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Der auch als Anime erschienene Manga Mermaid Saga zählt zu einem Klassiker seines Genres. Die Einbettung japanischer Folklore und Sagen in ein ernstes, düsteres und schauriges Setting verspricht Spannung. Wir begleiten darin Yuta und Mana auf ihrer Reise durch Japan auf der Suche nach Antworten und Erlösung.

Takahashi Rumiko dürfte vielen Manga-Fans bekannt sein. Die Mangaka erschuf neben Inuyasha auch Ranma ½. Erstmals erschien Mermaid Saga in Japan zwischen 1984 und 1994 im Magazin Shônen Sunday. Egmont brachte den Manga 2001 nach Deutschland und wie schon bei Inuyasha und Ranma ½ hat es sich als lohnend erwiesen auch dieses Werk der Mangaka neu aufzulegen, für das sie 1989 den 20. Seiun-Preis erhielt.

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Handlung und Aufbau

Mermaid Saga erzählt die Geschichte von Yuta, der durch das Verzehren von Meerjungfrauenfleisch die Unsterblichkeit erlangte. Er lebt seit Hunderten von Jahren und sieht immer noch wie ein junger Mann aus. Er kann nicht sterben und ist dazu verdammt immer wieder ins Leben zurückzukehren. Yuta jedoch möchte gar nicht unsterblich sein und setzt alles daran, wieder ein normaler Mensch zu werden und altern zu können. Um Antworten zu finden und den Fluch des ewigen Lebens aufzuheben, reist er durch Japan auf der Suche nach Meerjungfrauen. Dabei trifft er auf eine junge Frau namens Mana, die die meiste Zeit ihres Lebens zurückgezogen in einem abgelegenen Dorf verbracht hat. Nachdem Yuta sie davor rettet, von den Dorfbewohnern und heimlichen Meerjungfrauen in Menschengestalt verspeist zu werden, stellt sich heraus, dass auch sie Meerjungfrauenfleisch gegessen hat und folglich mit dem Fluch des ewigen Lebens belegt ist.

Gemeinsam reisen die beiden durch Japan und suchen nach einem Heilmittel. Während dieser Reise erfahren die Leser*innen mehr über Yutas Vergangenheit und wie er dazu kam, Meerjungfrauenfleisch zu essen, aber auch wie er seit je her versucht, sich von dem Fluch zu befreien. Dabei erfahren sowohl die Leser*innen als auch Yuta und Mana welche Auswirkungen Meerjungfrauenfleisch auf Menschen haben kann, denn nicht alle werden durch den Verzehr unsterblich. Einige der Menschen werden zu bemitleidenswerten Monstern.

Mermaid Saga ist weitgehend episodisch. Die meisten Geschichten ziehen sich über zwei Kapitel und erzählen von den Begegnungen und Abenteuern von Yuta und Mana. Abschnittsweise findet eine Rückblende statt, die die Zeit umfasst, bevor Yuta Mana kennenlernte. Dies kann zunächst etwas verwirrend wirken, da die Leser*innen ohne Erklärung und Einführung in einen neuen zeitlichen Abschnitt gelangen. Die Rückblende liefert jedoch noch mehr Informationen über Yuta und stellt dar, wie einsam er sich gefühlt hat.

Charaktere

Die beiden Protagonisten Yuta und Mana sind sympathisch, harmonieren miteinander und sie ergänzen sich gut. Yuta ist weise und gutmütig, was nicht immer zu seinem Vorteil ist. Mana ist forsch und eigensinnig, aber auch in ihr steckt ein weicher Kern. Beide sind gezwungen über sich hinauszuwachsen und sowohl sich selbst als auch ihre Mitmenschen zu hinterfragen, woran sie letztendlich wachsen.

Auch Nebenfiguren haben, obgleich sie selten für einen langen Zeitraum Teil der Geschichte sind, eine starke Präsenz. Zwar fühlen sich deren Handlungsstränge, auch aufgrund der Unmöglichkeit, sämtliche Charaktere genauer zu beleuchten, übereilt an, dennoch ergänzen sie die gesamte Handlung des Manga. Durch die Nebenfiguren wird die Welt mit Leben erfüllt. Jeder der vorgestellten Charaktere hat irgendeine Verbindung zu Meerjungfrauen und Unsterblichkeit.

