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Eine britische Spezialeinheit soll 1941 ein mysteriöses Artefakt im jugoslawischen Hinterland bergen und stößt dabei auf einen Kult der Schwarzen Ziege der Wälder mit den Tausend Jungen. Operation Black Cap ist ein Horror-Abenteuer vor der Kulisse eines eher ungewöhnlichen Kriegsschauplatzes. Wir haben es für euch angespielt.

Operation Black Cap spielt an einem oft übersehenen Schauplatz des Zweiten Weltkriegs: Jugoslawien, genauer gesagt, Montenegro. Eigentlich ist der One-Shot als Abenteuer für eine Gruppe aus vier bis sechs Charakteren mit etwas Erfahrung vorgesehen, aber wir Teilzeitheld*innen wären nicht wir, wenn wir nicht für euch an unsere Grenzen gehen würden. Die folgende Rezension basiert auf der Lektüre des Abenteuers und einem Spieltest mit drei Spielenden.

Triggerwarnungen

Krieg, Tod, Mutationen, psychisches Trauma, Blut

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Hook

Wie vorhergehende Achtung! Cthulhu 2D20-Abenteuer ist auch dieses in eine Sequenz realer historischer Ereignisse eingesponnen. Im späten März 1941 steht der größere Teil Mitteleuropas unter Kontrolle der Nazis, während das Vereinigte Königreich seit Monaten einer Bombenkampagne ausgesetzt ist, dem so genannten „Blitzkrieg“. Und auch im Süden Europas beginnt der Krieg, sich auszubreiten: Ein Putschversuch im Königreich Jugoslawien führt zu einer Instabilität, die den Achsenmächten eine Gelegenheit gibt, das Land zu besetzen. Kurz vor dem Einmarsch spielt der Plot dieses Abenteuers. Die Charaktere, Angehörige von Section M, der Mythosabteilung des britischen Militärs, bekommen den Auftrag, nach Montenegro zu reisen, um ein mystisches Artefakt aus einem abgestürzten Flugzeug zu bergen oder zu zerstören, bevor die Nazi-Kultisten von der „Schwarzen Sonne“ es sich zurückholen.

Das abgestürzte Flugzeug.

Die Spielwelt & Regeln und Charaktererschaffung

Achtung! Cthulhu 2D20 versetzt den Cthulhu-Mythos in den Zweiten Weltkrieg und verleiht ihm ein gewisses Pulp-Element. Die Held*innen dieses „Geheimen Krieges“ bekämpfen nicht nur Fanatiker*innen auf der Seite von Nazi-Deutschland, die mit okkulten Mächten im Bunde stehen, sondern auch Kulte der Großen Alten und andere außerirdische Mächte. Die Charaktere sind dabei keine regulären Streitkräfte, sondern eher Kommandos aus Spezialist*innen.

Das System wird mit den 2W20-Regeln von Modiphius gespielt. Der Würfelmechanismus basiert auf der Summe von Fertigkeitswert und dazu passendem Attribut, die mit zwei W20 unterwürfelt werden muss, um einen Erfolg zu erzielen. Je nach Schwierigkeitsstufe sind ein, zwei, oder mehr Erfolge notwendig, um die Probe zu schaffen. In letzterem Falle bietet das Regelsystem die Möglichkeit, durch das so genannte Momentum, von dem die Gruppe maximal einen Wert von sechs besitzt, bis zu drei weitere Würfel hinzuzukaufen. Eine gewürfelte 1 ergibt zwei Erfolge, während eine gewürfelte 20 eine so genannte Komplikation zur Folge hat, die narrativ gelöst wird.

Ein etwas anstrengender Aspekt ist, den Überblick über die Pools von Momentum (für die ganze Gruppe), Fortune (für die einzelnen Spielenden) und Threat (für die SL) zu behalten, mit denen sich jeweils die Spielmechaniken beeinflussen lassen. Hier bietet es sich an, Tokens zu Hilfe zu nehmen.

Im Allgemeinen hält das System eine Balance zwischen narrativen Elementen und festen Regeln. Auch was das Ambiente angeht, steht es zwischen Pulp und Cthulhu – wobei in diesem Abenteuer Elemente des kosmischen Mythos-Horrors überwiegen.

Spielbericht

Spoilerwarnung: Der folgende Absatz enthält wesentliche Spoiler für den Plot von Operation Black Cap und sollte von Menschen gemieden werden, die das Abenteuer als Spielende erleben wollen.

Laut Text ist das Abenteuer für eine Gruppe von vier bis sechs einigermaßen erfahrenen Charakteren ausgelegt. Für die Testrunde konnten allerdings nur drei Spielende gefunden werden. Zwei davon haben schon bei unserem Test des Abenteuers Under The Gun mitgespielt: Teilzeitheld*innen Norbert und Alexa. Ihre Charaktere sind eine magisch begabte Okkultistin und ein Corporal mit dubioser Vergangenheit und bemerkenswerten Infiltrationsfähigkeiten. Neu erstellt kam als kommandierender Offizier ein ehemaliger Polizist hinzu. Eine Gruppe also, deren Fähigkeiten eher im Bereich der Heimlichkeit als im offenen Kampf liegen. Das Szenario passt allerdings gut zu subtilem Vorgehen.

