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Beim Engine Building werden oft farbige Klötzchen in andersfarbige Klötzchen umgewandelt. Jede*r spielt vor sich hin und am Ende gewinnt, wer am meisten Punkte hat. Whirling Witchcraft gelingt es, durch einen geschickten Kniff mehr Interaktion zu erzeugen als im Genre üblich. Macht es das zu einem besseren Spiel?

Bekannte Mechanismen zu mischen ist eine übliche Methode, um neue Brettspiele zu erschaffen. Warum auch nicht? Wirklich neue Mechaniken sind enorm selten und so bleibt am Ende keine andere Wahl als zu „remixen“. Aber meist bleiben die Spiele damit noch immer ähnlich zu anderen, die die gleichen Mechaniken verwenden. Nur selten gelingt es, mit einer kleinen Anpassung das Spielgefühl komplett zu ändern. Genau dieser Kniff ist bei Whirling Witchcraft jedoch gelungen. Und zwar einfach, indem die produzierten Ressourcen nicht in die eigene Maschine zurückfließen, sondern nach rechts weitergereicht werden.

Spielablauf

Zwei bis fünf Spielende übernehmen in Whirling Witchcraft die Rollen von Hexen*Hexern. Dazu erhalten die Spielenden jeweils eine Charakterkarte mit individueller Spezialfähigkeit, einen Arbeitstisch mit Startressourcen, einen Kessel und eine Handvoll möglicher Rezepte.

Aus diesen Rezepten wählen die Spielenden in jeder Runde eines und legen es aus. Die anderen werden am Ende der Runde nach links weitergereicht. Eine Art Drafting, bei dem jedoch jede Runde eine neue Karte hinzukommt, wodurch es sich vom klassischen Drafting unterscheidet.

Ein typischer Aufbau für drei Personen.

Die Rezepte zeigen jeweils Ressourcenklötzchen in verschiedenen Farben an. Einige sind dabei festgelegt, welche Seite des Rezeptes den Eingang und welche den Ausgang darstellt. Andere wiederum können beim Auslegen gedreht werden und erlauben so etwas Flexibilität. Außerdem zeigen manche Rezepte eines oder mehr von vier Arcana-Symbolen. Jeweils nach dem zweiten gleichen Arcana-Symbol erlauben diese die sofortige, einmalige Nutzung einer Spezialfähigkeit, die vom jeweiligen Symbol abhängt.

Nachdem alle Rezepte ausgelegt und die Arcana-Symbole ausgewertet wurden, geht es an das Brauen von Tränken. Dazu werden Zutaten von der eigenen Werkbank auf die Eingangsseiten der Rezepte gelegt, die sich über die Runden angesammelt haben. Rezepte müssen dabei immer vollständig erfüllt werden und generieren Ressourcen gemäß ihrer Ausgangsseite. Diese können dann entweder in den eigenen Kessel gelegt oder für andere eigene Rezepte verwendet werden. Sobald alle Spielenden damit fertig sind, werden die Kessel nach rechts weitergegeben. Die Ressourcen der verwendeten Rezepte sind natürlich verbraucht und landen wieder im eigenen Vorrat. Ressourcen aus dem von links erhaltenen Kessel müssen nun auf der eigenen Werkbank untergebracht werden. Für jede Ressourcensorte gibt es dabei eine festgelegte Anzahl Plätze. Verfügt man über mehr Ressourcen einer Farbe als Plätze auf der Werkbank vorhanden sind, sprudelt der Kessel über. Diese überzähligen Ressourcen werden zurück nach links gegeben und dienen dort als Siegpunkte. Sobald jemand fünf Ressourcen im entsprechenden Bereich liegen hat endet das Spiel. Gewonnen hat, wer am meisten Ressourcen im Siegbereich hat, also am effektivsten den Kessel der Person zur eigenen Rechten zum Überlaufen bringen konnte.

Nach ein paar Runden haben sich mehrere Rezepte angesammelt und ein erster Siegpunkt konnte errungen werden.

