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Nun sind sie vorbei, die ersten internationalen Spieletage unter neuer Führung. Es konnten beachtliche Besucherzahlen angezogen werden, wenn auch noch nicht ganz das Niveau von vor dem Lockdown erreicht wurde. Was gab es dieses Jahr Besonderes zu erleben? Und hat die neue Führung merklich etwas verändert?

Wie jedes Jahr war Teilzeithelden mit zahlreichen Personen auf der weltweit größten Publikumsmesse rund um Brettspiele und wir wollen sie hier zu Wort kommen lassen, um jeweils ihre eigenen kleinen Rückblicke auf die Spiel Essen 2023 zu präsentieren.

Triggerwarnungen

Keine typischen Trigger

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Holger Christiansen

Organisatorische Änderungen

Der offensichtlichste Punkt war sicherlich, dass die Hallen neu aufgeteilt wurden. Die Verlage mussten Plätze räumen, die sie seit vielen Jahren innehatten, und es fand eine Verteilung grob nach Art der präsentierten Spiele statt. So wurden die Kenner- und Expertenspiele auf die Hallen 3 und 4 verteilt, Familienspiele und Verlage aus dem Massenmarkt fanden sich in Halle 6, Rollenspiele und Miniaturen in Halle 1. Insgesamt eine interessante Änderung, die allerdings deutliche Nachbesserung erfordert. Gerade Donnerstag und Freitag war Halle 3 fürchterlich überfüllt und es gab stellenweise kaum ein Durchkommen durch die langen Gänge. Hier müssen die Stände besser aufgeteilt oder die Gänge breiter werden.

2024 wird die Messe zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht in den Herbstferien stattfinden. Das wird zumindest am Freitag – der Donnerstag ist der dritte Oktober und damit ein Feiertag – dazu führen, dass es Familien und Schüler schwerer haben, die Messe zu besuchen.

Das Thema KI-Kunst

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Davon bleibt auch die Brettspieleszene nicht unberührt. Mehrere Spiele waren auf der Messe zu kaufen, deren Kunst zu Teilen mit Hilfe von KI entstanden ist. Ein heikles Thema, das in der Gesellschaft und Rechtsprechung noch ausdiskutiert werden muss.

Auch die Messe selbst hat KI-Kunst verwendet – auf Plakaten, in der App, und generell in der Werbung. Diese Kunstwerke waren allerdings leider nicht besonders gelungen und es zeigen sich die üblichen Probleme an Händen (zu viele oder zu wenige Finger) und an Formen wie einem sonderbar geformten Spielfeld auf dem Bild, das bei jedem Starten der App für mehrere Sekunden angezeigt wurde.

KIs haben noch immer deutliche Probleme mit Händen und bestimmten Formen

© Friedhelm Merz Verlag
KIs haben noch immer deutliche Probleme mit Händen und bestimmten Formen © Friedhelm Merz Verlag

 

Warum hier auf derartige Werke zurückgegriffen wurde, statt prominenter das einige Monate zuvor, extra für die Messe, geschaffene Maskottchen Meeps zu präsentieren, bleibt wohl ein Rätsel. Meeps selbst war ohnehin auf der Messe kaum zu finden. Einzig ein Stand in der Galeria, wo man Meeps-Miniaturen bemalen konnte, sowie die Artist Alley sind mir aufgefallen. Immerhin – KI-Kunst an der Künstlerstraße zu verwenden, wäre dann doch etwas zu viel gewesen.

Und was ist mit den Spielen?

Achso, ja, Spiele – die gab es auf der SPIEL Essen 2023 auch wieder reichlich. Laut Veranstalter wurden 1700 Neuheiten präsentiert. Wobei die Definition von Neuheit etwas unklar ist, da sich darunter auch Titel wie Revive und Erde befanden, die bereits seit Monaten auf dem Markt sind.

Anders als in vielen Jahren zuvor gab es keine Titel, die so richtig hervorgestochen sind. Ja, es waren viele gute bis sehr gute Spiele zu bekommen. Aber nichts, was eine große Welle verursacht hätte.

