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Im Early Access-Spiel World of Horror schleicht sich das kosmische Grauen in eine japanische Kleinstadt. Nur eine Handvoll Wissende stellen sich dem Horror entgegen. Ist das ungewöhnliche Horror-Roguelike in 1-Bit-Optik mit seiner Mischung aus Junji Ito und Lovecraft ein spannendes Horrorerlebnis oder wird es uns in den Wahnsinn treiben?

Eine abgelegene Kleinstadt am Meer, in der unheimliche Dinge vor sich gehen, der Schrecken in jedem Schatten lauert, Kulte unmenschliche Gottheiten aus fremdartigen Dimensionen beschwören wollen und nur ein paar einsame Ermittler*innen stehen dagegen: Das sind die typischen Zutaten von Spielen, die von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos inspiriert sind. Oft spielen diese in Amerika und den 1920er Jahren, wie die Geschichten, die ihnen Vorlage sind. World of Horror verlagert diese typische Grundlage in das Japan der 1980er. Dabei nimmt das Ein-Mann-Projekt, das ein Zahnarzt in seiner Freizeit programmiert, sich einerseits bestehende japanische Lovecraft-Adaptionen zum Vorbild, vor allem orientiert es sich aber am Werk des legendären japanischen Horror-Mangakünstlers Junji Ito. World of Horror befindet sich immer noch im Early-Access, ist aber seit 2020 spielbar. Der Titel des Spiels ist passend gewählt, denn es ist voll von brutalem und furchteinflößendem Grauen. Aber lohnt es sich für die Spieler*innen, die World of Horror zu überstehen?

Triggerwarnungen

Psychische Krankheiten, extreme Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Body Horror, Stalker, Suizid, Drogensucht, Folter, Arachnophobie, Trypophobie, Kannibalismus, Gewaltsame Amputation von Körperteilen

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Die Spielbegriffe in diesem Artikel sind zum Teil frei aus dem Englischen übersetzt worden und können von anderen Übersetzungen abweichen.

Genaueres Setting/Geschichte

In der japanischen Kleinstadt Shiokawa gehen seltsame Dinge vor sich. Die Leute sind verschlossen und unfreundlich geworden, trauen sich nachts nicht mehr auf die Straßen, und zahlreiche Gerüchte über seltsame Ereignisse machen die Runde. Als Spieler*in übernimmt man die Rolle von zunächst einem von fünf Charakteren, die den mysteriösen Ereignissen auf den Grund gehen wollen.

Welchem Gerücht gehen wir als erstes nach?

Mit jeder Spielfigur startet man in der Wohnung, in der man einen von fünf Fällen auswählen kann. Die Fälle werden in jedem Durchlauf aus insgesamt siebzehn Fällen zusammengestellt, mehr sind jedoch schon angekündigt. Die Fälle behandeln verschiedenste Ansätze typischer Horrorgeschichten und urbaner Legenden. Vom abgelegenen Dorf, bei dessen Volksfesten keine Fremden zugelassen sind, über Fischer, die seltsame Dinge im Meer finden, bis hin zu modernen Großstadlegenden wie der „Frau mit dem aufgeschnittenen Mund“ oder einem Restaurant, das mehr Kund*innen betreten als verlassen, ist alles dabei. Nicht alle Fälle sind explizit übernatürlich, manche ähneln eher mundanen Horrorgeschichten oder Thrillern. Letztendlich sind aber alle mit den bösen Gottheiten verbunden.

Nach jeder Aufklärung eines Falles erhält man nämlich einen speziellen Schlüssel für den verlassenen Leuchtturm, der nachts in so seltsamem Licht erstrahlt. Mit fünf Schlüsseln kann man den Turm betreten und sich der Quelle des Bösen stellen… wenn man so lange überlebt.

Was ist im alten Leuchtturm versteckt?

World of Horror ist ein Roguelite-Spiel, in dem man viele Durchläufe braucht, um alles zu erkunden und freizuschalten. Dafür typisch sind die einzelnen Durchläufe auch auf den unteren Schwierigkeitsgraden beinhart. Die harte und gefährliche Welt, in der man schnell stirbt oder in den Wahnsinn getrieben wird, ergänzt sich hervorragend mit dieser Spielmechanik.

Alter Horror in neuem Setting

Die grundlegenden Elemente der Geschichte sind altbekannt und minimalistisch präsentiert, aber doch unglaublich effektiv umgesetzt. Zusammen mit der markanten Grafik und der hervorragenden Musik braucht World of Horror nur wenige, perfekt gewählte Worte, um einen in die verfluchte Stadt Shiokawa zu entführen. Man sollte aber im Horror-Genre etwas bewandert sein, vor allem im nihilistischen, kosmischen Horror Lovecrafts und möglichst auch dem japanischen Horror. Die Inszenierung verlässt sich auf die archetypischen Elemente des Genres, was hervorragend klappt… sofern man ein wenig erkennt, was gerade aufgenommen oder worauf angespielt wird.

Selbst zuhause kann man sich nicht sicher fühlen.

