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Willkommen im Death Valley! Im Horror-RPG Death Valley von Critical Kit durchstreifen die Spieler*innen als Untote den Wilden Westen. Ob Zombie oder Ghul: Sie alle sind eines ungerechten Todes gestorben und deshalb zurückgekehrt. Die untote Existenz birgt viele Gefahren, denn nicht alle Lebenden sind den Toten wohlgesonnen…

Critical Kit ist ein britischer Verlag, der unter anderem Module für D&D 5E herausgibt, aber auch eigene Pen-and-Paper-Spiele entwirft. Mit Death Valley will der Verlag ein Spiel herausgeben, das auf der Year Zero Engine beruht. Die Year Zero Engine von Free League kommt unter anderem in den Spielen wie Coriolis und Alien zur Anwendung.

Bis jetzt existieren von Death Valley nur die Schnellstartregeln, die einen kleinen Überblick über die Regeln und das Setting geben sollen. Neben diesem Einblick kommt das Schnellstartheft mit einem One-Shot-Abenteuer einher, das in die wichtigsten Spielmechaniken und grundlegenden Motive des Settings einführt. Das Crowdfunding für Death Valley sollte Anfang 2024 auf Backerkit starten, aber bis jetzt ist das Projekt auf der Seite noch nicht zu finden.

Triggerwarnungen

Monster; Übernatürliches; Kannibalismus

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Die Spielwelt

Der Wilde Westen, irgendwann im 19. Jahrhundert: Der Tod ist nicht das Ende! Das Death Valley – also das Tal des Todes – ist eigentlich das Tal der Untoten. Das Tal ist eine große Wüste, in der sich nur ab und an menschliche Ansiedlungen finden. Doch nicht alle davon sind menschlich, denn Personen, die eines grausamen und ungerechten Todes sterben, kommen in der Spielwelt von Death Valley als Untote zurück. Wenn ein Mensch stirbt, wird seine Lebenskraft in einen neuen Körper kanalisiert, und zwar in den eines Monsters. Monster, die in den Schnellstart-Regeln vorkommen, sind Vampire, Skelette, Ghule und Zombies. Im vollen Regelwerk wird die Bandbreite sicherlich größer sein.

Willkommen im Tal der Untoten!

Da Untote unter den Lebenden nicht immer willkommen sind, entscheiden manche nach ihrem Ableben nach Bardo’s Bluff zu gehen. Das ist eine kleine Siedlung im Death Valley, in der Untote aller Art in einer Parallelgesellschaft gemeinsam leben. Dabei kommt Vampiren eine besondere Rolle zu, denn fast alle Vampire sind Mitglieder des Ordens des Schwarzen Schleiers. Dieser Vampirkult hat Bardo’s Bluff gegründet und regiert im Dorf als Schatteneminenz über die Geschicke der Einwohner*innen.  Die wirklichen Absichten des Kults sind ebenso mysteriös wie seine Mitglieder.

In Bardo’s Bluff haben die Untoten zum Glück Ruhe vor den Lebenden.

Die Spieler*innen übernehmen in Death Valley die Rolle von Untoten, die sich in einer ihnen nicht wohlgesonnenen Welt zurechtfinden müssen und dabei in bester Wild West-Manier auf Revolverheld*innen und Outlaws treffen. Dabei sind sie als Monster einerseits von der Gesellschaft Ausgestoßene. Andererseits profitieren auch sie von ihren monsterhaften Erscheinungen und sind zäher als Normalsterbliche.

Das Worldbuilding ist aufgrund der begrenzten Seitenanzahl recht kurz gehalten, macht allerdings neugierig auf das vollständige Regelwerk. In diesem wird sicherlich die Rolle des Ordens des Schwarzen Schleiers noch näher erläutert, die in den Schnellstartregeln fast vollständig im Dunkeln bleibt. Außerdem geben die Schnellstartregeln nur einen kurzen Überblick über das gesamte Death Valley. Der Fokus liegt hier eindeutig auf Bardo’s Bluff, das Ausgangspunkt im Einführungsabenteuer ist.

Die Regeln

Die Schnellstartregeln geben einen ganz kurzen Einblick in das Regelsystem. Jeder Charakter hat vier Hauptattribute, Wits, Empathy, Strength und Agility, die einen Wert zwischen 0 und 5 haben. Dieser Wert zeigt an, wie viele W6 bei einer Attributsprobe geworfen werden. Zu jedem Attribut gehören jeweils drei Fähigkeiten, wie zum Beispiel Sharpshooter und Eagle Eye. Auch diese haben einen bestimmten Wert, der anzeigt wie viele Würfel bei einer Probe auf diese bestimmte Fähigkeit geworfen werden. Beide Werte zusammen bilden einen Würfelpool. Also bei einer Probe auf Sharpshooter (Agility) werden die Werte von Sharpshooter und Agility zusammengerechnet und dann mit der entsprechenden Anzahl an Würfeln geworfen.

