Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Mit Mechanicus drängt ein weiterer Warhammer-Titel eines Kleinstudios auf den Markt. Das Rundenstrategiespiel wagt sich dabei mit dem Adeptus Mechanicus an ein von Videospielen weitgehend unberührtes Thema des Warhammer-Universums. Ist der Titel zu empfehlen, oder geht er den Weg der Mittelmäßigkeit, den so viele Lizenztitel des Tabletopriesen aus Nottingham gehen?

Games Workshops eigenwillige Lizenzpolitik hat viele Früchte getragen, über die man als Fan des Universums nicht allzu gerne spricht. Die Palette ist dabei breit. Spiele, die fast eins zu eins vom Handy auf den Rechner übertragen wurden, wie Warhammer 40.000: Kill Team oder Rohrkrepierer wie Eisenhorn: XENOS stehen dabei auf der einen Seite. Unerwartete Erfolgstitel wie Battlefleet Gothic: Armada oder Warhammer Endtimes – Vermintide finden sich auf der anderen.

Bis vor kurzem hätte ich noch bei jedem Warhammer-Titel eines kleinen Studios vor Impulskäufen gewarnt und geraten, auf Rezensionen zu warten. Mittlerweile würde ich das – dank dem schwachen Dawn of War III – sogar bei Entwicklern raten, die sonst Hitgaranten sind. Über jedem Warhammer-Computerspiel, das den Weg zum Kunden findet, scheint ein Damoklesschwert zu schweben, das zwischen ermüdender Mittelmäßigkeit und hervorragenden Spielen scheidet. Dementsprechend vorsichtig bin ich bei Videospielreleases in meinen Lieblingsfantasyuniversen.

Schwerer Stoff …

Warhammer 40.000: Mechanicus ließ bei mir jede nur mögliche Alarmglocke im Vorfeld schrillen. Bulwark Studios sind ein fast unbeschriebenes Blatt, deren einzige Veröffentlichung das weitgehend unter dem Radar schwebende Crowntakers ist. Der dazugehörige Publisher ist die Kalypso-Tochter Kasedo Games. Genaueres über das Entwicklerstudio lässt sich kaum herausfinden. Als wäre es nicht genug, dass man sich an Warhammer 40.000 wagt, sucht man sich mit dem Adeptus Mechanicus gleich eines der bisher von Entwicklern umschifften Themen heraus.

Das Adeptus Mechanicus ist – der Warhammer-Veteran unter den Lesern wird es wissen – ein komplexes Thema. Der gemeinsam mit dem Adeptus Astartes noch am ehesten unabhängige Zweig des menschlichen Imperiums. Die beinahe Einzigen, die geduldet vom Staatsglauben der Ekklesiarchie abweichen dürfen. Der Maschinenkult, der ständig gefangen ist zwischen dem Drang nach Fortschritt, den Dogmen der eigenen Lehre und der Technikfeindlichkeit seiner Zeit. Diesen Widerstreit in einem Videospiel zu vermitteln, ist nicht gerade leicht. Genau an dieser Stelle habe ich nicht mit viel gerechnet. Ich wurde enttäuscht.

Der Konflikt zwischen Maschinenkult und Necrons nimmt in der aktuellen Warhammer-40.000-Lore einen größeren Stellenwert ein.
Der Konflikt zwischen Maschinenkult und Necrons nimmt in der aktuellen Warhammer-40.000-Lore einen größeren Stellenwert ein.

… Erfolgreich vermittelt!

Die Story ist schlicht und ergreifend gut. Eine Grabwelt der Necrons erwacht zum Leben. Um es für den Leser ohne Vorkenntnisse zusammenzufassen: Die Necrons sind uralte Konstrukte. Früher waren sie ein sterbliches Volk, bis sie ihr Bewusstsein in Metallkörper transferiert haben und seitdem in Gewölben schlafen, die in der gesamten Milchstraße verteilt sind. Nun bräuchte das xenophobe Imperium und damit auch das Adeptus Mechanicus keinen Grund, um gegen Außerirdische vorzugehen. Nur ist es in diesem Fall auch so, dass Necrons tendenziell einen umfassenden Herrschaftsanspruch haben und wenige Skrupel kennen. Zumal neuerdings der Wettlauf zwischen Necrons und dem Maschinenkult ein beliebtes Thema bei Games Workshop ist. 

