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Nach einem Vampirleben in London lässt das französische Studio DON’T NOD für den neuesten Streich Banishers: Ghosts of New Eden nun die Geisterwelt auf Spielende los. Kann das Doppelgespann aus den Geisterjäger*innen Red und Antea überzeugen und im gleichen Atemzug einen Spuk in der neuen Welt aufklären?

Wir schreiben das Jahr 1695 in einer leicht alternativen Geschichtsschreibung unserer Welt. Wobei man „leicht“ hier nicht unterschätzen sollte: Schließlich sind Geister, die nach ihrem Ableben weiter verbleiben und ins Jenseits überführt werden müssen, in der Welt von Banishers absolute Realität. Eine Geistererscheinung folgt den Regeln bekannter Horror-Elemente – hat den Lebenden ein grausames, ungerechtes Schicksal erteilt oder ist der Wunsch der Nachwelt noch etwas mitzuteilen größer als der Sog der Ewigkeit, verbleibt eine spektrale Essenz. Mit fortschreitender Dauer wird jedoch der Wunsch, zu verbleiben, immer größer und damit einher auch das Verlangen nach menschlicher Kraft, die das Verbleiben verlängern kann. Wird eine solche Essenz nicht rituell ins Jenseits überführt, wird der Schaden für Menschen und Umgebung immer größer, bis von ihr nur noch alles attackierende Hülle übrigbleiben. Ein Job für die sogenannten Banishers, Mischung aus Ermittler*innen für übernatürliche Fälle und Priester*innen für die letzte Salbung.

Obwohl kein Grafikhammer, zaubert Banishers stets wunderschöne Landschaften aufs Bild.

Who you gonna call?

Auch die zwei Geisterjäger*innen sowie Geliebten Antea Duarte und Red Mac Baith verschlägt es mit spektraler Mission in das koloniale New Eden irgendwo in Nordamerika. Ihr Lehrmeister ist kürzlich verstorben und es geht nun nicht nur darum, ihm das letzte Geleit in die Nachwelt zu gewähren, sondern ebenso herauszufinden, wer oder was ihn auf dem Gewissen hat. Schon bei ihrer Ankunft scheint eine besondere Schwere auf dem Ort zu liegen, der Landstrich wirkt entvölkert. Die wenigen verbliebenen Bewohner*innen geben sich wortkarg und leben in Angst. Die zwei Verbanner*innen finden alsbald die Ursache dafür: Ein mächtiger Spuk scheint über den Ort eingefallen zu sein. Die Ereignisse überschlagen sich und die beiden finden sich in der Wildnis New Edens wieder, der Spuk ungebrochen und Antea auf der anderen Seite des Schleiers. Nun stehen Red und Antea nicht nur vor der Aufgabe, herauszufinden, wie sie dem Spuk doch noch ein Ende bereiten und den Bewohner*innen New Edens bestmöglich helfen können. Sondern auch der Frage, ob sie Antea mithilfe eines verbotenen Rituals wiederbeleben wollen oder sie zum Finale ihrer Reise selbst die Verbannung antreten muss.

Turbulente erste Spielstunden also. Banishers: Ghosts of New Eden punktet von Beginn an mit seiner selbstsicheren Inszenierung, etabliert das Setting nicht mit riesiger Exposition, sondern durch Möglichkeiten zur Erkundung und zum Einatmen der Atmosphäre. Ein Selbstbewusstsein, dem man schnell anmerkt, dass Studio und Entwickler*innen mit voller Brust hinter Geschichte und Figuren zu stehen scheinen – fernab einer lieblosen Trendproduktion von der Stange. Dass DON’T NOD sich schon länger in storylastigen Spielwelten bewegen, ist dank Titeln wie Remember Me, Vampyr und dem Teen-Angst-Zeitreiseabenteuer Life is Strange offensichtlich. Die Neugierde geweckt, will man als Spielender sofort mehr wissen, nicht nur über die Entwicklungen des Plots, sondern auch über die Hintergründe oder das Entstehen der Welt. Dazu kommt das unverbrauchte Setting des noch jungen Nordamerikas. Super Ausgangsbedingungen also für das etwa 20 -30-stündige Abenteuer.

Essenzen, die euch an den Kragen wollen, kommt ihr mit Schwert und Geisterfaust bei.