Eine einzige 6 reicht, um einen Erfolg zu erzielen, dementsprechend gilt: Je mehr Würfel geworfen werden dürfen, desto höher die Chance auf einen Erfolg. Wenn mehrere Sechsen bei einem Wurf herauskommen, gilt dies als besonderer Erfolg. Besonders im Kampf ist das wichtig, denn dadurch steigert sich der ausgeteilte Schaden. Bei einem Misserfolg kann ein Wurf forciert werden, das heißt alle Würfel, die keine 1 zeigen, dürfen noch mal geworfen werden. Kommt ein weiterer Misserfolg dabei heraus, ist dieser schwerwiegender als zuvor. Anstatt einfach nur an der Aufgabe zu scheitern, kann sich ein Charakter verletzen oder ein Gegenstand geht kaputt. Hier bleiben die Schnellstartregeln allerdings äußerst vage.

Kämpfe in Death Valley sind eine Abfolge von Fähigkeitenproben. Zunächst wird die Reihenfolge der Kämpfenden festgelegt. Das geschieht durch das Vergleichen der Quickdraw-Werte. Dadurch ist die Reihenfolge im Kampf immer ähnlich und ein wenig langweilig, da die Spieler*innen spätestens beim dritten Kampf wissen, wer welchen Wert hat. Im Kampf spielen zudem opposed rolls eine wichtige Rolle, also Würfe, bei denen Angreifende und Angegriffene gleichzeitig werfen und die Anzahl ihrer Erfolge abgleichen. Je nachdem, wer mehr Erfolge hat, gewinnt die Auseinandersetzung.

Charaktererstellung

Die Schnellstartregeln beinhalten die Charaktererstellung nicht. Stattdessen gibt es im Regelheft vier vorgefertigten Charaktere, mit denen man direkt losspielen kann. Vertreten sind dabei ein Ghul, ein Zombie, ein Vampir und ein Skelett. Zumindest eine kurze Erklärung zur Charaktererstellung wäre schön gewesen. Denn so lässt sich das ebenfalls enthaltene Einführungsabenteuer nur mit ebendiesen vier Charakteren spielen. Es sei denn, man greift auf andere Charaktererstellungen aus der Year Zero Engine zurück.

Leider fehlt auch eine Aufzählung der Monster, die im vollständigen Regelwerk zu spielen sein werden. Das wäre allerdings sehr interessant, denn jedes Monster spielt sich anders, da es nämlich mit einem spezifischen Vorteil und einem Nachteil daherkommt. Vampire zum Beispiel haben auf alle Würfe, die im Tageslicht geschehen, einen Nachteil. Dafür sind sie aber besonders charmant und dürfen einen weiteren Würfel werfen, wenn sie mit der Poker Face-Fähigkeit versuchen, jemanden zu überzeugen. Zudem hat jede*r Untote eine ganz eigene Möglichkeit, sich zu heilen. Besonders einprägsam: Ghule können durch das Verspeisen von Gehirnen neue Lebenskraft erhalten.

Die Attribute und Fähigkeiten bilden in Death Valley den Kern eines Charakters.

Die Charaktere setzten sich in erster Linie aus ihren Attributen und Fähigkeiten zusammen. Die Benennungen der Attribute und Fähigkeiten sind gut an das Western Setting angepasst, mitunter aber auch ein wenig verwirrend. Die Fähigkeit Quickdraw bezieht sich beispielweise nicht nur auf das schnelle Ziehen einer Waffe, sondern auf jegliche Aufgaben, die Schnelligkeit und motorische Geschicklichkeit erfordern, wie einem Angriff auszuweichen.

Auch die vorgefertigten Charaktere lassen sich etwas individualisieren. Vor allem die Todesart des Charakters ist eine gute Möglichkeit, um Rollenspielpotenzial zu schaffen. Spielmechanisch hat das aber keine Auswirkungen.

Spannend wäre zu erfahren, inwiefern die Charaktere aufgelevelt werden können. Das erfährt man in den Schnellstartregeln allerdings nicht.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Das grundlegende Konzept – eine 6 führt zum Erfolg – nimmt der Spielleitung die Arbeit ab, über den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe zu entscheiden. Dadurch muss die Spielleitung vor allem festlegen, nach was für einer Fähigkeitenprobe sie fragt, wie in vielen anderen Systemen auch.

