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Einen Schrein errichten? Orichalkum schürfen? Vielleicht doch lieber Hopliten rekrutieren, um die Monster zu bezwingen? Simple Regeln, kurze Dauer und dennoch spannende Entscheidungen verspricht das neue Spiel von Autorenlegende Bruno Cathala – hier in Zusammenarbeit mit Johannes Goupy. Kann das Spiel dem großen Namen des Autors gerecht werden?

Schatten über Camelot, Jamaica, Five Tribes, 7 Wonders: Duel, Kingdomino, Yamatai, Queendomino, Splendor: Duel. Das ist nur eine kurze Auswahl aus den über einhundert Spielen, die Bruno Cathala allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Autoren geschaffen hat. Natürlich sind in einem solchen Katalog auch weniger gute Spiele zu finden, aber die schiere Menge der guten bis großartigen Spiele überwiegt bei Weitem und somit ist der Name allein Grund genug, sich das Spiel anzuschauen.

Kombiniert mit dem Thema Antike und dem Versprechen, ein kurzes 4X-Spiel zu sein, war das Grund genug für mich, mir das Spiel auf der SPIEL 2022 anzuschauen. Mittlerweile ist es auch auf Deutsch erschienen und somit wurde es Zeit, das Spiel einem größeren Publikum nahezubringen.

Spielablauf

Atlantis steht kurz vor dem Untergang. Aber noch ist genug Zeit, eine neue Heimat zu finden. Die zwei bis vier Spielenden haben jeweils die Aufgabe, eine der möglichen neuen Heimatinseln zu erforschen, dort Tempel für die Götter zu errichten, die Inseln von Monstern zu befreien und für zukünftigen Wohlstand der Bürger*innen von Atlantis zu sorgen.

Spielaufbau für drei Personen: Orichalkum erfordert eine Menge Platz auf dem Tisch.
Spielaufbau für drei Personen: Orichalkum erfordert eine Menge Platz auf dem Tisch.

Alle Spielenden erhalten zu Spielbeginn jeweils die leere Karte einer Insel und können sich aussuchen, an welchem der drei möglichen Punkte dieser Karte sie anlanden wollen. Dadurch bestimmt sich vor allem, mit welchen Ressourcen ins Spiel gestartet wird. Orichalkum und Hopliten sind die beiden Ressourcen, um die es in Orichalkum geht.

Gespielt wird in Runden, wobei Startspieler*in wird, wer am meisten Hopliten besitzt. Jede Runde werden auf einem zentralen Brett in der Mitte Aktionskarten ausgelegt und Geländestücke auf diese verteilt. Zu den Aktionen gehören das Schürfen von neuem Orichalkum, das Ausheben neuer Hopliten, das Bekämpfen von Monstern sowie der Bau von Gebäuden, Tempeln oder Medaillen. Bevor diese Aktion jedoch genommen werden kann, muss das Geländestück dieser Aktionskarte auf der eigenen Insel „entdeckt“ und damit platziert werden. Inklusive eventuell darauf befindlicher Monster. Nach der Kartenaktion kann einmal pro Runde eine weitere Aktion für jeweils zwei Hopliten, Orichalkum oder bezwungene Monster durchgeführt werden. Diese ist im Gegensatz zu den Kartenaktionen (fast) frei wählbar und nicht an ein Geländeteil gekoppelt.

Je nach Anzahl der Spielenden stehen fünf oder sechs Aktionskarten pro Runde zur Verfügung.
Je nach Anzahl der Spielenden stehen fünf oder sechs Aktionskarten pro Runde zur Verfügung.

