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Im Februar ruft die Tactica. Das große Familientreffen der Tabletop-Szene findet alljährlich im Bürgerhaus Wilhelmsburg statt. Für viele Menschen im Hobby ist die Veranstaltung ein Pflichttermin. Händler, Clubs und Kreative sorgen für gute Unterhaltung, spannende Spiele und viele fantastische Platten fürs Auge. Wir waren für euch vor Ort.

Als wir am Samstagmorgen eine Stunde vor offiziellem Start der Veranstaltung am Bürgerhaus in Wilhelmsburg ankamen, hatte sich bereits eine beachtliche Schlange vor dem Eingang gebildet. Auch im Bürgerhaus herrschte geschäftiges Treiben. Händler waren noch dabei, ihre Waren einzusortieren und im Flohmarkbereich wurden die ersten Tische befüllt. In der Verkaufshalle fielen sofort die breiteren Gänge auf, welche sich später noch als sehr nützlich erweisen sollten. Nach einer ersten Runde durch die noch unbesuchten Räumlichkeiten und dem Schütteln vieler bekannter Hände, reichte die Schlange vor der Tür inzwischen über den ganzen Parkplatz. Dank des freundlichen Wetters musste aber niemand frieren oder gar im Regen stehen, wie es in anderen Jahren durchaus der Fall gewesen war. Als die Türen sich um 10:00 Uhr offiziell öffneten, füllten sich die Gänge und Räume schnell mit der wartenden Menge.

Die Schlange reichte bis an die Straße.
Die Schlange reichte bis an die Straße.

Breitere Gänge, bessere Luft

Durch die bereits erwähnten breiteren Gänge verteilten sich die Besucher*innen besser als in den Vorjahren, sodass es nur zur anfänglichen Stoßzeit zu etwas Gedränge kam. Wie uns von den Veranstaltenden mitgeteilt wurde, arbeitete auch die Belüftung des Bürgerhauses zuverlässig, was das Klima spürbar verbesserte. Wir machten uns in der Verkaufshalle zunächst auf die Suche nach Neuheiten.

Freebooter Miniatures hatten an ihrem gewohnten Platz vor der Verkaufshalle angelegt und ihren Stand aufgebaut. Wie schon im letzten Jahr konnte hier das noch nicht offiziell erschienenen Sci-Fi-System Ascending Fate probegespielt werden. Aber natürlich gab es auch für Freebooter’s Fate Demo-Platten. Das besondere Highlight war die neue Fraktion für den Piraten-Skirmisher, welche zusammen mit dem nächsten Zusatzbuch Tales of Longfall #9 zur SPIEL in Essen erscheinen soll. Es stehen bereits jetzt Beta-Regeln im Downloadbereich von Freebooter Miniatures zur Verfügung. Die Tianyu hatten bereits in Tales of Longfall #8 einen Gastauftritt und werden nun als spielbare Fraktion hinzugefügt. Sie sind aus dem Fernen Osten nach Leonera gekommen, um das durch das Eintreten der Schatten in die Welt ausgelöste Ungleichgewicht zu revidieren. Bei den Tianyu dreht sich alles um das Gleichgewicht der Dinge im Sinne von Yin und Yang. So verfügen sie auch über Sonderfähigkeiten, die entweder der hellen oder der dunklen Seite zugeordnet sind. Jedes Mal, wenn eine solche Fähigkeit eingesetzt wird, verschiebt sich der zu Spielbeginn in neutraler Position startende Marker auf der Gleichgewichtskarte entsprechend um ein Feld auf die helle oder dunkle Seite. Ist der Marker auf dem zweiten Feld einer Seite angekommen, kann keine entsprechende Fähigkeit mehr eingesetzt werden, bis wieder ein Ausgleich erfolgt ist. Der Einsatz der Fähigkeiten muss also gut geplant werden und nach Möglichkeit das Gleichgewicht aufrechterhalten werden. Die Beta-Regeln bieten bereits Profilkarten für 17 verschiedene Modelle. Zu sehen gab es auf der Tactica vier Modelle, welche noch in der 3D-gedruckten Rohform vorlagen. Hier kann sich bei zum Erscheinen also noch etwas ändern, genau wie bei den Regeln.

