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Bislang war Zombicide eher wie ein Arcade-Zombie-Slasher-Spiel. Die Missionen sind zwar jede für sich sehr spaßig, aber fühlten sich immer etwas losgelöst voneinander an. Min-Maxing war nicht nötig und oft ging es darum „irgendwie“ zu gewinnen. Mit der Kampagnenerweiterung Washington Z.C. versucht man sich nun an der Langzeitmotivation.

Ende 2021 haben wir uns die Neuauflage des jungen Brettspielklassikers Zombicide Zweite Edition angesehen. Das Spiel konnte uns durch seine einfachen Regeln, das schnelle Gameplay und die schönen Miniaturen durchaus begeistern. Doch ein Wermutstropfen blieb, und zwar dass es keine zusammenhängende Kampagne gab. Diese Lücke versucht die Erweiterung Washington Z.C. zu schließen. In zehn Missionen müssen sich die Überlebenden nicht durch die Weiten des Weltalls oder das Mittelalter schlagen, sondern sich in der US-Hauptstadt und im Weißen Haus gegen die untoten Horden wehren. Dabei gibt es einige Regelanpassungen, beziehungsweise -erweiterungen die beim ersten Regelstudium eine gewisse Vorfreude erzeugten. Ob uns die Kampagne dann auch wirklich fesseln konnte?

Spielablauf

Dieser Artikel funktioniert am besten für euch mit einem Grundverständnis der Regeln des Grundspiels die wir in unserem ersten Bericht genauer beleuchtet haben. Da sich im Vergleich zum Grundspiel die allgemeinen Regeln nicht groß ändern, werden wir in diesem Text hauptsächlich die neuen oder abgewandelten Elemente ganz genau beleuchten.

Erweiterte Regeln

Eines der vermutlich spannendsten neuen Elemente des Spiels sind die neuen Regeln für die Nacht und Lichtquellen. Statt eines Startspielenden-Markers gibt es nun eine Uhr. Je nach Szenario stellt man zu Beginn eine bestimmte Uhrzeit ein. Von 7 bis 18 Uhr gelten die ganz normalen Regeln. Doch ab 19 Uhr bricht die Dunkelheit herein und alles wird nochmal etwas gefährlicher. Die Sichtweite der Überlebenden ist auf 0-1 begrenzt und die der Zombies gar auf 0. Allein hierdurch werden viele Fernkampfwaffen stark geschwächt. Jedoch kommt noch erschwerend hinzu, dass man, egal was die Ausrüstungskarte der Fernkampfwaffe sagt, für einen Fernkampfangriff eine 6 würfeln muss, um einen Treffer zu landen. Um sich zu behelfen gibt es die Möglichkeit, beispielsweise durch Taschenlampen, Lichtquellen zu erzeugen. Diese Lichtquellen, wenn einmal angeschaltet, bewegen sich mit dem Charakter mit und erhellen zwei Zonen. In diesen nun hell erleuchteten Zonen sind die Nachtregeln für die Überlebenden, aber auch die Zombies aufgehoben.

Neben der neuen Schwierigkeit für Fernkampfwaffen haben die neuen Waffenkarten auch eine neue Mechanik erhalten. Mit der Option Aufs Ganze gehen kann man zusätzliche Würfel für den Skillcheck erhalten. Hierfür liegen dem Spiel spezielle Würfel bei. Auf diesen ist die 1 durch ein Defekt-Symbol ersetzt worden. Zeigt auch nur ein einziger Würfel bei dieser besonderen Option dieses Symbol wird der Angriff noch abgehandelt, die Waffe wird hiernach jedoch zerstört. Sollte man am Ende einer Mission es geschafft haben und nicht alle seine Waffen zerstört haben tritt nun die nächste neue Mechanik zu Tage. Auf vielen Ausrüstungskarten sind dezente Schlösser mit einer Zahl abgebildet. Diese Zahl steht für die Anzahl an Würfeln, die geworfen werden müssen, um die Waffe mitnehmen zu dürfen. Wird kein Defekt-Symbol gewürfelt, darf man die Karte weiterspielen.

Die neuen Spielmaterialien.

Apropos Ende der Mission: In Zombicide kann eine Mission für eine*n Überlebende*n auch vor dem Erledigen aller Aufgaben beendet sein. In dieser Version ist ein Herabsinken der Lebensanzeige aber nicht gleichbedeutend mit dem Tod. Überlebende, denen dieses Schicksal widerfährt, sind zunächst lediglich k. o. Ihre Miniatur wird auf die Seite gelegt und das Team hat nun bis zum Ende der übernächsten Runde Zeit, den Charakter zu retten. Wenn dies geschieht, wird die Figur auf ihr Tableau gestellt. Der Charakter ist für diese Mission aus dem Spiel, kann aber in der nächsten wieder geheilt einsteigen. Sollte eine Rettung misslingen stirbt die Figur und in der nächsten Mission muss ein neues Alter Ego ausgewählt werden. Sollten alle Charaktere in einer Mission sterben ist diese gescheitert und muss erneut gespielt werden.

