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Vor ein paar Wochen fing alles an. Fast die gesamte Menschheit hat sich in Zombies verwandelt. Einige Überlebende trafen auf Penny, die ihnen von ihrer Mutter Dr. Kirkland erzählte. Sie arbeitete in Fort Hendrix an Zombie-Experimenten. Findet sich dort die Antwort auf den Beginn der Ereignisse von Zombicide: Fort Hendrix?

Es gibt Storynachschub für Zombicide Zweite Edition. Schon das Grundspiel mochte durch seine Zugänglichkeit und den Umstand, dass es sich nicht ernster nimmt als nötig, zu gefallen. Auch der Kritikpunkt, dass es keine zusammenhängende Kampagne gab, wurde durch die Erweiterung Washington Z.C. Leider waren hier sowohl die neuen Charaktere als auch die Geschichte sehr blass und austauschbar. Fort Hendrix fesselt mit seinem Geschichtsansatz schon in der Einleitung wesentlich besser und hat mehr zu bieten als nur die gleichen Neuerungen, wie der Ausflug in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Diese Mal begeben wir uns also nicht in die Weiten des Weltalls, das Mittelalter oder den Wilden Westen, sondern ganz bodenständig auf einen Einbruch in einen Militärstützpunkt.

Spielablauf

Dieser Artikel funktioniert am besten für euch mit einem Grundverständnis der Regeln des Grundspiels, die wir in unserem ersten Bericht genauer beleuchtet haben. Da sich im Vergleich zum Grundspiel die allgemeinen Regeln nicht groß ändern, werden wir in diesem Text hauptsächlich die neuen oder abgewandelten Elemente ganz genau beleuchten.

Erweiterte Regeln

Genau wie im Vorgänger Washington Z.C. spielt die Tageszeit eine Rolle. Mit der Uhr, die für jede Runde auch den startendenden Charakter anzeigt, gibt es nun auch Uhrzeiten. Je nachdem welches der zehn Szenarien gespielt wird, beginnt jede Partie zu einer anderen Uhrzeit. Von 7 bis 18 Uhr gelten die normalen Regeln. Doch ab 19 Uhr bricht die Dunkelheit herein und alles wird nochmal etwas gefährlicher, wenn wir keine Lichtquellen haben. Zombies haben zwar keine Sichtweite mehr, haben aber immer noch ihr gutes Gehör. Die Überlebenden besitzen nun einen Sichtweitewert von 0-1. Schon dieser Umstand schwächt die Fernkampfwaffen enorm. Erschwerend hinzu kommt, dass für jede Fernkampfausrüstungswaffe nur noch eine 6 als Erfolg gilt, um Treffer zu generieren. Um diesen Malus zu umgehen, kann beispielsweise mit Taschenlampen Licht erzeugt werden. Einmal angeschaltet verbleibt solch eine Lichtquelle beim eigenen Charakter und erhellt zwei Zonen weit. In diesen nun hell erleuchteten Zonen sind die Nachtregeln für die Überlebenden und auch für die Zombies aufgehoben. Zudem wird die Mechanik Aufs Ganze gehen aus Washington Z.C. beibehalten. Die neuen Waffenkarten können mit der Option spezielle, zusätzliche Würfel für den Skillcheck erhalten. Die 1 auf diesen Würfeln wurde durch ein Defekt-Symbol ersetzt und wenn auch nur ein einziger dieser Würfel das Symbol zeigt, wird die Waffe nach Abhandeln des Angriffs abgeworfen. Sollte am Ende einer Mission noch eine Waffe übrig sein, wird eine weitere Kampagnen-Mechanik benötigt. Auf einigen Karten sind kleine Schlösser mit einer Zahl zu sehen. Die Zahl steht für die Anzahl an Würfeln, die geworfen werden muss, wenn man die Waffe in das nächste Szenario mitnehmen möchte. Zeigt kein Würfel ein Defekt-Symbol, darf die Waffe mitgenommen werden.

Das Ende einer Mission kann für Charaktere auch vor dem Erledigen aller Aufgaben kommen. In der Kampagnenvariante bedeutet der Verlust des letzten Lebenspunktes jedoch nicht den sofortigen Tod. Diese Charaktere sind zunächst ausgeknockt. Das Team hat bis zum Ende der nächsten Runde Zeit, den Charakter mit einer Aktion zu retten. Dadurch ist zwar das Szenario für diese Person beendet, nicht aber die Kampagne. Dieses Alter Ego steigt im nächsten Szenario wieder ein. Sollte die Rettung jedoch scheitern, bedeutet dies den dauerhaften Verlust des Charakters. Die spielende Person darf sich aus den verbleibenden Charakteren (auch des Grundspiels und Washington Z.C.) ein neues Alter Ego wählen. Sterben alle Charaktere, ist das Szenario verloren und muss neu gestartet werden.

Kampagnenregeln

Auch hier ist das Kampagnenmaterial nicht sonderlich umfangreich. Es gibt Kampagnenbögen und die Zielkarten. Der Kampagnenbogen ist für das Festhalten von Errungenschaften, Ausrüstung und KEP gedacht. Dies ist die Abkürzung für Kampagnenerfahrungspunkte und diese sind für die Charakterentwicklung innerhalb der Kampagne zuständig. Maximal zwei können jeweils für das Erreichen der orangenen und roten Adrenalinstufe pro Szenario erreicht werden. Die erspielten KEPs können für den Erwerb neuer Fertigkeiten oder einmaliger Bonusaktionen verwendet werden.

Um dem Spielbrett mehr Leben einzuhauchen und Elemente besser in die Geschichte einzuweben, sind die Zielkarten dabei. Diese können wie ein Overlay auf dem Brett platziert werden und dienen für die jeweilige Mission als besonderes Ziel. Wer eine solche Karte mit einer Aktion aufnimmt, liest sie vor und handelt den Text ab. Wir wollen spoilerfrei bleiben, aber meist finden sich auf den Karten zusätzliche Anweisungen für die Mission, Entscheidungen, über die die Gruppe abstimmen darf oder ähnliches.

Sonderregeln Fort Hendrix

Waren es bei unserem Ausflug in die US-Hauptstadt noch Geheimdienstausrüstungskarten, die auf speziellen Kartenteilen oder dem Humvee gefunden werden konnten, ist es hier nun Militärausrüstung. Ein Pendant zum Humvee gibt es leider nicht, Ausrüstung, wie besondere Schusswaffen oder Rationen die mehr Aktionen ermöglichen, kann nur auf speziellen Feldern des Spielbretts gefunden werden.

Eine weitere Neuerung für die Kampagne ist ein NSC namens Penny. Sie ist auf der Suche nach ihrer Mutter Dr. Linda Kirkland. Zu Beginn jeder Mission wird festgelegt, welcher Charakter mit Penny unterwegs ist. Penny erhält keine Erfahrung oder Aktionen, hat aber in den Missionen Sonderregeln. Beispielsweise gibt sie den Überlebenden in ihrer Zone in der ersten Mission die Fertigkeit Immer in Deckung, mit der man nicht Opfer von Eigenbeschuss werden kann.

Die entscheidendste Neuerung sind jedoch die neuen Schlurferschützen. Diese sind Zombies mit Gewehren und unheimlich gefährlich. Die Karten für die Aktivierung der Zombies aus dem Grundspiel werden durch die neuen Karten aus Fort Hendrix ersetzt. Auf diesen gibt es nun ab und an ein Gewehrsymbol, was die Aktivierung der Schlurferschützen anzeigt. Wird eine solche Karte gezogen, führen alle bereits vorhandenen Schützen einen Angriff gegen jede Zone aus zu der sie Sichtlinie haben und in der Überlebende stehen. Sie ignorieren Nachtregeln. Jeder Angriff fügt eine Wunde zu, die von den Überlebenden in einer Zone aufgeteilt werden können. Nun erscheint wie gewohnt die auf der Karte angegebene Zombieart in der Brutstätte. In jeder Zone mit einem Zombie dieser Art, mit Sichtlinie zu mindestens einem Charakter, erscheint nun ein Schlurferschütze, wenn nicht bereits vorhanden. Die Schützen werden nur bei einer Karte mit dem Symbol auf diese Weise aktiviert. Bei normalen Aktivierungen verhalten sie sich wie einfache Schlurfer.

Zwei der sechs Schlurferschützen.

