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Vor 5000 Jahren ist die Menschheit untergegangen. Verschiedene Stämme konnten sich unter dem ewigen Eis retten und brechen nun an die Oberfläche hervor, um die Welt erneut zu besiedeln. Wem gelingt es, im Brettspiel Revive die besonderen Fähigkeiten des eigenen Stammes am besten einzusetzen? Wer erschafft die beste neue Zivilisation?

Schon auf der Spiel 2022 fiel unser Blick auf das Spiel Revive aus dem Hause Aporta Games. Das Thema lag voll im Trend und spielerisch konnte es viele Leute überzeugen und wurde so zu einem der Hits der Messe. Nun ist es auf Deutsch bei Pegasus Spiele erschienen. So, wie im Spiel die Stämme die Welt erkunden, erkunden wir in diesem Artikel das Spiel selbst.

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Spielablauf

In Revive übernehmen die ein bis vier Spielenden jeweils die Kontrolle über einen von vier (später sechs) Stämmen. Auf einem gemeinsamen Spielplan ist zu Beginn der Partie nur ein kleiner Teil in der Mitte sowie die großen Städte am äußeren Rand sichtbar. Es gilt, die restlichen Gebiete zu erkunden, Gebäude zu bauen, Städte zu besiedeln, und dabei verloren gegangene Technologien zu erforschen. Dazu werden in jedem Spielzug zwei Aktionen ausgeführt.

Zu Spielstart stehen immer die gleichen sechs Bürger*innen zur Verfügung.
Zu Spielstart stehen immer die gleichen sechs Bürger*innen zur Verfügung.

Über das Ausspielen von Bürger*innen werden Ressourcen generiert, die dann bei den anderen Aktionen genutzt werden, um Figuren ins Feld zu bringen oder Regionen zu erforschen. Erforscht man eine Region, erhält man eine neue Bürger*innenkarte und fügt sie dem eigenen Vorrat hinzu.

Der Bau von Gebäuden hilft, in den drei verschiedenen Technologieleisten auf dem eigenen Spielbrett voranzuschreiten. Werden auf diesen Leisten bestimmte Felder erreicht oder überschritten, werden Maschinen freigeschaltet. Teilweise sind diese fest vorgegeben (und auf allen Spielbrettern identisch), teilweise hat man eine Auswahl aus je drei ausliegenden Maschinen der entsprechenden Farbe. Außerdem können durch Gebäude einmalige Boni von Wasserfeldern aktiviert werden.

Einer der Boni, die man durch das Ausspielen von Karten oder den Bau neben einem Gewässer erhalten kann, ist der Erhalt eines Moduls. Diese können auf dem eigenen Brett platziert werden und werten einen der vier (später fünf) Kartenslots auf, so dass danach Bürger*innen der entsprechenden Farbe Bonusressourcen produzieren, wenn sie dort platziert werden.

Eine Stadt zu bevölkern schaltet Fähigkeiten des eigenen Stammes frei. Diese sind von Stamm zu Stamm unterschiedlich, wodurch sie sich teilweise sehr unterschiedlich spielen. Nach den Testpartien waren wir uns nicht sicher, ob die Stämme komplett ausgeglichen sind – insbesondere da einige der Fähigkeiten in Nützlichkeit stark mit der Anzahl der Spielenden variieren.

Die einzelnen Stämme verfügen jeweils über eigene Spielbretter, auf denen ihre Spezialfähigkeiten zu finden sind.
Die einzelnen Stämme verfügen jeweils über eigene Spielbretter, auf denen ihre Spezialfähigkeiten zu finden sind.

Kann oder will man nicht mindestens eine Aktion durchführen, ist es Zeit, zu überwintern. Alle im Ruhebereich wartenden Bürger*innen kommen in die Auslage zurück, aktuell im Einsatz befindliche hingegen wandern in den Ruhebereich. Energie kommt in den Vorrat zurück, wodurch Maschinen wieder aktiviert werden können. Außerdem wird der eigene Marker auf der Überwinterungsleiste einen Schritt nach oben gesetzt und man erhält den Bonus der aktuellen Stufe oder einer der Stufen darunter. Überwintert man zu oft, muss zudem eines der noch verfügbaren Artefakte aus dem Spiel entfernt werden.

