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Auf zu den Sternen! Was einmal mit optimistischen Pionierwillen begann, ist in der Weltraum-Simulation Ixion der Bulwark Studios größte Notwendigkeit. Denn Mutter Erde ist verbraucht und verbrannt und die Menschheit braucht dringend eine neue Heimat. Ob sie diese erfolgreich zwischen den Sternen findet?

Ixion reiht sich einen Spieletrend, der die eher geruhsamen Seiten des Aufbau-Genres mit dem Druck von Survival-Spielen verbindet. Wie zuletzt in einem Against The Storm ist das eigene Städtchen, oder in diesem Falle die eigene Raumstation, nicht mehr ansprechendes Wuselpanorama. Stattdessen wird die eigene Raumkolonie von Ressourcenmangel und Fortschrittsdrang dominiert. Frostpunk lässt grüßen. Weiter stellen Titel solcher Formate oft einen möglichst intimen Bezug zu dem eigenen Aufbauobjekt her. Statt Inselwelten eines Anno 1800 bewirtschaftet man eine Kernstadt oder Siedlung, das Geschehen ist vergrößert auf Einzelschicksale – weit weg von der supranationalen Spielerfahrung eines Victorias 3 also oder des ebenfalls im Weltall angesiedelten Stellaris.

Die filmisch inszenierten Zwischensequenzen ziehen gut in die Welt hinein

Diese Launch-Party hat sich die Erde wohl anders vorgestellt

Dabei bleibt Ixion in Präsentation und Aufmachung zu Beginn erst einmal bei den sehr großen Philosophien des Weltalls: Was liegt zwischen den Sternen, wie verändern uns Reisen durch Zeit und Raum, hat die Menschheit eine zweite Chance fernab der Erde überhaupt verdient? Nicht verwunderlich, schließlich hatte sich die Entwickler*innen von Kasedo Games in ihrem vorherigen Titel bereits besonders interessanten Facetten der Science-Fiction gewidmet. Als Verwalter der futuristischen Raumstation Tiqqun starten Spielende schon im Tutorial ganz oben, besser gesagt im nahen Erdraum schwebend. Es gilt letzte Vorbereitungen zu treffen, Ressourcen und Mannschaft an Bord zu nehmen, während sich zurück auf der Erde schon riesige Menschenmassen versammelt haben. Denn dank des titelgebenden Ixion‑Antrieb ist die Tiqqun nicht an ein langweiliges Dasein als dahinschwebende Raumstation gebunden, sondern kann per intergalaktischem VOHLE-Sprung neue Welten fernab unseres Sonnensystems erkunden.

Nach getanen Vorbereitungen und einen Sprung später steht die Menge, welche eben noch jubelnd den Countdown heruntergezählt hat vor einem Trümmerhaufen – nicht nur metaphorisch, denn beim Sprung der Tiqqun muss etwas schiefgelaufen sein, schließlich hat es den Mond in Stücke gerissen.

Auf der Sternenkarte müssen Strecken geplant und Schiffe koordiniert werden

Die zwei Stützpfeiler der Station

Das Gameplay teilt sich in der Folge in zwei große Bereiche, die Sternenkarte und die Aufbauansicht der Tiqqun. In ersterer entsendet ihr Forschungs- und Transportschiffe, um einerseits eine breite Palette an Ressourcen abzubauen und andererseits herauszufinden, was genau passiert ist und wohin es euch verschlagen hat. Dafür scannen Erkundungsteams markierte Spots wie Planeten und Asteroiden, oft gefolgt von einem Story-Schnipsel und einer Entscheidung auf eurer Seite. Sollen gefundene Stationsüberreste sorgsam durchsucht und damit neue Wissenschaftserkenntnisse generiert werden, um die Forschung voranzutreiben? Oder sprengt man die Reste einfach gewaltsam in Stücke, damit die verbliebenden Ressourcen die hauseigenen Chip- und Stahlfabriken füttern können? Denn als Aufbauspiel mit Überlebensfokus sind Ressourcen Mangelware und es gilt einige davon zu jonglieren. Silizium will in elektronische Chips gefertigt werden, Weltalleis muss geschmolzen und zur Nahrungsmittelproduktion an die Gewächshäuser weitergegeben werden. Dazu kommen Stahl, um den Rumpf der Tiqqun in Schuss zu halten, Karbon zur Herstellung für Polymere, die in der Raumfahrt benötigt werden und Wasserstoff zur Energieproduktion.