Dadurch, dass die Regeln sehr einfach und zumindest in den Schnellstartregeln wenig umfangreich sind, lässt sich das im Heft enthaltene Einstiegsabenteuer problemlos und ohne große Vorbereitung leiten.

Death Valley versteht sich als Horror-RPG. Allerdings ist es relativ schwierig, in dem Setting eine gruselige Stimmung zu erzeugen. Da die Charaktere selbst Monster sind, können sie nur schwer auf etwas Grauenhafteres als sich selbst treffen. Im Einführungsszenario haben die Charaktere alle 8 Punkte Lebenskraft. Damit sind sie zwar nicht unbesiegbar, aber auch nicht ganz einfach zu töten. Dementsprechend wirkt auch der Kampf nicht unbedingt bedrohlich.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Das narrativ orientierte System ist schnell begriffen und macht beim Spielen durchaus Spaß. Insbesondere das Forcieren von Würfen kann zu sehr spannenden Situationen führen.

Allerdings nutzt Death Valley (noch) nicht das ganze Potenzial seiner Prämisse aus: Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle von Untoten. Das macht sich jedoch nur durch jeweils einen Vorteil und einen Nachteil, den der jeweilige Charakter hat, bemerkbar. Da hätte man mehr draus machen können. Vor allem, da manche Vor- und Nachteile kaum zum Tragen kommen, bleibt der Eindruck, dass Charakterdesign und die Grundidee des Spiels nicht ganz schlüssig verwoben werden.

In Death Valley schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle von Untoten, zum Beispiel in die eines Skelettes.

Auch im Kampf zeigen sich einige Schwächen. Alle Nahkampfwaffen in den Schnellstartregeln verursachen genau einen Schadenspunkt. Da der Schaden nicht ausgewürfelt wird, geht der Kampf zwar zügig vonstatten. Allerdings sind verschiedene Waffen dadurch in erster Linie kosmetischer Natur. Ob die Spieler*innen mit einer Spitzhacke oder einer Schaufel angreifen, ist im Grunde irrelevant. Lediglich Schusswaffen machen einen Unterschied, denn Revolver können pro Kampfrunde zwei Mal abgefeuert werden. Außerdem verursachen einige Schusswaffen unterschiedlich viele Schadenspunkte, je nach dem aus welcher Entfernung sie abgefeuert werden.

Nahkampfangriffe werden durch opposed rolls gelöst. Hierbei kommt es häufiger zum Gleichstand, was die Anzahl an Erfolgen angeht. Das wiederum ist spielmechanisch einem Misserfolg sehr ähnlich, denn ein Gleichstand bedeutet, dass bei den Gegner*innen kein Schaden angerichtet wird.

Spielbericht

In der Testrunde wurde das Einstiegsabenteuer Showdown at Scorpion Gulch gespielt. Im Spielbericht kommen dazu natürlich ein paar Spoiler vor. Die Spieler*innen übernahmen dabei die Rollen der vier prägenerierten Charaktere: ein Zombie, ein Ghul, ein Skelett und ein Vampir. Außerdem entwarf die Spielleitung noch einen fünften Charakter auf Basis der Charaktererstellung der Year Zero Engine, für eine weitere Spielerin. Keine*r der Spieler*innen war vorher mit dem System vertraut. Das erwies sich allerdings als unproblematisch, da die Regeln sehr einsteiger*innenfreundlich sind.

Die fünf Untoten wurden vom Sheriff von Bardo’s Bluff beauftragt einen alten Mann, der erst vor Kurzem zum Untoten geworden war, zu finden und in Sicherheit nach Bardo’s Bluff zu bringen. Der Mann wurde zuletzt in Scorpion Gulch gesichtet, wo er zu Unrecht hingerichtet worden war.

Scorpion Gulch liegt etwa zwei Tagesreisen entfernt von Bardo’s Bluff. Gleichzeitig war auch eine Kopfgeldjägerin auf der Suche nach dem Untoten, sodass die Charaktere unter Zeitdruck standen. Hier liegt ein Problem des Szenarios: Die Charaktere konnten nämlich auf die Hilfe von teleportierenden Geistern zurückgreifen und waren damit wesentlich schneller vor Ort als die Kopfgeldjägerin.