Apropos Artefakte: Je nach Anzahl der Spielenden befindet sich eine bestimmte Anzahl an Artefakten im Spiel. Diese können über das Erreichen bestimmter Felder auf der Siegpunktleiste, Freischaltung von Feldern der eigenen Technologiestrecken sowie das Bevölkern von hinreichend vielen Städten erlangt werden. Sind alle davon verbraucht, wird das Spielende eingeleitet. Alle anderen Spielenden sind noch einmal am Zug, danach endet die Partie und es kommt zur Endwertung.

In jeder Partie gibt es gleich viele Punkte für eingesetzte Bevölkerung, Fortschritte in den Technologiestrecken und die Häufigkeit des Einsetzens der besonderen Stammesfähigkeit. Dazu kommen variable Punkte: Die vier großen Städte sowie die eigene Artefaktkarte sind in jeder Partie unterschiedlich. Die drei Wertungen auf der eigenen Artefaktkarte werden durch die gesammelten Artefakte der entsprechenden Farbe mitunter mehrfach durchgeführt. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Für jede Energie (Blitz) gäbe es in diesem Fall drei, für den Einsatz der Sonderfähigkeit des Stammes (Stern) einen und für besiedelte Städte (Meeple) zwei Punkte.
Für jede Energie (Blitz) gäbe es in diesem Fall drei, für den Einsatz der Sonderfähigkeit des Stammes (Stern) einen und für besiedelte Städte (Meeple) zwei Punkte.

Das Spielende kann bei Revive schneller kommen, als man denkt. Nicht selten werden im späteren Spielverlauf ein, zwei oder sogar drei Artefakte in einem einzigen Zug erreicht, wodurch das Spiel sehr plötzlich vorbei sein kann. Die vorgeschlagene Variante, mit ein paar mehr Artefakten zu spielen, reduziert diesen Faktor etwas, aber in vielen unserer Testpartien hätte dies das Spiel maximal um eine Runde verlängert. Wie so oft also bei Engine Buildern: Wenn die Maschine gerade so richtig ans Laufen gekommen ist, ist das Spiel auch schon vorbei.

Das Spielen der grünen Karte aktiviert nicht nur die bereits liegende noch einmal, sondern erlaubt auch das Spielen einer weiteren (grauen) Karte. Dieser Zug bringt in Summe also fünf Bücher, zwei Nahrung (Säcke), zwei Zahnräder und einen Kristall.
Das Spielen der grünen Karte aktiviert nicht nur die bereits liegende noch einmal, sondern erlaubt auch das Spielen einer weiteren (grauen) Karte. Dieser Zug bringt in Summe also fünf Bücher, zwei Nahrung (Säcke), zwei Zahnräder und einen Kristall.

Die Regeln von Revive lassen sich zwar grob wie oben beschrieben zusammenfassen, aber um alle Nuancen zu erklären, benötigt man vor der ersten Partie eine knappe halbe Stunde. Auch im Spiel stellt sich heraus, dass die einzelnen Möglichkeiten im Spiel eng verzahnt ineinandergreifen. Damit ist Revive ganz klar im Bereich Expert*innenspiele angesiedelt und benötigt mindestens ein bis zwei Partien, um wirklich begriffen zu werden. Dem trägt das Spiel Rechnung, indem es eine fünfteilige Kampagne mitbringt, in deren Verlauf weitere Regeloptionen freigeschaltet werden. Die erste davon ist allerdings simpel und wichtig genug, dass sie problemlos Teil der normalen Regeln hätte sein können, ja vielleicht sogar sollen. Die anderen drei optionalen Regeln sind für die ersten Partien eher nicht zu empfehlen, aber statt einer Kampagne hätten sie genauso gut einfach als Erweiterungen direkt mit in der Box sein und im Regelheft erwähnt und erklärt werden können.

Erfahrene Runden benötigen keine fünf Partien, um alle Regeln verwenden zu können und es wäre sinnvoll gewesen, die Regeln alle an einer Stelle zu haben, statt neben dem Regelheft nun noch vier Karten konsultieren zu müssen, um alle Regeln abzudecken. Noch dazu ergibt die Kampagne nur bedingt Sinn – warum kommt man fünf Mal aus dem gleichen Loch aus dem Eis gekrabbelt? Ist die Welt dazwischen schon wieder untergegangen? Die Texte zwischen den Partien sind ganz nett und erheben den sprichwörtlichen Zeigefinger, um aufzuzeigen, welche Entwicklungen in unserer Gesellschaft möglicherweise Ursache für den Untergang gewesen sein könnten. Spielerisch sind sie aber irrelevant und hätten auch komplett weggelassen werden können.

