zu Beginn des Zuges verdeckt gezogen und angeschaut. Dann zieht dieser zwei weitere zufällige Bildkarten und kann mit Hilfe von zwei pfeilförmigen, magnetischen Markierern Hinweise auf diesen hervorheben.

Diese Hinweise schauen sich die Spieler der Zauberer gemeinsam an und können darüber diskutieren.

Nachdem die Spieler damit durch sind, schließen sie alle die Augen und das Grimoire gibt dem Verräter die Chance, aus einer Auswahl von acht Bildkarten bis zu zwei als falsche Fährten ins Spiel zu bringen. Dann werden die Karten auf sechs aufgefüllt, gemischt, zufällig auf die Türen verteilt und aufgedeckt.

Möglichkeit zur Auswahl falscher Fährten durch den Verräter. Er wählt 2 und 5.

Nun sind die Zauberer wieder an der Reihe und können über die Karten diskutieren und versuchen herauszufinden, welche davon die korrekte Tür ist. Dabei ist der Verräter im Vorteil, da er ja bereits bis zu zwei Karten als falsch kennt und versuchen kann, die anderen Spieler in die Richtung dieser Karten zu lenken.

Jeder Zauberer entscheidet sich für eine der Türen. Wenn mindestens einer der Zauberer an der korrekten Tür steht, kommt die ganze Gruppe einen Raum weiter. Aber jeder Zauberer, der nicht an der korrekten Tür steht, verbraucht ein Zusammenhalt-Plättchen aus dem gemeinsamen Vorrat. Sinkt dieser auf oder unter ein festgelegtes Mindestmaß, haben die Zauberer die Chance, den Verräter zu entlarven. Wird dabei zu oft der Falsche beschuldigt oder werden danach zu viele Fehler gemacht, in beiden Fällen markiert durch das Sinken des Zusammenhalts auf 0, sind die Spieler nicht entkommen und der Verräter gewinnt.

Sollte es den loyalen Zauberern jedoch gelingen, sechs Räume zu durchqueren – wobei der letzte Raum deutlich schwieriger ist, dazu später mehr –, haben sie gemeinsam mit dem Grimoire gewonnen.

Auswahl der Türen; beide falschen Fährten wurden gewählt.

Neben dem Verräter gibt es noch weitere Stolpersteine auf dem Weg zum Ausgang: Fallen! Denn je mehr Durchläufe einer Sanduhr die Auswahl der richtigen Tür im Raum zuvor gedauert hat, desto mehr Fallen konnte die Bibliothek vorbereiten. Diese werden jedes Mal erneut zufällig aus einem Beutel gezogen und verändern ein paar der grundlegenden Regeln. Mal gibt es eine siebte Tür, mal kennt der Verräter vor der Auswahl der falschen Karten die Richtige oder er darf bis zu vier falsche Karten auswählen. Dazu gibt es mehrere Fallen, die es dem Grimoire erschweren, Hinweise zu geben. Und ein paar, die völlig anders funktionieren und dafür sorgen, dass eine Karte verdeckt bleibt oder die Karten nacheinander aufgedeckt werden und jeweils vor dem Aufdecken der nächsten Karte entschieden werden muss, wer die gerade aktuelle Tür wählt.

Eine Besonderheit ist dabei der letzte Raum. In diesem ist stets eine Wächter-Falle aktiv, die verhindert, dass die Zauberer noch in irgendeiner Form kommunizieren dürfen.

Gespielt werden kann Obscurio mit zwei bis acht Spielern, wobei es bei weniger als vier Spielern keinen Verräter gibt. Da dies das Spiel grundlegend verändert, habe ich diese Spielerzahlen aus der Betrachtung komplett herausgelassen. Mit vier Spielern funktioniert es passabel, aber richtig gut ist es erst mit fünf oder mehr Spielern. Der Verräter wird schwerer zu finden, die Diskussionen und Entscheidungen dauern länger, wodurch mehr Fallen ins Spiel kommen und es spannender und abwechslungsreicher wird.

Die Erklärung der Fallenplättchen findet sich auf der Rückseite der Regeln.

Obscurio ist einfach zu erlernen. Im Spiel selbst gibt es wenig aufkommende Fragen. Die Erklärung zu den Fallen ist auf der Rückseite der Anleitung abgebildet, so dass diese schnell zur Hand sind. Ansonsten gibt es keine Fallstricke in den Regeln.

Da es sich um ein Kommunikations- und Assoziationsspiel handelt, hängen der Spielspaß und die Wiederspielbarkeit maßgeblich von der Gruppe ab. Hat man Spieler versammelt, die sich gut kennen und verstehen, wie die anderen denken, wird Obscurio schnell zum Selbstläufer. Hat man jedoch eine unkommunikative Gruppe oder Leute am Tisch, deren Denkmuster nicht mit den eigenen kompatibel sind, kann es schnell passieren, dass es zum Rohrkrepierer wird.