Gangs of Rome erscheint Mitte des Jahres auf Deutsch.
Gangs of Rome erscheint Mitte des Jahres auf Deutsch.

Am Stand von Stronghold Terrain haben wir über die nächsten anstehenden Erscheinungen gesprochen. Als nächstes im Veröffentlichungsplan steht die deutsche Fassung des Skirmishers Gangs of Rome, was wir auch probegespielt haben. Dabei dreht es sich, wie der Name schon verrät, um Bandenkämpfe im antiken Rom. Das Spiel hat eine wirklich ansprechende Aktivierungsmechanik und hat uns Lust auf mehr gemacht. Wir hoffen, dass wir euch Mitte des Jahres das Regelwerk offiziell vorstellen können.

Für das vielseitige Regelwerk SAGA wird mit Spannung die nächste Erweiterung Age of Chivalry erwartet. Sie führt die Epoche des Mittelalters ein und soll auf Englisch zum Ende des Jahres erscheinen. Mit der Übersetzung ins Deutsche soll nach dem Erscheinen ebenfalls begonnen werden.

Über das vorbemalte Gelände von Micro Art Studio haben wir in der Vergangenheit mehrmals berichtet. Im Schaukasten konnten wir bereits einen Blick auf die nächste Erscheinung der Reihe werfen. Für Infinity werden Gebäude für die Fraktion Haqqislam erscheinen. Das Orient-Thema wurde hier gut aufgegriffen und mit Sandfarben und Grün auch die Farben der Fraktion mit übernommen. Wir sind gespannt auf die Bausätze.

Ein weiteres Projekt soll über einen Kickstarter finanziert werden. Dabei handelt es sich um Vitrinenmodelle von Kindern, die sich als Helden verkleidet haben. Drei dieser Modelle durften wir bereits begutachten und sie machen einen sehr guten Eindruck.

Auch Gravity Bay waren wieder vor Ort, um ihr System Rapture vorzustellen. Neben dem bereits erhältlichen Sortiment und zwei Demo-Platten gab es auch einen kleinen Teaser auf die nächste Fraktion. Die Icnun versprechen eine interessante Erweiterung des Hintergrundes zu werden.

Der Stand des Händlers PK-Pro fehlte in diesem Jahr leider. Aus gesundheitlichen Gründen musste die Teilnahme leider spontan abgesagt werden. Kund*innen, die Ware vorbestellt hatten sollen diese aber ohne zuzügliche Versandkosten nachgeliefert bekommen. Sehr fair, wie wir finden.

Wo sind eigentlich die Perrys?

Alan und Michael Perry von Perry Miniatures waren auch dieses Jahr nicht mit ihrem gewohnten Stand, an welchem sie ihre schönen Modelle von Hand modellieren, anzutreffen. Michael war aber vor Ort und hat sich zusammen mit den bekannten Illustratoren Peter Dennis und Aly Morrison unter die Menge gemischt und den ein oder anderen Spieltisch genutzt. Gelegentlich saßen die drei aber auch an einem freien Tisch in ihrer gewohnten Ecke und tauschten sich mit Fans aus.

Die Platten

Das Niveau der Spielplatten auf der Tactica war wie gewohnt sehr hoch. Hier eine Vorauswahl zu treffen ist wirklich nicht leicht. Doch euch alle Tische zu zeigen, würde leider den Rahmen sprengen. Im Themenraum der Tactica lag der Fokus auf „Urban War“, also Kämpfe in Stadtgebieten. Uns ist hier die Platte der Favela im fiktiven Staat Val Verde besonders ins Auge gefallen. Nach den Regeln für Asymmetric Warfare bekämpften sich hier in den engen Gassen die Nationalgarde von Val Verde und das Santa Blanca Kartell. Hier wurde nicht nur eine ganze Stadt mit verschiedenen Ebenen gestaltet, sondern auch viele kleine Details eingebaut. Ein echter Hingucker.