Um diesen Herausforderungen zu meistern, verwalten Spielende in der Stationsansicht Ressourcen, transferieren diese zwischen Sektoren der Station, geben neue Gebäude in Auftrag und lösen Krisenfälle. So stellen die Stationsanwohner*innen Forderungen nach dem Bau bestimmter Gebäude, die Nahrungsversorgung wird knapp oder eine Eisenverarbeitung liegt nach einer Explosion bis zur Reparatur brach. Mit einer Aufschaltung zur hübschen Außenansicht können außerdem Solarmodule platziert und die Stromversorgung damit gesichert werden. Das Gesamtziel besteht stets darin nicht auf ewig zu verweilen, sondern Hinweise auf den nächsten Sprungpunkt und damit zu einer neuen Heimat zu finden.

Ihr verbringt viel Zeit damit, an der richtigen Rohstoffverteilung herumzutüfteln

Hier verzahnt Ixion sehr gelungen die beiden großen Spielbereiche. Auf der Sternenkarte sucht ihr per Sonde nach Hinweisen sowie passenden Rohstoffen und sorgt dafür, dass alles benötigte von Transportern- und Abbauschiffen zur Tiqqun geschafft wird. Dort knobelt ihr an dem richtigen Verhältnis von Fertigungsanlagen, verteilt Rohstoffe und habt stets einen Blick darauf, dass sowohl die Struktur der Station als auch die Moral der Einwohner*innen im Takt bleibt. Ansonsten heißt es Game Over. Gleichzeitig hat der Titel gerade hier im Kern einen Hang dazu sich unnötig kompliziert zu präsentieren. Es braucht mehr als einen Blick um zu erkennen, welche Nachfragen gerade im Keller sind und warum. Wie errechnet sich der Nahrungsverbrauch und wie viele weitere Insektenfarmen sind notwendig. Gesammelte Rohstoffe müssen in Depots eingelagert und von dort verteilt werden – und das von Sektor zu Sektor. Als Organisator*innen greift ihr hier nicht auf einen zentralen Pool zu, sondern müsst Rohstoffen einzeln per Regler verteilen. Dies wird sehr schnell kompliziert und nervig, wenn Warenketten über Sektoren hinweg beliefert werden müssen. Das Drehen an den dafür notwendigen Stellschrauben fühlt sich dabei stets nach Fleißarbeit an, ein Gefühl von einem Mehrwert, dass man hier die richtige Verwaltung ausgeknobelt hat, bleibt meist aus. Weniger wäre hier wahrscheinlich mehr gewesen, vielleicht hätte es ein klassischeres Aufbaugewand auch getan.

Mysterien zwischen den Sternen

Besonders in den ersten Spielstunden ist Ixion durch seine packende Erzählweise fesselnd. Untermalt von einem fantastischen, wummernden Soundtrack, der sich vor Hans Zimmers Stücken für Interstellar nicht verstecken muss, baut der Titel eine stimmige Atmosphäre auf. Die beeindruckenden Ausmaße der Tiqqun sind schon im Tutorial spürbar, die Unterteilung in Sektoren, welche erst noch eröffnet werden müssen, lässt direkt erahnen, welche Möglichkeiten noch bevorstehen. Ohne etwas im Detail verraten zu wollen, auch nach dem Raumsprung hält die Story Spielende mit der Frage nach dem „Was ist genau passiert?“ für die etwa 20-stündige Kampagne sehr gut bei Laune.

Immer wieder stellt euch die Handlung vor Entscheidungen in Form kurzer Textfenster

Die Grafik wird dem Setting zu großen Teilen gerecht. In der Außendarstellung kommt die Gesamtgröße der Station voll zur Geltung, auch wenn hier nur wenig Zeit beim Auf- und Ausbau verbracht wird. Die Sternenkarte ist simplifiziert, eure Abbau- und Transportschiffe schleichen als kleine Icons durch die Weiten des Sonnensystems. Hier kann Ixion seinen Ansprüchen Aufbaustrateg*innen das kalte, gefährliche Weltall zu präsentieren in der Tradition des Genres gut gerecht werden – auch wenn ein Homeworld die ewige Zielmarke vorerst bleiben dürfte. Etwas blass dagegen fällt die Präsentation im Aufbaupart der Station aus. Gebäude wie die Stahlschmelze können mit einfallslosen Animationen nicht wirklich punkten, die Warentransporter, welche Ressourcen von Depot zu Depot schaffen, flitzen ziemlich gewichtslos über die Karte. Auch die Gebäude selbst unterscheiden sich in Größe und Aussehen zwar deutlich, ein einheitliches Design lässt die eigene Station aber oft vermissen. Stattdessen dominiert metallisches braun und grau, auch bei Wohnblöcken oder Krankenstationen. Das Andocken von Ressourcentransportern aus dem Weltall dagegen ist nett animiert und verbindet die Aufbauansicht so wieder gekonnt zurück Richtung Sternenkarte. Spätestens aber, wenn ihr weitere Sektoren der Station erschließt, wird das Aussehen des Inneren der Tiqqun leider immer beliebiger und auswechselbarer. In so Momenten ist das Spiel besonders weit weg davon Spieler*innen klar zu zeigen, was sie geschaffen haben, und warum es sich lohnt, um diese Erfolge weiter zu ringen.