Kampagnenregeln

Eines der zentralen Elemente dieser Erweiterung ist das Material für die Kampagne Infizierter Staat. Doch dieses Material ist nicht sehr umfangreich. De facto gibt es die Kampagnenbögen und die Zielkarten. Auf den Bögen werden die Errungenschaften, behaltene Ausrüstung und vor allem die KEP festgehalten. KEP ist hier die Abkürzung für Kampagnenerfahrungspunkte und symbolisiert die Charakterentwicklung im Laufe des Abenteuers. Pro Mission können maximal zwei KEPs pro Charakter gesammelt werden. Es gibt je einen für das Erreichen der orangenen und der roten Adrenalinstufe auf dem Charaktertableau. Auf diese Weise kann man im Laufe der Kampagne sowohl besondere Fertigkeiten erhalten oder Bonusaktionen, die einmal pro Mission eingesetzt werden können. Gerade die zusätzlichen Aktionen sind überraschend mächtig und können ganze Missionen retten.

Die Zielkarten sind besondere Elemente, die entweder als Overlay auf dem Spielbrett platziert werden (sehr angenehm, wie sie sich in das Gesamtbild des Spielfelds einfügen) oder als nummerierte Notizen bis zu ihrem Einsatz beiseitegelegt werden. Wie der Name vermuten lässt, sind diese Karten oft das Ziel einer Mission. Wird eine Karte aufgenommen, wird sie von den Spielenden laut vorgelesen. Bei Entscheidungen darf sich abgesprochen werden, aber die aktive Person hat immer das letzte Wort. Zudem können durch diese Karten Errungenschaften freigeschaltet werden. Um keine Spoiler für die Geschichte zu liefern, werden keine Beispiele genannt.

Der Kampagnenbogen.

Sonderregeln Washington Z.C.

Im Laufe der Kampagne verschlägt es uns auch zunehmend auf die Kartenteile die speziell für diese Erweiterung angefertigt wurden. Auf diesen Kartenteilen gibt es besondere Elemente, die eigene Regeln erhalten haben. So kann man auf an bestimmten Orten oder dem Humvee Geheimdienstausrüstungskarten ziehen. Wie der Name vermuten lässt, finden sich hier insbesondere militärische Ausrüstungsgegenstände wie Nachtsichtgeräte, besondere Schusswaffen oder Reparaturkits.

Der angesprochene Humvee ist nur eines der besonderen grafischen Elemente der Erweiterung. Zudem gibt es Sandsäcke, die die Bewegung der Zombies behindern aber nicht die Sichtlinie. Panzer behindern sowohl Sichtlinie als auch Bewegung. Überlebende können jedoch eine Aktion opfern, um auf Panzer zu klettern. Zombies können dies nur bei Extra-Aktivierungen. Zusätzlich gibt es noch Flure auf den Kartenteilen. Dies sind die einzigen Innenräume in denen nicht gesucht werden kann. Die Sichtweite ist hier unbegrenzt.

Ein Spielplanteil mit Geheimdienstfeldern und eine Auswahl der entsprechenden Karten.

Ausstattung

Beim Öffnen der Box erwartet uns ein sehr ordentliches Insert, wo alles seinen Platz hat und eigentlich nichts verrutschen kann. Die untere Ebene ist durch einen Deckel geschützt der zeitgleich als obere Ebene für Material dient. Alles in der oberen Ebene wird durch die Washington Z.C. Kartenteile an Ort und Stelle gehalten. Neue Zombieminiaturen sind nicht enthalten, dafür gibt es sechs neue Überlebende mit Miniatur und Charakterbogen. Leider sucht man vergeblich nach etwas Hintergrundgeschichte zu

Die neuen Charaktere.

den Neulingen, was bei einer Erweiterung, die Wert auf eine zusammenhängende Kampagne legt, massiv verschwendetes Potenzial ist. Die neuen Überlebenden sind auch nicht zwingend für die Kampagne auszuwählen, es darf ebenso der Lieblingscharakter aus dem Grundspiel verwendet werden. Jedoch macht es durchaus Sinn die „Neuen“ zu spielen denn ihre Startfähigkeiten nutzen meist die neue Aufs Ganze gehen Mechanik.

Die neuen Ausrüstungskarten sind durch eine leicht veränderte Rückseite von denen aus dem Grundspiel zu unterscheiden, was sehr hilfreich ist, da man doch recht viel Material aus dem Grundspiel benötigt, um die Erweiterung zu spielen. So verhindert man das Zusammenmischen der Kartenstapel, da man aufgrund des begrenzten Platzes auf der Vorderseite zum Glück auf das Anbringen eines Erweiterungssymbols verzichtet hat.

Die neuen Minis.

Bei den Zielkarten sollte man zu Beginn des Auspackens den Urinstinkt von uns Spielenden etwas zügeln. Denn für jede Mission gibt es ein eigenes Kartentütchen. Also aufpassen und nicht alles sofort aufreißen.