Spielerisch war ein deutlicher Trend in Richtung von Spielen zu erkennen, die man zwar gemeinsam spielt, für die man aber die anderen Spielenden eigentlich kaum braucht. After Us, Mischwald und Path to Civilization sind nur drei Beispiele besonders prominenter Spiele der Messe, die wenig bis gar keine Interaktion beinhalten. Für mich persönlich eine unschöne Entwicklung, da das gemeinsame Spielen doch für mich einer der Hauptaspekte von Brettspielen ist.

Tim Billen

Die diesjährige Messe wurde von mir mit Spannung erwartet. Was kann das neue Team an der Spitze darbieten? Als übergeordnetes Fazit bleibt auf jeden Fall: die Messe hat wieder einmal großen Spaß bereitet.

© Garlock Games
© Garlock Games

Meine persönlichen Highlights waren unter anderem zwei Spiele in voller Pracht zu sehen, die ich während ihrer Crowdfunding Zeit begleitet habe. Da wäre zum einen EOS – Island of Angels von Felix Mertikat und King Raccoon Games. Der asymmetrische Engine-Builder hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen, fühlt er sich doch ein wenig wie eine Brettspielvariante von The Legend of Zelda – Windwaker an. Und auch die Geburtsstunde von Kingdoms Rise & Fall: Dorian hatte etwas Besonderes. Das in meinen Augen viel zu sehr unter dem Radar laufende Deckbuilding-Spiel wurde auf der Messe sofort erstanden. Ebenso beeindruckt war ich beim Probespielen von der Technik hinter Teburu und dem Demospiel The Bad Karmas. Man kann vortrefflich darüber streiten, ob das noch Brettspiele sind oder nicht, aber die Technik und die Geschwindigkeit in der Bewegungen auf dem Brett und der Würfel erkannt werden, ist absolut bewundernswert.

© King Raccoon Games
© King Raccoon Games

Anders als mein Kollege Holger war ich sehr angetan von einigen Ansätzen, die die Verwendung von KI in Spielen mit sich bringt. Klar das Marketingmaterial mit den KI-Personen war nicht das Gelbe vom Ei. Ein absolut positives Beispiel bildet jedoch WitchDraft von Hodari Spiele. Die Grafiken sind absolut atmosphärisch und fast schon beruhigend. Ich bin sowieso jemand, der den verantwortungsbewussten und geregelten Umgang mit von künstlicher Intelligenz erzeugten Bildern und Grafiken befürwortet. Wie mit allem, das richtige Maß ist entscheidend.

Doch auch ein paar Negativbeispiele sind haften geblieben. Als großer Fan des Videospiels hat mich die Brettspiel-Adaption zu Sea of Thieves massiv enttäuscht. Wer ein Seeabenteuer will, greife also bitte ganz dringend lieber zu EOS.

Und der große Elefant im Raum war dieses Jahr Ravensburger. Die langen Schlangen vor dem Lorcana-Stand hatten das pure Glück, dass man in die nicht genutzte Halle 7 ausweichen konnte. Ansonsten hätte das ein massives Chaos gegeben. Der Andrang am Stand und die nicht sehr geglückte Art der Herausgabe einer speziellen Promokarte (die einige direkt im Anschluss versuchten zu verkaufen) lässt mich daran zweifeln, ob Ravensburger in der Lage ist, den Hype um das Spiel aufrecht zu erhalten, beziehungsweise ihm gerecht zu werden. Beim Presseevent am Freitagabend zum kommenden Trading Card Game Star Wars: Unlimited von Fantasy Flight Games wirkte alles wesentlich zielgerichteter und durchdachter.

Verena Tribensky

Die 40. internationalen Spieltage waren erst mein zweites Mal auf der SPIEL Essen. Aus meinem ersten Besuch habe ich viel gelernt und ich bin dieses Mal vorbereiteter an die Sache herangegangen.

Durch die neue App der Messe hat das vorab Recherchieren und Entdecken schon die Vorfreude gesteigert, dass das Planen eine wahre Freude war. Dort angekommen habe ich zielstrebig Halle um Halle durchkämmt. Meine Highlights waren u.a. die Stände von Wyrmgold und Thundergryph, da diese wunderbare Illustrationen mit mir bisher wenig bekannten Spielen kombiniert haben.

