Nach Invaders from Afar (2016) und The Wind Gambit (2017) erscheint mit The Rise of Fenris die dritte und letzte Scythe-Eweiterung. Scythe (Kickstarter aus 2015) hat die Brettspielewelt im Sturm erobert, und Stonemaier Games hat den Fans seitdem fast jeden Wunsch zu Scythe erfüllt. Ist jetzt wirklich Schluss?
Drei Erweiterungen in knapp drei Jahren und jetzt soll wirklich Schluss sein?! Das fällt schwer zu glauben bei dem Erfolg, den Scythe hat. Was sonst noch alles an Extras für Scythe erschienen ist, besprechen wir weiter unten. Darüber hinaus lassen wir Jamey Stegmaier zu Wort kommen, geben Einblicke zu Strategien und nehmen die Diskussionen um Probleme mit Scythe auf.
Zu den Grundlagen von Scythe und seinen Erweiterungen empfehlen wir unsere Rezension. Als Einstieg sei an dieser Stelle auch die Scythe Digital Edition für 20 EUR bei steam empfohlen, die wir demnächst noch separat besprechen werden, dieser Artikel ist spoilerfrei gehalten.
Inhaltsverzeichnis
Hübsch, und wo ist der Haken?
Scythe kommt in bestechendem Artwork und hochwertigem Material daher, es rangiert bei boardgamegeek aktuell auf Rang sieben (mehr dazu auch hier bei uns) und ich bin bekennender Fan. Daher hier vor allem ein Blick auf die häufigsten Kritikpunkte an Scythe:
Viel wird diskutiert über das Balancing der Nationen. Eindrücke der ersten Spiele wie „irgendwie beendet Sachsen immer das Spiel und Rusviet hat gewonnen“ habe ich häufig gehört. Richtig ist, dass nicht alle Nationsfähigkeiten gleich gut oder spannend sind. Auch dass sich jede Nation mit bestimmten Spielertableaus deutlich einfacher spielt, ist unstrittig. Vor allem die Kombination aus Spielertableau und verfügbaren Startgebieten ist hierbei entscheidend. Dass hierbei nicht alle 49 möglichen Paarungen gleichwertig sind, ist nicht überraschend. Versuche, diese im Vergleich zueinander zu bewerten, werden z. B. bei boardgamegeek umfassend diskutiert.
Extrem ist hierbei sicherlich die Kombination industrielle Rusviet-Union, die in den FAQ als nicht empfohlene Kombination aufgeführt wird. Im Netz sind Anleitungen zu finden, wie sich das Spiel mit dieser Kombination in 14 Zügen beenden lässt. Aber auch Ansätze zur faireren Verteilung der Bretter, wie Drafting oder feste Kombinationen, werden viel getestet und diskutiert.
Meiner Meinung nach ist das Spielgeschick deutlich relevanter als die alleinige Verteilung der Nationen und Spielertableaus. So spielt Diplomatie – sogar Bestechung mit Münzen lassen die Regeln des Spiels offiziell zu – bei Spielen unter erfahrenen Spielern eine größere Rolle. Ebenso ist eine offensive Spielweise relevant, um die Gegner bei der effizienten Erledigung der eigenen Strategie zu behindern. Kämpfe kosten Ressourcen, und dem Gegner nicht gewollte Schlachten aufzudrängen, indem relevante Felder versperrt werden, ist ein guter Weg. Spielen alle Spieler eher defensiv, können Scythe-Partien sonst leider schon in ein reines Wettrennen um den besser optimierten Aktionsablauf verkommen, was vielleicht nicht jedem Spaß macht.
Auch nicht jedermanns Sache sind die Vorgaben, die das zugeloste Spielertableau dem eigenen Spiel macht. Zum Start des Spiels legt die Kombination aus Spielertableau und Startfeldern eine optimale Reihenfolge an Startzügen zumindest nahe. Zusätzlich sollten die unteren Aktionen, die wenig Münzen mitbringen, im Sinne der Effizienz nicht übermäßig genutzt werden. Auch bei der Wahl der Mech-Fähigkeiten drängt sich meist eine dominante Reihenfolge auf. Nationsübergreifend ist der Eile-Mech oft der zuerst gebaute. Aufgrund der Nationsfähigkeiten sind die Sachsen bei vielen weniger beliebt, da sie einen sehr offensiven Spielstil fordern, um mit ihrer Sonderfähigkeit mehr als zwei Sterne für erfolgreiche Kämpfe platzieren zu können.
