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Moritz Schusters erstes Spiel, Dream Cruise, steht kurz vor der Auslieferung. Die Vorbereitungen für weitere Spiele sind bereits abgeschlossen. Wir haben uns mit Moritz unterhalten über die Motivation für die Entwicklung und deren Verlauf. Außerdem haben wir ihn nach Tipps für angehende Spielautor*innen gefragt.

Moritz Schuster
Moritz Schuster © Kobold Spieleverlag

Einige kennen Moritz Schuster vielleicht noch als den früheren Schlagzeuger der Herner Metalband Layment. Seit seinem Ausstieg konzentriert er sich auf seine Aufgaben als Familienvater. Unter anderem dadurch sind Brettspiele zum neuen prominenten Hobby geworden.

Teilzeithelden: Moritz, wie bist Du zum Brettspiel gekommen?

Moritz: Ich habe schon immer gespielt, auch in meiner Metalzeit. Und jetzt sind Brettspiele das neue große Hobby. Das kannst du halt gut abends mit den Kindern und der Familie machen, oder auch mit Freunden.

Ich mache selten ein Hobby nur einfach so, sondern will da auch immer selbst aktiv werden. Das war schon früher mit der Musik so, und jetzt ist zum Spielen die eigene Spielentwicklung dazugekommen.

Was ist Dream Cruise?

Teilzeithelden: Dein Spiel Dream Cruise steht kurz vor der Veröffentlichung. Worum geht es da?

Moritz: Dream Cruise soll das Urlaubsgefühl auf einem Kreuzfahrtschiff einfangen. Ich habe vor drei Jahren eine Kreuzfahrt gemacht und war davon ziemlich begeistert. Zuhause wollte ich dann dieses Urlaubsgefühl als Brettspiel kaufen, habe aber nichts Passendes gefunden.

Deshalb habe ich meinen langjährigen Freund Malte Kischkel gefragt, ob wir nicht zusammen ein Brettspiel entwickeln wollten. Die Leitidee war von vornherein besagtes Urlaubsgefühl, darum wollten wir beispielsweise keine negative Spielenden-Interaktion. Letztendlich ist Dream Cruise ein Karten-Draft-Spiel geworden, bei dem man versucht, auf einer Reise möglichst viele Wünsche der Feriengäste zu bedienen.

Alle Spielenden steuern jeweils ein eigenes Schiff. Dadurch können große Teile des Spieles simultan stattfinden. Es gibt gemeinsame Phasen, in denen Karten aus einer Auslage gezogen werden. Das gleichzeitige Spiel war uns aus zwei Gründen wichtig. Zum einen können so alle Spielenden jeweils eine eigene Reise planen und so ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen. Zum anderen ist es bei Familienspielen immer ungünstig, wenn Spielende zwischen den eigenen Zügen zu lange auf Mitspielende warten müssen.

Dream Cruise soll das Urlaubsgefühl auf einem Kreuzfahrtschiff einfangen.

Es gibt eine klare Rundenstruktur mit thematisch geordneten Phasen. In der ersten Phase werden neue Gästekarten eingeschifft. Dies können alle Spielenden gleichzeitig erledigen. Danach wird gleichzeitig die Reiseroute festgelegt. In Phase 3 werden reihum Attraktionen für das Bordprogramm und Schiffsausbauten festgelegt. In der Phase „Leinen los“ versucht alle Spielenden, die Wünsche der jeweiligen Gäste zu erfüllen. Dies kann auch wieder gleichzeitig gespielt werden. In der letzten Phase werden alle Gäste, deren Wünsche erfüllt werden konnten, ausgeschifft und in Siegpunkte umgewandelt.

Der/die Spielende mit den zufriedensten Urlaubern gewinnt am Ende das Spiel. Die meisten Spiele dauern sechs Runden, das ist aber abhängig davon, wie geschickt die Spielenden ihre Karten zusammenstellen.

Teilzeithelden: Für die Spielprofis unter uns: Welche Mechanismen werden in Dream Cruise verwendet?

Moritz: Die Hauptmechanismen sind Hand-Management, Drafting und ein wenig Engine Building.

Teilzeithelden: Wie würdest Du Dream Cruise beschreiben? Als Eurogame? Als Kinderspiel?

Moritz: Ich denke, vom Anspruch her ist Dream Cruise nicht schwieriger als Siedler. Die Spielenden müssen die Phasen der Runde oder die verschiedenen Kartentypen verstehen. Wer Erfahrung mit Spielen hat, sollte hier kein Problem haben. Wer jedoch nur Monopoly kennt, muss hier vielleicht noch etwas dazulernen.

Dream Cruise in natürlicher Umgebung © Kobold Spieleverlag
Dream Cruise in natürlicher Umgebung © Kobold Spieleverlag

Teilzeithelden: Gibt es mehr als einen Punkte-Mechanismus?

Moritz: Ja. Der Haupt-Punkte-Mechanismus sind die Siegpunkte für Gäste, deren Wünsche komplett erfüllt werden. Zum anderen gibt es auch Punkte für die gefahrenen Routen. Deshalb muss man bei den Routen gelegentlich entscheiden, ob man einen Hafen anläuft, der Gästewünsche erfüllt, oder lieber einen Hafen, der Routenpunkte bringt. Zu guter Letzt gibt es auch Punkte für teilweise erfüllte Gästewünsche.

Teilzeithelden: Wie sehen die Spielenden-Interaktionen bei Dream Cruise aus?

Moritz: Die Spielenden-Interaktion bei Dream Cruise ist sehr gering und findet quasi nur beim Ziehen aus der gemeinsamen Auslage statt. Wir haben im Laufe der Entwicklung ausprobiert, mehr Interaktion in das Spiel zu bringen, allerdings hat dies keinen Spaß gemacht. Jeder wollte seine eigene Kreuzfahrt machen und damit den Spaß an diesem Spiel haben.

Für ein Familienspiel finde ich das völlig in Ordnung. Es gibt so viele Spiele, wo sich die Spielenden irgendwann Dinge wegnehmen oder sich zubauen. Ein klassisches Beispiel ist wieder Siedler: Wenn ich meine Straße falsch baue, kann es sein, dass meine siebenjährige Tochter an der Stelle nicht mehr weiterkommt, dann ist sie traurig. Dann war das für sie kein schönes Spielerlebnis.

Natürlich kann man sagen, man sollte dies durch Spiele auch lernen können. Ich finde allerdings, bei einem Familienspiel sollte der Spaß im Mittelpunkt stehen, und bei Dream Cruise können alle Spielenden Spaß haben, ohne sich gegenseitig zu behindern. Das gemeinsame Zusammensitzen und die gemeinsame Tätigkeit am Tisch stehen im Vordergrund.

Ich mache gerne Spiele für Familien, die sich nicht ärgern wollen.

Ich mache gerne Spiele für Familien, die sich nicht ärgern wollen.

Teilzeithelden: Dream Cruise ist auf ein bis vier Spieler ausgelegt. Ist das ein hartes Limit, oder kann man das auch mit größeren Familien spielen?

Moritz: Nein, das ist kein hartes Limit. Bei sechs Spielern würden die Kartenauslagen sehr groß werden, ob das sinnvoll ist, weiß ich nicht. Da Dream Cruise weitgehend simultan gespielt wird, würde sich an der Spielzeit nicht viel ändern.

Letztendlich ist das eine Verlagsentscheidung, ob zusätzliche Tableaus für fünf oder sechs Spielende beigelegt oder vielleicht als Erweiterung zur Verfügung gestellt werden.

Der Weg zum Spiel

Teilzeithelden: War das Spiel von Anfang an so gedacht, wie es am Ende geworden ist, oder habt Ihr bei der Entwicklung viel geändert?

Moritz: Der thematische Schwerpunkt war von Anfang an das Ziel, und dieser ist auch so erhalten geblieben. Allerdings war Dream Cruise am Anfang nur ein Projekt unter spielbegeisterten Freunden.

Je mehr wir uns mit der Materie befasst haben, desto mehr haben wir festgestellt, wie kompliziert das Ganze eigentlich ist. Andere Autor*innen haben uns auf ungefähr zehn Jahre „Lernzeit“ vorbereitet, bis man zum ersten Mal überhaupt von Verlagen wahr- und ernstgenommen wird und ein Spiel veröffentlichen kann. Insofern haben hat es uns natürlich überrascht, dass dies bei uns so schnell gegangen ist.

Das Spiel selbst hat sich weit entwickelt. Wir waren neu in der Spielentwicklung, darum ging es am Anfang in alle möglichen Richtungen. Unter anderem hatten wir zeitweise eine komplexe Wirtschaftssimulation, bei der Spielende mit Ressourcen wie Nahrung und Schweröl haushalten oder eine ganze Flotte verwalten mussten.

Je mehr wir uns mit der Materie befasst haben, desto mehr haben wir festgestellt, wie kompliziert das ganze eigentlich ist.

Diese Elemente sind schnell wieder gekürzt worden. Im Laufe der Entwicklung haben wir viel Streamlining betrieben und alles rausgenommen, was zu kompliziert war oder dem Kern des Spiels nicht entsprochen hat.

Teilzeithelden: Wie lange habt Ihr für die Entwicklung von Dream Cruise gebraucht?

Moritz: Letztendlich waren es circa drei Jahre, allerdings mit unterschiedlich intensiven Phasen. Die Kern-Entwicklungszeit des Grundspiels war ein gutes Jahr, in dem das Spiel unser Haupt-Augenmerk neben unseren Berufen war.

Danach kam es immer wieder auf den Tisch, in den verschiedenen Stadien der Entwicklung. Auch jetzt, wo wir gedacht haben, es sei fast fertig und veröffentlicht, sind uns auf Conventions noch neue Ideen gekommen, die wir umsetzen sollten. Dadurch kam es zu Implikationen mit anderen Mechanismen, so dass es auch hier zu weiteren Verbesserung und Finetuning kam.

Ich habe natürlich auch jetzt, wo es veröffentlicht wird, noch weitere Ideen, die vielleicht in eine Erweiterung einfließen.

Das Coverbild von Dream Cruise © Kobold Spieleverlag
Das Coverbild von Dream Cruise © Kobold Spieleverlag

Teilzeithelden: Habt Ihr bei der Entwicklung die ganze Zeit an einem Strang gezogen oder gab es auch Kontroversen? Wenn ja, wie habt Ihr die gelöst?

Moritz: Heftige Kontroversen in dem Sinne hatten wir nicht. Doch mit fortschreitender Spielentwicklung mussten wir uns natürlich auch von liebgewonnenen Elementen trennen.

Beispielsweise hatten wir eine wunderschöne Europakarte, in die Malte schon viel Arbeit gesteckt hatte. Irgendwann haben wir allerdings festgestellt, dass die Karte den Spielfluss nicht weiterbringt. Wir haben uns dann entschieden, die Hafenkarten mit den Seetagen zusammen in den Zugstapel zu packen. Das hat nicht nur den Aufbau vereinfacht und das Spiel beschleunigt, sondern auch spannendere Entscheidungen im Spiel ermöglicht. Allerdings mussten wir uns an der Stelle natürlich erstmal von der Karte als Spielmaterial lösen, zumal diese als Spielmaterial sehr schön war und auch thematisch gut passte.

In solchen Fällen gab es meist viele lange Emails, in denen wir die Vorzüge von bestimmten Mechanismen und Entscheidungen bei der Entwicklung dargelegt haben. Dadurch sind wir schnell auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Das wirklich Gute daran war, dass wir nicht aus dem Bauch heraus die Entscheidung getroffen haben, ein Element hinzuzufügen oder wegzulassen. Stattdessen haben wir uns intensiv Gedanken über alle Spielelemente gemacht, um die Änderung dann auch argumentativ darstellen zu können.

Promotion und Veröffentlichung

Teilzeithelden: Ihr habt recht schnell einen Verlag gefunden. Habt Ihr bewusst gesucht, ist der auf Euch aufmerksam geworden, oder wie ist das passiert?

Moritz: Wir haben verschiedene Messen und Treffen besucht. Das wichtigste davon war das jährliche Spielautoren-Treffen in Göttingen, welches wir 2018 zum ersten Mal besucht haben. Wir hatten einen Stand und haben versucht, möglichst vielen Verlagen das Spiel zu zeigen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon ansprechendes Spielmaterial, allerdings war das Spiel noch eher ein Kennerspiel.

Wir haben viele Erfahrungen gewonnen, mit denen wir das Dream Cruise noch einmal überarbeitet haben. Dadurch ist das Spiel zum einen deutlich einfacher geworden, zum anderen konnten wir den Spielfluss deutlich verbessern.

