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Vom 19. bis 21. April 2018 fand bereits zum dritten Mal das Branchentreffen der Phantastik-Szene statt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung,´ wie jedes Jahr vom Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN). Auch am zweiten Tag waren die Gespräche bunt und vielseitig, eine wunderbare Weiterbildungsmöglichkeit und ein leidenschaftliches Plädoyer für gute Bücher.

Das traditionelle PAN-Branchentreffen fand in diesem Jahr vom 19. bis 21. April unter dem Motto „Träumen Androiden von Freiheit? Über Gesellschaft und Politik in der Phantastik“ statt. Es gab Diskussionen, aber auch einiges zu lernen.

Nachdem sich Julia bereits der Betrachtung des ersten Tages des PAN-Branchentreffens gewidmet hat, steht hier der Freitag im Zentrum.

PAN, hinter dieser Abkürzung verbirgt sich der Phantastik-Autoren-Netzwerk e.V., ein Verband, der die Interessen von Phantastik-Autoren vertritt. Gegründet wurde er im November 2015, und wir hatten damals schnell die Gelegenheit genutzt, um ein Gründerinnen-Interview zu führen. Hier findet ihr die Berichte zum ersten und zum zweiten PAN-Branchentreffen.

Ein entspannter Einstieg

Der Freitag des PAN-Branchentreffens begann mit einer Vorstellung der Phantastik-Bestenliste durch Susanne Kaspar von Literaturschock. Suse erklärte, was die Bestenliste kann und wie wir abstimmen. Anschließend bat sie um Anregungen und auch darum, die Liste bekannter zu machen. Suse äußerte auch den Wunsch, jemanden für die Pressearbeit zu finden. Es gibt „kein Geld und viel Arbeit“, aber die Möglichkeit, die Phantastik-Bestenliste und damit die Phantastik bekannter zu machen. Wer sich also dazu berufen fühlen sollte, findet auf der Webseite der Bestenliste entsprechende Kontaktmöglichkeiten.

Das erste Highlight dieses Panels war es jedoch, dass das Logo der Liste enthüllt wurde. Es stammt von der überaus buchaffinen Designerin Anke Koopmann von Designomicon.

Das neue Logo der Phantastik-Bestenliste, © Anke Koopmann (Designomicon)

Das zweite Highlight war die allgemein überaus positive Reaktion aller Anwesenden auf die Bestenliste. Autoren, Blogger und Verlagsmenschen stellten interessante Nachfragen und nahmen die ihnen teilweise noch unbekannte Liste ausgesprochen positiv auf. Die Punktewertung wurde kritisch betrachtet, da sie besonders für Leute, die das Abstimmungsverfahren nicht kennen, verwirrend wirken kann, wenn Bücher plötzlich von einem guten zweiten Platz komplett aus der Liste verschwinden können.

Anders als etliche Bestsellerlisten geht es hier allerdings nicht nach Verkaufszahlen. Das Konzept überzeugte eindeutig und die Jury der Phantastik-Bestenliste hofft jetzt auf zahlreiche Buchvorschläge.

Gesammelte Kritik an der Phantastik-Bestenliste, Fotografie: Marie Mönkemeyer

Anschließend folgte ein Vortrag der Autorin Beatrice Nunold über die geschnitzten Reliefs am sogenannten Brusttuch in Goslar. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Fachwerkhaus aus dem frühen 16. Jahrhundert, dessen Balken vom Hausbesitzer mit einem überaus aufwendigen Dekor voll alchemistischer und astrologischer, phantastisch deutbarer Symbolik verziert sind. 

Ähnlich wie der Märchen-Vortrag am Donnerstag war auch dieser hier sehr wissenschaftlich, bedauerlicherweise jedoch aber viel zu leise vorgetragen und ohne eine Möglichkeit, nachzufragen. In der anschließenden Kaffeepause gab es die Möglichkeit für ein zweites Frühstück und weiteren Kaffee und auch, die Gespräche der letzten Nacht wacher fortzusetzen.