Stechen, Hauen, Verbannen

Auf ihrem Weg, dem Spuk ein Ende zu bereiten und sich für das finale Aufeinandertreffen zu rüsten, verbringen Spielende den größten Teil ihrer Zeit mit den zwei Hauptspielelementen. Zum einen gilt es, die Bewohner*innen New Edens von übernatürlichen Fällen zu befreien. Zum anderen stoßen die zwei Geisterjäger*innen in der Wildnis immer wieder über gefräßige Hüllen, besessene Fauna oder monströses Getier, welchen nur mit Gewalt beizukommen ist. Für ein modernes Action-Adventure typisch, muss anvisiert, pariert und ausgewichen werden, selbst wehrt man sich mit leichten und schweren Angriffen, die zu Kombos verknüpft werden können. Per Tastendruck lässt sich dabei fließend zwischen Red und Antea wechseln. Nicht nur für weiteres Kombopotenzial, sondern besonders, um den Resistenzen der Kreaturen zu begegnen. Red kann allem haptischen gegenüber ordentlich austeilen, dem spektralen Spektrum setzt dagegen Antea mit kräftigen Fausthieben zu. Da die Kreaturen die Statuszustände immer wieder wechseln, beispielsweise ein wildknurrender Wolf, der von einem Geist besessen wurde, bleiben die Wechsel notwendig und motivieren zum Einsatz.

Hier lässt sich allerdings schon nach wenigen Spielstunden nicht mehr verbergen, dass es dem Kampfsystem an den nötigen Ecken fehlt, um selbst aus dem Titel hervorzustechen. Da wäre zu Einem das Trefferfeedback. Wo sich Anteas spektrale Haue noch recht satt anfühlt, sind gerade Reds Schwertschläge oft mehr Gefuchtel in der Luft. Treffern fehlt es an Wucht und den Kämpfen fehlt es insgesamt an spektakulären Elementen dafür, dass wir als Spielende mit der Kameraperspektive stets mittendrin sind. Die etwaigen Bosskämpfe sind hier in Sachen Inszenierung die willkommene Ausnahme und können sich durch Größe und Gegnerdesign besser abheben. Auch diese können das zweite Manko der Auseinandersetzungen jedoch kaum entkräften, die Kämpfe sind insgesamt zu simpel und zu leicht. Das Arsenal an Kombinationen wird wenig gefordert, die simple Mischung aus schnellen und schweren Angriffen reicht für ein Großteil der Feinde aus. Dafür sind diese schlicht zu schwachbrüstig und fordern in Varianz und Typ nur selten andere Fähigkeiten der Spieler*innen heraus wie gut getimte Blocks oder schildbrechende Attacken. In der aktuellen Landschaft an wahnsinnig elaborierten Titeln, die in eine ähnliche Kerbe schlagen (man denke hier an God of War), fällt dieser Umstand leider stark auf. Obligatorische Upgrades beim Aufleveln können ebenfalls keine Unterschiede schaffen, dafür ist ihr Einfluss zu marginal – große neue Angriffsmöglichkeiten, Waffentypen oder Spezialangriffe sucht man hier vergebens.

In den Ermittlungen müsst ihr Hinweise aufspüren und die Bewohner*innen mit diesen konfrontieren.

Die Geister, die ich rief

In Präsentation und Auftreten steht Banishers mit seinen Schauwerten und der Über-die-Schulter-Perspektive nicht von Ungefähr schnell in der Tradition der Genre-Größen wie God of War oder Uncharted. Ein grundsätzlich guter Schachzug, dass Banishers, wo es nur kann, gar nicht erst versucht, in Sachen Bombast Ähnliches zu versprechen wie die Studio-Blockbuster, ohne auch nur annähernd die gleichen Budgetmittel zur Verfügung zu haben. Stattdessen stellt der Titel von Beginn an das atmosphärisch düstere New Eden und die zwei Neuankömmlinge in den Mittelpunkt. Antea und Red können als Hauptfiguren von Anfang an in Welt und Geschichte ziehen. Ihre Dynamik ist zwar nicht ganz neu, gerade aufgrund des fantastischen Jobs der beiden Sprecher*innen Amaka Okafor und Russ Bain dennoch eine große Freude. Dazu kommt, dass man immer noch selten ein bereits bestehendes Liebespaar als handelnde Hauptfiguren in Spielen vorgesetzt bekommt. Was kein besonderes Novum sein sollte, ist es in der aktuellen Gaminglandschaft dennoch und sticht deshalb positiv hervor.