Features

World of Horror ist ein rundenbasiertes Roguelite-Rollenspiel, dessen Benutzeroberfläche sich an alte Adventures wie Déjà Vu: A Nightmare Comes True anlehnt. Mechanisch bedeutet der Rollenspiel-Aspekt aber, dass man einen Charakter mit Werten übernimmt, die in Kämpfen und Ereignissen über Gelingen oder Verlieren entscheiden. Der Roguelite-Aspekt äußert sich darin, dass man viele Durchläufe braucht, um alles zu erkunden. Dabei schaltet man immer wieder neue Ereignisse, Spielfiguren und feindliche Gottheiten frei, sodass jede Runde wieder aufs Neue interessant ist.

Wie gesagt besteht jeder Durchlauf aus fünf Fällen, die aus siebzehn möglichen zufällig zusammengestellt werden. Um die Fälle zu lösen, muss man sich zu verschiedenen Orten in der Stadt begeben und dort nachforschen. Zu den Orten gehören die Downtown, die Schule, das Krankenhaus, der Wald, die Wohnungen, die Villa, das Dorf und der Strand.

Zur Lösung der Fälle erkundet man diese verschiedenen Orte, was zufällige Events auslöst. Diese beinhalten Skilltests, Kämpfe und automatische Effekte. Je nachdem, welche Events man wie löst, kann man verschiedene Enden des Falles erreichen. So könnte man, beispielsweise, alle retten, nur die Bedrohung besiegen, aber Unschuldige sterben lassen, oder selbst gerade so entkommen, ohne den Fall zu lösen. Manche Lösungen ergeben sich auch nur, wenn man bestimmte andere Fälle auf eine bestimmte Art gelöst hat. Da Fälle zufällig vergeben werden, ist das reines Glücksspiel. Einerseits kann das zum nächsten Durchlauf motivieren, andererseits auch frustrieren, wenn man zu lange nicht die gewünschte Kombination erhält.

Neben der Erforschung gibt es an einigen Orten zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten. Im Krankenhaus kann man sich heilen lassen und Medikamente kaufen, am Strand und in der Downtown gibt es Läden, in der Schule kann man in der Bibliothek Zauber erforschen oder Schüler*innen als Begleiter*innen rekrutieren.

Zusammen ist Haru weniger allein.

Fast jede Interaktion erzeugt außerdem Doom-Punkte. Sobald diese auf der Doom-Leiste 100% erreicht haben, ist die Beschwörung vollendet und eine der bösen Gottheiten kommt auf die Erde, was ein sofortiges Game Over auslöst. Zu Beginn gibt es vier dieser alten Gottheiten, von denen je eine als Endgegner des jeweiligen Durchlaufes fungiert: Ithotu, die Verschlingende Flamme, Goizo, Das Von Gott Vergessene Ding, Cthac-Atorasu, der Spinnen-Gott, und Ath-Yolazsth, das Überragende Auge, und weitere, die sich freischalten lassen. Jeder der Gottheiten hat eigene Spezialeffekte. Zum Beispiel macht es Cthac-Atorasu unmöglich, aus Kämpfen zu fliehen während Goizos Doom-Leiste jedes Mal steigt, wenn man rastet.

Unter solchen Bedingungen lernen Schüler nichts.

Die spielbaren Charaktere haben alle spezifische Werte, Hintergründe sowie Perks und Events. Mizuki Hamasaki ist zum Beispiel ein junger Popstar, deren Vernunft erhöht wird, solange sie Begleiter hat, alleine aber sinkt. Der Kleinganove Haru beginnt mit Nikotinsucht, die seine Werte erhöht, solange er regelmäßig Zigaretten raucht und Kouji Tagawa startet als Reporter mit einer Kamera.

Die Charaktere haben die rollenspielüblichen Eigenschaften Stärke, Geschicklichkeit, Wahrnehmung, Wissen und Charisma. Dazu gibt es, ähnlich wie in Call of Cthulhu, zwei Lebenswerte: Ausdauer für körperlichen Schaden und Vernunft für geistigen Schaden. Außerdem kostet jede Verwendung von Zaubern Vernunft. Perks können die Eigenschaften erhöhen, spezielle Effekte wie schnellere Angriffe verleihen, und neue Lösungen für Events ermöglichen.

Schnelle Schwimmer schlagen schneller zu.

Die Kämpfe sind rundenbasiert. In jeder Runde hat man eine Zeitleiste mit 200 Zeiteinheiten zur Verfügung, die man mit beliebig vielen Aktionen füllen kann. Es stehen verschiedene Aktionen zur Verfügung, etwa blocken, zielen, kicken, leichter und schwerer Schlag, die alle eine andere Menge Zeiteinheiten in Anspruch nehmen. Ein durchschnittlicher leichter Angriff kann etwa 80 Zeiteinheiten kosten, zielen, was die Trefferchance um 10% erhöht, 20. Damit kann man in einer Runde zum Beispiel zwei leichte Angriffe zielen und durchführen. Die jeweils benötigten Zeiteinheiten sind von Waffe, Eigenschaften, und Perks abhängig.