Zeichenstil und Erscheinungsbild

Geübte Leser*innen merken sofort, dass Mermaid Saga von derselben Person gezeichnet worden ist wie Inuyasha und Ranma ½. Denn Takahashis typischer Zeichenstil (man achte vor allem auf die Frisuren und den Stil der Augen) und ihre Fantasy-Elemente sind sofort erkennbar. Die Panels sind sauber und deutlich getrennt und vereinfachen es Leser*innen, dem Handlungsgeschehens zu folgen.

Takahashis Zeichnungen des Grotesken und Bizarren, die allgemeine Horrorelemente beinhalten, sind grafisch nicht allzu explizit, dennoch wird die Eigenschaft der Unsterblichkeit sehr gewaltvoll demonstriert. Die Figuren werden mit Harpunen aufgespießt, mit Kettensägen aufgeschnitten, von Monstern und Tieren angegriffen. Auch die Missbildungen der Menschen, die sich aufgrund des Verzehrs von Meerjungfrauenfleisch in Monster verwandeln, wird ausgiebig dargestellt. Dieser Manga eignet sich gut für Leser*innen, die etwas Düsteres mit Substanz in der Geschichte suchen.

Für zeitgenössische Manga-Leser*innen kann der Zeichenstil, der typisch für die 80er Jahre ist, gewöhnungsbedürftig sein, was hier jedoch keinen Mangel darstellt.

Der Ursprung der Meerjungfrauen in der japanischen Folklore

Japan besteht aus zahlreichen Inseln und ist vom Meer umgeben und auch im Land gibt es viele Flüsse, Bäche, Sümpfe und Teiche. Wasser spielt daher eine große Rolle in der kulturellen Vorstellung und mithin auch in der kulturellen Repräsentation.

In Japan findet sich der früheste dokumentierte Bericht über einen sogenannten ningyo (wörtlich: Menschenfisch) im Nihon Shoki beziehungsweise Nihongi, in dem berichtet wird, dass ein Fischer im Jahr 619 aus der Provinz Afumi berichtete, dass sich im Fluss Gamafu ein Wesen in Menschengestalt befand.

Es gab einen Fischer aus der Provinz Settsu, der sein Netz im Horiye auswarf. In seinem Netz befand sich etwas, das wie ein Kind geformt war, aber weder ein Fisch noch ein Mensch war. Der Name war unbekannt. [1]

Historisch gesehen hatte die Sichtung eines ningyo unterschiedliche Bedeutungen; man konnte es als Zeichen für kommenden Wohlstands betrachten oder als Vorzeichen einer bevorstehenden Katastrophe, wie eines Taifuns, Erdbebens oder Tsunamis, interpretieren. Einem ningyo wurden große Kräfte zugeschrieben. Ein verbreiteter Glaube war, dass der Verzehr von ningyo-Fleisch ein langes Leben bescheren würde. Manchmal galt schon der Anblick eines ningyo als Glücksbringer. Beispielsweise zeigt ein Holzblockdruck aus dem Jahr 1805 einen weiblichen ningyo mit der Bemerkung, dass eine Person, die diesen Fisch auch nur einmal ansieht, ein langes und glückliches Leben haben wird.