Nichtsdestotrotz fügen diese optionalen Regeln dem Spiel noch einmal weitere Möglichkeiten hinzu, die Komplexität an die Wünsche der eigenen Runde anzupassen und bereichern Revive damit ungemein. Ohne zu viel spoilern zu wollen, können sich Spielende unter anderem auf neue Stämme, neue Wertungsmöglichkeiten und komplexere Stammesfähigkeiten freuen.

Es stehen insgesamt zehn verschiedene Artefaktkarten – und damit Wertungsmöglichkeiten – zur Verfügung.
Es stehen insgesamt zehn verschiedene Artefaktkarten – und damit Wertungsmöglichkeiten – zur Verfügung.

Glück spielt in Revive eine nicht unerhebliche Rolle. Das beginnt bei den drei Bürger*innen, die zu Beginn der Partie zur Verfügung stehen, geht über das Aufdecken von Regionen auf der Karte, die Module und Maschinen, die zur Verfügung stehen, bis hin zum wichtigsten Punkt: der Artefaktkarte. Wer hier das Glück hat, eine Karte zu haben, die mit einer der großen Städte korrespondiert, und dann auch noch ein paar Artefakte der entsprechenden Farbe sammeln kann, kann über diesen Weg enorm viele Punkte ergattern. Grund genug, dass eine bisher in den Foren vorgeschlagene Alternativregel in der gerade auf Englisch auf der GenCon vorgestellten Erweiterung zur offiziellen empfohlenen Regel wurde. In dieser Variante bekommen die Spielenden nicht jeweils eigene Artefaktkarten, sondern es liegt zentral eine davon aus, die für alle gleichermaßen gilt. Das reduziert den Einfluss des Glücks ein gutes Stück. Dennoch bleibt es wichtiger Bestandteil, sorgt aber zugleich auch für hinreichend Varianz, so dass das Spiel auch nach mehrfachem Spielen spannend bleibt und nicht immer die gleichen Strategien funktionieren oder dominieren.

Die obere Artefaktkarte hat zwei Wertungen mit den gezeigten großen Städten gemeinsam. Damit wird es signifikant leichter, viele Punkte zu generieren, als mit der unteren Karte, die keine solchen Synergien bietet.
Die obere Artefaktkarte hat zwei Wertungen mit den gezeigten großen Städten gemeinsam. Damit wird es signifikant leichter, viele Punkte zu generieren, als mit der unteren Karte, die keine solchen Synergien bietet.

Im Hinblick auf die Anzahl der Spielenden geht Revive einen etwas ungewöhnlichen Weg. Abgesehen von der Anzahl der Artefakte bleibt alles identisch. Die Karte bietet gleich viel Platz, egal wie viele Stämme sich um diesen streiten. Hierdurch kann es bei vier Spielenden etwas zu voll werden und das Erreichen wichtiger Meilensteine auf den Technologieleisten wird schwieriger. Zu zweit hingegen sind die guten Felder oft so weit vom anderen Stamm entfernt, dass sie kaum bis gar nicht umkämpft sind. Die Partie zu dritt bietet einen guten Mittelweg dazwischen.

Die Solovariante enthält keine „KI“, sondern endet nach 20 gespielten Karten, wobei Winterschlaf 2 dieser „Karten“ verbraucht. Danach werden einfach wie üblich die Punkte gewertet und mit einer Tabelle oder den eigenen bisherigen Ergebnissen verglichen. Da ich kein Solospieler bin, kann ich diese Variante nicht sinnvoll bewerten und sie geht entsprechend nicht in die Gesamtwertung mit ein.

Ausstattung

Das Material pro Spieler*in ist reichhaltig und besteht vor allem aus Pappe und Holz.
Das Material pro Spieler*in ist reichhaltig und besteht vor allem aus Pappe und Holz.

Revive sieht aus, wie man es von einem Eurogame erwartet. Holzmarker für alles, was markiert werden muss, Pappe für Maschinen, Stämme, Regionen und mehr. Die Karten mit den Bürger*innen sind von guter Qualität. Da ein Mischen nur zu Beginn jeder Partie notwendig ist, würden sie lange halten – müsste man sie nicht unter die Tableaus schieben (siehe unten).