Glück spielt bei Scythe durchaus auch eine Rolle: Die Kombination aus Nations- und Spielertableau wurde oben bereits erwähnt, darüber hinaus kann die erste Begegnung, die jeder Spieler in seinen Heimatfeldern hat, einen Unterschied machen. Wer hier eine Möglichkeit (Gebäude oder Mech oder Rohstoffe hierfür) findet, die Heimatfelder schneller zu verlassen, erlangt einen gewissen strategischen Vorteil. Ebenso können die gezogenen Zielkarten gut oder schlecht zur eigenen Nation passen. Zuletzt hilft auch das Ziehen guter Kampfkarten dabei, möglichst viele Gefechte für sich zu entscheiden.
Bei Erstkontakt geht das Spiel erst richtig los!
Richtig los geht das Spiel eigentlich erst zwischen Runde sechs und acht. Die Spieler haben meist die ersten Mechs gebaut und machen sich auf, die Heimatregion zu verlassen und im Zentrum der Karte auf die anderen Spieler zu treffen.
Möglichkeiten die Startfelder über die beschränkenden Flüsse zu verlassen, müssen erst geschaffen werden. Hier gibt es die Optionen, Mechs mit der Riverwalk(Waten)-Fähigkeit oder das Gebäude „Mine“ zu bauen. Mit The Wind Gambit (Kolosse der Lüfte) haben Luftschiffe teilweise die Fähigkeit, Arbeiter auch über Flüsse zu transportieren. Arbeiter der Nordischen Königreiche können immer über Flüsse schwimmen.
Gerade Polania und Rusviet sind in dieser Phase meist in Versuchung, schnell die Heimat zu verlassen und möglichst viele der begrenzten Begegnungen auf der Karte einzusammeln. Dabei hilft es, die Mechfähigkeit „Eile“ freigeschaltet zu haben und möglichst eine Fabrik-Karte zu haben, um zwischen zwei unterschiedlichen Bewegungsaktionen wechseln zu können.
Drohen, zuschlagen und dabei beliebt bleiben!
Durch die sechs miteinander verbundenen Tunnel im Zentrum der Karte wirken alle aus der Heimatregion heraus gezogenen Einheiten als Bedrohung für den Gegner. Um zu beurteilen, wann der Gegner wirklich eine Gefahr darstellt, ist es wichtig sowohl seine aktuell gewählte Aktion (zweimal nacheinander bewegen ist ohne Fabrik-Karte oder Rusviet-Union nicht möglich), als auch die Kampfstärke und Anzahl der Kampfkarten im Auge zu behalten. Einsam zurückgelassene Arbeiter zurück in die Heimat zu schicken, kostet zwar Ansehen, kann den Gegner aber empfindlich treffen, da sie einzeln zurück ins Spiel bewegt werden müssen, wenn kein transportierender Mech mit ihnen zurückgeschickt wurde. Besonders attraktiv ist ein solcher Zug, wenn das eigene Ansehen aktuell eh auf null ist oder wenn die Arbeiter zuvor noch wertvolle Rohstoffe produziert haben.
Ist das eigene Ansehen erst auf sieben oder 13 gestiegen, sollten Gefechte, die potenziell Ansehen kosten, mit Bedacht gewählt werden, da ein Verlust von Ansehen einen großen Einfluss auf die Endwertung hätte. Ebenso muss die eigene Produktionsaktion im Auge behalten werden. Je mehr eigene Arbeiter im Spiel sind, desto relevanter ist es auch Kampfstärke und Ansehen für die nächste Produktionsaktion verfügbar zu haben.
Sterne statt Glück
Optimal wäre es, die eigene Kampfstärke erst auf 16 für einen Stern steigern zu können und anschließend zwei Gefechte so geschickt zu wählen, dass sichere Siege für zwei weitere Sterne einfach erlangt werden können. Kämpfe haben in Scythe erfreulich wenig mit Glück zu tun. Es können immer maximal drei Einheiten bewegt werden und somit angreifend an einem Kampf teilnehmen; alternativ können auch mehrere Angriffe gleichzeitig gestartet werden. Mit guten Kampfkarten auf der Hand und mindestens sieben Kampfstärke im Vorrat können Kämpfe sicher gewonnen werden, solange nicht in Unterzahl gekämpft wird. Ebenso sollten Situationen genutzt werden, in denen die Kampfstärke und Karten der Gegner erschöpft sind, bevor der Gegner sie nachproduziert. Mit der Waten-Fähigkeit kann nicht nur die eigene Heimatregion verlassen, sondern auch in bestimmte Heimatregionen von Gegnern eingedrungen werden, wenn dort z.B. Rohstoffe zu schlecht bewacht gelagert werden.