Die Darstellung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán, auf der die Noche Triste nachgespielt werden konnte, war beeindruckend. Auch hier wurde viel Wert auf kleine Details gelegt, wie die Kürbisfelder vor den Stadttoren oder die bemalten Vorhänge vor Fenstern und Türen.

Ein interessantes Konzept bot der Kampf um Zephalon III. Dabei handelte es sich um zwei Spielplatten, auf denen parallel gespielt wurde und deren Szenarien sich gegenseitig beeinflussten. Im kleinen Maßstab ging es dabei nach den Regeln von Warhammer 40000 NetEpic Armageddon zur Sache, wofür Modelle von verschiedenen Systemen zum Einsatz kamen. Mehr ins Detail ging es auf dem Tisch daneben im 28-mm-Maßstab und onepagerules Grimdark Future.

Das Spielen über mehrere Ebenen wurde auf der Steampunk-Version der Hamburger Landungsbrücken auf die Spitze getrieben. Nicht nur an der Oberfläche ging es hier zur Sache. Spielende mussten hier auch in tiefe Gewölbe hinabsteigen und konnten sich sogar unter Wasser bewegen. Ein wirklich eindrucksvolles Projekt.

Häuserkampf in einem etwas anderen Sinne gab es beim Störfall im Laboratorium von Prof. Dr. Dr. Breitenbacher. Hier galt es den Ausbruch der „Testsubjekte“ einer Zombieforschungsanlage einzudämmen. Wenn es sein musste auch mit Hilfe eines Gabelstaplers.

Eine weitere, sehr kreative Idee war die Isla de la Muerte aus Fluch der Karibik. Hier konnten Piraten nach den Regeln von Silver Bajonets gegeneinander antreten. Die Platte wurde in einer alten Weinkiste untergebracht, welche zum Spielen aufgeklappt werden konnte und so das Spielfeld freigab. Eine sehr stimmungsvolle Umsetzung.

Auch das kürzlich von uns vorgestellte Shootout in Dingstown war mit einer Spielplatte vertreten. Auf der Tactica zeigte das System eine Vielseitigkeit und somit wurden hier die Colts gegen Blaster eingetauscht. Statt eines Wild-West-Szenarios wurde das Spielgeschehen kurzerhand ins Star-Wars-Universum, genauer gesagt auf den Planeten Tatooine verlegt. Und auch diese Platte konnte sich mit dem Millenium Falcon als zentralem Geländestück sehen lassen.

Als wirklich gigantisches Stück Gelände präsentierte sich die Mauer aus A Song of Ice and Fire. Zwar war sie bereits auf einer früheren Tactica ausgestellt gewesen, dieses Jahr konnte sie aber von beiden Seiten bespielt werden.

Rund ums Malen – die Pigment Pirates

Die Pigment Pirates aus Hamburg gehören schon seit längerem fest zum Programm. Wie schon in den letzten Jahren konnte man ihnen beim Bemalen von Miniaturen über die Schulter gucken und ausgiebig fachsimpeln. In mehreren Vitrinen konnten außerdem abgeschlossene Projekte bewundert werden.

Die Vorträge rund ums Thema Miniaturbemalung fanden wie gewohnt im Nebenraum statt. Eingeläutet wurde hier der Samstag wieder mit einer Malaktion für Kinder und einem Speedpaint-Wettbewerb. Danach ging es mit spannenden Themen weiter. Wir haben uns Tipps und Tricks für die Bemalung von Haut und die effektive Verwendung von Öl-Washes zeigen lassen.

Tactica – Einmal über den Tellerrand schauen (von Geoffrey Förste)

Als eine der größten (wenn nicht die größte) Tabletop-Messe Deutschlands kann man sich auf der Tactica kaum sattsehen an der Vielzahl von Facetten, die das Hobby zu bieten hat. Dabei fällt auf, dass Spiele aus dem Hause Games Workshop maximal an Verkaufsständen und dem Flohmarkt anzutreffen sind. Und das ist erfrischend.

Der Sog, den die immerwährende Marketingmaschine des Riesen erzeugt, hinterlässt gerne Blindflecken, an denen man auf der Tactica wunderbar arbeiten kann. Wer Skirmisher wie Freebooter’s Fate und Rapture, oder Rank-and-File-Spiele wie Conquest noch nicht kennt, sollte dies dringend nachholen. Die Systeme von onepagerules, die durch ihre klaren Regeln und schnellen Spielmechanismen bestechen, sind geradezu eine Wohltat für Würfelmüde, die sich vom Treffer-, Verwundungs-, Rettungs- und Verwundungen ignorieren-Würfen die Handgelenke wundgeschüttelt haben.

Für mich, der ich durch meinen Schwerpunkt im Ressort das Ohr immer recht nah an den lauten Werbekanälen der Warhammer-Community habe, war es wieder eine kleine Schatzsuche, die dieses Jahr ihre Erfüllung in einer kleinen Bande Piratengoblins fand. Allein für die Erfahrung, selbst nach einem aufregenden System zu schauen, anstatt in Instavideos und Artikeln von der Warhammer-Community gesagt zu bekommen, welches neue Produkt man sich anschaffen sollte, bevor es wieder vom Markt verschwindet, lohnt sich die Reise.


Endlich mal wieder Tactica! (von Nina Horbelt)

Die Tactica 2024 war ein beeindruckendes Erlebnis – ich war zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder dort! Es hat etwas von Heimkommen, ein wohliges Gefühl trotz der gut gefüllten Räumlichkeiten am Samstag. Es gab wie immer viele wunderschön gestaltete Spielplatten zu bewundern, allen voran die von Game of Thrones inspirierte große Mauer, die einen Spieltisch auf zwei unterschiedliche Platten aufteilte – einmal die Wildnis und auf der anderen Seite die Schwarze Festung. An zweiter Stelle kam für mich der Aufbau von Minas Tirith, realisiert von Gerard Boom mit Shifting Lands. Ich bin jedes Mal wieder erstaunt darüber, was man mit einem Styroporschneider alles basteln kann! Der Sonntag war etwas ruhiger mit einem Vortrag der Pigment Pirates über das schnelle Anmalen von Armeen. Da habe ich einige Tipps für meine laufenden Projekte mitnehmen können. Ich freue mich schon aufs nächste Jahr!

 

Bild 29_Tactica, BU: Nina, Geoffrey und Dennis (vlnr) am zweiten Messetag.

Die Tactica ist zurück

Nina, Geoffrey und Dennis (vlnr) am zweiten Messetag.
Nina, Geoffrey und Dennis (vlnr) am zweiten Messetag.

In diesem Jahr hat die Tactica die Auswirkungen der Corona-Jahre erfolgreich hinter sich gelassen. Die Besucherzahlen waren, wie uns die Veranstalter bestätigten, zurück auf dem Niveau vor der Krise. Auch die Händler, mit denen wir gesprochen haben, waren mit den Verkäufen durchaus zufrieden. Besucher*innen konnten wie gewohnt das eine oder andere Schnäppchen machen und auch Rabatte für Vorbesteller wurden angeboten.

Es gab viele interessante Systeme zu entdecken und die Spielplatten der Ausstellenden waren von außergewöhnlicher Qualität. Egal, ob man auf der Suche nach Neuheiten war oder sich nur über alternative Spielsysteme informieren wollte. Hier wurde wirklich jede*r fündig. Dank breiterer Gänge und funktionierender Lüftung war der Aufenthalt in den Räumen des Bürgerhauses deutlich angenehmer als in der Vergangenheit. Wer größeres Gedränge vermeiden möchte, sollte sich den Samstagnachmittag oder besser noch den Sonntag für den Besuch auswählen. Insgesamt eine gelungene Messe. Wir kommen gern wieder.

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Dennis Rexin

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