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Eine neue Edition heißt auch immer ein neuer Codex für die Space Marines. Auch in der neunten Edition werden die Söhne des Imperators direkt zu Anfang mit neuen Inhalten versorgt. Wir haben den Bolter geschultert, das Kettenschwert angeworfen und uns in den Kampf für die Menschheit gestürzt.

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Mit jeder neuen Edition erscheint für die Space Marines ein neuer Codex von Games Workshop. Während andere Fraktionen teilweise über ein Jahr auf neue Regeln und neuen Nachschub warten müssen, sind Space Marines seit jeher die ersten Nutznießer eines solchen Updates. So ist dies auch in der neuen Edition geschehen und neben unzähligen Änderungen im Detail haben die Space Marines eine ganze Reihe neuer Einheiten erhalten. Eine solch frühe Veröffentlichung ist dabei meist Fluch und Segen zugleich. Einerseits bekommt man früh neue Modelle und mehr Auswahl, gleichzeitig zeigt sich erst in der Langzeitbetrachtung und dem Vergleich mit anderen Codizes, inwieweit die Armee wirklich schlagkräftig ist. In diesem Bericht müssen wir uns daher auf den Jetzt-Zustand beschränken und können noch keine ernste Einschätzung der langfristigen Turnierstärke der Armee geben.

Wie wird man eigentlich ein Space Marine? – Der Hintergrund

Der Hintergrund ist leider zu kompakt ausgefallen

Space Marines sind die Elite-Krieger des Imperiums. Diese werden nicht geboren, sondern mit Hilfe von komplexen Ritualen und Organverpflanzungen erschaffen. Ein Space Marine ist dadurch größer und deutlich leistungsfähiger als es ein normaler Mensch je sein könnte.

Organisiert sind die Krieger des Imperators, die auch als seine Engel bezeichnet werden, in sogenannten Orden. Neben den althergebrachten neun Gründungsorden gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Nachfolgeorden, über deren Herkunft mal mehr und mal weniger bekannt ist.

Im Zuge der letzten Jahrhunderte, innerhalb des Hintergrundes, sind die sogenannten Primaris Marines hinzugekommen. Diese haben nochmals erweiterte Organe verpflanzt bekommen. Diese neuen Marines sind dabei größer als ihre älteren Vettern, was sich auch in etwas besseren Werten niederschlägt.

Die ersten 76 Seiten des Codex widmen sich wie immer dem Hintergrund der Space Marines. Was nach viel klingt wirkt aber etwas unaufgeräumt. Jeweils kurze Abschnitte beschäftigen sich mit unterschiedlichsten Themen, seien es Ordensbeschreibungen, Einheitenzusammenfassungen, Nachfolgeorden oder Gefechtsgebiete. Ein Neueinsteiger wird hier mit vielen Fragezeichen zurückbleiben, da Themengebiete nur angeschnitten werden, ohne diese tiefer zu beleuchten. Ausführungen zu den Organen der Space Marines fehlen genauso wie die eigentliche Herkunftsgeschichte, die ja bis vor die Horus Heresy zurückreicht. Letztgenannte Übersicht wurde in den Codizes der achten Edition durch einen Zeitstrahl gegeben, der auch kleine Anhaltspunkte zu zukünftigen Ereignissen gab. Dieser Zeitstrahl fehlt jetzt jedoch komplett.

Der Hintergrund-Teil ist damit zwar umfangreich, lässt einen aber etwas unzufrieden zurück. Eine tiefergehende Betrachtung von weniger Einzelpunkten hätten hier geholfen.

Eine Veränderung des Blickwinkels – Neue Regeln

Nahezu alle Regeln für Space Marines haben den Sprung von der achten in die neunte Edition geschafft. Gleichzeitig haben sich aber eine Vielzahl kleinerer Details geändert. Pistolenreichweiten haben sich individuell verändert, Schadens und Schusszahlen variieren. Wer mit der neunten Edition neu mit Space Marines einsteigt wird hierbei keine Probleme haben. Wer jedoch seine Armee aus der achten Edition schon mitbringt, wird genau aufpassen müssen, dass er die individuellen Veränderungen beachtet und nicht aus der Erinnerung spielt.

