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Drafting ist, seit 7 Wonders es breiteren Spielerkreisen bekannt machte, eine Mechanik, die man immer wieder findet. Doch noch immer fristet sie eher ein Nischendasein oder wird als kleiner Teil eines größeren Ganzen verwendet. Nicht so in It’s a Wonderful World, welches den Mechanismus einmal mehr zum zentralen Spielelement macht.

Aufbau von Zivilisationen oder zumindest Städten; irgendwie scheint das das Thema zu sein, welches man mit Drafting am besten verbinden kann. 7 Wonders, Neom und jetzt It’s a Wonderful World haben alle einen klaren Hintergrund des Aufbaus und das Drafting als zentralen Spielmechanismus. Dennoch sind es sehr unterschiedliche Spiele. 7 Wonders als Großvater des Genres hat das Kaufen von Ressourcen bei den Nachbarn als Besonderheit, Neom den auch optischen Aufbau einer Struktur, bei dem die Platzierung der Karten eine Rolle spielt. Und It’s a Wonderful World? Schauen wir uns das Spiel doch einmal genauer an:

Spielablauf

Jeder der ein bis fünf Spieler in It’s a Wonderful World stellt ein Imperium in einem, nur vage definierten, futuristischen Setting dar und versucht dieses zum glorreichsten der Welt zu machen – also am meisten Siegpunkte zu generieren. Hierbei kann die ganze futuristische Thematik ignoriert werden, da sie keinerlei Einfluss auf die Mechanismen des Spiels hat.

Im Rahmen von vier Runden werden jeweils sieben Karten gedraftet. Jeder Spieler erhält also zu Beginn der Runde sieben Karten, von denen er verdeckt eine auswählt, um sie zu behalten. Die restlichen sechs gibt er an den rechten oder linken Nachbarn (dies wechselt jede Runde) weiter, der sich daraus eine aussucht und die dann restlichen fünf weitergibt etc. – Am Ende der Runde hat also jeder Spieler sieben Karten vor sich liegen und kann dann entscheiden, welche davon er in seine Konstruktionszone übernimmt, um sie im weiteren Verlauf des Spiels zu bauen, und welche er abwirft, um augenblicklich eine von der Karte abhängige Ressource zu erhalten.

Nach Ende des Draftings in der zweiten Runde hat der hier gezeigte Spieler sieben, noch zwei im Bau befindliche, Karten aus der ersten Runde, sowie sieben neue, mit denen er nun agieren kann.
Nach Ende des Draftings in der zweiten Runde hat der hier gezeigte Spieler noch zwei im Bau befindliche Karten aus der ersten Runde, sowie sieben neue, mit denen er nun agieren kann.
Er entscheidet sich, die rechten drei Karten für jeweils eine Ressource abzuwerfen und so die beiden im Bau befindlichen Gebäude noch vor Beginn der Produktionsphase fertigzustellen. Die restlichen Gebäude legt er in seine Bauzone.
Er entscheidet sich, die rechten drei Karten für jeweils eine Ressource abzuwerfen und so die beiden im Bau befindlichen Gebäude noch vor Beginn der Produktionsphase fertigzustellen. Die restlichen Gebäude legt er in seine Bauzone.

Nachdem für alle sieben Karten diese Entscheidungen getroffen wurden, beginnt die Produktionsphase der Runde. In festgelegter Reihenfolge werden die fünf verschiedenen Ressourcen des Spiels – Baumaterial, Energie, Wissen, Geld und Erkundung (oder auch einfach Grau, Schwarz, Grün, Gelb und Blau) – generiert. Derjenige Spieler, der in einem Bereich die meisten Ressourcen generiert, erhält als Bonus noch einen Finanzier oder General (blauer oder roter Anführer), welche am Ende des Spiels Siegpunkte wert sind und in einigen Fällen auch für den Bau von Karten benötigt werden.

Nach Ende der Produktion hat der Spieler ein weiteres Gebäude fertiggestellt, bei zweien mit dem Bau begonnen und benötigt in den nächsten Runden Karten, die ihm eine schwarze und drei Gelbe Ressourcen geben. Entweder direkt durch Abwerfen oder als Produktion. Außerdem werden weitere grüne Karten gesucht werden, die die Rohstoffe aufnehmen und weitere Siegpunkte bringen können.
Nach Ende der Produktion hat der Spieler ein weiteres Gebäude fertiggestellt, bei zweien mit dem Bau begonnen und benötigt in den nächsten Runden Karten, die ihm eine schwarze und drei Gelbe Ressourcen geben. Entweder direkt durch Abwerfen oder als Produktion. Außerdem werden weitere grüne Karten gesucht werden, die die Rohstoffe aufnehmen und weitere Siegpunkte bringen können.