Um das gesuchte Artefakt zu ergattern, müssen die Agent*innen sich entweder direkt ins Kreuzfeuer begeben oder eine ganze Menge Geschick und Heimlichkeit an den Tag legen.

Schon der Titel macht klar, dass es sich hier um eine verdeckte Mission handelt. Im Briefing wird den Agent*innen mitgeteilt, dass Diskretion von äußerster Wichtigkeit ist. Das Ziel der Operation ist es, ein archäologisches Artefakt zu erbeuten, das bei einer Ausgrabung der Nazi-Okkultisten von der „Schwarzen Sonne“ in Nordafrika entdeckt wurde. Aus bisher unbekannten Gründen ist das Flugzeug, das den Fund nach Deutschland bringen sollte, in den Bergen Montenegros abgestürzt. Was zu diesem Zeitpunkt nur die Spielleitung weiß, ist, dass die Maschine von einer Hohepriesterin der Großen Alten Shub Niggurath absichtlich zum Absturz gebracht wurde, die das Artefakt für ihren Kult retten möchte. Natürlich haben britische Militärangehörige im – noch! – neutralen Jugoslawien offiziell nichts zu suchen. Daher infiltrieren sie die Adriaküste bei Nacht und Nebel und werden mit Hilfe lokaler Schmuggler näher an den Ort des Geschehens, ein abgelegenes Dorf im Gebirge, gebracht.

Das Abenteuer bietet den Spielenden einige Möglichkeiten, kosmischen Horror zu erforschen, bevor sie zu ihrem Ziel und dem unvermeidlichen Endkampf vorrücken. Sie tun dies allerdings auf die Gefahr ihrer geistigen Gesundheit hin, denn was in diesem Dorf vor sich ging, kann nur als verstörend bezeichnet werden. Vor den Charakteren ist eine Truppe der Schwarzen Sonne hier eingetroffen und hat ein Massaker an der lokalen Bevölkerung angerichtet, deren verformte Leichen noch in den Straßen liegen.

Doch damit nicht genug: Das Gebirgsdorf huldigt dem Kult der Shub Niggurath, der lovecraftschen Göttin von allem, das wächst. Einwohner*innen und Nutztiere haben eine Reihe von erschreckenden Mutationen entwickelt und auch die Vegetation wuchert auf widernatürliche Weise. Die SC in unserer Gruppe waren froh, den Ort hinter sich zu lassen und zu ihrem Ziel, dem Absturzort des Flugzeugs, weiterzugehen.

Am Wrack der Maschine liefern sich bei Ankunft der Gruppe ein Magier der Schwarzen Sonne und die Hohepriesterin mitsamt dem jeweiligen Gefolge eine epische Schlacht. Um das gesuchte Artefakt, eine der Shub Niggurath heilige Stele, zu ergattern, müssen die Agent*innen sich entweder direkt ins Kreuzfeuer begeben oder eine ganze Menge Geschick und Heimlichkeit an den Tag legen. Wie schon zuvor erlebt, werden die Agent*innen in einen Kampf zwischen zwei rivalisierenden okkulten Fraktionen geworfen, die gemeinsam eine schier unüberwindliche Opposition darstellen. Zum Glück für die Charaktere, sind beide Kulte mehr miteinander als mit den Neuankömmlingen beschäftigt.

Der Endkampf macht besonders deutlich, dass der Autor des Abenteuers eine größere Gruppe im Sinn hatte. Dennoch ließ sich selbst dieser Teil des Plots durch intelligentes Vorgehen der Spielenden und kleinen Anpassungen seitens der SL auch mit weniger Kampfkraft lösen. Ein Teil des Abenteuers, der im Spieltest weggelassen wurde, hätte der Gruppe allerdings noch zum Verhängnis werden können: Zu allem Übel beschwören die Töchter der Hohepriesterin andernorts einen Diener der Shub Niggurath, den die Charaktere ebenfalls bekämpfen müssen, sofern sie es schaffen, das Artefakt zu erbeuten.

Am Ende steht eine magische Schlacht.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Die Atmosphäre von Operation Black Cap ist von Anfang an spannend. Die Charaktere sollen schließlich, im Stil der britischen Kommandos des Zweiten Weltkriegs, verdeckt in einem europäischen Land operieren, das kurz vor dem Überfall durch die Achsenmächte steht. Doch schon bald ist das ihr geringstes Problem: je nachdem, wie viel die Spielenden von dem abgelegenen Gebirgsdorf erforschen wollen, können sie vieles entdecken, das eigentlich niemand sehen will. Die Beschreibung bleibt dabei locker genug, dass die Spielleitung eigene Ideen einbringen kann. Die vorkommenden NSC haben größtenteils Namen und genug Persönlichkeit, um der SL eine Chance zum Rollenspiel zu geben, und passen gut in den historischen Rahmen.

