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Lust auf phantastische Abenteuer mit Piraten, Goblins, Voodoo und Rum? Das Ganze in einer karibisch anmutenden Welt mit malerischen Stränden, miefigen Spelunken und gefährlichen Sümpfen? Und das alles, ohne auch nur einen Würfel zu werfen? Dann ist Freebooter’s Fate vielleicht genau, was ihr sucht.

Seit inzwischen zehn Jahren führen Freebooter Miniatures Spieler auf die von Piraten und anderen Fraktionen bevölkerte Phantasie-Insel Leonera, welche den Handlungsmittelpunkt von Freebooter‘s Fate bildet. Auffällig war schon immer das markante Design der Miniaturen und der Verzicht auf Würfel. Kennzeichnend ist außerdem eine sehr humorvolle Gestaltung der Welt und der Regeln.

Über die Zeit sind einige Fraktionen und neue Spielmechaniken hinzugekommen, die in mehreren Büchern veröffentlicht wurden. Ende 2018 erschien dann die zweite Edition des Systems, in der alles zusammengeführt und überarbeitet wurde. Wir haben uns Freebooter‘s Fate #2 für euch angesehen.

Leonera und seine Bewohner

Die Insel Leonera liegt in einer an die Karibik erinnernden Umgebung. Das Wasser ist türkis, die Strände weiß und das Landesinnere mit dichtem Dschungel und Sümpfen bedeckt. An der Küste liegt die Hafenstadt Longfall, die ursprünglich Puerto Alto hieß, als die Imperiale Armada hier noch dominieren konnte. Doch das Imperium ist weit entfernt und so schwand mit der Zeit der Einfluss. Piraten ließen sich nieder und gaben der Stadt ihren neuen Namen.

Auch andere Fraktionen mischen sich in die Geschehnisse ein. Die Goblins waren einst Sklaven der Menschen und kämpfen jetzt für ihre Unabhängigkeit. Die Bruderschaft ist eine Gilde von venezianisch angehauchten Auftragsmördern. Im Dschungel wohnen die Amazonen, die ihre Welt gegen Eindringlinge von außen verteidigen. Der mystische Kult lebt in den Sümpfen und praktiziert eine an Voodoo erinnernde Magie. Bei den Debonn handelt es sich um eine Gruppe Ausgestoßene, die ihre alte Heimat zurückerobern wollen. Die Söldner der Ost-Leonerischen Handelsgesellschaft bilden nicht nur eine eigene Fraktion, ihre Mitglieder verdingen sich außerdem auch bei anderen Banden, wenn der Preis stimmt. Die Schatten sind die neueste Mannschaft für Freebooter‘s Fate. Sie besteht aus Geistern und anderen unheimlichen Gesellen, war bislang aber nur vorab auf Messen zu erwerben.

Das Spiel

Bei Freebooter‘s Fate handelt es sich um einen Skirmisher, welcher normalerweise mit zwei Spielern und jeweils sechs bis zwölf Modellen gespielt wird. Ein normaler Spieltisch sollte 90 x 90 cm groß sein und idealerweise mit genug Gelände ausgestattet sein, denn es gibt viele Möglichkeiten, dieses im Spiel zu nutzen. Außerdem trägt es sehr zur Stimmung bei. Große Spiele können aber durchaus auf 120 x 120 cm ausgetragen werden und auch das Spielen mit mehr als zwei Spielern ist möglich.

Jedes Modell bei Freebooter‘s Fate darf sich individuell bewegen und agieren. Formationen müssen nicht eingehalten werden, auch wenn es zum Teil von Vorteil ist, einige Modelle nicht zu weit voneinander zu entfernen.

Freebooter‘s Fate kommt ohne Würfel aus.

Statt Würfel zu werfen, werden so genannte Schicksalskarten gezogen. Der verdeckten Stapel besteht aus 40 Karten und gezogene Karten werden offen auf dem Ablagestapel abgelegt. Die Schicksalskarten weisen eine Zahl von ein bis zehn auf, sind hell oder dunkel und weisen eines von fünf Symbolen auf. So können zusätzliche Effekte, wie das Ziehen einer Ereigniskarte, ausgelöst werden.

Die im Spiel verwendete Maßeinheit für Entfernungen ist Zentimeter.