Ausstattung: Von schlicht bis opulent!
Im Kickstarter zu Scythe wurde neben der Standard-Version auch eine Sammleredition und eine Kunstedition angeboten. Alle Extras dieser beiden Deluxe-Editionen lassen sich aber auch noch nachträglich zum Grundspiel erwerben. So ziemlich alle Komponenten des Spiels lassen sich auf Wunsch in ihrer Varianz oder Optik verbessern. Selbst Kundenwünsche wie eine große Legendary-Box, in die auch alle Erweiterungen passen, oder Metallfiguren wurden mittlerweile von Stonemaier Games umgesetzt, auch wenn Jamey Stegmaier teilweise erst etwas überzeugt werden musste.
Ein weiteres Highlight war sicherlich die Veröffentlichung von My Little Scythe, einer vereinfachten Version für Kinder, die auf einer Idee eines Fans beruht, der seiner kleinen Tochter gerne Scythe näherbringen wollte und diese Variante kurzerhand zusammen mit ihr entwickelte. Hier ein englisches Interview zu der Geschichte.
Seine Spiele möglichst opulent auszustatten ist aktuell ein gewisser Trend, den wir hier bereits besprochen haben. Was an zusätzlichem Material für Scythe verfügbar ist, stellen wir im Folgenden vor. Wir bewerten von eins bis fünf, wobei fünf die beste Note ist. Die Benotung spiegelt zum einen die Qualität des Produkts, zum anderen aber auch den Nutzen für das Spiel wider. Beispielsweise führt die Erweiterung The Wind Gambit zwar die Luftschiffe neu ins Spiel ein, was nette Effekte bringt, aber das Spiel nicht signifikant verbessert, sondern eher komplexer macht. Invaders from Afar dagegen ergänzt die beiden „fehlenden“ Nationen und hat damit den größeren Must-Have-Faktor. Bei den Inserts spielten vor allem folgende Faktoren für die Bewertung eine Rolle: Wir bevorzugen hier Holz vor Plastik und Foamcore. Bei der Aufteilung begrüßen wir es, wenn für Rohstoffe und Münzen zwei statt einer Aufbewahrung vorgesehen war, um diese auf dem Tisch verteilen zu können. Sowohl das Insert von Meeple Realty als auch das von The Broken Token haben oder hatten wir selbst im Einsatz.
Produkt |
Stonemaier |
Bewertung |
Scythe (erhältlich in 13 Sprachen) |
Grundspiel |
5 |
Erweiterung 1 |
5 |
|
Erweiterung 2 |
3 |
|
Erweiterung 3 |
4-5 |
|
Version für Kinder |
4 |
Kickstarter Extras (separat erhältlich) |
Stonemaier |
Bewertung |
Upgrade (KS) |
5 |
|
Upgrade (KS) |
5 |
|
Upgrade (KS) |
4 |
Weitere Extras |
Stonemaier |
Bewertung |
Legendary Spielbox (inkl. 3 Artwork Boxen) |
Big Box |
4 |
Spielmatte |
3 |
|
Modulares Spielbrett (noch nicht veröffentlicht) |
Spielbrett |
? |
Karten Deck |
3 |
|
Scythe Encounters (Encounter 43-74) |
Karten Deck |
3 |
Figuren Set |
4 |
|
Ersatzfiguren (Grundspiel, Invaders, Luftschiffe und Fenris) |
Figuren Set |
4 |
Promos |
Stonemaier |
Bewertung |
Promo Pack 1 (KS) |
4 |
|
Promo Pack 2 (KS) |
4 |
|
Promo Pack 3 (KS) |
4 |
|
Promo Pack 4 (KS) |
4 |
|
Promo Pack 5 (KS) |
5 |
|
Promo 6, 7, 11-14 |
4 |
|
Promo 8 |
4 |
|
Promo 9 |
3 |
|
Promo 10 |
2 |
|
Promo 15 |
3 |
|
Promo 16 |
2 |
|
Promo 17 |
3 |
Meeplesource Extras |
Meeplesource |
Bewertung |
Upgrade |
5 |
|
Upgrade |
3 |
|
Upgrade |
4 |
|
Upgrade |
4 |
|
Upgrade |
2 |
|
Upgrade |
4 |
Inserts |
Diverse |
Bewertung |
Holz Insert |
4 |
|
Holz Insert |
2 |
|
Holz Insert |
3 |
|
Holz Insert |
2 |
|
Holz Insert |
3 |
|
3D Druck Insert |
4 |
|
