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Immer mehr Spielmaterial in der Schachtel – das schreit nach besserer Spieleorganisation. Tütchen, Kisten oder Inserts, die Möglichkeiten sind vielfältig. Noch viel mehr, wenn man anfängt sein Spielmaterial zu modden oder direkt auszutauschen gegen hochwertige Metallmünzen, Fimo-Token oder 3D-gedruckte Miniaturen. Was gibt es zu kaufen oder selbst zu machen?

Früher war alles so einfach: Man kaufte sich ein neues Brettspiel. Darin waren Karten, ein paar Holzfiguren (meist eine für jeden Spieler) und ein paar Papp-Stanzbögen für weiteres Spielmaterial. Das flog dann einfach alles in der Box rum, die aber lag im Schrank und es hat keinen gestört. Manchmal hatte die Box aber auch schon ein gefaltetes Papp-Insert, so dass man dann links und rechts schon etwas vorsortieren konnte, also z. B. die Karten auf die eine und die Papp-Token auf die andere Seite. So war sie, die gute alte Zeit.

Aber dann wurden Spiele immer komplexer und enthielten immer mehr unterschiedliches Spielmaterial (Arkham Horror!!) und auch die technischen Möglichkeiten und die Bereitschaft, Meta-Zeit in ein Hobby wie Brettspiele zu investieren, wuchsen. Braucht man das? Nicht unbedingt, aber vieles ist tatsächlich nicht nur hübsch, sondern auch verdammt nützlich. Doch fragen wir uns zunächst:

Wozu das Ganze?

Die naheliegendste Antwort liegt natürlich in der Ordnung. Wer nicht einfach alles wild durcheinander in seiner Schachtel rumfliegen haben will, braucht ein System. Damit einher geht auch eine gewisse Zeitersparnis. Man kann fast direkt losspielen, anstatt erst einmal alle Komponenten auseinander sortieren zu müssen. Das bringt aber auch einen dritten Aspekt direkt mit sich: Haltbarkeit. Gerade Karten und andere Materialien aus dünner Pappe können schnell knicken und ein Spiel mit gezinkten Karten kann den Spielspaß für einen vielleicht noch erhöhen, verdirbt ihn aber doch meist mindestens für alle anderen. Wenn man also alles schön sortiert und vor allem gut verstaut hat, hat man einfach länger was vom Spiel.

Dann gibt es immer mehr Erweiterungen und der Regalplatz ist begrenzt. Oft passen so einige Erweiterungen noch mit in die Grundbox; diese ist aber nur selten bereits so ausgelegt, dass es nicht einer externen Lösung bedarf. Komplexer wird es, wenn man modular vielleicht auch nur mit Teilen von der einen oder anderen Erweiterung spielen will.

Und dann gibt es noch den Bling-Faktor. Schönes Spielmaterial ist einfach … schön. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan, wodurch Brettspiele natürlich auch immer teurer werden. Aber Sammler-Editionen und nicht zuletzt die Do-it-yourself(DIY)-Bewegung setzen immer wieder einen drauf.

Sicherheit geht vor

Nicht nur sicher verstaut, auch noch gut vorsortiert. Der stetig wachsende Markt von Gloomhaven praktisch verpackt in einem Schnellhefter. Insbesondere das Angriffsdeck und wohl auch die Fähigkeitskarten sollten gesleeved werden, da man sie oft mischt.

Hierbei geht es vor allem um Karten. Es gibt Spieler, die sleeven (in Plastikhüllen stecken) alle Karten in allen ihren Spielen. Wenn man sieht, dass ein in perfektem Zustand erhaltener Black Lotus gerade mal wieder für rekordreife 87.000 $ verkauft wurde, bereut man vielleicht doch, seine alten Magic-, Pokémon– oder Yu-Gi-Oh!-Karten (je nach Alter und gewünschter Spieltiefe) ständig einfach so mit Pausenbrot- oder Chipsfingern angefasst zu haben.