In Scorpion Gulch angekommen, erkundeten die Charaktere unter anderem den Friedhof und machten sich dann auf in Richtung der alten Mine, in der sie den frischen Untoten vermuteten. Auf dem Weg dahin begegneten sie noch einem Vampir, der Mitglied des Ordens des schwarzen Schleiers war, also der Kult, der Bardo’s Bluff gegründet hat. Hier bot sich vor allem für den Vampir der Gruppe Rollenspielpotenzial, denn der Charakter war nicht Teil des Kultes, gab sich allerdings kurzerhand als Mitglied aus, um so an Informationen zum gesuchten Untoten zu gelangen.

Dank eines forcierten Wurfes des Zombies konnten die Charaktere eine Falle entschärfen, die eine Gruppe von Outlaws am Mineneingang befestigt hatte. In der Mine wiederum trafen die Charaktere zunächst auf ein altes lebendes Skelett, das seit Jahrzehnten in der Mine eingesperrt gewesen war und in seiner Verwirrung und Panik die Charaktere angriff. Ohne die Situation genauer zu untersuchen, machten die Charaktere kurzen Prozess mit dem Skelett und vernichteten es schnell. Ein wenig gefährlicher wurde die Situation dann etwas später, denn die Charaktere trafen auf drei bewaffnete Outlaws. Doch auch diese Gegner konnten schließlich besiegt werden unter anderem auch durch den treffsicheren Skelett-Revolverhelden der Gruppe. Gleichzeitig gelang es den Charakteren auch, den gesuchten Untoten ausfindig zu machen, zu beruhigen und schließlich mit nach Bardo’s Bluff zurückzunehmen.

Der Showdown des Abenteuers findet in einer verlassenen Mine statt.

Insgesamt ist das Abenteuer sehr kompakt und lässt sich gut in einer Sitzung durchspielen. Besonders gruselig war es jedoch nicht.

Erscheinungsbild

Die Schnellstartregeln kommen als dünnes DIN A4-Heft daher. Das ist trotzdem soweit recht hochwertig. Auch das Text-Layout ist gut gelungen. Zwar ist an einer Stelle der Text auf die nächste Seite gerutscht, obwohl die Überschrift noch auf der vorherigen ist. Das ist aber nur ein kleiner Makel und nicht weiter störend. Der Hintergrund der Seiten ist wie altes Papier gestaltet. Da das Design wenig aufdringlich ist, stört es nicht beim Lesen. Stattdessen trägt es ebenso, wie die stimmungsvollen Illustrationen zu einem schönen Gesamtbild bei. Zu den Illustrationen ist anzumerken, dass eine davon doppelt verwendet wird.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Critical Kit
  • Autor*in(nen): Tim Roberts
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: Softcover/ PDF
  • Seitenanzahl: 36
  • ISBN: 9781803529226
  • Preis: 14,95 EUR/ 7,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Bonus/Downloadcontent

Wie bei allen Spielen von Critical Kit können die Karten, die vorgefertigten Charaktere und ein leerer Charakterbogen über die Website als PDF kostenlos heruntergeladen werden. Ein Manko: Das PDF für den leeren Charakterbogen ist nicht ausfüllbar und damit für das digitale Spiel nicht wirklich geeignet.

Fazit

Death Valley ist – zumindest in den Schnellstartregeln – darauf ausgelegt auch für Einsteiger*innen schnell spielbar zu sein. Das Setting ist sehr interessant und hat sicherlich viel Potenzial, auch weil der Wilde Westen mit übernatürlichen Elementen insgesamt ein eher unverbrauchtes Pen-and-Paper-Setting ist. Allerdings sind die Schnellstartregeln an anderen Stellen noch nicht wirklich aussagekräftig vor allem, was die Charaktererschaffung angeht. Außerdem kommt im Einstiegsabenteuer kein Horror-Gefühl auf. Dazu kommen einige Unstimmigkeiten im Kampfsystem. Hoffentlich werden diese Kritikpunkte in der Vollversion ausgebügelt, denn das Setting an sich ist sehr spannend.

  • Einsteiger*innenfreundlich
  • Interessantes Setting
  • Narrativ orientiert

  • Konzept von Untoten wird nicht genug ausgenutzt
  • Wenig tatsächliche Horror-Elemente
  • Schwächen im Kampfsystem

 

Artikelbilder: © Critical Kit
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Hendrik Pfeifer
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Über die Autorin

Rebecca HaardtRebecca liebt alles, was mit Science-Fiction oder Horror zu tun hat, seien es Filme, Videospiele oder Romane. Deshalb studiert sie momentan Medienwissenschaft, um irgendwann ihr Hobby zum Beruf zu machen. Erst vor ein paar Jahren hat sie Pen-and-Paper-Spiele für sich entdeckt. Wenn sie mal nicht die Vergessenen Reiche durchstreift, geht sie auf der Alster segeln.

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