Mir stachen hier zum Beispiel Woodland Wizards und Spirits of the Forest besonders ins Auge. Ersteres wurde vorbestellt, da jenes es, wie Septima (auf deutsch) und auch Wonderland‘s War (neue Ausgabe) nicht zur Messe geschafft hatte. Die Stände von King Racoon Games, Board Game Circus und Skellig waren für mich ein Muss; die Lorcana-Schlange war mir aber dann doch zu lang.

Die Karten von WitchDraft, mit Unterstützung von KI erstellt. © Hodari Spiele
Die Karten von WitchDraft, mit Unterstützung von KI erstellt. © Hodari Spiele

Die Atmosphäre mit vielen freundlichen Gleichgesinnten war sehr angenehm, die Orientierung via Hallenplan und praktischen Funktionen in der App wirklich einfach. Ich habe mir einige Spiele erklären lassen und sehr viele Gameplays angeschaut: Darunter Mythwind (interessanter Ansatz), Iluliaq (Fun-Game für zwischendurch, das die Verpackung mit ins Spiel einbaut) oder auch Fit to Print (Layout-Game) und Heimliche Herrschaft (ein verdeckt-kooperatives Spiel).

Der Reiz der SPIEL Essen liegt für mich auch darin, dass diese so international aufgestellt ist und viele kleine Studios ihre Spiele präsentieren, wie zum Beispiel Liars and Looters von Floating Forge oder auch Hodari Spiele – hier durfte WitchDraft mit – und man so Zugang zu eher schwierig zu bekommenden Titeln erhält.

Giovanna Pirillo

© SunCoreGames
© SunCoreGames

Mein erklärtes Ziel der Messe war es, ein neues Flip- oder Roll-and-Write Spiel mit nach Hause zu nehmen, was sich am Ende als schwerer als erwartet erwies. Preis und Verpackungsinhalt standen hier in meinen Augen häufig in keinem guten Verhältnis. Sssnake, eine von der Beschreibung her wunderbar nostalgisch klingende Flip-and-Write Umsetzung des bestimmt beliebtesten Nokia-Handyspiels, spielte sich in meinen Augen jedoch zäh und uninspiriert. Der „Flip“-Anteil des Spiels war vernachlässigbar und der Versuch, Spielendeninteraktion durch Fähigkeiten einzubringen ist in unserer Testrunde grandios gescheitert.

Wirklich gut gefallen hat mir Maatatahay, ein schach-ähnliches Plättchen-Legespiel, bei dem der Katzen- und der Hundeclan („Wazu“ und „Balan“ auf Taiwanisch) gegeneinander um die Herrschaft über das Land wetteifern. Ich bin kein Fan von Schach, aber die Thematik und die leicht verständlichen, aber komplex ineinandergreifenden Optionen ergeben ein rundes Spielerlebnis. Außerdem ist das Spiel wunderschön und es hat mich sehr geärgert, dass es nur 40 Spiele durch den Zoll geschafft haben, denn die waren am Sonntag natürlich (zu Recht!) längst vergriffen.

Das Spielfeld von Maatatahay. © Compound Eye Fox Studio
Das Spielfeld von Maatatahay. © Compound Eye Fox Studio