Wir erreichen mit einem gewaltigen Schlachtschiff des Adeptus Mechanicus und einem Auftrag des Maschinenkultes die Welt Silva Tenebris, zu deren menschlichen Siedlern der Kontakt abgebrochen ist. Schnell stellt sich heraus: Die Siedler haben versehentlich eine Gruftwelt der Necrons gestört. Wir befinden uns mitten im Erweckungsprotokoll, während dem die Alienmaschinen am schwächsten sind. Fortan ist unser Ziel also, diese Erweckung aufzuhalten, ehe die Necrons komplett mobilgemacht haben. Die Geschichte ist in Grundzügen simpel, aber schön ausstaffiert. Sie stammt von Ben Counter, einem Black-Library-Autor, dessen Geschichten in der Community nicht nur auf Gegenliebe stoßen. In diesem Fall hat er allerdings alles richtig gemacht.

Starke Inszenierung

Der Maschinenkult ist in ständigem Zwiespalt zwischen Fortschritt und Glauben gefangen.
Der Maschinenkult ist in ständigem Zwiespalt zwischen Fortschritt und Glauben gefangen.

Stimmige Dialoge und zum Stil des Spiels passende Bilder erzählen uns diese Geschichte. Die Protagonisten der Caestus Metalican – so heißt unser Schlachtschiff – haben dabei allesamt ihre eigenen Ansichten und Macken. Schnell kristallisieren sich Vertreter der verschiedenen Sichtweisen des Maschinenkultes heraus. Da wäre beispielsweise der Lector-Dogmatis Videx, der ein eherner Ablehner jeglichen menschengesteuerten Fortschritts und glühender Prediger des Maschinengottes ist. Ihm gegenüber steht die kalte Scaevola, die die Erringung neuen Wissens über Menschenleben und Dogmen stellt. Entscheidungen, die uns das Spiel oft abverlangt, verschreiben sich meist einem der verschiedenen NSC.

Inszeniert wird das Ganze sehr stimmig. Die Entwickler scheinen sich bewusst gegen den barocken Pomp des Imperiums entschieden zu haben, der sonst die Inszenierung von Warhammer 40.000 ausmacht: Keine episch-orchestralen Monumentalwerke, die uns um die Ohren fliegen, keine trotzig wehenden Fahnen, markigen Dialoge und semifuturistischen Ritter. Mechanicus wählt einen deutlich kühleren Soundtrack, den Dawn of War III in dem Stil schon erfolglos ausprobiert hatte. Während er bei Letzterem allerdings unpassende Distanz und Entfremdung vom eigenen Design erzeugt hat, passt der Soundtrack zum kühlen Maschinen-Thema von Mechanicus ganz hervorragend. Die Dialoge sind nicht vertont. Besser gesagt: Nicht mit Sprache, sondern mit schwer zu umschreibenden Maschinenlauten, die Hand in Hand mit der Cyber- und Zahnrad-Optik der Dialogführenden gehen. Alles in allem: ein mehr als rundes Paket.

XCOM im neuen Gewand?

Das Gameplay erinnert stark an XCOM, ohne dabei ein völlig gleichartiger Klon zu sein. Wir steuern eine während der Story zunehmende Anzahl an Techpriestern, die sich im Laufe der Zeit einen umfassenden Schatz von Fähigkeiten und Waffen zulegen. Feuern und bewegen dürfen wir uns jede Runde in begrenztem Maß. Wollen wir Spezialsysteme nutzen, uns weiterbewegen oder größere Geschütze auffahren, kostet uns das Kognitionspunkte, die wir auf unterschiedliche Weisen erringen können. Das ist auch weitgehend rund und funktioniert, die Kämpfe sind gerade zu Beginn fordernd und teilweise frustrierend, aber machbar.

Einfache und damit schwächere Waffen können wir umsonst abfeuern, stärkere Geschütze erfordern von uns das Ausgeben von Punkten.
Einfache und damit schwächere Waffen können wir umsonst abfeuern, stärkere Geschütze erfordern von uns das Ausgeben von Punkten.

Ein Schwierigkeitsregler hätte dem Spiel durchaus gutgetan. Neben den Techpriestern gibt es noch verschiedene Fußtruppen wie Skitarii oder Servitoren, die ein deutlich eingeschränktes Arsenal haben, aber deren Verlust uns bei weitem nicht so schmerzt wie der Verlust eines Adepten. Die Kämpfe sind allerdings nicht ausschließlicher Teil der Missionen. Jede Mission besteht aus einem Necron-Grab, das in diverse Räume unterteilt ist, in denen Events, Kampfbegegnungen und Schatzkammern auf uns warten. Uns steht dabei frei, ob wir gerade auf unser Ziel zuhalten und die Mission so schnell wie möglich abschließen, oder ob wir noch den ein oder anderen Ausflug unternehmen, um Blackstone – die Währung des Spiels und das Material, aus dem die gleichnamigen Festungen gebaut wurden – oder ein Paar zusätzliche Gegenstände zu erhalten.