Dieser Glaube wird auf die Geschichte von happyaku bikuni (auch yao bikuni genannt), der Achthundert-jährigen Nonne, zurückgeführt, die eine der bekanntesten Legenden darstellt, die mit ningyo in Verbindung gebracht werden. Es handelt von einem Mann, der einen Gast in sein Haus einlädt, um einen seltenen Fisch, einen ningyo, zu essen, den er gefangen hat. Der Gast schreckt vor der Vorstellung zurück, das Fleisch einer Kreatur mit menschlichem Gesicht zu essen, und vermeidet es, das Fleisch zu verzehren – doch sein Gastgeber besteht darauf, dass er etwas davon mit nach Hause nimmt. Dort wird es versehentlich von seiner sechzehnjährigen Tochter gegessen. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass die Tochter auf wundersame Weise nicht zu altern scheint. In den darauffolgenden Jahren versterben ihre Eltern und Freunde und mithin bleibt sie allein zurück. Schließlich wird sie eine Nonne und reist durch das Land, um allen, denen sie begegnet, Gutes zu tun. Als sie achthundert Jahre alt ist, kehrt sie in ihren Heimatort zurück, um sich in einer Höhle am Meer niederzulassen. Kurz bevor sie die Höhle betritt, pflanzt sie jedoch einen einzelnen Kamelienbaum in der Nähe des Eingangs und sagt: „Wenn dieser Baum verdorrt, geht bitte davon aus, dass ich gestorben bin.“ Die Legende besagt, dass der Baum noch nicht verdorrt ist.

Größe, Form und Aussehen eines ningyo variieren. Im Allgemeinen ist der Oberkörper der Kreatur – manchmal nur der Kopf, manchmal auch die Arme – menschenähnlich, während der Unterkörper fischähnlich ist. Auf einigen Abbildungen aus der Edo-Periode haben ningyo auch Hörner, die aus ihren ansonsten menschenähnlichen Köpfen herausragen.

Auch heute können eine Reihe mumifizierter Meerjungfrauen bewundert werden. Diese Mumien scheinen in der Edo-Zeit von Fischern konstruiert worden zu sein, die den Oberkörper eines Affen und den Unterkörper eines Fisches zusammennähten. Mehrere der vorhandenen Exemplare dieser Kreaturen befinden sich in Holland und wurden wahrscheinlich von japanischen Fischern an holländische Seeleute verkauft oder gehandelt.

Selbst im Jahr 1990, wurde ein Yôkai, der jinmengyo oder auch „Fisch mit menschlichem Gesicht“, zu einer sofortigen Mediensensation in Japan. Eine Wochenzeitschrift veröffentlichte das Foto eines Karpfens mit einem menschlichen Gesicht, der in einem Tempelteich in der Präfektur Yamagata gefunden wurde. Auch im Jahr 2008 wurden jinmengyo-Sichtungen gemeldet, die jedoch möglicherweise auf einen Lichtillusion zurückzuführen sind, die durch das Muster der reflektierenden Schuppen auf den Köpfen der Fische entsteht. Auch wenn der jinmengyo historisch nicht mit dem ningyo verwandt ist, ist die Kreuzung aus Mensch und Fisch immer noch Teil der kulturellen Fantasie.[2]

Die harten Fakten:

  • Verlag: Egmont Manga
  • Autor: Takahashi Rumiko
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch 210mm (Höhe) x 148mm (Breite)
  • Seitenanzahl: 760
  • Preis: 32,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Positiv aufgefallen ist, wie Takahashi unheimliche Szenarien entwirft, die nicht übermäßig gruselig sind. Sie werden die Leser*innen zwar nachts nicht wachhalten, aber mit einem beunruhigenden Gefühl zurücklassen. Mermaid Saga ist jedoch nicht nur ein Werk der reinen Unterhaltung, sondern sorgt für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Themen Sterblichkeit, Menschlichkeit und Einsamkeit.

Unabhängig davon ob andere Werke der Zeichnerin gemocht werden, lohnt es sich einen Blick in Mermaid Saga zu werfen und sich von Takahashis Fantasie verzaubern zu lassen. Denn der Manga steckt voller Wendungen und Spannung und bietet eine abwechslungsreiche Interpretation der Meerjungfrauenüberlieferung.

 

 

  • Düstere Atmosphäre

  • Ansprechender, ausdrucksstarker Zeichenstil

  • Anlehnung an japanischer Folklore

 

  • Verwirrende Erzählstruktur

 

 

Fußnoten:
[1] Foster, Michael Dylan (2015): The Book of Yôkai – Mysterious Creatures of Japanese Folklore. University of California Press.
[2] Aston, W. G. (Übersetzer) (2011): NIHONGI – Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D.697. Routledge.

Artikelbilder: Egmont Manga
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Sabrina Plote
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