Dieses Zusammenspiel macht den größten Reiz des Titels aus. Nicht nur, dass man der Geschichte aufgrund der beiden Hauptfiguren und ihrer Beziehung weiter folgen möchte, selbst wenn sich als bald im Spiel abzeichnet, wohin die Story verlaufen wird. Die beiden sind auch der Katalysator für die Geschichte der Einwohner*innen in und rund um New Eden, die es von spukenden Plagen zu befreien gilt. In diesen Spielpassagen finden Antea und Red oft eine verstörte Person oder eine Anomalie in der Landschaft vor und den Geisterjäger*innen ist natürlich schnell klar, dass dies mit übernatürlichen Überbleibseln zu tun haben muss. In Folge gilt es, die Umgebung nach Hinweisen zu untersuchen, Rituale durchzuführen, mit den Involvierten Gespräche zu führen und diese miteinander zu verknüpfen, bis man dem Spuk auf den Grund kommen und etwaige Täter*innen entlarven kann. Auch in diesen Passagen kommentieren Antea und Red immer wieder das Geschehen, Antea natürlich mit der besonderen Perspektive von der „anderen Seite“. Gerade wenn es im Finale einer Ermittlung darum geht, was mit den involvierten Personen geschehen soll, wird dies immer wieder auf die Charaktere und die Spielenden selbst zurückgeworfen.

Licht am Ende des Tunnels oder ewige Finsternis? Banishers fordert euch immer wieder zu moralischen Urteilen auf.

Wo auch hier Sprecher*innen und Skript wieder ganze Arbeit abliefern, ist es leider erneut die Gameplayseite, die sehr schwach auf der Brust bleibt. Die Ermittlungen gehen nicht über ein bloßes Abklappern der näheren Umgebung hinaus, Hinweise wie Tagebücher mit entlarvenden Einträgen liegen da auch schon einmal offen auf dem Tisch. Wirkliches Detektivfeeling kommt hier nur selten auf, so interessant die Geschichten der Bewohner*innen und ihrer Taten dahinter auch meist sind. Als Spielende*r kommt kaum das Gefühl auf, nach und nach ein Geheimnis zu lüften, stattdessen klopft man die notwendigen Punkte bis zur nächsten Zwischensequenz ab. Auch hier haben nicht nur aktuelle Titel, sondern auch schon Arkham Asylum vor über zehn Jahren mehr geleistet, um das Ermitteln interessanter zu machen.

© DON’T NOD

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: DON’T NOD
  • Publisher: Focus Entertainment
  • Plattform: PC, Xbox Series X, PlayStation 5
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Polnisch, Brasilianisches Portugiesisch, Chinesisch, Russisch, Koreanisch
  • Mindestanforderungen:
    • Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    • Betriebssystem: Windows 10/11 64-bit
    • Prozessor: Intel Core i3-8300 / AMD Ryzen 3 2200G
    • Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
    • Grafik: 4 GB VRAM, Nvidia GeForce GTX 1050 Ti / AMD Radeon RX 580
    • DirectX: Version 12
    • Speicherplatz: 52 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Action-Adventure
  • Releasedatum: 12. Februar 2024
  • Spielstunden: 18
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: FSK 16
  • Preis: 49,99 EUR
  • Bezugsquelle: idealo, MMOGA

 

Fazit

Wäre Banishers: Ghosts of New Eden der Start einer neuen Romanreihe, ich würde sie verschlingen. Denn die Hintergrundidee ist von Beginn an faszinierend, die Charaktere sind zugespitzt, aber mit Tiefe angelegt, und ein spannender Grundplot ist von der ersten Spielstunde an gesetzt.

Als recht traditionelles Action-Adventure macht Banishers: Ghosts of New Eden es einem jedoch deutlich schwerer, ein Fazit zu ziehen. Denn die Kampfpassagen spielen sich mit ihren Wechseln zwar flott von der Hand, bleiben aber damit auch zu flach und unspektakulär. Im Miteinander mit den Einwohner*innen der Kolonie New Eden und dem Lösen ihrer Plagen können sich Setting und Figuren wieder positiv hervor tun. Aber auch hier bleibt die spielerische Seite zu seicht. Banishers: Ghosts of New Eden ist zu vielen Stellen ein Titel, der mehr durchschritten statt durchspielt werden möchte, denn schafft man es zur nächsten Plotentwicklung, wird man mit tollen Sprecher*innen und gut geschriebenen Dialogen belohnt, die eine unverbrauchte Story in der Videospielwelt erzählen.

Wer genau das sucht, darf für die eigene Kaufentscheidung den Daumen gerne noch ein gutes Stück nach oben drehen und getrost zuschlagen. Alle, die etwas mehr Wucht an der spielerischen Front erwarten oder auf Spektakel bei Kampf und Inszenierung aus sind, müssen sich den schönen Trip nach New Eden vielleicht zweimal überlegen, um nicht mit falschen Erwartungen auf ihre Reise zu starten.

  • Gut gezeichnete Charaktere in atmosphärischer Story
  • Ansprechende Landschaften und Umgebungen
  • Tolle Sprecher*innen

 

  • Wenig fordernde Kämpfe und mangelnde Gegnervielfalt
  • Ermittlungen bleiben zu oberflächlich

 

Artikelbilder: © DON’T NOD
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Saskia Harendt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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