Techpriester unter Zeitdruck

Jede Kammer, die wir durchlaufen, erhöht allerdings die Alarmbereitschaft des Grabes. Alle sechs Punkte erhöht sich die Alarmbereitschaft um eine Stufe, die unseren Gegnern zusätzliche Boni gewährt. Ebenfalls erhöhen kann sich die Alarmbereitschaft in Events, die uns meist vor drei unterschiedliche Entscheidungen stellen, oder Schatzkammern. Je mehr Lärm wir verursachen, desto frappierender ist die Auswirkung der Mission auf die Gesamtkampagne. Zwischen den Missionen informiert uns nämlich auf der Brücke der Caestus Metallican ein Zähler darüber, wie weit fortgeschritten das Erweckungsprotokoll der Necrons ist, was durchaus Druck aufbaut. Einerseits wollen wir nicht in gerader Linie zu jedem Missionsziel laufen, da uns sonst Storyschnipsel und wertvolle Beute entgehen. Andererseits können wir es uns nicht erlauben, in endlosen Schleifen in aller Seelenruhe Gräber zu durchsuchen.

Die Missionen können wir uns bei den verschiedenen Ratgebern auf der Brücke des Schiffs in unterhaltsamen Dialogen abholen. Die meisten Missionen allerdings sind recht gleichartig. Wir laufen in einem Grab verschiedene Missionsziele ab, in Kämpfen ist unser Auftrag entweder bestimmte Terminals zu scannen oder – ganz im Sinne des ewigen Widerstreits des Maschinenkults – zu zerstören, alle Gegner auszuschalten oder eine bestimmte Anzahl an Runden zu überleben. Viel Abwechslung kommt da nicht auf, und irgendwann schleifen sich effektive Muster ein, nach denen man Kämpfe gut lösen kann. Auch die nach und nach hinzukommenden Gegnertypen hat man schnell im Kopf und ausgekontert, sodass das Spiel fortschreitend eher leichter als schwerer zu werden scheint. Lobenswerte Ausnahmen sind die Bosskämpfe des Spiels, die etwas liebevoller designt sind und dem Spieler durchaus mehr abverlangen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Bulwark Studios
  • Publisher: Kasedo Games
  • Plattform: PC
  • Mindestanforderungen: Windows 7 64-Bit, Intel Core i3 mit Minimum 3.30 GHz, 8 GB RAM, 2GB ATI Radeon HD 7970, 2GB NVIDIA GeForce GTX 770 oder besser
  • Genre: Rundenstrategie
  • Releasedatum: 15. November 2018
  • Spielstunden: 15
  • Spieleranzahl: Einzelspieler
  • Altersfreigabe: Unbekannt
  • Preis: 29,99 EUR
  • Bezugsquelle: Steam

 

Fazit

Mein großes Sorgenkind – die Story des Spiels – schneidet in allen Belangen, von grundlegender Idee bis zur Inszenierung, hervorragend ab. Nicht nur ist die grundlegende Geschichte schön, sie umschifft auch nicht die schwierigen Fragestellungen des Adeptus Mechanicus. Sie erhebt sie sogar zu einer der Hauptfacetten des Spiels, indem sie uns immer wieder mit entsprechenden Entscheidungen konfrontiert. Wer ein Fan des Universums, ganz zu schweigen vom Maschinenkult ist, der darf hier ohne Zögern zuschlagen. Nicht ganz so hochglanzpoliert ist allerdings das Gameplay. Zwar macht es keine groben Fehler und frustriert uns nicht unnötig. Alles geht fließend von der Hand. Auch ist technisch nichts zu beanstanden, Bugs sind mir im Spiel kaum begegnet. Es fehlt allerdings gerade im Kampfsystem an neuen Ideen, um ein wirklich herausragendes Spiel zu sein. Einem von Story angetriebenen Rollenspiel verzeiht man mangelnde Innovation im Gameplay gerne, bei einem Rundenstrategiespiel fallen diese aber deutlich schneller ins Gewicht. Wer allerdings Spaß an Spielen wie XCOM hatte, der wird auch an Mechanicus seinen Spaß haben.

Artikelbild: © Bulwark Studios, Bearbeitet von Verena Bach
Screenshots: Stephan Köhli, Kasedo Games

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein