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Japanische Geister und Naturwesen begeistern Menschen schon seit vielen Jahren. Sei es in Form von Geschichten, in Manga, Anime oder Videospielen. Die mystischen Wesen in Fuchsgestalt oder die berühmte Yuki Onna erfreuen sich einem weltweit großen Interesse. Hierzu hat Jacoby & Stuart interessante Veröffentlichungen, die wir uns genauer anschauen.

Lafcadio Hearn, auch bekannt als Koizumi Yakumo, war, nachdem er die japanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, ein Schriftsteller und Journalist im Japan des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Während seiner Zeit in Japan schrieb er ausführlich über die japanische Kultur, Folklore und Bräuche. Seine Bücher wie Kwaidan: Seltsame Geschichten und Studien aus Japan und Glimpses of Unfamiliar Japan (Einblicke in das unbekannte Japan) machten das westliche Publikum mit den Feinheiten des japanischen Lebens und der japanischen Spiritualität vertraut. Diese Schriften haben die Art und Weise, wie der Westen Japan wahrnimmt, nachhaltig beeinflusst. 2020 und 2021 gab es hierzu zwei neue Veröffentlichungen aus dem Hause Jacoby & Stuart.

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Geistergeschichten aus Japan

Die Geistergeschichten von Lafcadio Hearn sind beliebte Titel, die über die Jahre immer wieder neu aufgelegt oder herausgegeben worden sind. In seinen Geschichten liegt stets ein Hauch Mystik und das Übernatürliche ist sehr gut eingefangen. Für diese schön gestaltete Auflage, illustriert vom französischen Künstler Benjamin Lacombe, hat sich der Verlag Jacoby & Stuart für zehn Kurzgeschichten entschieden, die sich mit Geistern und Flüchen in Japan befassen. Die Kurzgeschichten haben eine durchschnittliche Länge von acht Seiten mit reinem Text, aber insgesamt finden sich in den Kurzgeschichten rund 60 Illustrationen. Im Anschluss an die Geschichten finden sich Yōkai-Spiele, die ursprünglich in der Edo-Zeit in Japan entstanden und für diesen Band neu interpretiert wurden. Die Zielgruppe dieser spielerischen Drucke waren sowohl Erwachsene als auch Kinder. Zwei interessante Geschichten aus dem Band werden im Folgenden vorgestellt.

Yuki Onna oder die Schneefrau

Die Geschichte von Yuki Onna, auch bekannt als die Schneefrau, stammt aus der japanischen Folklore und wurde von Lafcadio Hearn ursprünglich in seiner Sammlung Kwaidan: Seltsame Geschichten und Studien aus Japan veröffentlicht. Die Geschichte ist eine fesselnde Erzählung über die Beziehung zwischen dem Übernatürlichen und dem Menschlichen und die Konsequenzen des Brechens von Versprechen.

In der Geschichte begegnet ein junger Holzfäller namens Minokichi einer wunderschönen Frau namens Yuki Onna während eines schweren Schneesturms. Yuki Onna ist von atemberaubender Schönheit, aber sie ist auch eiskalt und gefährlich. Denn sie ist verantwortlich für den plötzlichen Tod des Holzfäller-Kollegen Mosaku. Sie warnt Minokichi, niemals über ihre Besuche zu sprechen, sonst wird sie ihn töten. Minokichi schwört, ihr Geheimnis zu bewahren, und kehrt in sein Dorf zurück. Jahre später heiratet er eine Frau und hat Kinder. Eines Abends bricht er sein Versprechen und erzählt seiner Frau von der Begegnung mit der wunderschönen Schneefrau…

Mujina oder das gesichtslose Gespenst

Die Geschichte handelt von einer Straße in Tokio namens Kii­no­kuni­zaka, die bei Nacht gefürchtet ist. Ein alter Kaufmann, der vor dreißig Jahren verstorben ist, erzählt von einer Begegnung mit einer weinenden Frau am Straßengraben. Er bot seine Hilfe an, doch die junge Frau hörte nicht auf zu weinen. Sie hatte ihr Gesicht stets mit ihrem langen Ärmel bedeckt, doch als sie schließlich ihr Gesicht enthüllte, stellte sich heraus, dass sie keine Augen, Nase oder Mund hatte. Der Kaufmann floh vor Entsetzen und rannte die Straße hinauf, bis er auf einen Soba-Verkäufer traf.

Geistergeschichten Cover. © Jacoby & Stuart

Er war beruhigt einen Menschen getroffen zu haben und versuchte stotternd zu berichten, was er soeben sah. Doch das schreckliche Erlebnis fand hier noch kein Ende.

Die harten Fakten

  • Autor: Lafcadio Hearn
  • Zeichner: Benjamin Lacombe
  • Seitenanzahl: 192
  • Preis: 49,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Verlagseite, Amazon, idealo

 

Japanische Geister und Naturwesen

Hearns Geschichten der japanischen Folklore beinhalten nicht nur Geister, sondern auch zahlreiche ungewöhnliche Wesen verschiedenster Art und Herkunft. Darunter befinden sich Geister der Trauer (yūrei) und plötzliche Erscheinungen (obake), Riesen (oni), Berggeister (tengu) sowie Meeres- und Flussgeister wie Haifischmenschen (samebito) und der Kappa. Heutzutage werden all diese Wesen unter dem Sammelbegriff Yōkai zusammengefasst. Diese Tier- und Pflanzengeister bzw. Yōkai spielen in der weiteren Veröffentlichung von Jacoby & Stuart aus 2021 die Hauptrollen. Auch hier wurden wieder zehn Kurzgeschichten ausgewählt, begleitet von mehr als 30 Illustrationen von Benjamin Lacombe. Wie beim vorherigen Band enthält auch dieser im Anschluss an die Geschichten Yōkai-Spiele. Zwei ausgewählte Geschichten werden nun vorgestellt.

Der Fasan

Die Geschichte handelt von einem jungen Farmer und seiner Frau. Eines Nachts träumte die Frau von ihrem verstorbenen Schwiegervater, der vor Gefahr gewarnt hatte. Am nächsten Tag wurde die Farm von einer Jagdgesellschaft und einem Fasan besucht. Die Frau erkannte den Fasan als ihren Schwiegervater und versteckte ihn, um ihn zu retten. Als der Fasan gefunden wurde, versuchte sie, ihren Mann zu überzeugen, dass dieses Tier sein verstobener Vater sei. Ihr Mann erkannte seinen Vater, der auf einem Auge blind war, in dem Fasan, der ebenfalls nur ein Auge hatte. Doch unerwartet tötete er den Fasan, was seine Frau dazu veranlasste, ihn zu verlassen und in die Stadt zu fliehen. In der Residenz des Landvogts angekommen, berichtete sie ihm von dem Vorfall. Der Landvogt unterstützte die Frau und ließ den Farmer verhaften. Dieser gestand vor Gericht die Tat und wurde aus dem Distrikt verbannt. Denn ein Mensch mit einem solch bösen Herzen hatte keinen Platz in der Gemeinschaft.

Der Tod der Wildente

In der Provinz Mutsu lebte ein Jäger namens Sonjō, der auf der Jagd erfolglos war. Hungrig traf er auf ein Paar Mandarin-Enten (Oshidori) im Fluss in Akanuma. Obwohl es in der Region als unrecht galt, diese Vögel zu töten, erschoss er das Männchen aus Hunger. In der Nacht hatte er einen schrecklichen Traum, in dem eine weinende Frau ihm vorwarf, ihren Geliebten getötet zu haben. Sie prophezeite, er würde die Konsequenzen sehen, wenn er am nächsten Tag nach Akanuma zurückkehrte.

Sonjō wachte verstört auf und beschloss, dem Traum nachzugehen. Als er am nächsten Morgen nach Akanuma zurückkehrte, fand er das Weibchen der Mandarin-Enten, das einsam im Fluss schwamm. Anstatt zu fliehen, näherte sich die Ente ihm und nahm sich mit ihrem Schnabel das Leben.

Naturwesen Cover. © Jacoby & Stuart

Angesichts dieser seltsamen Begebenheit entschied sich Sonjō, sein Leben als Jäger aufzugeben und wurde ein Priester.

Die harten Fakten

  • Autor: Lafcadio Hearn
  • Zeichner: Benjamin Lacombe
  • Seitenanzahl: 172
  • Preis: 49,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Verlagseite, Amazon, idealo

 

Fazit

Lafcadio Hearns Geschichten der japanischen Folklore gehören zu den Klassikern der japanischen Literatur. Es existieren viele Auflagen und Versionen der Geschichten. Was diese beiden Ausgaben von Jacoby & Stuart ausmacht, sind die besonders schön ausgearbeiteten Illustrationen von Benjamin Lacombe, die nahezu 50 % der Bände ausmachen. Die Geschichten sind kurz und simpel und somit auch besonders gut für Kinder ab zwölf Jahren geeignet; selbst die Geistergeschichten. Die Spiele, die in beiden Bänden am Ende enthalten sind, sind erwähnenswert und als neue Interpretation alter Spiele der Edo-Zeit interessant, jedoch sind sie kein Hauptkaufargument. Für Leser*innen, die mit Hearns Geschichten und der japanischen Folklore nicht vertraut sind, sind die vorgestellten Bände ein guter Einstieg. Für erfahrene Leser*innen sind sie ein schönes Schmuckstück, inhaltlich bieten sie jedoch nichts neues.

  • Klassiker der japanischen Literatur
  • Schön illustriert

 

  • Geschichten sind nichts Neues

 

Artikelbilder: © Jacoby & Stuart
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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