Erhaltene Ressourcen müssen sofort auf eine in der Konstruktion befindliche Karte gelegt werden. Ist das nicht möglich, kommen sie auf die Startkarte. Einmal dort, können sie nicht wieder entfernt werden, außer um im Verhältnis 5:1 gegen eine rote Ressource getauscht zu werden, die einen Joker darstellt.

Sobald alle Ressourcen für die Konstruktion eines Gebäudes vorhanden sind, wird dieses augenblicklich fertiggestellt und kann damit in der gleichen Runde eventuell noch Ressourcen produzieren, sofern diese in der Reihenfolge (s. o.) später produziert werden als die letzten benötigten Baukosten.

Dieses Prozedere wird vier Mal durchgeführt, danach endet das Spiel und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt das Spiel. Punkte erhält man dabei für viele der gebauten Karten, für erlangte Anführer, sowie eventuell für die Sonderwertung des eigenen Imperiums. Diese Sonderwertung ist im normalen Modus (mit Seite A der jeweiligen Imperien) für jeden Spieler unterschiedlich, durch das Imperium festgelegt und für alle Spieler von Beginn an sichtbar. Spielt man mit Seite B der Imperien, so sind die Startressourcen für alle Spieler gleich und es gibt keine Sonderpunkte.

Wie man hier schon sieht, sind die Regeln von It’s a Wonderful World schnell erklärt und normalerweise fast genauso schnell verstanden. Wer Drafting kennt, muss eigentlich nur noch die Eigenheiten der Produktionsreihenfolge verstehen, danach sollten keine weiteren Fragen offen sein. Und auch die Symbologie der Karten ist klar und gut verständlich. Nur in Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass man die Funktion einer Karte nicht auf Anhieb versteht. Und nach ein oder zwei Partien sollte das überhaupt nicht mehr vorkommen.

Dennoch ist It’s a Wonderful World kein simples Spiel. Die unterschiedlichen Imperien legen Wert auf unterschiedliche Karten oder Anführer, es gibt eine erstaunliche Menge an Synergien für die Schlusswertung, und auch ein Blick, was die Mitspieler eigentlich treiben, ist oftmals sinnvoll, um sicherzustellen, dass man die Mehrheit in einer Ressource behält oder dem Nachbarn eine Karte vor der Nase wegschnappt, die diesem zu perfekt in die Strategie gepasst hätte.

Genau hier liegt aber auch der Knackpunkt des Spiels: Die Interaktion ist relativ gering. Im Grunde baut jeder Spieler für sich allein. Zwar gibt es immer wieder die Produktionsmehrheiten, die gezählt werden, aber es gibt keine Zwischenwertungen. Und damit ist es den Spielern selbst überlassen, zu versuchen, einen Überblick darüber zu behalten, wo sie stehen, und vor allem auch, welche Karten sie auf keinen Fall weitergehen lassen sollten. Sofern man dies aber versucht, zieht sich das Spiel merklich in die Länge. Ignoriert man diesen Punkt weitestgehend – wie es in unseren Testspielen die meisten Spieler getan haben – so gibt es aber de facto keine Downtime, da jeder Spieler in jeder Phase des Spiels direkt beteiligt ist. Auch verändert die Anzahl der Spieler die Spieldauer nur unwesentlich.

Das Spielgefühl an sich ändert sich ebenfalls nicht besonders in der normalen Spanne von drei bis fünf Spielern. Einzig die Bonusanführer für Produktion werden umkämpfter und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein anderer Spieler am Tisch eine ähnliche Strategie verfolgt und damit wichtige Karten seltener bei einem selbst ankommen. Für einen oder zwei Spieler gibt es Sonderregeln, die wir aber nicht getestet haben.

Die unterschiedlichen Kartenfarben haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Hier ist das Thema zumindest ein wenig erkennbar.
Die unterschiedlichen Kartenfarben haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Hier ist das Thema zumindest ein wenig erkennbar.

Die Wiederspielbarkeit von It’s a Wonderful World ist relativ hoch. Denn jedes der Imperien hat unterschiedliche Bonuspunkte und Startproduktionen, sodass sich die Strategien grundlegend unterscheiden. Auch ist der Stapel an Gebäuden umfangreich genug, dass in keiner Partie alle Karten ins Spiel kommen und so genug Abwechslung vorhanden ist.