Die Charakterkarten

Jeder Charakter verfügt über eine Charakterkarte, auf der alle wichtigen Werte, Ausrüstungen und Fähigkeiten vermerkt sind. Es ist ratsam, die Karten in passende Schutzhüllen zu stecken, da im Spiel Lebenspunkte und andere Werte gestrichen werden müssen.

Jede Profileigenschaft besitzt zwei Werte und ist einer bestimmten Körperregion zugeordnet. Wird ein Charakter an einer Körperzone kritisch verwundet, sinkt der Profilwert auf den zweiten Wert. So sind zum Beispiel die Beine entscheidend für die Bewegung und der Kopf für die Attacken.

Auf den Charakterkarten finden sich alle wichtigen Informationen.

Häufig sind Charaktere mit mehreren Waffen ausgerüstet oder haben Waffen, welche beidhändig geführt werden müssen. Einhändige Waffen sind einem Arm fest zugeordnet und vor einer Aktion steht es dem Spieler frei zu wählen, welche Waffe genutzt werden soll. Sollte ein mit einer Waffe ausgerüsteter Arm kritisch verwundet werden, kann der Charakter diese nicht mehr benutzen.

Jedes Modell hat eine angegebene Größe. Diese legt eine über der Base liegende Höhe fest, zu der eine Sichtlinie gezogen werden kann. Es zählt also nicht die eigentliche Größe des Modells, sondern der über der Base liegende Luftraum in Quaderform, welche mit Hilfe einer Schablone verdeutlicht werden kann.

Der Mannschaftsaufbau

Jede Mannschaft besteht aus drei Charakterkategorien. Ein Anführer hält alles zusammen und ist beispielsweise wichtig für die Erlangung der Initiative in einem Zug. Spezialisten sind besondere Charaktere mit Sonderfähigkeiten oder guter Ausrüstung. Sie können jeweils nur einmal aufgestellt werden und für jeden Spezialisten müssen je nach Fraktion eine bestimmte Anzahl von Modellen aus dem Gefolge in der Mannschaft sein. Das Gefolge bildet die Basis und ist entsprechend günstig. Sie können beliebig oft in einer Mannschaft vorhanden sein, besitzen aber nur grundlegende Ausrüstung und Fertigkeiten. Zu guter Letzt kann auch noch eine begrenzte Zahl an Söldnern angeheuert werden. Sie zählen als Spezialisten und nicht jeder Söldner kämpft für jede Fraktion.

Ein Modell wird für eine im Profil angegebene Anzahl von Dublonen angeheuert. Zusätzlich können sie für ein paar Dublonen auch noch mit Ausrüstungskarten aufgewertet werden. Ein Standardspiel umfasst 500 Dublonen.

Aktivierungen

Die Aktivierung von Modellen erfolgt bei Freebooter‘s Fate immer abwechselnd. Es wird also immer nur ein Modell aktiviert und dann ist der Gegner mit seiner Aktivierung an der Reihe. Jeder Charakter kann wahlweise zwei einfache oder eine komplexe Aktion durchführen. Eine einfache Aktion wäre zum Beispiel eine Bewegung. Bei dieser können verschiedene Formen von Bewegungen wie Laufen, Schwimmen, Klettern, Springen und so weiter kombiniert werden, solang noch Bewegungspunkte übrig sind. Jeder Bewegungspunkt ermöglicht die Bewegung um einen Zentimeter, wobei Klettern und andere, schwierigere Bewegungen den zusätzlichen Aufwand von Bewegungspunkten erfordern. Führt man eine zwei kurze Bewegungsaktionen durch, stehen einem die doppelten Bewegungspunkte zur Verfügung.

Eine Bewegung ist eine einfache Aktion.

Auch Angriffe oder das Nachladen einer Schwarzpulverwaffe sind einfache Aktionen. Somit steht einem oft die Wahl stationär zu bleiben, nachzuladen und erneut zu schießen oder lieber auf die Schusswaffe zu verzichten, sollten alternative Aktionen lohnender sein.

Komplexe Aktionen sind häufig kombinierte Handlungen, wie der Sturmangriff, bei dem eine Bewegung mit einem Nahkampfangriff verbunden wird, welcher dann stärker ausfällt.