Je dünner oder schlechter produziert eine Karte ist und je häufiger man sie benutzt und vor allem mischt, umso wichtiger wäre es, darüber nachzudenken, ob man sie nicht vielleicht doch in eine Schutzhülle steckt. Doch welche ist die richtige? Hierüber könnten wir einen eigenen Artikel schreiben. Denn es gibt nicht nur große qualitative Unterschiede (vor allem die Dicke des Plastiks, wobei dicke Hüllen auch mehr Platz verbrauchen), sondern allein schon verschiedene Kartenformate. Es gibt zwar Standardkartengrößen, wie für Sammelkartenspiele (Standard-US-Karten, 56×87 mm), für die es neben sehr hochwertigen auch viele günstige, dafür meist dünne Optionen gibt. Aber auch unter vielen anderen, z. B. europäische (44×68 mm, z. B. für Zug um Zug) oder amerikanische (41×63 mm, z. B. für Arkham Horror) Mini-Karten. Eine wachsende Sammlung von Kartengrößen-Angaben deutscher Spiele-Ausgaben findet sich im Forum von Spiele-Offensive. Noch detailliertere Informationen über wirklich alles, was man sich nur über dieses Thema vorstellen kann, findet man bei Board Game Geek.

Zeit sparen ist schwer in Ordnung

Das kommt mir in die Tüte

Am Anfang war das Gummiband – es hielt einfach alles zusammen und wir haben erst mit der Zeit festgestellt, was es mit unseren Karten so anstellen würde. (Wenn diese vernünftig gesleeved sind,  kann man vielleicht wieder drüber nachdenken.) Doch die erste Revolution kam durch den Ziploc-Beutel. Das aus der Küche bewährte Prinzip einer druckverschließbaren Plastiktüte gibt es in allen möglichen Größen (120×170 mm, 100×150 mm und 70×100 mm sind so meine Standard-Formate) und es hilft, direkt alle Ressourcen getrennt zu halten und idealerweise auch bereits alle Start-Materialien einer Farbe, also für einen Spieler, schnellstartgerecht zu verpacken. So bleibt auch nicht benötigtes Spielmaterial direkt in der Schachtel. Zudem sind die kleinen Beutel sehr flexibel und auch viel Erweiterungsmaterial kann so sicher und gut verstaut werden.

Die richtige Trickkiste

Allerdings muss man noch recht viel auspacken, sortieren und wieder einpacken. Etwas hübscher wird es, wenn man in den Angler-, Schrauben- oder Elektronikbedarf schaut. Hier gibt es alle möglichen Plastikkisten mit Fächern unterschiedlichster Größe. Der Baumarkt oder Fachhändler um die Ecke hat bestimmt etwas im Angebot. Ich habe immer eine Anzahl unterschiedlicher Sortier-Boxen-Sets von Conrad im Schrank. Die gibt es im Standard-Format 101×164 mm mit diversen Aufteilungen (2, 4, 5, 6, oder 10 Fächer unterschiedlicher Größe) und davon passen 2-3 in die meisten Boxen – wobei dafür oft das spieleigene Papp-Insert weichen muss. Deckel auf (oder besser ab) und hinstellen, so fix kann ein Aufbau sein. Bei manchem Material ist dann jedoch schon etwas Fingerspitzengefühl nötig, um es während des Spiels herauszuprokeln. Da hat man dann doch lieber einen Stapel auf dem Tisch, aber gerade für selten genutzte Token eine sehr praktische Angelegenheit.

Ich und mein Holz

In den letzten Jahren hat sich manches Start-Up einen Laser-Cutter in die Garage gestellt und angefangen, mit dünnem Pressholz speziell auf einzelne Brettspiele zugeschnittene Inserts zu verkaufen, z. B. die Game Doctors aus Berlin, die zuletzt vor 10 Monaten ein Kickstarter veranstalteten und bald ihren Webstore eröffnen wollen, oder auch der ungarische LaserOx. Diese Inserts passen dann exakt in die entsprechende Spieleschachtel, man holt sie raus, nimmt ggf. Deckel ab und kann losspielen. Teilweise reduziert man den Aufbau von Spielen so auf einen Bruchteil der Zeit. Allerdings muss man natürlich auch erst einmal die Pressholzteile ausgestanzt, zusammengesteckt und geklebt haben. Das ist recht einfach, nimmt aber auch gut und gerne mal zwei Stunden in Anspruch. Wenn nur die Zeitersparnis ins Gewicht fällt, muss man das Spiel Kosten-Nutzen-technisch schon ein paar Mal spielen, damit es sich lohnt. Und natürlich zahlt man meist auch zwischen 20 und 60 Euro für ein Insert und verdoppelt so gerne auch mal den Spielepreis, dies allerdings für eine wirklich schöne Lösung. Insbesondere weil auch immer mehr am Design gefeilt wird und Fächer beschriftet oder mit Symbolen graviert werden oder auch thematisch verziert und vom Sammler noch gebeizt werden.