Kai Frederic Engelmann

Die SPIEL Essen hat sich neu erfunden und dabei vieles richtig gemacht. Das Auftreten war moderner und die Hallen waren wunderschön gestaltet. Einzig Halle 3 sollte so nicht bleiben: Die Struktur sorgte für einige Staus und zu oft musste man Wände von hinten betrachten, wenn man ganz regulär durch die Halle spaziert ist. Dann sollte lieber auf einen der Gänge verzichtet werden und die anderen verbreitet werden. Spielerisch waren die Highlights diesmal hauptsächlich kleine Kartenspiele mit interessanten indirekten Interaktionen wie Faraway, 5 Towers oder Mischwald. Bei den größeren Spielen werden die Neuerscheinungen immer langweiliger, gerade weil auch die Spielebranche ähnlich wie die Filmbranche immer mehr auf Sequels oder Remakes setzt. Hier wünsche ich mir von dem Spieleverlagen mehr Mut. Auch wenn die Messe selbst nicht viel an der Parksituation verändern kann, sollten sich die Veranstalter*innen ein Kommunikationskonzept zur Kontrolle der Massen überlegen. Eine aktuelle Füllanzeige der Parkplätze in der App wäre zum Beispiel eine mögliche Lösung, bei der sich Besucher*innen frühzeitig überlegen können, ob sie doch direkt zu P10 fahren, statt einen Stau für die Pendelbusse zu verursachen. Abgesehen davon, war dies aber eine wunderschöne Messe, in der ich wieder mehrere Dutzend Spiele ausprobieren und lieben lernen konnte.

Alexa Kasparek

Ich bin seit einigen Jahren regelmäßig auf der SPIEL Essen unterwegs – auf jeden Fall lange genug, um von der Umstrukturierung der Hallen regelmäßig ziemlich verwirrt gewesen zu sein. Das neue System zum Einlass habe ich tatsächlich als positiv wahrgenommen, da es den Druck von den Eingangsbereichen West und Süd genommen hat, wo zuvor ja deutlich weniger Platz war. Die (nahezu) leeren Hallen 7 und 8 hätten allerdings einladender gestaltet sein können, beispielsweise mit Sitz- und Spielmöglichkeiten in Halle 7, um zwischendurch etwas Entlastung für die müden Messefüße zu bieten.

© Fractal Juegos
© Fractal Juegos

Das Spielangebot war auch in diesem Jahr wieder so umfangreich, dass selbst die vier Tage kaum ausgereicht haben, alles zu sehen, geschweige denn zu spielen. Ich habe dennoch nicht nur alles anspielen können, was ich vorab schon geplant hatte, sondern wie immer auch noch viele weitere Spiele, die mich einfach vor Ort ansprachen. Besonders gefreut habe mich in diesem Jahr über die folgenden Spiele:

  • Expeditions – ein Spiel aus dem Scythe-Universum, das ich überhaupt nicht auf dem Schirm hatte und mir quasi erst beim Vorbeischlendern ins Auge fiel
  • Nebula, was ebenfalls ein Überraschungsfund war, von einem chilenischen Verlag stammt und trotz einfacher Regeln überraschend komplex ist
  • The Artemis Odyssey, welches laut Verlag eine Überarbeitung von Ad Astra ist, was mir aber tatsächlich nichts sagte, aber beim Probespiel überzeugt hat und deswegen eingepackt wurde
  • Penny Dreadfuls of Victorian London, ganz einfach, weil ich Erzählspiele mag.

Im Rollenspielbereich ist mir aufgefallen, dass der Trend aktuell stark bei Luxuswürfeln aus Stein oder teurem Resin liegt. Alternativ werden hauptsächlich komplette Würfelsets angeboten, welche von W4 bis W20 (oder mehr) jeweils ein Exemplar beinhalten. Dies ist beides für den Rollenspiel-Hausgebrauch eher unpraktisch, da die Luxuswürfel kaum zum Würfeln geeignet sind und man außerdem für die meisten Systeme mehr als einen pro Art benötigt. Chessex war der einzige von vielen Würfelständen, wo man sich bezahlbare, alltagstaugliche Würfel selbst zusammenstellen kann – hier hätte ich persönlich mir mehr Angebot gewünscht.

Norbert Schlüter

Die Messe

Die Neuaufteilung der Hallen führte anfangs zwar zu Verwirrung bei „alten Hasen“, aber man gewöhnt sich dran. Einige Aussteller*innen berichteten sehr positiv von der Umstrukturierung und der erhöhten Anzahl an Laufkundschaft. Die Gänge waren in der Regel auch breit genug geplant, um den Strömen von Besucher*innen gerecht zu werden.

Die App kann Gold wert sein.
Die App kann Gold wert sein.