Die neuen Aufs Ganze gehen-Würfel sind im Vergleich zu denen aus dem Grundspiel mit ihren eigenen Symbolen wesentlich individueller gestaltet. Die Lichtquellen-Plättchen sind praktisch und dennoch immersiv. Ein cooles Gimmick ist der Startmarker der auch als Uhr fungiert. Als netter Service sind die speziellen Nachtregeln auf dieser Uhr kurz und knapp noch einmal zusammengefasst.

Bevor man alle Kampagnenbögen aufgebraucht hat, sollte dringend eine Kopie angelegt werden. Auf der Seite von Asmodee gibt es den Bogen nämlich nicht zum Ausdrucken.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee / CMON
  • Autor*in(nen): Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 Minuten pro Mission
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 45 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Asmodee gibt es die Regeln zum Download.

Fazit

Ganz ehrlich, Zombicide: Washington Z.C. macht nicht viel falsch. Es bleibt der einfach gelernte und absolut unterhaltsame Zombie-Slasher, der keine taktischen Höchstleistungen von den Spielenden erwartet. Die Box erweitert das Spiel um sinnvolle und stimmige Regeln, die ebenfalls sehr schnell gelernt sind. Auch Wenig-Spielende finden sich hier schnell zurecht und freuen sich, wenn man mit einem Molotow-Cocktail mal eben sechs Fettbrocken beseitigen kann. Doch bei alldem Spaß, den ich mit der Erweiterung hatte und weiter haben werde, kann ich das verschenkte Potenzial einfach nicht ausblenden. Es gibt zwar nun eine zusammenhängende Kampagne, aber die Story wird viel zu rudimentär erzählt. Ein bisschen mehr Aufwand hätte man schon in das Storytelling legen können.

Auch, dass die neuen Überlebenden so gar keine Hintergrundgeschichte erhalten, ist ärgerlich. Ein wenig nachvollziehbar mag es sein, da man ja auch zu den Charakteren aus dem Grundspiel keine bekommen hat, aber durch ihre Aufmachung und ihr Design wirkt es so, als hätten die sechs Neuen definitiv etwas zu erzählen. Das gar keine neuen Zombie-Miniaturen dazugekommen sind ist ebenfalls schade. Ein paar Schlurfer des Secret Service oder ein paar touristische Fettbrocken hätten es sein dürfen. Das sind jedoch alles Punkte, über die ich hinwegsehen kann und die mich das Spiel trotzdem genießen lassen. Zombicide erinnert in seiner Einfachheit ja durchaus an Beat ’em up-Spiele der frühen 90er-Jahre und auch die waren mit wenig Story absolut spielenswert. Was aber ein wesentlich größerer Kritikpunkt von meiner Seite ist, ist der – im Verhältnis zum Inhalt– zu hohe Preis. Mit durchschnittlich 45 Euro bekommen Spieler*innen einfach viel zu wenig neues Material. Gestiegene Produktionskosten hin oder her, der Preis ist für mich in keiner Weise gerechtfertigt. Oftmals sind es die Miniaturen die insbesondere Spiele von CMON überdurchschnittlich teuer werden lassen. Aber davon haben wir bei Washington Z.C. nur sechs Stück im Vergleich zu den 88(in Worten achtundachtzig) des Grundspiels. Da hilft es dann auch nicht, dass es mehr kleine Karten als im Grundspiel gibt.

Wen der Preis nicht abschreckt oder wer das Glück hat bei unserer Verlosung weiter unten im Artikel ein brandneues Exemplar zu ergattern, der erhält mit Zombicide: Washington Z.C. eine sehr sinnvolle Ergänzung für das Zombicide Universum. Die Kampagne motiviert und lädt dazu ein für den ein oder anderen KEP mal etwas länger in der Mission zu verweilen und mehr Risiko zu gehen. Zudem ist es möglicherweise für einige auch ein Pluspunkt, dass die Story eher weniger Fleisch hat. So gibt es nicht viel was man sich durch einen weiteren Spieldurchlauf vorwegnimmt. Daher empfehle ich das Spiel mit drei von fünf hungrigen Fettbrocken.

 

  • Endlich eine zusammenhängende Kampagne …
  • Intelligente Regelergänzungen.
 

  • … deren Story vollkommen austauschbar ist.
  • Neue Überlebende ohne Backstory sehr farblos.
  • Im Verhältnis zum Grundspiel zu teuer.

 

Verlosung

Wir freuen uns, in Zusammenarbeit mit Asmodee, ein Exemplar von Zombicide Washington Z.C. verlosen zu können. Um an der Verlosung teilzunehmen, müsst ihr folgende Frage korrekt beantworten und per E-Mail mit dem Betreff „Zombicide“ an kontakt@teilzeithelden.de senden:

Auf welches Gefährt können die Überlebenden in Washington Z.C. klettern?

Die Antwort findet ihr in diesem Artikel versteckt. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen. Einsendeschluss ist der 07. August 2022.

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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