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Nicht nur zur alljährlichen Spooky-Season haben auch Angst und Grusel ihren festen Platz im Liverollenspiel. Ob Limbus, Dungeon oder Zombie-Larp: Richtiges und auch umsichtiges Erschrecken will gelernt sein. Teilzeithelden hat einen kleinen Einblick ins Angst-Business erhalten und bringt etwas Licht ins Dunkel der Dungeons.

Die Zombies kommen … und dann? © depositphotos | sazori

Ob Groß-Con oder kleinere Veranstaltung: Dungeons, Kerker und erschreckende NSC gehören zum Liverollenspiel wie andere phantastische Elemente auch. Gerade auf Cons, auf denen auch schon einmal gestorben wird, sind Einrichtungen wie Limbus oder Niederhölle nicht wegzudenken. Doch wer Spielenden wirkliche Gänsehaut-Momente verschaffen möchte, sollte sich im Vorfeld einige Gedanken machen. Denn es gibt einiges zu beachten, wenn der Schreck nicht nur durch Mark und Bein gehen, sondern am Ende auch allen Beteiligten als positiver Nervenkitzel in Erinnerung bleiben soll.

Triggerwarnungen

Horrorelemente, Dungeons, Pandemie

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Wehe, du sagst jetzt „Buh!“

Kaum ein*e Liverollenspielende*r wird die eigene Larp-Laufbahn mit dem festen Vorsatz starten, die Mitspielenden so richtig das Fürchten zu lehren. Doch folgt man strikt den goldenen Regeln von „gib alles, erwarte nichts“ und „wenn du ein Angebot bekommst, reagiere darauf“, so kommt recht bald die Erkenntnis, dass eine emotionale Reaktion des Gegenübers durchaus ein Erfolgserlebnis ist. Und was wäre emotionaler als so ein richtig schöner, lauter Schrei? Wer sich für eine erschreckende NSC- Rolle oder die Verantwortung für einen Dungeon entscheidet, für die*den ist ein Laut der Angst die schönste Belohnung. Aber wie erschreckt man denn so richtig?

Manchmal ist weniger mehr. Wer sich zum ersten Mal als Geister-NSC im Dungeon versucht, macht gern den Fehler, zu viel zu tun, zu viel zu reden, um das Ganze dann zu krönen mit einem herzhaften „BUH!“ und der Hand auf der Schulter der Spielenden.

Dabei ist das Gruseligste, was es gibt, die Stille vor dem Schreckmoment. Unterstützt durch Ambiente und eventuelle Geräuschkulisse vom Band kann ein NSC auch eine Weile in einer Ecke warten, um den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Wer dem „Opfer“ ein wenig Zeit lässt, sich mit sich selbst zu befassen, sowie mit der Tatsache, dass es in der gesamten näheren Umgebung recht einsam, bis auf das akustische Ambiente still und bestenfalls dunkel ist, wird sehen, dass der Dungeon selbst die halbe Arbeit macht. Angst entsteht im Kopf. Und manchmal lohnt es sich, Spielende bis zum vermeintlichen Ausgang warten zu lassen, um ihnen den Schrei zu entlocken.

Ist die Umgebung dunkel und beengt, genügen schon sparsame Requisiten, um subtil Angst zu machen: Ein einzelner heller oder phosphoreszierender Handschuh oder ein Licht, das definitiv nicht zu den eigenen Begleiter*innen gehört, lässt Spielende bereits schaudern. Flüstern oder Atmen von der anderen Seite einer Wand kann genutzt werden, Gruppen zu trennen und Einzelne dahin zu treiben, wo in der Ecke der nächste Geist schon wartet. Kommen dann noch bewegliche Wände ins Spiel, steht der Treibjagd buchstäblich nichts mehr im Wege.

Bewegen sich Erschrecker*innen mit den Spielenden im Freien, beispielsweise als Zombies, bieten Licht und Gemeinschaft eine trügerische Sicherheit, die es auszunutzen gilt.

Auch hier bietet es sich an, sich in Geduld zu üben: Wird die ganz große Horde schnell gesichtet und vielleicht sogar zurückgeschlagen, so wird der einzelne Zombie, der die Gegenwehr der Spielenden überstanden hat, recht einfach unbemerkt durch deren Reihen schlüpfen. Wiegen die Spielenden sich dann in Sicherheit, ist der Zeitpunkt für den filmreifen Biss gekommen.

Und wo Gelächter am Lagerfeuer ansteckend ist – da sind es Schreie erst recht.

Erschreckiquette – Do’s und Dont’s im Dungeon

Auf ins Dunkel!

Auch für Grusel und Angst im Larp gibt es Regeln – oder zumindest Richtlinien – für Spielende und NSC. Gerade wenn man als Gruppe den Dungeon betritt, ist die Versuchung groß, die eigene Nervosität durch Lautstärke und Witzeleien zu überspielen, oder zu zeigen, dass man so wirklich, ehrlich, also echt gar keine Angst hat. Doch das nimmt nicht nur den NSC den Spaß, sondern verdirbt auch den Mitspielenden die Stimmung. Schließlich gehen wir mit dem Vorsatz in den Dungeon, uns auf die Angst einzulassen. 