2019 waren wir wieder beim Spielautoren-Treffen, und diesmal ist der Kobold Spieleverlag auf uns aufmerksam geworden. Nachdem uns Repräsentanten des Verlages mehrfach abwechselnd am Stand besucht hatten, haben wir sogar eine komplette Partie mit ihnen durchgespielt. Ich hatte mit Fabelland noch ein zweites Spiel dabei, welches jetzt ebenfalls bald veröffentlicht wird.

Der Kobold-Verlag hat beide Spiele mitgenommen und ausgiebig getestet. Danach hat mir der Kobold-Verlage einen Vertrag für Dream Cruise angeboten. Für Fabelland habe ich ein Angebot von Mirakulus bekommen, einem Schwesterverlag des Kobold-Verlages. Beide Verlage gehören zur Spiele-Offensive. Die Spiele haben sie schon auf dem Treffen begeistert, und auch in den Testspielen haben sie keine Schwachstellen gefunden, die eine Veröffentlichung erschweren würden.

Wichtig für mich war, dass es von Anfang an eine gute menschliche Chemie gab. Auch haben mir alle Ideen und Verbesserungsvorschläge, die vom Verlag kamen, sehr gut gefallen. Ich habe gemerkt, dass wir da in die gleiche Richtung gegangen sind.

Teilzeithelden: Also hast Du noch ein Lektorat vom Verlag bekommen?

Moritz: Genau. Bei Verlagen ist es üblich, dass Scouts auf Messen unterwegs sind, die Prototypen finden und dem Verlag vorstellen. Die Verlage prüfen die Prototypen natürlich und geben da auch Hinweise, wie man das Spiel ihrer Meinung nach verbessern sollte. Bei Dream Cruise wurden Kleinigkeiten an den Mechaniken und der thematischen Umsetzung des Spielmaterials umgesetzt.

Je größer ein Verlag ist, desto länger scheint dieser Prozess zu dauern. Kleinere Verlage haben zwar nicht die gleiche Reichweite, können sich aber intensiver mit einzelnen Spielen beschäftigen, weshalb das Lektorat hier deutlich schneller gehen kann.

Teilzeithelden: Wurde im Lektorat viel verändert?

Moritz: Es wurden bei Dream Cruise nur kleine Änderungen vorgenommen. Selbst Anleitungstext, Ikonographie und Kartengestaltung sind weitgehend wie im Prototyp. Dies ist recht selten. In der Regel werden die Spiele vom Verlag stärker überarbeitet, so dass teilweise nur die Grundmechaniken erhalten bleiben.

Anleitungstext, Ikonographie und Kartengestaltung sind weitgehend wie im Prototyp. Dies ist recht selten.

Teilzeithelden: Die Veröffentlichung erfolgte letztendlich via Crowdfunding, kannst Du dazu etwas sagen?

Moritz: Genau, das ist auf der Spieleschmiede Online gegangen und wurde im Rahmen des Crowdfundings von über 500 Backern unterstützt. Angekündigt wurde es auf der Spiele-Offensive Online Expo.

Der Verlag hatte mich vorher im Unklaren gelassen – ich hatte mir eine Ankündigung auf der Expo gewünscht, weil das mangels echter Messen mit die beste Veranstaltung war, das Spiel einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Nachfrage teilte der Verlag allerdings mit, dass dies unwahrscheinlich sei, zumal auch das Trailer-Video noch nicht fertig geschnitten sei.

Ich habe dann auf der Expo ein Live-Interview gegeben, und in diesem Interview hat der Verlag dann zu meiner großen Freude die Liveschaltung vorgenommen.

Teilzeithelden: Welchen Erfolg hatte das Crowdfunding?

Moritz: Wir haben nach wenigen Tagen das Finanzierungsziel erreicht. Insgesamt haben wir Dream Cruise zu 300% finanziert. Wir hatten eigentlich eine Auslieferung pünktlich zu Weihnachten geplant, doch durch Verzögerungen geschieht die Auslieferung wahrscheinlich erst im Januar. Das sehe ich trotzdem als sehr schnell an, in Vergleich zu manch anderen Crowdfunding-Kampagnen.

Teilzeithelden: Sind Lizenzvergaben ins Ausland geplant?

Moritz: Auf jeden Fall. Die Verhandlungen laufen im Moment mit Verlagen aus verschiedenen Ländern. Für die Niederlande konnten wir schon einen Vertrag unterschreiben mit einem Verlag, der bereits 2018 Interesse an dem Spiel zeigte.