Geister kann man nicht mit Waffen treffen, stattdessen muss man ein Besänftigungsritual durchführen, bei dem man in einer bestimmten Zusammenstellung fünfmal klatschen oder sich verbeugen muss. Die genaue Kombination kann man jedoch nur durch ausprobieren herausfinden und sie ändert sich für jeden Durchlauf.

Dieser Hausmeister hält sich für einen Haumeister.

Ein einzelner Durchlauf von World of Horror kann bis zu einer Stunde dauern. Oft stirbt man jedoch früher. Das kann frustrieren, passt aber insgesamt zum Setting des Spiels. Wenn man alles aufdecken will, ist man mit World of Horror bestimmt 30 bis 40 Stunden unterhalten.

Das Spiel bietet außerdem eine Schnittstelle für Mods. Im Internet gibt es viele weitere, von Fans gemachte Fälle, Charaktere, Gottheiten und Events.

Grafik und Musik der World of Horror

World of Horror benutzt einen besonderen Grafikstil. Das Spiel ist in leicht pixeligen Grafiken im Manga-Stil gehalten, die in Paint gefertigt wurden. Man kann sich für diese zwischen 1-Bit und 2-Bit Darstellungen entscheiden. Bei 1-Bit gibt es nur schwarze und weiße Pixel, bei 2-Bit kommt ein Grau-Ton dazu. Die Grafik ist damit sehr minimalistisch, schafft es aber perfekt, die Atmosphäre von Horror-Mangas zu erzeugen, vor allem erinnert es natürlich an den oben genannten Junji Ito. Wie bei Ito sind die Grafiken in World of Horror eine ganz eigene Mischung aus simpel und detailliert. Manchmal sind es nur ein paar kleine Details, die eine unschuldige Szene unheimlich wirken lassen, dann wieder zeigen die Bilder abstoßende und grauenerregende Monster.

Unten rechts wird im Interface der Kopf der Spielfigur eingeblendet. Dieser zeigt mit Wunden, Narben und Gesichtsausdrücken den gegenwärtigen Zustand der Figur an und präsentiert damit eindrücklich die Gefahren, die man in einer Partie durchlebt.

Das Interface imitiert einen alten Computer, was gut zum Retro-Effekt der Grafik passt.

Eine Anspielung auf die japanischen PC-8800 Computer.

Der hervorragende, düstere und unheimliche Chiptune-Soundtrack passt perfekt zur Grafik. Zusammen ist die audiovisuelle Darstellung von World of Horror perfekt darin, eine unheimliche Retro-Atmosphäre zu erzeugen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: panstasz
  • Publisher: Ysbryd Games
  • Plattform: PC
  • Sprache: Englisch
  • Mindestanforderungen: Windows 7, Intel Core i3, 1 GB RAM, Intel HD Graphics 4400, DirectX 11, 500 MB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Horror, Roguelite
  • Releasedatum: Early Access: 20. Februar 2020; Vollveröffentlichung: Q4 2023
  • Spielstunden: 35
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: 18
  • Preis: 12,49 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Steam, GoG

 

Fazit

Das Horror-Spiel World of Horror ist ein Roguelite-Rollenspiel, das typische Spielmuster von Cthulhu-Spielen in ein Setting im Japan der 80er überträgt. Shiokawa, eine japanische Kleinstadt, wird von Kulten, Monstern und unheimlichen Gerüchten überflutet und nur die Spieler*innen stehen einsam bereit, die Alten Götter aufzuhalten. Die Spielmechanik ist einfach und funktioniert gut. Die Grafik und die Musik sind unglaublich effektiv darin, eine passende Horror-Stimmung aufzubauen. Besonders für Fans des japanischen Horror-Mangakas Junji Ito führt an World of Horror eigentlich kein Weg vorbei.

Für die allgemeinen Spieler*innen ist World of Horror aber auch ohne alle Hintergründe zu kennen ein spannendes Erlebnis, die Seltsamkeit des teils surrealen Horrors wird dadurch nur verstärkt. Allerdings braucht man sehr starke Nerven, denn die im Spiel vorkommenden Themen und Bilder sind wirklich hart. Der Roguelite-Ansatz gefällt vielleicht auch nicht unbedingt jedem: Die Durchläufe machen zwar Spaß, sind aber sehr schwer und wie man neue Dinge freischaltet ist schwer zu durchschauen. Positiv hervorzuheben ist auch, dass das Spiel Mods und somit die Erweiterung mit nutzergenerierten Inhalten unterstützt.

Für den geringen Preis von 12,49 EUR ist World of Horror aber ein echtes Schnäppchen, sodass alle, für die es sich auch nur entfernt interessant anhört, einen Blick wagen können. Man sollte es nur nicht nachts alleine spielen…

  • Hervorragende Atmosphäre

  • Ausgefallene Grafik und Musik

 

  • Wenig erklärt

  • Mit Vorkenntnissen besser


Artikelbilder: © panstasz

Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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