Viel hängt bei Obscurio vom Grimoire ab. Sind dessen Hinweise für die anderen nicht nachvollziehbar, wird das Spiel schnell zur Katastrophe. Und da die Regel sagt, dass dessen Spieler außer über die Mechanismen im Spiel selbst nicht mit den Zauberern kommunizieren darf, ist die Rolle bisweilen sehr einsam – insbesondere für ein Kommunikationsspiel. Wir haben daher schnell die Regellockerung eingeführt, dass dieser natürlich nichts über den Verräter preisgeben, aber zwischen den Runden sehr wohl über seine Hinweise aus den Vorrunden reden darf. So werden die Gedankengänge dahinter klarer und für die weiteren Runden haben die Zauberer bessere Chancen, diese zu erahnen und nachzuvollziehen. Das, gepaart mit den richtigen Mitspielern, hat bei uns für eine Menge Spaß gesorgt. Auf beiden Seiten des Tisches, denn auch die unterschiedlichen Grimoires konnten Spaß daran gewinnen, wie ihre Hinweise (fehl-)interpretiert wurden.

Schade ist, dass in der Box nur 84 Bildkarten enthalten sind. Denn selbst wenn alles perfekt läuft, sehen zumindest Grimoire und Verräter mindestens 54 Karten in einer Partie, meist eher 66-70. Somit sind also nicht einmal zwei Partien spielbar, ohne dass Karten erneut auftauchen. Wie schon bei Dixit und Mysterium ist davon auszugehen, dass durch Erweiterungen neue Karten hinzufügen werden. Leider verhindert die runde Form der Karten, dass man Ersatz aus den anderen Spielen zum Überbrücken der Zeit verwenden kann.

Ausstattung

Spiele wie Obscurio leben vor allem von ihrer Optik. Entsprechend viel Wert wurde auf das Design der Spielkomponenten gelebt. Die Materialien sind hochwertig, die Grafik vermittelt gut die Stimmung und die Bildkarten – Dreh- und Angelpunkt des Spiels – enthalten viele schöne Details, die man als Hinweise verwenden oder einfach entdecken kann. Auch das Hinweisbuch des Grimoires ist gelungen und die Magnetpfeile funktionieren sehr gut zum Markieren.

Kleine Kritik ist jedoch angebracht für die Zusammenhalt-Plättchen. Fitzelige kleine Pappmarker sind nicht mehr das, was man heutzutage in einem Spiel erwarten würde.

Obwohl es eine interessante Idee ist, die Bildkarten rund zu machen, so stellt dies ein Problem dar, denn übliche Mischtechniken funktionieren nur sehr bedingt.

Alles in allem sind das keine Mängel, die gravierend genug für eine Abwertung wären.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Libellud / Asmodee
  • Autor(en): L‘Atelier
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 40-60 Minuten
  • Spieleranzahl: (2) (3) 4 5 6 7 8
  • Alter: 10+
  • Preis: 43,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Produktseite von Asmodee gibt es die Spielregel zum kostenlosen Download.

Fazit

Obscurio ist schon durch das Spielmaterial ein echter Hingucker.

Obscurio ist ein Kommunikations- und Assoziationsspiel für, laut Schachtel, zwei bis acht Spieler. Tatsächlich sollten es vier oder besser fünf bis acht sein. Wie schon beim geistigen Vorgänger Mysterium gibt es eine Art Spielleiter, das Grimoire, der den anderen Spielern an Hand von Bildern Hinweise auf ein anderes Bild geben muss. Anders als bei Mysterium kommt ein Verräter hinzu. Dadurch wird das Spiel deutlich spannender und abwechslungsreicher, da man nicht allen Aussagen und Assoziationen vertrauen darf. Genau das könnte ein Punkt sein, der manchen Spielern missfällt. Denn um Verräter zu sein, muss man seine Mitspieler hinters Licht führen, und das liegt nicht jedem.

Apropos Licht: Das Spiel eignet sich auf Grund der vielen Details, die es auf den Karten zu finden gibt, eher für gut beleuchtete Tische. Personen mit schlechtem Sehvermögen werden an diesem Spiel keine Freude haben. Dieser Umstand ist schade, aber bei einem Spiel dieser Art nicht zu vermeiden.

Wer aber Spiele im Stil von Dixit oder Mysterium mag und sich noch dazu nicht davor scheut, die anderen Spieler auch mal belügen zu müssen, der kann und wird eine Menge Spaß mit Obscurio haben. Gerade die Möglichkeit, das Spiel mit bis zu acht Leuten zu spielen, und dazu noch die relativ geringe Länge, machen es zu einem idealen Spiel für so manchen Spieleabend. Schade ist hingegen, dass es diese große Spielerzahl auch braucht, um wirklich zu funktionieren. Dieser letzte Punkt ist das Einzige, was zu einer leichten Abwertung geführt hat. Denn wenn die Box von zwei bis acht Spielern spricht, dann sollte das nicht nur ein Lippenbekenntnis mit völlig anderem Spielerlebnis sein.

 

Artikelbild: © Asmodee, Fotografien: Holger Christiansen, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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