Wie viel Orichalkum oder wie viele Hopliten mit den jeweiligen Aktionen gewonnen werden hängt von der Anzahl der Minen oder Kasernen auf der eigenen Insel ab. Zu Beginn des Spiels hat man davon jeweils eine. Weitere können über die Bauaktion errichtet werden – sofern ein solches Gebäude gerade auf dem Markt zur Verfügung steht, ein freies Geländefeld dieser Art auf der eigenen Insel verfügbar ist und sich kein Monster angrenzend dazu befindet. Neben diesen beiden Gebäuden gibt es Schreine, die auch jeweils ein Feld einer bestimmten Geländesorte belegen, und Sonderfähigkeiten verleihen. So kann man zum Beispiel Orichalkum für das Bezwingen von Monstern erhalten oder hat niedrigere Kosten für die zweite Aktion, wenn diese mit einem bestimmten Rohstoff bezahlt wird, sowie viele andere Vorteile.

Die kleinen Gebäude verleihen verschiedene Spezialfähigkeiten.
Die kleinen Gebäude verleihen verschiedene Spezialfähigkeiten.

Neben diesen kleinen Gebäuden können auch Tempel errichtet oder aus dem eigenen Orichalkum eine Medaille geschmiedet werden. Zwei der drei Möglichkeiten, an Siegpunkte zu kommen. Die dritte ist, eine durchgehende Fläche von drei oder mehr Geländefelder der gleichen Sorte zu schaffen. Dies erregt die Aufmerksamkeit der entsprechenden Titanen. Diese stellen ebenfalls je einen Siegpunkt dar, verleihen einmalig nutzbare Fähigkeiten, sind jedoch launisch und können somit wieder abwandern, wenn woanders entsprechende Gelände gebaut werden. Oder aber, wenn zu viele Titanen auf einer Insel sind. Üblicherweise heißt das: mehr als einer. Aber auch dies kann mit entsprechenden Gebäuden verändert werden.

Hier konnte nicht nur die Gunst des Grauen Titanen gewonnen werden, sondern auch ein Bauplatz für einen Tempel – sobald das Monster besiegt wurde.
Hier konnte nicht nur die Gunst des Grauen Titanen gewonnen werden, sondern auch ein Bauplatz für einen Tempel – sobald das Monster besiegt wurde.

Das Bekämpfen von Monstern ist das einzige Element von Orichalkum, in dem Output Randomness (also eine Aktion, deren Ergebnis man nicht vor Auswahl der Aktion kennt) vorkommt. Denn je nach der Anzahl eingesetzter Hopliten werden ein bis vier Würfel geworfen, mit deren Summe die Stärke des Monsters überwunden werden muss. Um den Glücksfaktor etwas zu reduzieren bleiben im Falle eines Fehlschlags die Hopliten aber vor Ort und können bei späteren Versuchen erneut genutzt werden. Die aktuelle Aktion ist damit dennoch beendet und das Monster verbleibt, was Pläne durchkreuzen und Spiele entscheiden kann.

Eine Partie Orichalkum endet sofort, sobald jemand fünf Siegpunkte erreicht und sich kein Monster mehr auf der eigenen Insel befindet. Je nach Anzahl der Spielenden kann das bereits nach etwa 30 bis 60 Minuten der Fall sein. Das kann manchmal schneller gehen als man denkt, da pro Zug bis zu drei (mit dem richtigen Titanen sogar vier) Punkte generiert werden können: einen Titanen anlocken, zwei Aktionen, die jeweils ein Punkt sein könnten, sofern man über genug Orichalkum und/oder Bauplätze für Tempel verfügt.

Die Punkte der Spielenden sind jederzeit einfach an den gefüllten Mulden der Tableaus ablesbar.
Die Punkte der Spielenden sind jederzeit einfach an den gefüllten Mulden der Tableaus ablesbar.

Die Regeln von Orichalkum sind nicht völlig simpel, aber auch weit davon entfernt, kompliziert zu sein. Komplexität der eigenen Entscheidungen entsteht hier nicht aus zu vielen Regeln, sondern dadurch, wie eng alles miteinander verzahnt ist. Die beiden Geländebedingungen für den Bau von Tempeln und das Anlocken von Titanen widersprechen sich. Hopliten helfen nicht beim Erreichen von Siegpunkten, aber sind notwendig, um die eigene Insel von Monstern zu befreien und idealerweise die Runden zu beginnen und damit sowohl die beste Auswahl an Aktionen als auch die erste Chance zum Sieg zu haben. Orichalkum macht erst einmal gar nichts, kann aber genutzt werden, um direkte Siegpunkte zu bauen.