Eine Abenteuergeschichte mit Puzzle-Elementen, die sich als Aufbauspiel tarnt

Über die interessante Kampagnen-Geschichte hinweg ringt Ixion dabei immer wieder um eine klare Identität. Das Spielgeschehen ist klar davon getrieben, den Weg nach vorne zu suchen und das Ende des Mysteriums finden zu wollen. Das Spieldesign sowie die Aufbau- und Verwaltungsziele allerdings drehen sich fast ausschließlich um Mangelverwaltung und den Kampf gegen Entropie. Können Spielende das Schiff lange genug zusammenhalten, um es zum nächsten Abschnitt zu schaffen? Geht die eigene Strategie nicht auf und eine Partie verloren, ist es meist nicht damit getan den letzten Rücksetzpunkt zu suchen – stattdessen muss die komplette Mission von vorne begonnen werden, was teils Stunden an Spielzeit entsprechen kann. Denn oftmals ist der eigene Ansatz schon lange vorher zum Scheitern verurteilt ohne, dass sich dies bereits abzeichnen würde. In Folgepartien suchen Stationsverwalter*innen anschließend oft nicht eine andere Strategie oder die bessere Reaktion auf mögliche Ereignisse, sondern die Ideallinie zur Lösung eines Puzzles. Immer wieder schleicht sich folglich das Gefühl ein, dass Ixion im Kern sich selbst nicht sicher ist, was für eine Art von Spiel es sein will. Stattdessen ist der Titel irgendwo zwischen Kampagnen-Missionen und Roguelike-Sandkasten gefangen und will in beide Kategorien nicht so ganz passen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Bulwark Studios
  • Publisher: Kasedo Games
  • Plattform: PC
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Spanisch, Japanisch, Koreanisch, Russisch, Chinesisch, Französisch
  • Mindestanforderungen:
    • Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    • Betriebssystem: Windows 10 64-bit
    • Prozessor: Intel Core i5-3570K or AMD FX-8310
    • Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
    • Grafik: GTX 1060 4GB oder Radeon RX 590
    • DirectX: Version 12
    • Speicherplatz: 20 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Städtebausimulation
  • Releasedatum: 07.12.2022
  • Spielstunden: 25
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: 16
  • Preis: 33,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, MMOGA

 

Fazit

Ein Titel wie Ixion steht und fällt damit die richtigen Spieler*innen anzusprechen, eigene Hervorhebungsmerkmale oder Ungereimtheiten scheinen da fast zweitrangig. Denn ja, die Aufmachung des Spiels ist größtenteils gelungen, der Soundtrack ist eine Wucht und erzeugt Weltraumgefühle. Warenketten und Technologiebaum laden zur richtigen Tüftelei ein und das grundlegende Spielprinzip läuft rund. Dagegen stehen eine unnötig kleinteilige Benutzeroberfläche und Menus, die Informationen eher verschachteln als erläutern, wenn auch nicht zu einem Grad, dass erfahrene Architekt*innen nach ein paar Partien nicht den Dreh raushätte.

Fundamental jedoch sollte man sich zum Start bewusst sein, auf welche Reise man sich mit Ixion begibt. Das Missions- und Kampagnendesign möchte all jene anlocken, die wissen wollen, was in der Geschichte passiert und welche Geheimnisse das nächste Sonnensystem bergen könnte. Der Aufbaupart dagegen ist ein knackiges Überlebensrätsel das Feinschliff und ständige manuelle Optimierungen durch die Spieler*innen verlangt. Beide Elemente stehen sich dabei mehr im Wege als das sie einander darin stützen ein einheitliches Spielerlebnis zu schaffen. Für Frustresistente, die sich davon nicht abschrecken lassen sollte Ixion aber durchaus einen Blick wert sein.

 

  • Gelungene Verzahnung von Aufbau, Erkundung und Ressourcenmanagement
  • Mysterien der Haupthandlung halten bei der Stange
  • Orchestraler Soundtrack

 

  • Repetition durch Missionswiederholungen
  • Unübersichtliches UI verschluckt wichtige Informationen

 

Artikelbilder: © Bulwark Studios
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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