3D Druck Insert |
4 |
|
Foamcore Insert |
3 |
|
Schaumstoff Einlagen |
2 |
Kunst/Accessoires |
Diverse |
Bewertung |
Stonemaier (KS) |
4 |
|
Society6 |
– |
|
Cdp |
– |
|
Meeplesource |
4 |
|
Meeplesource |
3 |
Digitales |
|
Bewertung |
App-Umsetzung |
4 |
|
Iron Harvest (Echtzeitstrategie, noch nicht veröffentlicht) |
Computerspiel |
? |
Umsetzungen für Tabletop Simulator und Tabletopia |
Digitale Spieltische |
? |
3D Druckfiles z. B. bei thingiverse |
Fan Kreationen |
– |
Soll es das jetzt also gewesen sein für Scythe? Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, daher haben wir uns direkt an Jamey Stegmaier gewandt und wollten wissen, ob die Welt von Scythe nicht doch noch etwas ausgebaut wird in der Zukunft, seine Antwort war jedoch leider ernüchternd:
The Rise of Fenris is the last expansion in the Scythe story. After it was released, we still had a few other Scythe-related products in the pipeline, like the metal mechs and the new promo encounter cards. The very last product we have is a modular board. After that, we have no plans at all for new Scythe products. We hope people continue to play it, and we will continue to support it, but I have new worlds I want to explore.
Vor uns liegt also noch ein modulares Spielbrett, welches sicher auch neue Diskussionen um das Balancing aufwerfen wird. Aber auch bei diesem Produkt sind die Fans noch bemüht weiteren Inhalt, z. B. weitere Gebäude-Wertungs-Karten, in die Veröffentlichung zu bekommen. Jedoch soll es das dann wohl wirklich gewesen sein für Scythe …
Zusammenfassend bleibt hervorzuheben, dass Stonemaier Games mit allen Produkten, die sie für Scythe in den letzten drei Jahren veröffentlicht haben, eine Qualität in hoher Frequenz geliefert haben, die selten ist im Brettspielmarkt, gerade bei einem kleinen Verlag. Dabei wurden die Fans stets eng eingebunden bei der Schöpfung von neuen Ideen. Überragend ist die Aufmachung und das Artwork über alle Scythe-Produkte.
Leider enden auch schöne Serien irgendwann und Scythe scheint nun an der Reihe zu sein. Noch gibt es viel zu tun, die The Rise of Fenris haben wir gerade geschafft und kann anschließend modular integriert werden, was noch viel Wiederspielfreude verspricht. Zu guter Letzt können wir uns noch auf das modulare Spielbrett freuen. Wir werden die digitale Umsetzung und The Rise of Fenris noch in separaten Reviews genauer betrachten
Über den Verlag
Scythe machte 2015, als es bei Kickstarter knapp 2 Millionen USD einsammelte, Jamey Stegmaier und Stonemaier Games mit einem Schlag zu Namen in der Brettspielwelt. Zuvor war bereits Viticulture 2012 bei Kickstarter erschienen und sammelte 66.000 USD ein. Später folgten mit Euphoria, Charterstone und Between two Cities weitere Hits. Jamey Stegmaier glänzt durch beeindruckende Kundennähe. Ob Fragen bei Facebook oder BGG beantworten, Videoeinblicke in verschiedene Themen bei YouTube geben, Scythe-Fans-Produktwünsche umzusetzen oder z.B. die Entscheidung nicht mehr über Kickstarter zu vermarkten in einem ausführlichen Bericht zu beleuchten, Jamey ist stets um eine enge Kommunikation zu seinen Kunden und Fans bemüht.
Artikelbilder: © Stonemaier Games, die Herausgeber, Fotografien: Niko Kwekkeboom, Verena Bach, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur