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Netflix hat schon Ladehemmungen? Und auch trotz oder gerade wegen Covid-19 will gespielt werden – aber was spielt man daheim allein oder zu zweit? Und wie kommt man in den Genuss, auf Distanz gesellige Spieleabende mit mehreren Personen zu veranstalten? Hier sind ein paar Ideen für euch.

Home Office, vielleicht Quarantäne, absoluter Lock-Down – je nachdem, wie weit wir bereit sind uns selbst einzuschränken, oder inwieweit das Ganze mittlerweile von oben angeordnet wurde, weil zu viele Leute es nicht verstanden haben – es ändert nix. Die meisten von uns sitzen zu Hause herum.

Einige haben große Kinder oder die eigenen spielebegeisterten Eltern im Hause. Viele haben einen Partner, aber die Zwei-Spieler-Spiele-Auswahl ist begrenzt, und nicht nur Singles brauchen vielleicht doch auch mal ein wenig soziale Interaktion. Aber wie schafft man es, in dieser Zeit gemeinsam mit anderen Menschen zu spielen?

Bietet es sich da vielleicht an, den alten World of Warcraft-Account wieder zu reaktivieren – (auch wenn wir uns geschworen haben, dass wir endlich clean sind), oder sich doch mal dieses Fortnite anzusehen – oder ist das schon wieder out? Die Steam-Library umfasst Hunderte von Titeln, ein Großteil davon als Schnäppchen gekauft und ungespielt – aber wir sind doch Brettspieler, was gibt es denn da für Optionen?

Solo-Spiele

Puzzle haben mich noch nie angemacht, und bevor ich Spielmaterial auf dem Tisch ausbreite, starte ich doch lieber die Konsole. Eigentlich schade, da es mittlerweile eine Menge wirklich guter Solo-Spiele gibt, und auch meine bisherigen Anläufe, kooperative Dungeon Crawler mal solo auszuprobieren, haben ganz gut geklappt. Ganz egal, ob es sich um Gloomhaven oder Sword & Sorcery gehandelt hat, oder das relativ frisch ausgelieferte Tainted Grail. Aber außer zum Regelstudium tue ich es letztlich doch nicht.

Unsere Thekla und unser Henning haben ein paar Empfehlungen für wirkliche Einspieler-Spiele für euch.

Zweispieler-Spiele

Nicht jeder ist allein zu Haus, oder die Kinder sind auch irgendwann im Bett, und man sucht zu zweit nach Unterhaltungsmöglichkeiten. Der Markt ist sehr vielfältig. Viele Mehrspielerspiele haben auch einen Zweispielermodus. Der spielt sich oft eben doch anders, und es fehlt etwas, zumindest mir.

Ok, ihr habt mich – ein passionierter Pärchen-Spieler werde ich nicht, also nicht neben der epischen Kingdom Death: Monster-Kampagne, für die mein Freund und ich aktuell die Zeit nutzen, um ein paar Figuren zu bemalen, damit wir bald weiterspielen können; aber einige wirklich gute explizite Zwei-Spieler-Spiele würde ich empfehlen:

  • Die Zweispieler-Variante zum Klassiker war lange in den Top 10

    7 Wonders Duel: Aufgrund seiner Vielfältigkeit und Komplexität ein Spiel, das einfach nicht langweilig wird, mit oder ohne Erweiterung. Die Zwei-Spieler-Variante des beliebten Klassikers, der das Karten-Draften als Mechanik etabliert hat, besticht insbesondere durch seine Sieg-Konditionen: Man kann das Spiel frühzeitig für sich entscheiden, wenn man mit Wissenschafts- oder Kriegskarten zu dominant wird – da muss der Gegner also gegensteuern, damit am Ende Siegpunkte gezählt werden.
  • Targi, ebenfalls mit einer Erweiterung, aus der Reihe der Zwei-Spieler-Spiele von Kosmos, die als erste diesen Markt explizit angesprochen haben, ist ebenfalls ein vielseitiges Spiel des Genres Worker-Placement. Beide Spieler*innen bauen ihren Tuaregstamm aus, handeln und mehren ihren Reichtum.
  • Limes ist ein kleines Plättchen-Legespiel, bei dem beide am Ende nur 16 Teile ausliegen und ein paar Figuren (wie bei Carcassonne) darauf haben, um Punkte zu generieren. Der Clou: Beide legen in einer Runde immer das gleiche Teil, sodass hier der asymmetrische Zufall ausgeschlossen wird.
  • Hive hat vor allem wunderbar schwere, schöne, sechseckige Plastikfiguren. Schwarz gegen weiß, mutet es schon ein wenig wie Schach an. In jeder Runde entscheidet man sich, ob man ein neues Insekt (Spinne, Ameise, Grashüpfer, etc.) auslegt oder ein bereits ausliegendes nach seinen jeweiligen Regeln bewegt. Gewonnen hat, wer die gegnerische Bienenkönigin von allen sechs Seiten eingeschlossen hat.
  • Tash-Kalar von Spieleautor Vlaada Chvatil ist zwar nicht nur auf zwei Spieler ausgelegt, aber so funktioniert es am besten. In einer Arena hat man zwei Aktionen und legt entweder einen Stein auf ein freies Feld oder spielt eine der drei Handkarten aus. Auf denen sind Anordnungen von Steinen zu sehen. Wenn man diese auf dem Spielbrett selbst gebildet hat, darf man die Kreatur beschwören, also wieder einen Stein platzieren, und dann auch noch weitere Bonusaktionen machen.

Brettspiel-Apps

Auf Steam für iOS und im Playstore gibt es unter den Spielen schon längst eigene Kategorien für Brettspiel-Adaptionen. Hier finden sich Klassiker wie Schach oder Kartenspiele, aber auch Umsetzungen von aktuellsten Spielen. Zug um Zug hat es sogar bereits auf die Nintendo Switch geschafft.

Von fast allen aktuellen der Top-10-Games auf Boardgamegeek gibt es mittlerweile Apps oder andere digitalisierte Varianten. Diese sind meist deutlich günstiger als die physischen Pendants. Und sie sind eben komplett kontaktlos zu spielen.

Die Gloomhaven-App für Steam ist noch in der open beta. Der Kampagnenmodus zum Brettspielerfolg und leider auch die Multiplayer-Variante stehen noch nicht bereit. Neben den sechs Startcharakteren kommen gerade mehr und mehr von den weiteren hinzu, um im sogenannten Rogue-Mode allein oder gemeinsam vor dem Rechner einzelne Szenarien zu spielen.

Pandemie gibt es als App, es ist allerdings eher für Tablets geeignet, weil einem auf einem Smartphone doch schnell der Überblick abhandenkommt. Die erfolgreiche Legacy-Variante hat noch nicht den Sprung in die digitalen Sphären geschafft.

Die digitale Adaption von Platz drei der Liste, Terraforming Mars, hat kürzlich das einjährige Jubiläum gefeiert und mittlerweile auch eine ganze Menge an Usability dazugewonnen. Aber lassen wir es mal nach diesen Top 3 genug sein und empfehlen ganz konkret ein paar Apps, die auch auf dem Handy im Einzelspielermodus gut funktionieren.

  • Tokaido von Funforge gibt es aktuell für iOS und Android umsonst – das Spiel über Sightseeing in Japan ist nicht nur in real eine Augenweide.
  • Gut auf dem Smartphone spielbar: Splendor

    Splendor für iOS und Android verliert natürlich seine schöne Pokerchip-Haptik, aber man kann neben dem einfachen Spiel auch eine Reihe von Herausforderungen, bei denen man bei diversen Regelvarianten versucht, das Spiel zu meistern.
  • Ähnlich variantenreich sind die Challenges bei Through the Ages für den AppStore oder Playstore. Explizit dieses Spiel mag ich online gegen Freunde viel lieber spielen, da man herumprobieren und einfach mal bei einer kurzen Arbeits- oder Klopause einen Zug machen kann, und dann ist der nächste Spieler an der Reihe und hat seine 24 Stunden Zeit für die jeweils etwas puzzligen, komplexen Spielzüge, die auf dem Tisch eben schon mal zu Analysis Paralysis und entsprechender Downtime führen können.

Digitale Adaptionen von Spielen wie Scythe oder Terra Mystica sind mir zu groß oder kleinteilig, um auf dem Smartphone Spaß zu machen – und da, wo ich das Tablet zur Hand nehmen würde, kann ich eben auch die Switch oder ggf. gleich die PS4 vor der Leinwand anmachen.

Digitale Brettspiel-Plattformen

Ich weiß noch, wie ich ganze Abende in der Brettspielwelt verbrachte und mit ein paar Freunden Tichu (von dem ich lang annahm, dass es sich wirklich um die chinesische Skat-/DoKo-/Durak-Variante handelte) gespielt habe.

Mittlerweile sind mit Board Game Arena, Yucata und weiteren Plattformen so einige Orte hinzugekommen, um auf einer Webseiten-Oberfläche dort jeweils mehr als 100 verschiedene Brettspiele zu spielen. Die Seiten sind entweder komplett umsonst, bieten ggf. Premium Features oder freuen sich über Patreon-Unterstützung. Allerdings kommt es aktuell zwischenzeitlich zu starken Server-Auslastungen, sodass zumindest die Arena tlw. nur bereits registrierte Mitglieder auf die Seite lässt, damit die aktuellen Spiele nicht zusammenbrechen.

Neben diesen spielindividuellen Umsetzungen einzelner Brettspiele gibt es da noch Tabletopia, ebenfalls eine Homepage und über Steam verfügbar, und den Tabletop Simulator auf Steam.

Das erste bietet über 800 Spiele, von denen einige umsonst zu spielen sind, manchmal jedoch nur Intro-Szenarien, und es gibt ein Abo-Modell in zwei Stufen für die komplette Funktionalität. Immerhin 20 Euro kostet der Simulator bei Steam, das 4-Account-Pack normal 55 Euro, ist aber per Angebot (oben verlinkt) auch für die Hälfte erhältlich. Hier gibt es zwar noch 40 weitere Premium-Spiele für 3-10 Euro zu kaufen, die dann zumindest einer als Host besitzen muss, aber dafür auch noch zehntausende weitere Spiele, die irgendjemand als 3D-Version umgesetzt hat. Denn bei beiden Plattformen hat man einen virtuellen Tisch, auf dem dann alle Komponenten liegen. Man braucht ein wenig, um sich mit dem Interface vertraut zu machen, und manche Berechnungsarbeit nehmen manche der aufwendig programmierteren Spiele einem schon, aber im Grunde hat man dort eine virtuelle Sandbox, bzw. eben den Spieltisch, den man per Maus bedient.

Spielen per Video-Chat

Manch Findige basteln aber doch lieber selbst oder wollen auf die haptische Komponente des Brettspielens nicht verzichten. Viele Rollenspielrunden finden bereits in Foren oder per Skype, Discord oder Zoom statt, für Brettspieler ist das jedoch eher Neuland, denn es eignet sich auch wirklich nicht jedes Spiel gleichermaßen dazu, bei einem oder allen Beteiligten aufgebaut zu sein, um dann die Züge der anderen einzustellen. Aufgrund unserer Erfahrung der letzten Tage und Recherche hier ein paar Anregungen für Spiele, bei denen sich das recht leicht bewerkstelligen lässt:

  • Roll-and-Write-Spiele: Die Ableger des etwas in die Jahre gekommenen Kniffel/Yahtzee sprießen seit ein paar Jahren aus dem Boden wie Burger-Buden. Generell hat jeder einen Block oder Zettel vor sich sowie einen Stift, und es wird reihum gewürfelt. Jeder braucht schon einen Zettel, aber manchmal kann man die auch direkt herunterladen. Viele verwenden auch herkömmliche Würfel, die man sowieso zu Hause hat. Aber da die Spiele mit sieben bis zwanzig Euro recht günstig daherkommen, kann sich jeder vielleicht auch einfach ein eigenes besorgen. Qwixx und Ganz schön clever sind Genre-Mitbeleber und schon jetzt moderne Klassiker. Aber es gibt auch thematischere Varianten. In Welcome to … vergibt man Hausnummern in einer amerikanischen Kleinstadt-Siedlung, bei Railroad Ink baut man ein Zug- und Straßennetz und bei Der Kartograph errichtet man eine Landschaft mit unterschiedlichen Geländetypen – hier zieht man allerdings Karten und zeichnet, wie bei den Zügen, Formen auf ein Blatt Papier.
  • Social-Deduction-Games: Sie kommen mit wenigen Spielkomponenten aus, und ein Großteil dieser Spiele besteht aus Reden. Man braucht nur eine etwas größere Menge an Spielern, und man muss die Verteilung der Rollen irgendwie hinbekommen. Wenn man einen Spielleiter hat, wie z. B. beim Klassiker Werwölfe von Düsterwald, kann der einfach per Zweier-Chat die Rollen verteilen. Bei The Resistance: Avalon wird’s schon ein wenig schwerer, hier könnte man z. B. die Karten in die Kamera halten und nur jeweils eine Person darf schauen.
  • Party-Spiele: Egal, ob das Spiel des Jahres 2019 Just One, das allgegenwärtige Codenames oder diverse Wort-Spiele, bei denen man eh nur einen Zettel und einen Stift braucht, wie Quiz-Spiele, Stadt-Land-Fluss oder Tabu-Varianten: Hier haben entweder alle ihr gebasteltes oder gekauftes Material zu Hause, oder einer zeigt per Kamera den wenig komplexen Spielaufbau. Für Codenames könnte man auch einfach einen Desktop übertragen, auf dem die 25 Begriffe in einer Tabelle für alle sichtbar eingetragen werden.

Es gibt auch Leute, die Gloomhaven übertragen und den Mitspieler*innen ihre Charakter-Materialien zuschicken, und dann deren Züge am eigenen Spielaufbau vornehmen, aber dafür gibt es auch die voll-digitalen Alternativen. Die Optionen sind vielfältig. Mögen die Spiele beginnen und auch in Krisenzeiten nicht aufhören.

 

Artikelbild: © Depositphotos | IgorVetushko, Bearbeitet von Verena Bach

 

2 Kommentare

  1. Happy Meeple (https:www.happymeeple.com/de/) is another platform that offers quick-playing 2-players games. All games come with a tutorial in German, so it is easy to get going (unlike other platforms where you need to know the games).

    Most popular games are Lost Cities and Hanamikoji.

    Have fun and stay safe!

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