Teilzeithelden:  Das heißt, wenn wir Dich das nächste Mal interviewen, haben wir es bereits mit einem internationalen Spiele-Autor zu tun?

Moritz: Ja, ich hoffe, dass alles gut läuft und die Spiel 2021 wieder normal stattfinden kann, auf der das Spiel dann nicht nur an einem, sondern gleich an mehreren Ständen präsentiert wird.

Teilzeithelden: Kommt das Spiel auch in den regulären Handel?

Moritz: Ja. Zunächst werden im Januar natürlich die Unterstützer des Crowdfundings beliefert. Danach wird Dream Cruise auf der Webseite der Spiele-Offensive erhältlich sein, sowie bei ausgewählten Spieleläden in Deutschland, die mit der Spiele-Offensive zusammenarbeiten. Ob darüber hinaus noch die großen Ketten beliefert werden, hängt am Ende von der Distributions-Strategie des Verlages ab. Der Aufbau der Distribution ist in Corona-Zeiten allerdings nicht so einfach.

Teilzeithelden: Weißt Du schon, welcher Verkaufspreis angestrebt ist?

Moritz: Die Backer haben Dream Cruise für 29 Euro bekommen. Ich denke, als Verkaufspreis ist 35 Euro angedacht. Wir überlegen noch, ob es noch zusätzliche Goodies für die 532 Unterstützer gibt, beispielsweise unterschriebene Karten aus den Prototypen.

Tipps für angehende Spiel-Entwickler*innen

Teilzeithelden: Was ist das wichtigste, was Ihr bei der Entwicklung von Dream Cruise gelernt habt?

Moritz: Das wichtigste ist natürlich, das Spiel häufig und mit wechselnden Gruppen zu testen.

Ebenfalls enorm wichtig ist, bei Feedback aufmerksam zuzuhören und nicht zu versuchen, gegen Kritik zu argumentieren, sondern diese aufzunehmen. Kritik muss nicht immer zielführend sein. Selbst, wenn die Kritik nicht auf den Punkt ist, kommt man häufig auf andere Ideen. Die Kritik beschreibt nicht ein Problem des Spieles, sondern ein Problem des Spielenden mit dem Spiel. Dahinter könnte ein Problem des Spieles stecken, oder zumindest etwas, was man noch besser darstellen oder klarer formulieren kann.

Ebenfalls wichtig ist, nicht nur im stillen Kämmerlein zu werkeln, sondern rauszugehen und sich zu vernetzen. Wir waren auf unzähligen Spiele-Treffen und Messen, wo wir Kontakte sowohl zu anderen Autor*innen, als auch zu deutschen und internationalen Verlagen schließen konnten. Hier haben wir sehr viel qualifiziertes Feedback bekommen, welches Dream Cruise und auch mich als Autor deutlich nach vorne gebracht hat.

Teilzeithelden: Wenn Leute zuhause sitzen und eine Idee für ein Spiel haben, wie fangen die am besten an?

Moritz: Ich würde empfehlen, es einfach mal zu probieren. Nicht zu viel überlegen, sondern möglichst schnell den ersten Prototypen fertigstellen. Es ist wichtig, überhaupt erstmal Spielmaterial in der Hand zu halten. Bei Dream Cruise haben wir beispielsweise mit Karteikarten angefangen. Es hilft, schon mal Spielmaterial in der Hand zu haben, das unterstützt den Denkprozess beim Entwickeln.

Wenn der erste Prototyp dann fertig ist, sollte man ihn möglichst schnell auch spielen. Am besten zu Beginn mit Menschen, die einem eher wohlgesonnen sind, und die verstehen, dass dieses Spiel am Anfang noch keinen Spaß machen muss. Spiele machen meistens am Anfang noch keinen Spaß, sie sind ja noch nicht fertig. So kann die Idee langsam zu einem funktionierenden Spiel entwickelt werden.

Wenn das Spiel dann funktioniert, sollte man es auch mit Leuten spielen, die einem nicht mehr unbedingt wohlgesonnen sind. Die Kritik wird dann immer ehrlicher, und dadurch wird auf Dauer deutlich, was an dem schon funktionierenden mehr Spaß macht und was weniger.

