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Asmodee Digital spendierte Jamey Stegmaiers Scythe, dem Brettspiel-Hit 2015, im vergangenen Juli eine digitale Version. Zum ersten Geburtstag schauen wir uns Scythe Digital genauer an: Es ist den Kinderkrankheiten entwachsen, bereits erweitert und nicht nur für Fans der analogen Version einen Blick wert.

Im Grunde ist Scythe ein großer Etikettenschwindel: Das Cover-Artwork verspricht riesige marschierende Mechs und Konfrontation, im Spiel wird jedoch meist mehr gedroht als gekämpft. Es wird um sechs benötigte Sterne wettgewirtschaftet, die unterschiedlich erreicht werden können, jedoch maximal zwei über Kampf.

Das zentrale Element des Spiels ist daher statt der erwarteten Konfrontation die effiziente Gestaltung der Aktionskombinationen und Fähigkeiten auf den zufällig zugelosten Spielertableaus. Welche Fraktionen und Aktionen es gibt, wann der Krieg doch ins Spiel kommt und was das Brettspiel so faszinierend macht, könnt ihr in unserer ausführlichen Review lesen. Auch mit dem zahlreichen verfügbaren Zusatzmaterial haben wir uns beschäftigt.

Umfang – Was ist drin in der digitalen Umsetzung?

Selbstverständlich waren zum Start von Scythe Digital als Early Access auf Steam am 13. Juni 2018 nicht alle Erweiterungen und Zusatzmaterialien der drei Jahre Scythe enthalten. So stand zunächst nur das Grundspiel als PC-Version zur Verfügung. Rechtzeitig zur Vermarktung auf der Spiel 2018 erschien im September 2018 das offizielle Release, in dem die größten Bugs beseitigt waren und dann auch Mac OS unterstützt wurde. Scythe Digital bietet einen lokalen Spielmodus gegen Computergegner in drei Schwierigkeitsstufen, sowie einen relevanteren Onlinemodus, in dem in einer Online-Lobby menschliche Gegner mit einem asmodee-Account zu einer Partie getroffen werden können. Alle üblichen Features wie Chat, Freundesliste, ein Spielerstärke-System (ELO) usw. sind vorhanden.

 

Grafisch versucht die digitale Umsetzung sich möglichst nah am Vorbild zu halten: Das Spielbrett ist originalgetreu abgebildet. Per Drag&Drop kann das Spielbrett verschoben und per Mausrad gezoomt werden. Über die Optionen lässt sich auch das Farbthema verändern. Viele Übersichten, Karten und Hilfen sind in ausklappbaren Menüs versteckt, um die Ansicht übersichtlich zu halten. In der Standardansicht sind am unteren Rand die Spieleraktionen, eine Box mit kontextabhängigen Spieleinblendungen, Kampfkarten, Umschalter für Sichten auf die gegnerischen Spieler, sowie die Einblendung für den Chat.

Rechts sind Stoppuhren für die verbleibende Spielzeit je Spieler und der Menü-Button untergebracht. Der linke Rand zeigt die Historie der letzten ausgeführten Aktion, sowie die eigenen Zielkarten als Text neben dem Taubensymbol an. Die Bedienleiste am oberen Rand verbirgt ein Menü zur Tabellenansicht auf den aktuellen Spielfortschritt der Spieler, sowie Buttons zur Einblendung von Reitern am linken Rand mit zusätzlichen Informationen zu den Themen: Ziele, Gebäude, Rekruten und Mechs.

 

Da selbst diese kurze Beschreibung der vielen Bedienmöglichkeiten sicherlich einschüchternd wirkt, sei an dieser Stelle auf das wirkliche gute Tutorial hingewiesen, welches den Zugang sowohl zum digitalen als auch zum analogen Spiel sehr erleichtert.

Wem das noch nicht genug ist, der kann sich auch noch einige Zeit mit den umfangreichen Statistiken, die zu allen Partien getrennt nach offline, online und online mit Ranking erfasst werden, vertreiben. Hier ist von Siegen über Kämpfe bis hin zu Ressourcen-Produktion alles auswert- und filterbar, zum Beispiel nach gespielter Fraktion oder Spielerzahl.

Asmodee Digital hat sich seit Erscheinen zunächst an einen monatlichen und seit diesem Jahr an einen zweimonatigen Rhythmus für Updates gehalten, in denen jeweils die Bedienfreundlichkeit gesteigert, Computergegner verbessert und Bugs korrigiert wurden. Mit Invaders from Afar – der ersten Scythe-Erweiterung – ist seit Mai das erste große Update gegen Aufpreis erhältlich, welches neben kleineren Zusatzfunktionen dem Spiel vor allem zwei zusätzliche Fraktionen beschert.

Mit der Erweiterung ist das Spiel mit sieben statt fünf Spielern spielbar; mindestens drei Spieler werden für eine Partie Scythe weiterhin benötigt. Leider ist bislang nicht klar, ob und wann weitere der Scythe-Erweiterungen ihren Weg in die digitale Welt finden werden. Ebenso unklar ist derzeit noch, wann Umsetzungen für iOS und Android erscheinen, in Entwicklung sollen sie aber schon sein.

Community – Hallo, jemand da?