Durch die komplexe Aktion Abwarten kann ein Charakter später in der Runde auf eine Aktion eines Gegners reagieren, wenn diese in seinem Sichtbereich erfolgt. Die einzig möglichen Reaktionen sind Laufen oder eine Attacke.

Unterschieden wird außerdem noch zwischen Basisaktionen, die jedem Charakter zur Verfügung stehen und Sonderaktionen, die auf der Karte eines Charakters vermerkt sein müssen.

Kämpfe

Die Kämpfe bei Freebooter‘s Fate haben einen ganz besonderen Reiz. Nah- und Fernkampf laufen hierbei gleich ab. Möchte ein Charakter einen Gegner angreifen, wählt er verdeckt eine Anzahl an Trefferzonenkarten aus, welche seinem Attacken-Wert entspricht. Der Gegner verteidigt auf die gleiche Weise Körperzonen, entsprechend seinem Verteidigungswert. Wählbar sind Kopf, linker Arm, rechter Arm, Unterleib und Beine. Der Angreifer deckt nun nacheinander seine Karten auf. Sollte der Verteidiger die gleiche Körperzone auf der Hand haben, legt er die entsprechende Karte dagegen, um zu blocken. Hat der Verteidiger eine angegriffene Körperzone nicht geblockt, erleidet er einen Treffer.

Nun ziehen beide Spieler nacheinander eine Schicksalskarte und addieren den gezogenen Wert zu ihrem Schaden beziehungsweise ihrem Widerstand. Sollte der Schadensgesamtwert den Widerstandsgesamtwert des Angegriffenen überschreiten, ist die Differenz der erlittene Schaden. Entsprechend werden Felder auf der Charakterkarte abgestrichen. Der Angreifer zieht eine weitere Schicksalskarte. Ist der Wert dieser Karte kleiner oder gleich dem verursachten Schaden, ist der Treffer kritisch. Ein kritischer Treffer senkt den mit der getroffenen Körperzone verknüpften Profilwert. Wir eine kritisch verwundete Körperzone erneut kritisch getroffen, wird der Charakter ausgeschaltet. Hat der Verteidiger zwei angegriffene Körperzonen nicht geblockt, erleidet er automatisch einen kritischen Treffer.

Mit sinkenden Lebenspunkten sinken auch die Moralpunkte eines Charakters. Ab einem auf der Karte vermerktem Wert gilt er außerdem als schwer verwundet. Ein schwer verwundeter Charakter muss sofort einen Moraltest mittels einer Schicksalskarte durchführen. Wird der aktuelle Moralwert überschritten, ergreift der Charakter die Flucht und muss sich später versuchen zu sammeln. Hat ein Charakter keine Lebenspunkte mehr übrig, ist er ausgeschaltet.

Erweiterte Regeln

Die Mystik ist eine Erweiterung der Kernregeln. Hierbei handelt es sich um die Anrufung von Geistern durch Mystiker, welche dann ihre Opfer beeinflussen. Loas werden für Dublonen angeheuert, sind in ihrer Anzahl durch die Profile der Mystiker begrenzt und dürfen jeweils nur einmal pro Mannschaft vorhanden sein. Ein Loa hat keine physische Form auf dem Spielfeld, sondern funktioniert wie eine Art Zauberspruch. Das Opfer kann je nach eingesetztem Loa positiv oder negativ beeinflusst werden. Zum Beispiel kann es zusätzliche Fertigkeiten erlangen oder auch Schaden erleiden.

Die Anrufung eines Loas erfolgt genau wie eine Attacke. Es werden also Trefferzonenkarten gewählt und verglichen. Sollte der Angriff erfolgreich sein, beeinflusst der Loa sein Opfer für die vorgegebene Zeit. Ein Loa kann aber auch auf die gleiche Weise wieder entfernt werden. Da immer nur eine Loa einen Charakter beeinflussen kann, muss ein bereits bestehender Loa ausgetrieben werden, bevor ein neuer auf den gleichen Charakter gewirkt wird.

Eine weitere Regelerweiterung stellen die Boote dar. Boote werden ebenfalls für Dublonen angeheuert und ermöglichen es Charakteren, sich auf dem Wasser zu bewegen und Bootskämpfe miteinander auszufechten. Jedes Boot besitzt eine eigene Charakterkarte, auf welcher – wie auf den Charakterkarten – alle wichtigen Informationen vermerkt sind. Boote haben außerdem eigene Werte für Verteidigung, Widerstandswert und Struktur. Sie können also angegriffen werden und erleiden Schaden.