Welcher Weg in welcher Partie der Beste ist, hängt von den ausliegenden Gebäuden, Geländen und Strategien der anderen Spielenden ab. Denn obwohl Orichalkum keinen direkten militärischen Konflikt zwischen den Spielenden enthält, ist eine Menge indirekter Interaktion vorhanden. Die ausliegenden Aktionen und Gebäude entscheiden direkt über verfügbare Strategien und im rechten Moment einen Titanen von einer anderen Insel wegzulocken kann über Sieg und Niederlage entscheiden.

Insgesamt sind die Regeln von Orichalkum gut verständlich und schnell verinnerlicht. Da auf den eigentlichen Spielelementen auf Text verzichtet und stattdessen auf Symbole gesetzt wurde, muss ab und zu mal nachgeschlagen werden, was welches Gebäude tut. Hierbei hilft eine Spielhilfe, auf der alle Gebäude und Symbole abgebildet sind. Diese sind nach ein paar Partien jedoch erlernt und die Information jederzeit offen verfügbar, so dass es kein größeres Problem darstellt.

Die beiden Kritikpunkte, die sich nach mehreren Partien als einzige dauerhaft gehalten haben:

  1. Würfel ohne Möglichkeit der Würfelmanipulation für den Kampf haben eine zu hohe Varianz, die hier maßgeblich über Sieg und Niederlage entscheidet, was bei einem Spiel, das ansonsten komplett ohne zufällige Ausgänge von Aktionen auskommt, wie ein Fremdkörper wirkt.
  2. Starspieler*in wird, wer am meisten Hopliten besitz. Aber danach wird im Uhrzeigersinn gespielt. Wer also bei drei oder vier Spielenden am zweitmeisten Hopliten besitzt, hat eine Menge darin investiert, bekommt aber nichts dafür und kann mit Pech sogar als letztes dran sein, was Personen, die nichts in Hopliten investiert haben, einen Vorteil ihnen gegenüber verschaffen kann. Im schlimmsten Falle des Gleichstands ist es sogar so, dass der*die bisherige Startspieler*in bestimmt, wer die nächste Runde beginnt – sich selbst darf man dabei jedoch nicht wählen. So kann es zu echten Königsmacher-Situationen kommen, in denen sich diese Person entscheiden kann, wer die Partie gewinnen wird.

Beide Punkte können wirklich ärgerlich sein, da sie Partien auf Grund von Faktoren entscheiden können, die nicht in der eigenen Hand liegen.

Orichalkum sollte am besten zu dritt gespielt werden. Bei nur zwei Spielenden kommt eine Sonderregel ins Spiel, die dafür sorgt, dass wer als zweites dran ist, bereits zwei der zu Rundenbeginn ausliegenden Aktionen nicht mehr zur Verfügung hat. Dadurch können die so extrem wichtigen Bauaktionen zu leicht geblockt werden, auch wenn man selbst diese gar nicht nutzt. Zu viert hingegen kommt der oben angesprochene Kritikpunkt 2 zu oft zum Tragen.

Ausstattung

Die Schachtel ist gut gefüllt, ein Inlay gibt es nicht.
Die Schachtel ist gut gefüllt, ein Inlay gibt es nicht.

Die Schachtel von Orichalkum hat die klassische quadratische Grundform und kommt ohne Inlay daher. Der Großteil des Spielmaterials besteht aus robuster Pappe. Für viele Elemente liegen Plastikbeutel bei, für die Monster und Gebäudeplättchen sogar Stoffbeutel, aus denen diese Elemente auch im Spielverlauf gezogen werden. Die Inseltableaus und weitere größere Elemente liegen hingegen lose in der Schachtel und können dort herumrutschen, was bei häufigen Transporten oder einer Hochkant-Lagerung nicht optimal ist.