Was nützt die schönste Spieleumsetzung, wenn vor dem Spiel eine lange Wartezeit steht? Ganz so extrem ist die Situation bei Scythe Digital nicht, jedoch sind selten mehr als zwei Spiele gleichzeitig auf der Suche nach Mitspielern. Soll eine Partie gar mit vier, fünf oder mehr Spielern stattfinden, muss häufig mit längeren Wartezeiten gerechnet werden. Üblicherweise werden die Spiele mit Stoppuhr je Spieler von 15-20 Minuten gestartet, was den Zeiteinsatz pro Match planbar hält, jedoch für Kommunikation neben dem Spiel nicht wirklich Zeit lässt – wer die Zeit überschreitet, wird hart durch einen Bot ersetzt.

Absprachen oder gar die selten genutzte Möglichkeit der Bestechung finden so leider kaum statt. Nichtsdestotrotz ist die Stimmung in den Spielen normalerweise freundlich, aber gegenüber Anfängern nicht unbedingt rücksichtsvoll. Neben deutschen Spielern trifft man online vor allem auf Spieler aus dem osteuropäischen und englischsprachigen Raum, daher wird vor allem Englisch gesprochen. Hoffentlich wird die Community durch die ausstehenden iOS- und Android-Versionen noch belebt.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: The Knights of Unity
  • Publisher: Asmodee Digital
  • Plattform: steam (PC und MAC)
  • Mindestanforderungen: PC: Dual Core 3.0 GHz, 4GB RAM, 1GB DirectX 11 GPU, 2GB HDD; MAC: Sierra (10.11+), 1,4 Ghz, 4GB RAM, Intel HD Graphics 5000, 2GB HDD
  • Genre: Brettspielumsetzung
  • Releasedatum: 05.09.2018 (Early Access: 13.06.2018)
  • Spielstunden: 1 pro Partie
  • Spieleranzahl: 3-5 (3-7 mit Invaders from Afar DLC)
  • Altersfreigabe:
  • Preis: Grundspiel: 19,99, Invaders from Afar: 9,99
  • Bezugsquelle: steam

Fazit

Als großer Fan des Brettspiels habe ich mich sehr auf die digitale Umsetzung gefreut. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten ist das Spiel mittlerweile wirklich gut umgesetzt und wirkt mit Invaders from Afar schon ziemlich komplett. Wir hoffen dennoch, dass auch die restlichen Erweiterungen noch den Weg in die digitale Umsetzung finden werden. Das Tutorial, den Solomodus, sowie die Achievements lässt man schnell hinter sich und widmet sich voll dem Onlinemodus, der sich mittlerweile auch großer Stabilität erfreut.

Dank der Beliebtheit in den USA lassen sich zu jeder Uhrzeit Mitspieler finden. Scythe spielt sich auch online sehr flüssig, und das Faszinierende an diesem jungen Klassiker trifft auch auf die digitale Version zu: Nach einer absolvierten Partie setzt das befriedigende Gefühl ein, ein komplexes, forderndes Spiel genossen zu haben. Scythe schafft also in 60 bis 90 Minuten, was sonst nur Spiele mit einer Spielzeit von drei Stunden oder mehr hinbekommen, weshalb es noch lange seine Daseinsberechtigung sowohl auf dem Spieltisch als auch auf dem Computer (und hoffentlich bald auch auf Tablets) haben wird. Unsere Bestnote geben wir Scythe Digital aber nicht, da die Ebene des Paktierens, Verhandelns und Bestechens online leider unter den nicht vorhandenen Tisch fällt. 

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: © Asmodee Digital
Screenshots: Niko Kwekkeboom
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Über den Publisher/Verlag
Asmodee Digital

Nicht nur Spiele aus dem Asmodee-Katalog finden bei Asmodee Digital eine digitale Umsetzung: Großen Titeln aus anderen Verlagen wie Scythe, und Terraforming Mars, folgte jüngst auch Gloomhaven.

Aber auch Spiele aus dem eigenen Portfolio wie Catan, Pandemie oder das Herr der Ringe-Kartenspiel wurden von Asmodee Digital meist mit externen Entwicklungsstudios umgesetzt. Mittlerweile werden Spiele für die sechs Plattformen Apple AppStore, Google Play, Steam, amazon, PS4 und Nintendo Switch angeboten.

Stonemaier Games

Scythe machte 2015, als es bei Kickstarter knapp 2 Millionen USD einsammelte, Jamey Stegmaier und Stonemaier Games mit einem Schlag zu Namen in der Brettspielwelt. Zuvor war bereits Viticulture 2012 bei Kickstarter erschienen und sammelte 66.000 USD ein, und später folgten mit Euphoria, Charterstone und Between Two Cities weitere Hits.

Jamey Stegmaier glänzt durch beeindruckende Kundennähe: Ob Fragen bei Facebook oder BGG zu beantworten, Videoeinblicke in verschiedene Themen bei YouTube zu geben, Scythe-Fans-Produktwünsche umzusetzen oder z. B. die Entscheidung, nicht mehr über Kickstarter zu vermarkten, in einem ausführlichen Bericht zu beleuchten – Jamey ist stets um eine enge Kommunikation zu seinen Kunden und Fans bemüht.

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