Das Spielprinzip von Whirling Witchcraft ist relativ simpel und schnell erklärt. Eine Mischung der altbekannten Elemente von Drafting und Engine Building. Der Clou des Spiels ist jedoch, dass hier nicht alle an der eigenen Engine basteln, sondern dass die Ressourcen für das Befeuern dieser Engine von links kommen und der Output nach rechts weitergegeben wird. Dabei ist stets darauf zu achten, welche Ressourcen in welcher Menge ankommen und verarbeitet werden müssen, damit der eigene Kessel nicht überläuft. Auch zahlt es sich aus, zu sehen, was rechts weiterverarbeitet werden kann und wo die Schwachstellen in der Verarbeitung liegen, damit man selbst die begehrten Siegpunkte schnell einheimsen kann.

Die Werkbänke unterscheiden sich optisch, sind aber funktional identisch.

Für die Ressourcen gibt es mehr oder weniger Platz auf den Werkbänken: Solche, für die mehr Platz ist, können von den Mitspielenden auch in größerer Menge produziert werden. Die Ressourcen, für die wenig Platz ist, kommen hingegen in weniger Rezepten vor. Sie sind also sowohl schwieriger zu produzieren als auch schwieriger zu verbrauchen. Dadurch sind unterschiedliche Strategien möglich. Der geschickte Einsatz der Spezialfähigkeit der eigenen Charakterkarte sowie das Verwenden der Arcana-Symbole fügen zusätzliche Möglichkeiten hinzu. Diese erlauben Dinge wie eine Ressource für eine Runde aus dem allgemeinen Vorrat statt nur von der eigenen Werkbank zu verwenden oder das Entfernen von Ressourcen von der Werkbank, um einen Überlauf zu verhindern. So entsteht trotz eigentlich simpler Regeln ein höchst interaktives und interessantes Spiel.

Unterschiedliche Charakterkarten, der Zufall beim Erhalten der Rezepte und natürlich auch die hohe Interaktivität sorgen dafür, dass Whirling Witchcraft eine hohe Varianz erzielt. Die Partien gehen schnell und spielen sich recht unterschiedlich, so dass nach der ersten Partie oftmals noch eine zweite oder dritte direkt folgt.

Trotz der erheblichen Varianz hat das Spiel jedoch keine besonders hohe Spieltiefe. Daher ist nach zwei oder drei Partien für einen Spielabend die Luft eher raus und das Spiel kann eine Weile zurück ins Regal, bevor es dann ein paar Wochen später wieder für spannende und spaßige Momente sorgen darf.

Am besten funktioniert Whirling Witchcraft zu dritt. Zu zweit gilt es, nur eine andere Person im Auge zu behalten, was weit einfacher ist und so zu weniger Chaos führt. Bei mehr als drei Spielenden ist man selbst gar nicht am Spiel von ein oder zwei davon beteiligt, was sich besonders dann schlecht anfühlt, wenn der Spielsieg an eine dieser Personen geht.

Ausstattung

Das Spielmaterial findet im Papp-Inlay sinnvoll Platz. Ein seltener Anblick!

Whirling Witchcraft wird in einer länglichen Standardschachtel geliefert. Im Inneren findet sich ein Papp-Inlay, in dem die, ebenfalls aus Pappe bestehenden, Kessel Platz finden. Diese sind ein gelungenes optisches Highlight und werten die Tischpräsenz des Spiels deutlich auf.

Über das restliche Material gibt es nicht viel zu sagen. Die Ressourcenklötzchen sind aus Holz. Rot und Grün sind als Farben dabei, wodurch Menschen mit entsprechender Fehlsichtigkeit Probleme bekommen können. Auf den Rezepten selbst haben die Ressourcen jeweils unterschiedliche Symbole, so dass Farbsichtigkeit dort keine Rolle spielt. Die Werkbänke sind robust aber nur einlagig. Da geht heutzutage deutlich mehr. Die Karten, die sowohl Charaktere als auch Rezepte darstellen, sind hochglanzlackiert, statt wie oft ein Leinen-Finish zu haben, wirken aber robust genug.