Neue Kreuzzugsregeln erweitern das Kampagnenspiel

Eine weitreichende Änderung ist die Erhöhung der Lebenspunkte bei klassischen Marines, also allen Marines, die keine Primaris sind. Alle normalen Marines haben nun zwei Lebenspunkte, Terminatoren sogar drei Lebenspunkte. Das gibt den Einheiten eine deutliche erhöhte Überlebenschance und rückt sie an ihre größeren Vettern wieder näher heran. Tactical Marines und Intercessor Squads unterscheiden sich im Profil somit nur durch eine Attacke und dann nachfolgend durch die unterschiedliche Waffenauswahl.

Auf den ersten Blick macht dies die alten Marines wieder besser, bei den so wichtigen Gefechtsoptionen haben Primaris-Marines aber klar Oberwasser. Viele Möglichkeiten, die in der letzten Edition noch für alle Marines möglich waren, sind nun nur noch für die neueren Varianten verfügbar. Vor allem Transhumane Physiologie, die widerstandsfähiger werden lässt, und Ehre den Orden, welche einen nochmal kämpfen lässt, wird man auch mit älteren Modellen schmerzhaft vermissen.

Statt für Kommandopunkte kann man einzelne Charaktermodelle jetzt für Punkte aufwerten. Hiermit verändern sich die Fähigkeiten und zusätzliche Begabungen des Kriegsherren und Relikte werden verfügbar.

Insgesamt ist hier aber an den richtigen Stellschrauben gedreht worden. Man bekommt ein insgesamt sehr rundes Angebot an Verbesserungen gegenüber der achten Edition geboten, eine ganze Reihe Einheiten hat etwas mehr Feuerkraft bekommen oder ist eben widerstandsfähiger geworden.

Neues Jahr – neue Marines

Der Codex: Space Marines besitzt wie immer eine wahre Fülle von Einheitenoptionen. An dieser Stelle soll es daher nur um neue Auswahlen gehen, die kein Bestandteil alter Codizes oder der Indomitus Box waren, über die wir schon berichteten.

In den HQ-Auswahlen finden sich drei neue Kandidaten.

Für jeden Geschmack gibt es einen Space Marine Orden

Mit dem Captain mit meisterhaftem schwerem Boltgewehr steht eine weitere Variante des schon bekannten Gravis-Captains, dieses Mal mit einer deutlich sinnvolleren Bewaffnung, zur Auswahl.

Der Primaris-Chaplain auf Bike ist zwar hochmobil und widerstandsfähiger, ihm fehlt jedoch die Sonderregel, die die anderen Primaris-Bikes so gut macht.

Zu guter Letzt ist mit dem Primaris-Techmarine für die letzte alte HQ Auswahl eine Primaris-Variante hinzugekommen.

In den Standardauswahlen gibt es mit dem schweren Intercessortrupp eine Gravis-Variante der bekannten Standard-Marines. Diese sind mit Widerstand fünf und jeweils drei Lebenspunkten exzellent dazu geeignet ein Missionsziel zu halten.

Unter den Elite-Auswahlen gibt es eigentlich keine richtige neue Einheit, jedoch können Intercessor-Veteranentrupps nun von Punkten gekauft und müssen nicht mit Kommandopunkten bezahlt werden. Diese können auch als Sturm-Intercessor ausgerüstet werden, jedoch ohne Punktersparnis gegenüber ihren schießenden Gegenstücken.

In der Sturmauswahl finden sich zwei neue Einheiten. Einerseits das Invader-Quad, das wie ein Primaris-Trike funktioniert. Vor allem mit einem Multi-Melta dürfte dies eine durchaus taugliche Einheit sein, jedoch ist seine Optik umstritten, erinnert er doch vor allem an einen Strandbuggy und weniger an ein Kampffahrzeug.

Ebenfalls ein gewisses Optik-Problem hat der neue Storm Speeder, den es mit drei verschiedenen Waffenoptionen gibt. Die grundsätzliche Optik konnte den meisten Spieler*innen gefallen, jedoch irritiert der zwischen der Waffenaufhängungen herausschauende Space Marine Kopf doch merklich.

Auch in der Unterstützungs-Sektion gibt es zwei neue Auswahlen. Feuerschlag-Servotürme bieten dabei semi-stationäre Feuerunterstützung während mit dem Gladiator die Primaris-Variante des Predators Einzug erhält. Den Gladiator gibt es dabei, ähnlich wie den Storm Speeder, mit drei Bewaffnungsvariationen, wobei diese hier den Predator Annihilator, den Predator Destruktor und den Baal Predator ähneln.

Zuletzt gibt es noch eine neue Befestigung, den Hammerschlag-Sturmbunker. Entgegen erster Überlegungen kann man diesen leider nicht schocken, sondern muss ihn normal platzieren. Möglicherweise eignet er sich aber ganz gut, um ein Missionsziel in der eigenen Aufstellungszone zu sichern.

Für Verwirrung wird, losgelöst von den neuen Optionen, potenziell sorgen, dass drei Einheiten umbenannt wurden. Hellblasters heißen nun Interfectors, Reivers sind nun Externatortrupps und die neuen Outriders sind in Excursoren umbenannt worden, jedenfalls im Deutschen. Es ist nicht klar warum diese Änderungen durchgeführt wurden, die noch ähnlicher klingenden Namen dürften jedoch für etwas Verwirrung sorgen, spätestens bei internationalen Turnieren.

Insgesamt kann die Auswahl wie immer überzeugen, man fühlt sich sogar eher erschlagen. Gleichzeitig ist nicht von der Hand zu weisen, dass immer mehr alte Space Marine Einheiten ihr modernes Primaris Äquivalent bekommen. Gefühlt ist es nur noch eine Frage der Zeit bis die alten Modelle ihren Weg in den Legends-Bereich von Warhammer 40k finden. Dies wird aber aller frühestens in der nächsten Edition geschehen, bis zu der es ja noch eine ganze Weile hin ist.

Und was gibt es sonst? – Die weiteren Inhalte

Neben den schon genannten Inhalten bietet der Codex: Space Marines auch Kreuzzugsregeln. In diesem neuen, mit der neunten Edition eingeführten, Spielmodus wächst die eigene Armee von Spiel zu Spiel. Der Codex bietet hierbei neue Aufrüstungsoptionen und Gegenstände, mit denen man die eigenen Truppen verstärken kann. In der Mitte des Buches findet sich in gewohnter Weise ein Bildteil, in dem unterschiedliche Einheiten der Space Marines abgebildet sind. Dieser Teil ist ebenfalls kürzer geworden und alle abgebildeten Infanterie-Modelle sind Primaris. Ein weiterer Hinweis auf den irgendwann zu erwartenden Wechsel.

Die Druckqualität ist in gewohnter Weise gut gelungen. Die Bilder sind scharf, der Satz des Textes sauber. Rechtschreibfehler sind uns beim Lesen nicht aufgefallen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Preis: 36,80
  • Bezugsquelle: Games Workshop, Amazon

 

Codex Digital – Die App-Unterstützung

In der aktuellen Codex-Generation gibt es erstmals eine App-Unterstützung. Am Ende des Buches findet sich ein entsprechender Code, um den Codex auch in der Warhammer-App freizuschalten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten funktioniert die App dabei ausgezeichnet, einziger Wermutstropfen ist, dass man in der Suche noch nicht einstellen kann, dass Codizes ausgelassen werden, die man nicht besitzt. Eine Schlagwortsuche wirft einem so eine Vielzahl an Begriffen aus, die einen gar nicht interessieren.

Ganz klarer Pluspunkt ist, dass in die App automatisch die Errata eingefügt werden. Mit den ersten Errata zum Codex: Space Marines ist das auch schon geschehen, der Primaris Apothecary hat beispielsweise ein fehlendes Keyword bekommen. Ob dann geänderte Punktkosten aus dem nächsten In Nomine Imperatoris ebenfalls nachgetragen werden, wird sich noch zeigen. Das Erstellen einer Armeeliste ist mit der App noch nicht möglich, soll aber noch folgen. Ob dies dann nur in der Bezahlversion möglich ist oder dafür nur der Kauf des Codex nötig ist, wird sich noch zeigen müssen.

Der Imperator beschützt! – Ein Fazit

Auch diese Fassung des Codex: Space Marines kann grundsätzlich überzeugen. Man bekommt wieder viel Spielmaterial, eine titanische Auswahl an Einheiten und genug unterschiedliche Optionen, um völlig verschiedene Armeen zu gestalten. Die App ist ebenfalls positiv hervorzuheben. Die Einbettung des Hintergrundes ist jedoch merklich weniger geworden und kann so weder Neulinge noch Veteran*innen sinnvoll bedienen. Wer Space Marines spielen will, wird um den Kauf des Codex aber nicht herumkommen.

 

 

Artikelbilder: © Games Workshop
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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