Etwas unsinnig erscheint die Vergabe der Erfahrungspunkte, die das Buch vorgibt: Für die Bergung des MacGuffin – mithin das Ziel der Mission – soll es ebenso viel geben wie je für zwei weitere, in ihrer Schwierigkeit stark unterschiedliche Nebenziele. Von diesen kleinen Abzügen einmal abgesehen, ist Operation Black Cap ein spannendes und gut aufgebautes Szenario, das an einem oder zwei Abenden gespielt werden kann.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Ein Wort, mit dem sich das Abenteuer beschreiben ließe, ist „anspruchsvoll“. Zwischen Einstieg und Ende der Rahmenhandlung erleben die Agent*innen kosmischen Horror in Reinform und bekommen es mit durchaus formidablen Gegner*innen zu tun. Ohne Wohlwollen der Spielleitung sind Überleben und andauernde geistige Gesundheit der Charaktere keineswegs gewährleistet. Wenn, wie in dem von uns gespielten Fall, sogar ein neuer Charakter in diese Geschichte einsteigt, scheint es logisch, dass dieser zumindest vorübergehend Schaden an seiner Psyche nimmt. Trotzdem lässt sich der größere Teil des Abenteuers lösen, ohne dass großes Railroading betrieben werden muss.

Erscheinungsbild

Ein klischeebelasteter Satz bei Beschreibungen in Chtulhu-Rollenspielen ist: „Es hat Tentakeln“. In diesem Fall passt er allerdings. Die wenigen Abbildungen in Operation Black Cap illustrieren Teile der Handlung und geben einen Eindruck von mutierten Dorfbewohnern sowie dem Nazi-Magier der Schwarzen Sonne. So spärlich die Bebilderung ist, ist sie doch hilfreich: Zwei Übersichtsillustrationen für das Gelände, die im Text für die SL mit einer Legende versehen sind, gibt es auch am Ende noch einmal ohne Beschriftung als Handout für die Spielenden. Ansonsten bleibt das Layout dem Stil des Systems, mit blauen Rändern und blauen Boxen für Zusatzinformationen, treu. Die Schrift ist gut lesbar und geforderte Würfelproben sind zusätzlich fett hervorgehoben. „Blutflecken“ auf dem PDF runden den unheimlichen Gesamteindruck ab.

© Modiphius

Die harten Fakten:

  • Verlag: Modiphius
  • Autor*in(nen): Scott Carter
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 23
  • ISBN: –
  • Preis: 8,00 USD
  • Bezugsquelle: Fachhandel, DriveThruRPG

 

Fazit

Wir haben alle unseren Liebling unter den Großen Alten … oder? Nicht? Na gut. Die Autorin dieser Rezension (und SL des Abenteuers) jedenfalls hat eine Schwäche für Shub Niggurath, die Schwarze Ziege der Wälder mit den Tausend Jungen und für die verstörenden Kultpraktiken ihrer Anhänger*innen. In einem gut geschriebenen Plot können sie kosmischen Horror par excellence liefern – so auch in diesem.

Die Handlung basiert auf einem einfachen Prinzip: Geht rein, holt den MacGuffin, kommt unbeschadet wieder raus. Der historische Kontext gibt eine enge zeitliche Begrenzung vor, was erlaubt, das Abenteuer als One-Shot zu spielen. Da es jedoch noch relativ früh im Krieg ansetzt, ist es allerdings ein wenig schade, dass es sich nur bedingt für Startcharaktere eignet.

Es hat Tentakeln.

Die Infiltration einer Nation am Rande des Krieges setzt einen spannenden Rahmen für das Szenario. Schwierigkeiten ergeben sich aber nicht nur durch die Tatsache, dass die Gruppe auf keinen Fall von den lokalen Behörden entdeckt werden sollte, sondern auch dadurch, dass sie mitten in eine magische Schlacht zwischen zwei fanatischen Kulten geraten. Das Szenario tendiert somit eher zu klassischem Mythos-Horror als zu Pulp.

Je nach Vorgehensweise der Gruppe kann das Abenteuer mit Heimlichkeit oder Kampf gelöst werden – in beiden Fällen ist der Anspruch jedoch hoch. Ein schönes Abenteuer für Fans von verdeckten Operationen, hohen Einsätzen beim Rollenspiel und klassisch cthulhoiden Szenarien.

  • Interessante historische Kulisse

  • Verdeckte Operation

  • Begegnung mit lovecraftschem Horror

 

  • Merkwürdige Verteilung von XP

  • Sehr anspruchsvoll für Startcharaktere

 

Artikelbilder: © Modiphius
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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