Neben all der Pappe gibt es Meeple aus Holz für die Hopliten, Plastiksteinchen für Orichalkum, vier Spezialwürfel, bei denen die 6 jeweils durch ein „kritischer Treffer“ Symbol ersetzt ist und deren Zahlen sehr eckig dargestellt werden – geradezu als seien sie in Stein gemeißelt. Und zu guter Letzt noch eine Handvoll Karten, die die Aktionen darstellen. Diese haben Übergröße, was das im Spielverlauf notwendige ständige Mischen etwas erschwert.

Positiv anzumerken: Die Inseltableaus verfügen über Aussparungen am oberen Ende, in die man jeweils die erreichten Siegpunkte platziert – mit speziellen Markern für Medaillen oder Tempel oder einfach, indem der Titan dort platziert wird. So ist jederzeit auf den ersten Blick erkennbar, wie weit die Spielenden noch von den fünf benötigten Siegpunkten entfernt sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele / Catch Up Games
  • Autor*in(nen): Bruno Cathala, Johannes Goupy
  • Erscheinungsjahr: 2022 (Englisch) / 2023 (Deutsch)
  • Sprache: Deutsch / Englisch
  • Spieldauer: 30-60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: ca. 40 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Bonus/Downloadcontent

Auf der SPIEL gab es zum Kauf noch eine Metallmünze als Startmarker. Diese liegt dem Spiel im Einzelhandel nicht bei – stattdessen wird ein Pappmarker verwendet.

Die Metallmünze ist zwar hübsch, jedoch erinnert der Pappmarker an eine Regel und ist damit funktionaler.
Die Metallmünze ist zwar hübsch, jedoch erinnert der Pappmarker an eine Regel und ist damit funktionaler.

Bei Pegasus Spiele gibt es sowohl eine Produktseite zu Orichalkum an sich, als auch einen Spieleguide im Blog. Auf der Produktseite ebenfalls verlinkt ist die Spielregel zum Herunterladen.

Bei BoardGameGeek gibt es vom ursprünglichen Verlag Catch Up Games noch eine offizielle Solovariante in englischer Sprache zu finden.

Fazit

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Exploration? Insel erforschen. Check. Expansion? Gebäude und Tempel auf der Insel errichten. Check. Exploitation? Orichalkum abbauen, Hopliten Rekrutieren. Check. Extermination? Monster bezwingen. Check. Check? Naja, nicht so richtig. Denn eigentlich erwartet man bei Extermination auch einen direkten Konflikt unter den Spielenden. Diesen gibt es bei Orichalkum nicht, so dass es zwar technisch gesehen ein 4X Spiel ist, sich aber nicht so richtig wie eines anfühlt. Dafür erhält man aber ein Spiel, das in weniger als einer Stunde spielbar ist und elegant ineinander verzahnte aber grundsätzlich relativ simple Regeln hat, die zu komplexen und schwierigen Entscheidungen führen.

Aktionswahl, Engine Building / Ressourcenverwaltung und Erkundung durch Auslegen von Plättchen sind die hauptsächlichen Mechaniken. All diese haben gemeinsam, dass sie ohne zufällige Ergebnisse auskommen. Daher sticht der Kampf gegen die Monster in Orichalkum wie ein Fremdkörper hervor, denn dieser wird über Würfel gesteuert, deren Ergebnisse nicht nachträglich beeinflussbar sind. Bei einem ansonsten sehr engen Spiel entscheiden diese Würfel dann schnell über Sieg oder Niederlage. Wären die Partien länger als etwa eine dreiviertel Stunde, würde ich hierfür einen Punkt in der Wertung abziehen, da es einen faden Nachgeschmack hinterlassen kann. Bei dieser kurzen Spieldauer kann ich aber damit leben und spiele dann im Zweifel einfach noch eine Partie.

  • Simple Regeln, komplexe Entscheidungen
  • 4X ohne direkten Konflikt
  • Kurze Spieldauer

 

  • Unschönes Zufallselement im Kampf
  • 4X ohne direkten Konflikt

Artikelbilder: © Pegasus Spiele, Catch Up Games
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Holger Christiansen

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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