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Was kommt heraus, wenn man Buffy the Vampire Slayer mit Romeo und Julia kreuzt? Dieser Frage stellt sich die Kurzgeschichte First Kill der Bestsellerautorin Victoria „V.E.“ Schwab, welche jüngst als Serie auf Netflix adaptiert wurde. Wir haben uns die erste Staffel der Vampirsaga angeschaut.

Vampire und andere übernatürliche Wesen schienen in der Jugendsparte lange „out“ – zu abgegrast nach der Twilight-Ära. Mit der Kurzgeschichten-Anthologie Vampires Never Get Old: Tales with Fresh Bite (bisher nicht übersetzt) wollten die Jugendbuchautorinnen Zoraida Cordova und Natalie C. Parker das Gegenteil beweisen. Für diese Anthologie schrieb Victoria „V.E.“ Schwab ihre queere Kurzgeschichte First Kill, aus deren Vorlage sie im Anschluss die Adaption für den Streamingdienst Netflix selbst schuf. Die Serie ist seit dem 10. Juni zu sehen.

Victoria Schwab auf ihrem offiziellen Autorinnen-Portrait.

Schwab, bekannt für ihre phantastischen Romane wie den Weltenwanderer-Epos und Das unsichtbare Leben der Addie LaRue, war für die Serie sowohl federführend als auch als Produzentin tätig. Ihre kreative Vision ist in der Serie deutlich spürbar. Thematiken wie die Frage, wer Monster und wer Mensch ist, sind ihren Leser*innen nicht fremd. Fast schon fragen wir uns – mit einem zwinkernden Auge – warum in First Kill noch keine Parallelwelten aufgetaucht sind.

Aber nicht nur die Autorin ist als bekannter Name in das Projekt involviert. Produziert wurde die Serie von Schauspielerin Emma Roberts (Scream 4, American Horror Story) und deren Produktionsfirma Belletrist. Diese ist nach eigener Aussage eine „Produktionsfirma für Buchliebhaber“. Ein scheinbar gutes Match für Schwabs erste Adaption.

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Story

Die junge Vampirin Juliette hat noch immer nicht ihre erste Jagd vollzogen und einen Menschen gebissen. Die Zeit drängt. Ihre Blutlust wird immer stärker, genau wie der Druck in ihrer Familie, es endlich hinter sich zu bringen. Juliette wiederum weigert sich, da dies bedeutet, eine andere Person zu verletzen. Gleichzeitig gilt es, das Gesicht der Familie nach außen zu wahren und das zu zerbrechen drohende innere Machtgeflecht aufrecht zu erhalten. Dann verliebt sie sich in Calliope – doch diese versucht prompt, Juliette mit einem Holzpflock zu pfählen, denn „Cal“ ist Teil einer Monsterjäger*innen-Familie. Die beiden jungen Frauen merken jedoch schnell, dass Gut und Böse nicht ganz so leicht zu trennen sind.

Tödliche Liebe – First Kill trägt voll auf.
Tödliche Liebe – First Kill trägt voll auf.

Was nach einer melodramatischen Neuerzählung von Romeo und Julia klingt, ist eigentlich auch genau das. Zumindest scheint es am Anfang so, als die beiden Teenagerinnen sich zu Jukebox-Musik im Hintergrund ineinander verlieben und beschließen, sich gegen die Feindschaft ihrer Familien aufzulehnen. Dabei enthält schon das Intro eine Hommage an Twilight und in prophetischen Traumsequenzen werden biblische Motive auf eine ähnliche Art und Weise zweckentfremdet, wie Good Omens es tut. First Kill nimmt sich selbst nicht allzu ernst, was der Serie zweifellos gut tut, um sich gegen die Konkurrenz innerhalb des Urban Fantasy-Genres behaupten zu können.

Nichtsdestotrotz weiß die Geschichte auch emotional zu überraschen. Zuschauer*innen merken schnell, dass Vampire und Monsterjäger*innen sich zum einen gar nicht so unähnlich sind und zum anderen hinter verschlossenen Türen mit sehr menschlichen Problemen zu kämpfen haben. Überraschend gefühlvoll wird die Serie dann im Laufe ihrer acht Folgen, wenn es um Familie und die Bereitschaft, für diese zu kämpfen, geht.