Der alternative Spielmodus, bei dem es keine Sonderpunkte für die Imperien gibt und alle mit den gleichen Ressourcen starten, sorgt für ein gleicheres Spiel und erlaubt jedem Spieler, seine eigene Strategie zu entwickeln. Da hierdurch aber auch keine Strategie mehr offensichtlich ist, ist dieser Modus nur für erfahrene Spieler zu empfehlen.

Ausstattung

It’s a Wonderful World gibt es in drei verschiedenen Versionen: Einer Retail-Edition, einer Kickstarter-Version mit teilweise hübscherem Spielmaterial, sowie eine Heritage-Edition, die eine Storyline enthält, die durchgespielt werden kann. Zur Rezension lag uns die Retail‑Edition vor.

Das Spielmaterial in dieser Version ist von guter Qualität. Die Karten sind robust und sollten einige Mischvorgänge aushalten. Und da nur zu Beginn einer jeden Partie gemischt werden muss, ist deren Beanspruchung auch gar nicht besonders hoch.

Die zentrale Auslage bietet Platz für das gesamte gemeinsame Spielmaterial und ist aus robuster Pappe.
Die zentrale Auslage bietet Platz für das gesamte gemeinsame Spielmaterial und ist aus robuster Pappe.

Die Plastikmarker für die Ressourcen sind von üblicher Qualität und Größe. Etwas verwunderlich ist lediglich, dass nur manche der Ressourcen durchsichtig sind. Warum sind hier nicht alle Marker entweder durchsichtig oder eben nicht?

Die Marker für die Anführer sowie das zentrale Spielfeld, auf dem die Ressourcen abgelegt werden, sind aus hochwertiger und dicker Pappe. Die Schachtel bietet ausreichend Platz für das komplette Material.

Die harten Fakten:

  • Verlag: La Boîte de Jeu / Lucky Duck Games / Origames
  • Autor(en): Frédéric Guérard
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 60 Minuten
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4 5
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 50 EUR (Messepreis)
  • Bezugsquelle: Noch in Deutschland nicht erhältlich, vereinzelt auf Ebay

 

Bonus/Downloadcontent

Das Spiel an sich war auf der SPIEL in Französisch oder Englisch zu bekommen. Und bis auf die Namen der Karten enthält das Spielmaterial auch keinerlei Text. Praktischerweise gibt es bei BoardGameGeek eine offizielle deutsche Regel zum Spiel.

Fazit

Der Standardaufbau für vier Spieler vor Beginn der ersten Draftingrunde
Der Standardaufbau für vier Spieler vor Beginn der ersten Draftingrunde

It’s a Wonderful World behauptet von sich, ein Science-Fiction-Spiel zu sein. Und im Artwork des Spiels findet sich das auch etwas wieder. Spielerisch hätte man aber im Grunde auch jedes andere Thema verwenden können. Die Ressourcen und Anführer werden wohl in keiner Runde anders als nach ihren Farben benannt werden, und die tatsächlichen spielmechanischen Funktionen der Karten haben mit deren Titeln und Artwork wenig zu tun, so dass das Thema schnell in den Hintergrund und Vergessenheit gerät.

Wem das wie mir relativ egal ist, und wer Spaß an Drafting-Spielen hat, der kann hier ein wirklich gutes Spiel entdecken. Denn trotz der relativ kurzen Spielzeit von gerade einmal etwa einer Stunde besteht das Spiel aus einer derartigen Fülle an interessanten Entscheidungsmomenten, dass es sich wie ein längeres Spiel anfühlt. Auch sind alle Spieler permanent am Spielgeschehen beteiligt, was das Spiel ebenfalls länger erscheinen lässt.

Einziges Manko, wenn man vom Fehlen thematischer Dichte absieht, ist, dass man eine Menge Zeit investieren müsste, um perfekt zu spielen. Denn dazu muss man sich die Auslagen aller anderen Spieler ständig anschauen, um entscheiden zu können, welche Karten man nicht weitergeben darf. Das würde das Spiel aber sehr langatmig machen und auch faktisch ziemlich in die Länge ziehen. Dieser Umstand sorgt schnell dafür, dass man die anderen Spieler am Tisch mehr oder weniger ignoriert und dann am Ende überrascht ist, wer eigentlich gewonnen hat. Hier hätten Zwischenstände dem Spiel gutgetan – oder zumindest eine schnell lesbare Anzeige, wer eigentlich wie viel von jeder Ressource produziert. Ohne diese extra ‚Aufmerksamkeit‘ bleibt es jedoch ein kurzweiliges Spiel, das schnell erklärt ist, aber deutlich mehr Komplexität besitzt als die simplen Regeln vermuten lassen.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: © La Boîte de Jeu
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde vergünstigt zur Verfügung gestellt.

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