Selber machen (lassen)

Daher gibt es immer mehr DIY-Anleitungen in Foren und auf YouTube, um spielspezifische Inserts selbst zu erstellen, meist aus Foam Core, zum Beispiel für Villen des Wahnsinns. Aber gerade für solch aufwendige Spiele mit viel verschiedenem Material und etlichen Erweiterungen gibt es auch kreative Köpfe, die sich ganz andere individuelle Aufbewahrungsmöglichkeiten einfallen lassen. Für wen das bereits wieder zu viel Arbeit und Bastelei ist, der kann auch Foam Core Inserts oft günstiger erstehen, als die Holzvarianten. 3D-Druck ist hier das zweite große Thema. Und wer keinen Zugriff auf einen eigenen Drucker besitzt, kann sich z. B. in einigen Etsy-Shops wie Tinkering Paws das passende Insert oder Accessoire aussuchen.

Die originalen Inserts von Spielen werden immer besser. Grimm Forest hat nicht nur wunderschönes Spielmaterial, es ist auch einfach perfekt organisiert.

Die Branche schläft jedoch nicht und mittlerweile werden vielen Spielen bereits Plastiktütchen unterschiedlicher Größen beigelegt. Andere Verlage tüfteln auch immer ausgefeiltere eigene Einleger aus, damit man auf solche externen Lösungen nicht zurückgreifen muss. Vorbildlich sind beispielsweise die Game Trays für Miniaturen und Komponenten bei Spielen wie Mechs vs. Minions oder Grimm Forest.  All diese Varianten stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn eine neue, nicht bereits eingeplante Erweiterung kommt, so dass man gerade bei Spielen, zu denen regelmäßig viel neues Material erscheint, oft mit einem modularen System auf der sichereren Seite ist.

Out of the box denken

Doch irgendwann ist auch der Raum der Spielbox erschöpft und wer nicht unterschiedlichste Erweiterungen in ihren jeweiligen Schachteln lagern mag, denkt darüber nach, sein Material thematisch sortiert anderweitig zu lagern. Größere Varianten von Sortierboxen für Miniaturen und Tokens, Schnellhefter oder Ordner und Einleger für selten genutzte Karten, CD-Sammelmappen für flache Kartensets und diverse Aktensysteme für Bodenteile sind hier nur Beispiele für den Erfindungsreichtum der Spieler der Welt.

Das Auge spielt mit

Aber nicht nur die praktischen Bereiche Organisation, Lagerung und Auf-/Abbau-Optimierung erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, auch eine Art Modding-Szene entwickelt sich aktuell, indem eifrige und kreative Hände die Spielkomponenten selbst upgraden oder gar austauschen.

Farbe bekennen

Es muss nicht immer Grim-Dark sein – Stuffed Fables (kommt im Herbst 2018 auf Deutsch von Asmodee) Figuren, noch unbemalt und von Milanko Doroski bemalt.

Auch wenn die amerikanischen Meeple (Spielfigur, wie die aus Carcassonne) gerade ein Revival zu haben scheinen, das Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Püppchen ist tot. Letzte Zuckungen gibt es vielleicht noch im Spiel Pandemie, aber ein großer Teil neuer Spiele hat entweder individualisierte Holzfiguren oder Plastikminiaturen. Die Zeit von 3D-Druck und Kickstarter sorgt geradezu für eine Revolution des Plastik. Aber alles grau in grau ist ja auch nicht schön anzuschauen, also freuen sich die Brettspieler unter uns, die glücklicherweise Tabletop-Spieler und andere Malbegeisterte und -begabte in ihrem Umfeld haben. Denn angemalte Minis erhöhen doch die Freude am Spiel noch mal um einiges, vermutlich sogar das Bewusstsein, seine eigene Spielfigur selbst farblich auszugestalten, also quasi anzuziehen, und damit zum Leben erweckt zu haben. (Doch als jemand, dessen künstlerische Fähigkeiten sich nach dem sechsten Lebensjahr nicht nennenswert weiterentwickelt haben, bleibe ich wohl eher Nutznießer der filigranen Kunstwerke.)