Ausstattung

Anders als im Grundspiel kann das Plastikinsert hier überzeugen. Alles hat einen guten, vordefinierten Platz und wird durch die Kartenteile an Ort und Stelle gehalten, auch bei senkrechter Lagerung. Die neuen Schlurferschützen-Miniaturen sind sehr sehenswert und eine schöne Bereicherung. Auch die neuen Charaktere sind schön anzusehen und machen in ihrer Miniaturenform optisch einen wertigen Eindruck. Leider wurde auch hier wieder das Potential verschenkt und den sechs neuen Personen wurden keine Hintergrundgeschichten verpasst.

Die Militärausrüstungskarten haben eine besondere Rückseite erhalten, um diese klar von den anderen Karten zu trennen. Schon bei Washington Z.C. fiel dieser Fakt sehr positiv auf, da so auf der Vorderseite auf ein Erweiterungssymbol verzichtet werden konnte. Die Zielkarten für jede Mission sind in separaten Tütchen und sollten aus Spoilergründen auch erst geöffnet werden, wenn sie gebraucht werden.

Der Blick in die Schachtel, ohne Spielplanteile.

Um nicht gezwungen zu werden, beide Kampagnenerweiterungen zu besitzen, liegen Fort Hendrix auch die allgemeineren Zusatzmaterialien, wie die Startmarker-Uhr, die Lichtquellen-Plättchen und die Aufs Ganze gehen-Würfel bei. Durch die doppelte Uhr kann nun auch die nette Übersicht über die Nachtregeln noch effektiver genutzt werden, wenn man beide Erweiterungen besitzt.

Die neuen Aufs Ganze gehen-Würfel sind im Vergleich zu denen aus dem Grundspiel mit ihren eigenen Symbolen wesentlich individueller gestaltet. Die Lichtquellen-Plättchen sind praktisch und dennoch immersiv. Ein cooles Gimmick ist der Startmarker, der auch als Uhr fungiert. Als netter Service sind die speziellen Nachtregeln auf dieser Uhr kurz und knapp noch einmal zusammengefasst.

Ein kleiner Warnhinweis: Die Kampagnenbögen sind nicht auf der Webseite von Asmodee zum Download verfügbar. Es sollte also, bevor der letzte aufgebraucht wird, eine Kopie angefertigt werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee / CMON
  • Autor*in(nen): Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 Minuten pro Mission
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 45 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Asmodee gibt es die Regeln zum Download.

Fazit

Viele meiner Kritikpunkte an Washington Z.C. werden in Fort Hendrix nicht wiederholt. Es bleibt zwar bei sehr austauschbaren Charakteren, aber die Geschichte ist wesentlich spannender und durch ihre Erzählweise und Handlungsbogen viel besser für eine Kampagne geeignet. Die Regeln und die Zugänglichkeit des Grundspiels bleiben erhalten und werden durch die Neuerungen sinnvoll ergänzt. Gerade die Schlurferschützen sind eine spannende Ergänzung, auch wenn sie für reichlich Frust sorgen können mit ihren Gewehren. Penny als dauerhafte Begleiterin ist ebenfalls eine schöne Mechanik, die jedoch im Verlauf der Kampagne noch mehr Varianz in ihrem NSC-Verhalten vertragen hätte.

Ein massiver Kritikpunkt an der ersten Kampagnenerweiterung war der Preis im Verhältnis zum Grundspiel. Diesen Punkt macht Fort Hendrix etwas besser, aber verhältnismäßig immer noch nicht gut. Es gibt durch die Begleiter-Miniatur und die sechs neuen Zombies zwar mehr Figuren, aber für einen Preis von knapp 45 EUR ist das immer noch recht wenig. Im Verhältnis Preis zu Spielzeit relativiert es sich zwar ein wenig, aber ganz glücklich lässt mich das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht zurück. Persönlich hat mich diese Kampagne wesentlich mehr gefesselt und ich bin nun sehr gespannt auf die neue Kampagnenerweiterung Rio Z Janeiro bei dem es geschichtlich um eine mögliche Heilung gehen soll.

Voller Vorfreude empfehle ich Fort Hendrix mit vier von fünf hungrigen Schlurferschützen.

  • Story der Kampagne wesentlich besser als Washington Z.C.
  • Intelligente Regelergänzungen
  • Schlurferschützen

  • Neue Überlebende ohne Backstory sehr farblos
  • Trotz neuer Zombie-Miniaturen sehr teuer

 

Artikelbilder: © Asmodee, depositphotos © grandfailure
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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