Fällt dies einigen schwer, sind andere anfälliger für die erschreckende Umgebung. Es gilt, wie immer und überall im Rollenspiel, die eigenen Grenzen vielleicht auszuloten, aber auch zu erkennen, wann diese erreicht sind. Es ist nie eine Schande, den Stopp- Befehl zu nutzen, wenn es zu viel wird. Erfahrene NSC lernen mit der Zeit, die Zeichen zu deuten. Gerade, wenn Spielende plötzlich sehr, sehr still werden, ist Vorsicht geboten. Nicht jede*r äußert sich bei großer Angst mit lautem Schreien, einige Menschen verfallen ohne Vorwarnung in eine Schockstarre. Wer sich hier als NSC unsicher ist, fragt lieber einmal im OT nach, als einem*r Spielenden, der*die gerade eine Grenze erreicht, womöglich den Rest zu geben. Gerade männlich gelesene Spielende kommunizieren oft zu spät, wenn es genug oder gar schon zu viel ist. Lieber nimmt man mit Hilfe von NSC oder SL den sicheren Weg zum Ausgang, als sich oder anderen irgendetwas beweisen zu wollen.

Auch NSC brauchen ab und an Zeit, einen Schritt zurück zu machen und etwas Abstand zu bekommen. Ein gutes Team ist hier genauso unbezahlbar wie in jedem anderen Bereich des Hobbys. Sich gemeinsam zurückziehen, austauschen und zusammen lachen bringt Geister nicht nur zusammen – es hilft auch, den Einsatz danach wieder mit dem nötigen Ernst aufzunehmen.

Ein ernstes Thema im Umfeld von Grusel-Szenarien und Dungeon-Umgebungen ist Alkohol. Wer sich alkoholisiert als Spieler*in oder NSC in einen Dungeon begibt, riskiert damit die eigene und die Sicherheit der Mitspielenden. Gleiches gilt für andere Verhaltensweisen, die gerade auf Cons mit Festival-Charakter verlockend sein mögen. Doch auch wenn ein Dungeon eine Menge dunkler Ecken bietet, ist er für Momente der Zweisamkeit definitiv der falsche Ort.

Erschrecken nach Corona – auch Geister sind sensibel

Auch ein Feuer ist oft nur eine trügerische Sicherheit

Vielen Liverollenspielenden, ob Spieler*innen oder NSC, steckt die Pandemie mit all ihren Ängsten noch in den Knochen. Als Folge sind einige im Bereich von Grusel und Horror nicht mehr ganz so hart im Nehmen wie noch vor der Pandemie. Gerade Seuchen – und Krankheitsszenarien, wie sie zum Beispiel zum Zombie-Larp untrennbar dazugehören – sind oft nicht mehr so leicht zu ertragen. Dasselbe gilt für enge, beklemmende Situationen und das Getrenntsein von den eigenen Freund*innen. Auch allein im Dunkeln zu sein, ist eine Urangst des Menschen, die schnell in Panik umschlagen kann.

Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Da die Nutzung des Spielangebots nach der Pandemie deutlich zurückging, hat beispielsweise der Limbus auf dem Drachenfest eine Härtegrad-Skala im Eingang eingeführt. Von wenig Gruselelementen am Tag bis hin zum vollen Programm in der Nacht. Denn auch im Liverollenspiel ist das Bewusstsein für persönliche Grenzen in den letzten Jahren gestiegen und der vorsichtige Umgang mit der Belastbarkeit der Spielenden in den Vordergrund gerückt. Hiervon profitieren nicht nur Spielende, sondern auch NSC, denn nicht nur einmal ist es in den Jahren vorgekommen, dass ein*e verängstigte*r Spieler*in im Schreck nach einem Geist geschlagen – und getroffen – hat. Besseres Bewusstsein für bestimmte „Schreck-Typen“ und gewisse Guidelines helfen, auch das gezielter zu verhindern.

Wer einmal den Dungeon wieder aufbauen durfte, nachdem ein verängstigter Vollgerüsteter in Panik auf der Suche nach dem Ausgang alles niedergewalzt hat, überlegt sich für das nächste Mal vermutlich eine Strategie, die nicht in Panik endet. Doch manchmal ist auch einfach das Spiel zu überzeugend. Dann nämlich, wenn Spielende eine Neigung zum Method-Acting besitzen und die eigene, reale Angst für die Rolle nutzen. Diesen Typ zu erkennen, erfordert Erfahrung und das richtige Timing, um eventuell einzugreifen und die Person nach draußen zu begleiten.

Auch Feedback ist ein wichtiges Instrument, um das richtige Gespür zu bekommen, wann das perfekte Maß an Angst erreicht wurde. Daher ist es nie verkehrt, sich im Nachhinein noch einmal zurück zu besinnen und Veranstaltenden zu sagen, was gut, und was grauenhaft war.

Gemeinsam ist alles schöner – auch Angstmachen

Ein Dungeon oder eine Zombie-Horde funktionieren am besten, wenn sie gut koordiniert sind. Dafür braucht es ausreichend Personal. Wie in den meisten Genres fehlt es auch dem Limbus-Team und anderen Dungeon-Koordinator*innen immer an motivierten NSC, die sich auf das Spiel im Dunkeln und mit den Ängsten der Spielenden einlassen möchten – gerne auch für mehr als nur einen Nachmittag. Dabei kann das Dasein als Geist oder Schreckgespenst zwar anstrengend und fordernd, aber durchaus belohnend sein. Denn selten entlockt man den Mitspielenden so emotionale Reaktionen wie in den Momenten, in denen man sich direkt mit ihrem Innersten – ihrer Seele –  beschäftigt.

Wer sich also einmal aufs Angstmachen einlassen möchte: Traut euch!

Und wenn es dann soweit ist, bitte, sagt nicht „BUH!“.

Herzlichen Dank an Gabor alias Seelensammler des Limbus für die große Hilfe bei der Erstellung dieses Artikels

Artikelbilder: © Nabil Hanano
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Nabil Hanano

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