Das Regelheft umfasst ganze acht Seiten inklusive Umschlag und ist nachvollziehbar geschrieben. Das einzige Manko ist, dass die Effekte der Arcana mitten in den Regeln stehen, statt auf der Rückseite oder auf extra Karten. Dieses Problem wurde vom Verlag allerdings auch erkannt und so gibt es entsprechende Karten zum Selbstausdrucken (siehe unten).

Erfreulicherweise wurde auf große Plastikmengen, Miniaturen, etc. verzichtet, wodurch Whirling Witchcraft aus ökologischer Sicht ein wenig hervorsticht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Alderac Entertainment Group, Schwerkraft Verlag
  • Autor*in(nen): Luis Francisco, Weberson Santiago
  • Erscheinungsjahr: 2021 (Englisch), 2022 (Deutsch, angekündigt)
  • Sprache: Englisch / Deutsch (angekündigt)
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5
  • Alter: 10+
  • Preis: 39,99 USD (UVP)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Seite der Alderac Entertainment Group zum Spiel findet sich sowohl die englische Anleitung als auch Arcana-Referenzkarten zum Ausdrucken.

Die deutsche Fassung „Heiße Hexenkessel“ ist vom Schwerkraft-Verlag für 2022 angekündigt, auf der Produktseite sind bisher allerdings keine weiteren Details zu finden.

Fazit

Whirling Witchcraft verwendet mit Drafting und Engine Building zwei altbekannte Elemente. Durch den geschickten Kniff, dass die produzierten Ressourcen jedoch jeweils nach rechts weitergereicht werden und das Spielziel ist, mehr zu produzieren, als dort gelagert/verarbeitet werden kann, spielt es sich komplett anders als übliche Engine Builder wie Imperial Settlers, Terraforming Mars oder auch It’s a Wonderful World, welches ja ebenfalls Drafting als weiteren Mechanismus hat. Hierin liegt sowohl das Alleinstellungsmerkmal als auch eines der Probleme des Spiels: Es spielt sich komplett anders, als es die Fans dieses Mechanismus gewohnt sind. Und vielleicht auch, als diese es sich wünschen würden. Es gibt also eine gewisse Diskrepanz zwischen der möglichen Erwartungshaltung, wenn man die Mechanismen sieht, und dem, was das Spiel am Ende ist.

Manche Rezepte sind starr, andere können mit unterschiedlichen Ressourcen umgehen (1 und 2) oder beim Auslegen gedreht werden (3 und 4).

Idealerweise sollte die Spielgruppe aus exakt drei Personen bestehen, um Whirling Witchcraft zu spielen. Bei anderen Gruppengrößen gilt es, den einen oder anderen Abstrich zu machen.

Ein weiteres kleines Manko ist, dass das Spielmaterial mit den 3D-Kesseln durchaus ansehnlich ist, im Grunde die Thematik aber aufgesetzt wirkt. Warum die Kessel mit den Zutaten jeweils weitergereicht werden, wird nirgendwo erklärt. Auch nicht, was das Überlaufen der Werkbänke so schlimm macht oder warum man dann nicht einfach den Kram von der eigenen Werkbank in den Kessel schieben kann. Aus spielmechanischer Sicht ergibt das alles absolut Sinn. Aber es steht keine Geschichte dahinter. Und die Hexerei ist im Grunde auch nicht relevant für das Spiel.

Ist man sich über diese Dinge im Klaren, ist Whirling Witchcraft ein ungewöhnliches, interessantes, schnelles und kurzweiliges Spiel, das schnell erklärt ist, aber genug interessante Entscheidungsmomente und eine hohe Interaktivität bietet.

 

  • Einfach zu erklären
  • Kurze Spieldauer
  • Hohe Interaktivität
 

  • Fühlt sich nicht an wie Engine Building
  • Skaliert nicht gut auf unterschiedliche Spielerzahlen
  • Thema wirkt aufgesetzt

 

Artikelbilder: © Alderac Entertainment Group
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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