Calliopes Familie hält zusammen, egal was kommt.
Calliopes Familie hält zusammen, egal was kommt.

Das Ende der ersten Staffel lässt uns aber leider hängen. Zu deutlich wird, dass die Serie für mindestens zwei Staffeln ausgelegt ist und wir erst bei der Hälfte der Geschichte angekommen sind. Ohne die Gewissheit, ob es eine zweite Staffel geben wird, hinterlässt dies einen etwas faden Beigeschmack.

Familienbande

Schwab rückt mit ihrer Geschichte komplexe Familienbande in den Fokus. Die matriarchalen Strukturen der Vampir-Gesellschaft zeigen dies gut auf. Die Frauen kämpfen mit ihren Doppelrollen als Mütter und Schwestern und als Machthabende innerhalb ihrer sozialen Gefüge. Dieser schwierige Balanceakt zieht sich als Generationentrauma durch Juliettes Familie: Ein Trauma, an dem ihr engster Familienkreis schon vor Beginn der Serie zerbrochen ist.

Einer der wohl interessantesten Momente der Serie ist daher, als Juliettes Vater ohne Vorwarnung die amtierende Matriarchin – Juliettes gefühlskalte Großmutter – tötet, damit diese seinen Töchtern und seiner Frau kein Leid mehr zufügen kann. Die Reaktionen der Frauen sprechen Bände, als sie damit hadern, dass Trauer nicht dazugehört. Wir bleiben daher gespannt, wohin dieser Storystrang noch führen wird.

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Darsteller*innen

In den Hauptrollen sind Sarah Catherine Hook (The Conjuring III) als Juliette Fairmont sowie Imani Lewis (Hightown, Eight Grade) als Calliope Burns zu sehen. Die Darstellerinnen leisten solides Schauspiel, allerdings nimmt man den beiden die Chemie untereinander nicht immer ab. Das mag an der etwas sprunghaften Entwicklung der jungen Liebe liegen – die Beziehung zwischen den beiden Hauptcharakteren wird nicht richtig aufgebaut, sondern mit einer mystischen Verbindung wegerklärt.

Aubin Wise (Dimland) als Talia Burns sticht aus dem erweiterten Cast besonders hervor – ihre Darbietung als Mutter von Dreien ist besonders in den letzten Folgen, ohne an dieser Stelle spoilern zu wollen, positiv herzzerreißend. Aber auch Gracie Dzienny (Bumblebee) als Juliettes ältere Schwester Elinor macht viel Spaß in ihrer Rolle als machthungrige Vampirin anzusehen.

Gracie Dzienny spielt die machthungrige Elinor erfreulich gut.
Gracie Dzienny spielt die machthungrige Elinor erfreulich gut.

Wir haben die Serie im Originalton angeschaut. Eine Synchronisation liegt aber, wie von Netflix gewohnt, im Deutschen vor. Zu deren Qualität können wir allerdings nichts sagen.

Inszenierung

Die Special Effects der Monster liegen irgendwo zwischen einer Hommage an das Kultige, wie Buffy oder Doctor Who, und einer offensichtlichen Low-Budget-Produktion – etwas, das für eine Plattform wie Netflix eigentlich nicht sein müsste. Wir können uns nicht ganz entscheiden, ob wir das als Absicht durchgehen lassen wollen. Zum Glück sind nur wenige Szenen betroffen. Schließlich ist die Prämisse der Serie ja, dass die Monster, um die es geht, wie Menschen aussehen.

Negativ aufgefallen sind uns leider die Actionsequenzen. Die Kampfchoreografien wirkten teils sehr gestellt, da zu statisch. Besonders die Kämpfe, die ohne Waffen ausgetragen werden – so auch die meisten Choreografien von Lewis – leiden darunter. In Folge 3 findet sich wohl die größte Actionsequenz der Serie, diese bleibt aber sehr wirr und unübersichtlich.

First Kill ist eine queere Story, ohne klischeebehaftet zu sein. Unsere beiden Protagonistinnen sind zwar lesbisch, dies wird aber nicht groß thematisiert. Es ist erfrischend zu sehen, dass Schwab es schafft, so unaufgeregt die Liebe zwischen zwei weiblichen Figuren in das Zentrum der Geschichte zu rücken. Zusätzlich ist es schön, dass durch die Figur von Ben – Juliettes bestem Freund – ein weiterer queerer Charakter auftritt. Hollywood scheint langsam zu verstehen, dass queere Personen selten allein auftreten.

Schwab ist selbst offen queer, was sicherlich zu der gelungenen Repräsentation beiträgt. First Kill kommt nämlich ganz ohne tragische „Coming out“-Szenen oder familiären Druck auf Juliette, (möglichst weibliche) Nachfahren für ihre vampirische Familie zu zeugen, aus. Es gibt auch ohne eine solche Storyline schließlich genug Drama in der Serie.

Erzählstil

First Kill wird aus den Perspektiven von sowohl Calliope als auch Juliette erzählt, die sich beide regelmäßig via an Zuschauende richten und über ihr Leben und die erste große Liebe philosophieren. Das dadurch entstehende Teenage-Drama-Flair inklusive der Durchbrechung der vierten Wand a la Gossip Girl bringt die Leichtigkeit in die Serie, die zu Beginn den Ton angibt.

Schnell wird jedoch klar, dass dieser persiflierende Erzählstil ein Mittel ist, um aufzuzeigen, dass die beiden Teenager ihre Welt durch eine verklärte Brille betrachten. Wir bekommen im Laufe der Serie Szenen zwischen den anderen Figuren zu sehen, die sich tonal deutlich von Juliette und Calliope unterscheiden.

Vor allem die Spannungen zwischen den beiden Elternpaaren sowie den älteren Geschwistern stehen im starken Kontrast zu den Szenen der beiden jüngsten Töchter. Die unterschiedlichen Familienbande bieten den interessantesten Themenkomplex der Serie. In den letzten Folgen passt der Unterschied zwischen dem Erzählstil und dem stetig düsterer werdenden Inhalt allerdings nicht immer ganz zusammen.

Unfreiwillige Allianzen zwischen den beiden Familien sorgen für zusätzliche Spannungen.
Unfreiwillige Allianzen zwischen den beiden Familien sorgen für zusätzliche Spannungen.

Die harten Fakten:

  • Regie: Eriq La Salle, Amanda Tapping, Jet Wilkinson u.a.
  • Darsteller*in(nen): Sarah Catherine Hook, Imani Lewis, Aubin Wise, Gracie Dzienny, Elisabeth Mitchell u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch, Deutsch
  • Format: Serie, 8 Folgen
  • Preis: Im Abonnement enthalten
  • Bezugsquelle: Netflix

 

Fazit

First Kill möchte jugendliche Unterhaltung sein, ohne allzu ernst genommen zu werden. Das macht die Serie schon im Intro deutlich, und als solche ist sie auch nett anzusehen. Freund*innen des Übernatürlichen, die Romeo und Julia-Geschichten mögen, werden ihren Spaß daran finden. Schwab bleibt aber glücklicherweise nicht oberflächlich. Die komplexen Familienbande von Juliette und Calliope sorgen für emotionale Tiefe und überraschende Twists, verhindern aber auch, dass der Ton der Serie über die acht Folgen konsistent bleibt.

Das Ende hinterlässt insofern einen faden Beigeschmack, als dass es kein wirkliches Ende gibt. Die erste Staffel endet auf einem dramatischen Höhepunkt, der Cliffhanger stellt aber nicht wirklich zufrieden. Die letzte Szene rückt den Fokus zudem weg von Juliette und Calliope – das fanden wir unglücklich gewählt.

Können Juliette und Cal am Ende zusammen sein? Die erste Staffel beantwortet das noch nicht.
Können Juliette und Cal am Ende zusammen sein? Die erste Staffel beantwortet das noch nicht.

Ansonsten ist die Serie durchaus sehenswert. Wer Vampir-Liebesgeschichten noch nicht überdrüssig ist (zumal es ja bei First Kill auch darum geht, gemeinsam über das überzogene Melodrama zu schmunzeln), der sollte ruhig einen Blick in die Serie werfen und sich selbst ein Bild machen. Ansonsten hätten wir weitere queere Empfehlungen für euch, darunter auch den Vampirfilm Bit (2019)

  • Überraschend vielschichtige Story trotz Teenie-Drama
  • Gelungene queere Repräsentation
 

  • Abruptes, nicht zufriedenstellendes Ende
  • Low-Budget-Effekte und -Kostüme

 

Artikelbilder: © Netflix
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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