Seit dem letzten Jahr gibt es die App zur Messe, die so unglaublich viele Vorteile hat: Hallenplan, Infos zu Ständen und Spielen, Kalenderverknüpfung und neuerdings auch einen Routenplaner. Dieses Jahr waren aber unzählige Updates vor, während und sogar jetzt noch nach der Messe einfach nur anstrengend. Gerade, da das Mobilfunknetz häufig (vielleicht auch dadurch) ausgelastet war. Und wofür das alles? Für Werbung …

Insgesamt haben sich die Messehallen voll, aber nicht unerträglich voll gestaltet. Am vollsten waren Halle 3 (immer) und Halle 6 (vor allem am Sonntag). Der Außenbereich vor der Galeria war erneut mit einigen Food-Trucks angenehm zum Luftholen und Energietanken.

Die Spiele

© Pandasaurus Games
© Pandasaurus Games

Insgesamt habe ich bestimmt 30 Spiele getestet und einen Haufen davon mitgenommen. Interessant ist, dass der Griff in den Beutel â la Klong! oder Quacksalber von Quedlinburg bei immer mehr Spielen als Element hinzugekommen ist – egal, ob sinnvoll oder nicht.

Gespielt habe ich unter anderem Beacon Patrol, ein kleines, aber feines Plättchenlegespiel von Pandasaurus. Als Küstenwache patrouilliert man in der Nordsee und kontrolliert kooperativ die Leuchttürme und Signalbojen. Der Zufallsfund der Messe war Nebula von Fractal Juegos aus Chile. Ein wunderschönes Spiel mit einfachen Regeln, das dennoch Köpfe zum Rauchen bringt, während alle versuchen, ihre Galaxie zu bauen.

© Wyrmgold
© Wyrmgold

Tatsächlich waren die meisten interessanten Spiele für mich in Halle 3, zum Beispiel das Zwei-Spieler-Deduction-Spiel Pagan – Schicksal von Roanoke. Weitere beliebte Spiele waren Kutná Hora, Voidfall oder Ceres – alles Schwergewichte des Brettspiels. Besonders süß ist übrigens Die Stunde der Maus, bei der man mit Mäusen in einer Kuckucksuhr um die Anerkennung von König Kuckuck buhlt.

Als passionierter Rollenspieler habe ich natürlich viel Zeit bei Rollenspielverlagen verbracht und auch die Prototypen-Galerie war interessant.

Die Menschen

© Asmodee
© Asmodee

Die Ausstellenden und Helfer*innen waren mit wenigen Ausnahmen unfassbar freundlich und nett. Natürlich hatten sie viel zu tun, aber es gab mehr entspannte und einfach witzige Gespräche auf der Messe, als ich es bisher erlebt hatte. Und das zog sich durch alle Bereiche, Sprachen und Sparten. Auch die Qualität der Erklärungen war durch die Bank weg sehr gut. Lediglich die Listen für Voranmeldungen waren bei manchen Ständen einfach eine Frechheit, weil schon vor 10 Uhr alles voll war oder die Organisation anderweitig schlecht war.

Bei den Besucher*innen schwankte es: Natürlich ist es keine Messe, wenn man nicht mindestens ein paar Mal in die Hacken getreten oder weggerempelt wurde, aus Versehen oder mit Absicht, aber manche Menschen waren wirklich rücksichtslos. Plätze an Spieltischen mit Tüten blockieren, während man woanders shoppen geht, hatte ich bisher noch nicht erlebt. Und die großen Rucksäcke sind wieder zurück! Dazu kamen die Bollerwagen, die nicht für Kinder, sondern für die gesammelten Spiele genutzt werden, und Sackkarren mit großen Kunststoffkörben. Davon gerne nächstes Jahr weniger.