Hier ist Kritikfähigkeit wichtig. Es kann durchaus passieren, dass Mitspielende dir innerhalb von 10 Minuten erklären, dass alles, woran du die letzten Jahre gearbeitet hast, völliger Mist ist. Und hier muss die Bereitschaft vorhanden sein, die Kritik anzunehmen, wenn die Argumente stimmen. Das kann dazu führen, dass man 80% des Spieles streicht und neu denkt. Wenn diese Bereitschaft nicht vorhanden ist, besteht die Gefahr, dass das Spiel nur für die Entwickler*innen interessant ist. Das Ziel sollte sein, ein Spiel zu gestalten, welches möglichst vielen Spielenden gefällt.

Hier ist Kritikfähigkeit wichtig. Es kann durchaus passieren, dass Mitspielende dir innerhalb von 10 Minuten erklären, dass alles, woran du die letzten Jahre gearbeitet hast, völliger Mist ist.

Wichtig ist, die Kritik mit einer Zielgruppenanalyse zu verbinden, um diese einzuordnen. Sind Probleme im Spielablauf auf zu wenig Erfahrung mit Spielen zurückzuführen? Oder sind die Kritisierenden Expertenspiele gewohnt und ist denen das Spiel zu einfach? Kritisiert die Person Familienspiele als solches, oder favorisiert sie andere Spielmechaniken wie Area Control oder aggressive Spielenden-Interaktion, die in diesem Spiel nicht vorhanden sind, ist die Kritik wenig hilfreich.

Wenn die Kritik jedoch von Personen kommt, die das Spiel generell gut finden müsste, dann hat sie Kritik eine ganz andere Qualität. Dann muss ich schauen: Hat vielleicht nur in der Erklärung oder in der Symbolik irgendetwas nicht gestimmt, oder gibt es da tiefergehende Probleme mit dem Spiel, die ich beheben muss?

Ich gehe dabei aber meist vom Spiel selbst aus. Manchmal verändert sich dadurch die Zielgruppe im Laufe der Entwicklung. Beispielsweise hatte ich die Idee, einen Engine-Builder für Kinder zu schreiben, mit viel positiver Spielenden-Interaktion. Dabei habe ich allerdings mit der Zeit gemerkt, dass das Spiel in der Form keinen Spaß macht, egal für wen. Im Laufe der Zeit hat sich das Spiel vom Kinderspiel weg zu einem Kennerspiel gewandelt. Dadurch, dass ich konsequent behalten habe, was Spaß gemacht hat, und entfernt habe, was keinen Spaß gemacht hat, hat mir das Spiel quasi gezeigt, wo es hinwill.

Auf der Zielgraden sollte man sich dann allerdings auf die Zielgruppe konzentrieren, die man einmal ermittelt hat.

Teilzeithelden: Bist Du, was das Marketing angeht, komplett ins kalte Wasser gesprungen, oder hattest Du da schon Erfahrung?

Moritz: Was Spiele angeht, bin ich ins kalte Wasser gesprungen und habe es einfach mal ausprobiert. Grundsätzlich war mir aber schon klar, dass ein gewisses Level an Energie und Selbstbewusstsein nötig ist, um ein Hobby auf eine semiprofessionelle Ebene zu bringen. Das habe ich bereits damals bei meiner Band Layment gelernt, für die ich auch viel Marketing gemacht habe.

Teilzeithelden: Wie geht es jetzt für Dich weiter?

Moritz: Dream Cruise war für mich erst der Start. Inzwischen habe ich jetzt neun Spiele fertig, von denen vier bereits unter Vertrag sind. Die anderen Spiele liegen derzeit bei Verlagen und werden geprüft.

Teilzeithelden: Dann werden wir ja hoffentlich in Zukunft noch mehr von Dir hören. Gibt es noch irgendetwas, was Du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Moritz: Spielt mit den Menschen, die Ihr liebhabt. Es gibt kaum eine bessere Art, sich die Zeit zu vertreiben, als sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und gemeinsam und aufmerksam eine Aktivität zu verfolgen. Gerade in Corona-Zeiten ist das eine schöne Möglichkeit, die Familie noch einmal enger zusammenzubringen.

Teilzeithelden: Das ist ein schönes Schlusswort. Ich danke für das Gespräch.

Und wer weiß, vielleicht bekommt Dream Cruise ja irgendwann auch eine Heavy-Metal-Erweiterung. In der Realität sind Metal-Festivals auf Kreuzfahrtschiffen ja bereits erfolgreich umgesetzt worden.

Artikelbilder: © Kobold Spieleverlag
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt

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