Rohstoff, aus dem die Träume sind

Wahre Bastler machen aber auch vor sämtlichem anderen Spielmaterial nicht halt. Monster-Token werden ersetzt durch mehr oder minder günstige Modelle von Warhammer oder anderen Tabletop-Spielen. Aus Fimo, Holz, Plastik, etc. werden Rohstoffe und andere Token nachgebildet.

Wer Zugriff darauf hat, kann auch einen 3D-Drucker bemühen – auf der Seite Thingiverse teilen viele Bastler ihre Designs und man findet für viele Brettspiele bereits so einiges an Boxen und Komponenten.

Deluxe-Ausgabe – und gut ist!

Auch hier gibt es für Leute mit weniger Zeit, aber dafür vielleicht mehr Geld viele Optionen, sich auszutoben, ohne selbst Hand anlegen zu müssen. Münzen aus Metall, statt Pappe oder Plastik, gibt es heute schon oft in Deluxe-Ausgaben oder als Add-on und manchmal sogar schon im Standardspiel. Komponenten für bereits sowieso schon recht teure Spiele, wie Scythe oder Terraforming Mars, gibt es in Hülle und Fülle, z. B. bei Brokentoken oder direkt bei Stonemaier Games, wo man auch noch die passenden Weingläser zur Partie Viticulture bestellen kann. Nahrung, Steine und Schafe – bislang Pappplättchen oder kleine Holzklötzchen – werden eingetauscht gegen realistische Sets, die manchmal so viel kosten wie das Originalspiel selbst.

Kartenmatten (für Collectible Card Games) oder ganze Spielbretter aus Neopren, Charaktermatten, Spielertableaus und Overlays fürs Management von Karten, Token und Klötzchen usw. findet man vor allem für aktuelle und große Titel. Und wer Inspiration fürs Selbstmachen sucht, wird im jeweiligen Spieleforum auf Board Game Geek schnell fündig. Dort gibt es auch den quartalsweise ausgetragenen „Pimp my Board Game“-Wettbewerb.

Sogar die Spielbretter selbst werden nachgebaut und dreidimensional in Szene gesetzt. Frei nach dem Motto: Ein Hobby muss Geld, Zeit und Platz kosten oder so ähnlich. Auch hier gibt es 3D-Druck-Varianten oder man schafft sich gleich sein ganz eigenes unbezahlbares Einzelstück. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Muss das alles sein? Ganz bestimmt nicht – aber es macht verdammt viel her.

 

Artikelbilder: © Daniel Hoffmann, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

6 Kommentare

  1. Hallo ich vermisse irgendwie hier auch bei selbermachen die siedler von catan. Ja ich weiß ist älter aber gerade auf pinterest findet man selbstgemachte spiele in jeglicher größe und ausführung. Genial.

    • Stimmt, mit Siedler hat nicht nur der ernstzunehmende, moderne Brettspiel-Hype angefangen, sondern auch erstes Modding-Ansätze, Sammeleditionen, etc. Wenn auch nicht ganz unser Fokus Phantastik, wenn man mal von Kartenspiel-Magie absieht. :) – Ich denke, die Terraforming-Mars-Tiles sind da zum Teil recht ähnlich und was bei Gloomhaven passiert ist gut vergleichbar. Hast du denn auch ne Spezial-Edition?

    • Daniel Hoffmann Hallo, leider nein. Ich habe eine leider sehr Brettspielfaule Familie ROFL. Ja so was gibts. Ich bin nur über Pinterest auf die Fan-Gebauten Objekte gestoßen und war und bin schwer begeistert gewesen. Man könnte es bewunderung aus der Ferne nennen. Ich selber bin so auch wenig bis gar nicht bei Brettspielen Unterwegs. Bin aber immer wieder überrascht und begeistert wie Fans ein Spiel erweitern. Die Bilder auf Pinterest lassen mich hier immer wieder Staunen.

  2. Also bei aller Liebe, so toll fand ich bisher noch kein Brettspiel, dass ich mir so Holz-Aufbewahrungsboxen kaufe, die mehr kosten als das Spiel selbst (Scythe, Terraforming Mars)
    Das einzige was ich mache ist sleeven. Ich sleeve so gut wie alles, aber nur mit den günstigen ultra pro, die umgerechnet 1 Euro pro 100 Stück kosten.

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