Maximilian Lentes

Über 1.700 Neuheiten gab es in diesem Jahr zu sehen und testen. Besonders nachhaltig in Erinnerung geblieben ist das Nischenspiel Kelp. In diesem asymmetrischen Duell-Spiel geht ein Hai im namensgebenden Kelp (englisch für Seetang) auf Oktopus-Jagd. Während der Hai vor allem mithilfe von verschiedenfarbigen Würfeln gesteuert wird, wird der Part des Oktopusses als Deckbuilder gespielt. Dadurch ergeben sich zwei völlig unterschiedliche Spielerlebnisse, die viel Abwechslung versprechen. Ab November kann Kelp über Kickstarter unterstützt werden.

Eine Kuriosität ist das Katzen-Sci-Fi-Spiel MLEM: Die Astrokatzen. In diesem Würfelspiel spielen wir kompetitiv und versuchen, unsere Katzen durch Würfelglück auf verschiedenen Planeten zu stationieren. Das Spielfeld ist eine Filzmatte, die Box ist mit einem leichten Flaum für Extra-Flauschigkeit überzogen.

Thematisch gab es im Vergleich zum Vorjahr keine großen Überraschungen. Viel Sci-Fi, viel Umwelt und Fantasy sowieso immer.

Ein großes Messehighlight hat mir in diesem Jahr gefehlt.

Horst Brückner

Die SPIEL Essen bietet nicht nur Gelegenheit neue Spiele zu entdecken, sondern sie offeriert die Chance diese meist im Vorfeld anzuspielen. Persönlich fokussiere ich mich gern auf Spiele, die es (noch) nicht auf dem deutschen Markt gibt. Auf meiner Liste hatte ich zwei Titel, die ich fast blind gekauft hätte: Ceres von Artipia Games und Celtae von PYTHAGORAS.

© Artipia Games
© Artipia Games

Bei Ceres handelt es sich um ein Eurogame mit interessantem Arbeitereinsatz-Mechanismus im Science-Fiction-Kosmos. Es gibt eigene Arbeiter, die man auf dem Spielbrett einsetzen kann und man hat eine eigene Kartenauslage für die man sich aus einem allgemeinen Vorrat Arbeiter nehmen und diese dann für eigene Aktionen verwenden kann. Das führt zu einem regelrechten Lauf auf den allgemeinen Vorrat. Dieser ist begrenzt und wird in den drei Spielrunden nur mit wenigen neuen Figuren aufgestockt. Bereits bei der Erklärung hatte ich eine zu programmierende Engine im Kopf. Es zeigt sich nach der ersten Runde, dass es nur eine einzige Möglichkeit gibt, um richtig viel Siegpunkte zu erlangen und dass dieser Weg auch die ideale Route durch das Spiel ist. Bereits in der ersten Runde hatte ich meine drei Mitspielenden mit deutlichem Punktevorsprung hinter mir gelassen. Als ich dann die Spieltester gefragt habe, waren diese über diese „Ideal-Engine“ ziemlich erstaunt. Mit anderen Worten: Ein langweiliges und leider nicht ganz ausgereiftes Spiel.

© PYTHAGORAS
© PYTHAGORAS

Im Gegensatz dazu hat mich Celtae überrascht. Das Titelbild fand ich genial, aber als ich auf der Messe einen ersten Blick auf das Brett werfen durfte, war meine Euphorie etwas gebremst. Zum Glück konnte ich auch hier einen Platz am Spieltisch ergattern. Bei dem Spiel geht es um den Aufbau einer keltischen Gemeinschaft und Verteidigung gegen die römische Besatzung. Wieder ein eher klassisches Eurogame mit tollen Ideen. Ähnlich wie bei Kutná Hora: Der silbernen Stadt kann man die Siegbedienungen für die Endabrechnung selbst mitbestimmen. Außerdem gibt es asymmetrische keltische Anführer*innen, die zumindest die Punkte-Taktik leicht vorgeben. Es war toll zu sehen, wie der Aufbau des eigenen Tableaus zu einer erfolgreichen Strategie wird. Vielleicht kommt später noch eine Rezension dazu. Ich musste es gleich mitnehmen und freue mich auf die erste Runde im eigenen Kreise.

Artikelbilder: © wie gekennzeichnet
Titelbild: © Merz Verlag
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt, Giovanna Pirillo
Fotografien/Screenshot: Norbert Schlüter, Giovanna Pirillo

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