Ausstattung

Das Softcover-Regelbuch umfasst 98 Seiten in Vollfarbe. Es ist gut strukturiert und führt den Spieler schrittweise in das Spiel ein. Zum leichteren Verständnis werden Beispiele von Spielsituationen beschrieben und durch Bilder verdeutlicht. Da es sich bei Freebooter‘s Fate um ein eher lockeres System handelt, werden außerdem neben den Regeln immer wieder humorvolle Bemerkungen eingestreut. Beispielsweise durch die mit „Mit Blut geschrieben“ gekennzeichneten Textkästen, die so formuliert sind, wie man es sich von einem Piraten vorstellen würde.

Jeder einzelne Regelabschnitt ist deutlich abgegrenzt und fortlaufend nummeriert. Somit ist das Auffinden des passenden Abschnitts mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses zusätzlich erleichtert. Am Ende des Buches findet sich außerdem ein umfassender Index.

Die verschiedenen Mannschaften, mit Ausnahme der noch nicht offiziell erhältlichen Schatten, werden nur kurz vorgestellt und ihre Eigenheiten der Mannschaftsbildung beschrieben. Profile sind in Freebooter‘s Fate #2 nicht enthalten und auch der Hintergrundteil fällt im Vergleich zu den alten Büchern eher knapp aus. Jedem Modell liegt aber die Charakterkarte bei und für die Modelle, welche in der alten Edition erworben wurden, kann außerdem ein kompletter Charakterkartensatz erworben werden. Wer gern die einzelnen Charaktere mit ihren Hintergründen in Buchform nachschlagen möchte, kann hierfür das gesonderte Buch Die Mannschaften erwerben. Ebenfalls separat gekauft werden muss der notwendige Kartensatz mit Trefferzonen-, Schicksals-, Ereignis-, Ausrüstungs- und Loakarten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Freebooter Miniatures
  • Autor: Werner Klocke
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60+ Min
  • Spieleranzahl: 2+
  • Alter: 14+
  • Preis: 25,90 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Im Download-Bereich von Freebooter Miniatures finden sich neben einem alternativen Szenario diverse Vorschläge für Themenmannschaften. Auch die benötigten Spielmarker kann man sich hier noch einmal in digitaler Version herunterladen. Für die eigene Kreativität, wie zum Beispiel Mannschaftsbögen, stehen außerdem die Mannschaftslogos zur Verfügung. Um immer auf dem Aktuellen Stand zu sein, erhält man hier natürlich auch die aktuellen Errata und FAQ zum System.

Fazit

Freebooters Fate #2 ist ein schnell zu erlernendes Tabletop-System, das dennoch viel Tiefe und Handlungsmöglichkeiten bietet. Durch die überschaubare Anzahl an verwendeten Modellen ist ein Einstieg leicht möglich. Dennoch verfügen die Fraktionen zum Teil über eine große Auswahl an Charakteren, welches viel Varianz zulässt. Die Regeln sind gut strukturiert und dank Inhaltsverzeichnis und Index ist das Nachschlagen einzelner Regeln leicht möglich. Zwar sind in Freebooter‘s Fate #2 keine Profile und Charakterbeschreibungen mehr enthalten, doch da die Karten jedem Charakter beiliegen, Kartensets separat erhältlich sind und auch eine Sammlung in Buchform erhältlich ist, fällt dies nicht weiter ins Gewicht. Man muss auch berücksichtigen, dass die alte Version über mehrere Bücher verfügte, welche hier gut zusammengefasst wurden.

Das Spiel macht viel Spaß und nimmt sich selbst nicht zu ernst. Besonders das Pokern mit den Trefferzonenkarten, versuchen zu bluffen und seinen Gegner zu lesen, tragen sehr zum Spielspaß bei. Es ist sehr gut als Nebensystem geeignet, da man auch bei nicht regelmäßigem Spielen den Ablauf leicht behalten kann. Das Trinken von Rum beim Spielen ist zwar nicht notwendig, aber definitiv eine Option.

 

Artikelbild: © Freebooter Miniatures, Layout und Satz: Melanie Maria Mazur, Lektorat: Nina Horbelt, Fotografien: Dennis Rexin
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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