Die Spielertableaus machen mit den Technologiestrecken optische Eindruck. Auch der Schieber für den Schalter ist eine nette Idee und sieht gut aus. Nachteil ist, dass neben dem großen zentralen Spielplan ausreichend Platz auf dem Tisch für die Stämme und Tableaus aller Spielenden sein muss, was viele Tische an den Rand ihrer Kapazität oder gar darüber bringen wird. Insbesondere, da unter die Tableaus ja auch Karten geschoben werden müssen, also um sie herum Platz benötigt wird.

Das Unterschieben ist je nach Oberfläche des Tisches auch nicht einfach. Da die Tableaus ohnehin bereits mehrschichtig sind, hätte hier von Aquatica gelernt werden können, bei dem die Karten nicht unter, sondern in das Tableau geschoben werden, was sowohl einfacher ist als auch die Karten schont. Ein nennenswertes Inlay gibt es nicht, aber immerhin werden genug Plastikbeutel für die Aufbewahrung mitgeliefert.

Es ist nicht wenig Material, allerdings ist der Preis von aktuell 70 und mehr Euro derart hoch, dass zu hoffen ist, dass der mit besserer Verfügbarkeit des Spiels signifikant sinken wird.

Revive braucht kein Inlay, um die Schachtel vollständig zu füllen.
Revive braucht kein Inlay, um die Schachtel vollständig zu füllen.

Die Regeln sind fürs Lernen des Spiels sinnvoll aufgebaut, taugen als Nachschlagewerk während der Partie aber leider nur bedingt. Neben dem bereits erwähnten Fehlen der optionalen Regeln sind auch nicht alle Stammesfähigkeiten erklärt. Bei manchen wird einfach davon ausgegangen, dass die Symbole klar genug sind – was gerade bei den ersten Partien nicht hilfreich ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele / Aporta Games
  • Autor*in(nen): Kristian Amundsen Østby, Helge Meissner, Anna Wermlund, Eilif Svensson
  • Erscheinungsjahr: 2022 (Englisch), 2023 (Deutsch)
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 90-120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 14+
  • Preis: 70-80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Produktseite bei Pegasus Spiele gibt es die deutschen Regeln zum Herunterladen. Bei BoardGameGeek gibt es zusätzlich eine von Fans erstellte Kurzregel.

Auf Englisch wurde gerade auf der GenCon 2023 eine erste Erweiterung vorgestellt, die vier neue Stämme sowie eine neue Kartenart bereithalten. Ob und wann die Erweiterung auf Deutsch erscheint, ist aktuell noch unbekannt.

Fazit

Revive sieht auf dem Tisch gut aus, benötigt aber auch eine Menge Platz.
Revive sieht auf dem Tisch gut aus, benötigt aber auch eine Menge Platz.

In Revive versuchen die ein bis vier Spielenden fünftausend Jahre nach dem Untergang der Welt, diese mit ihren Stämmen neu zu besiedeln. In bester Engine Building Manier werden nach und nach immer weitere Optionen freigeschaltet oder bestehende verbessert. Die einzelnen Mechanismen sind dabei eng verzahnt und man merkt, dass viel Arbeit investiert wurde, damit das Spiel am Ende mehr ist als nur die Summe seiner Teile / Mechanismen. Es macht einfach Spaß, die Möglichkeiten auszuloten und dem eigenen Stamm beim Wachsen zuzuschauen. Dabei ist jede Partie anders, da die Gelände, der eigene Stamm, oder die Wertung für Artefakte viel Varianz mitbringen. Letztere kann dabei einen großen, vom Glück bestimmten, Unterschied machen, so dass eine aus der kommenden Erweiterung empfohlene Variante für manche Runden der richtige Weg sein wird.

Revive enthält auch eine Mini-Kampagne von fünf Spielen. Diese kann man eher als eine Art Tutorial ansehen, in dessen Verlauf erst die vollen Optionen freigeschaltet werden. Diese ist relativ überflüssig, kann aber auch ohne weitere Probleme einfach ignoriert werden, so dass sie zwar als negativer Punkt gewertet wurde, aber die Wertung nicht nachhaltig nach unten ziehen kann. Daher vergeben wir fünf von fünf möglichen Weltuntergangs-Szenarien.

  • Gut verzahnte Mechaniken

  • Hoher Wiederspielwert

  • Gutes Material

 

  • Unnötige Kampagne

  • Das Regelheft enthält nicht alle Regeln

  • Preis derzeit sehr hoch

 

 

Titelbild: © Pegasus Spiele
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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