Juristen und Nazis

Frisch gestärkt lauschte das Auditorium dem Gespräch zwischen PAN-Vorstandsmitglied Lena Falkenhagen und Ralph Neugebauer, einem Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, über die Freiheit des Wortes. Die Platzierung des Panels war sehr gut gewählt: Jetzt waren definitiv alle wach und in der Lage, dem komplexen Thema zu folgen, aber noch nicht wieder ermattet vom Mittagessen. Zwar wurde weniger leidenschaftlich diskutiert als noch am Vortag, doch das Publikum lauschte konzentriert und stellte zahlreiche Nachfragen, die zeigten, wie wichtig dieses Thema ist und wie sehr dabei Bildungsbedarf besteht.

Im Grundgesetz, so lernten wir, sei keine Redefreiheit, sondern Meinungsäußerungsfreiheit verankert, die Verbreitung falscher Tatsachen ist also verfassungsrechtlich nicht geschützt, doch die Details stellen immer wieder eine juristische Gratwanderung dar. Letzteres gilt selbstverständlich auch für die Kunstfreiheit, die jedoch besonders bei Biografien immer wieder mit Persönlichkeitsrechten kollidiert. An dieser Stelle ging es natürlich auch um die beiden Bücher, die in der BRD verboten wurden: Mephisto von Klaus Mann und Maxim Billers Esra. Letzteres Beispiel zeigte deutlich, dass das Intimleben bei entsprechenden Streitigkeiten besonders geschützt wird, Autoren sollten also nicht nur Erzfeinde, sondern vor allem Expartner gut fiktionialisieren, wenn sie sie in ihren Büchern unterbringen.

So komplex die juristische Sprache auch wirkt, oft lief es auch inhaltlich darauf hinaus, dass man kein Arsch sein solle. Natürlich gab es einen keinen Schlenker über die aktuelle Debatte um den Musikpreis Echo, wobei sich über die Geschmacklosigkeit gewisser Texte alle ebenso einig waren, wie die Tatsache, dass es nicht unbedingt der beste Stil seitens der Plattenfirma ist, sich erst jetzt von den Rappern zu distanzieren, nachdem sie bereits eine Menge Geld mit ihnen verdient haben.

Tommy Krappweis vor einem nicht ganz historischen Runenstein, Fotografie: Marie Mönkemeyer

Außerdem wurde auf Nachfrage erklärt, warum es für die Messeveranstalter nicht möglich ist, rechte Verlage von der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse auszuschließen. Dabei geht es nämlich ganz banal um eine wirtschaftliche Gesetzgebung, die eine Wettbewerbsverzerrung verhindern soll. Es bleibt aktuell also weiterhin wichtig, Zivilcourage zu zeigen.

An dieses Thema schloss Tommy Krappweis im folgenden Panel quasi nahtlos an, jedoch durchgehend sprachlich heiterer und deutlich weniger juristisch. Er berichtete von den Erfahrungen, die er machte, als er begann, sich mit nordischer Mythologie zu beschäftigen. Die Germanen und der gesamte nordische Kulturkreis sind von den Nazis vereinnahmt worden, sodass er immer wieder Beifall von einer Seite bekommt, von der er ihn nicht haben will, was er auch in seinem Film Mara und der Feuerbringer verarbeitet hat.

Unterhaltend erklärte er den Dunning-Kruger-Effekt (inkompetente Menschen halten sich für kompetenter als sie sind, weil ihnen für die Erkenntnis der eigenen Inkompetenz die Kompetenz fehlt), plauderte über Nazis, Bernd das Brot und Hitler und darüber, dass ja nicht jeder, der einen Thorshammer um den Hals trage, ein Nazi sei (angefangen bei ihm selbst).

Er beschloss das Panel mit einer Livelesung einiger Kommentare, die er auf YouTube für ein Video über Bernd das Brot und deutsche Geschichte erhalten hat. Außerdem stellte er die Netzinitiative Ich bin hier vor und plädierte dafür, sich einzumischen, „spiderman-mäßig“ Verantwortung zu übernehmen und die eigene Wirkung zu nutzen, immer in dem Rahmen, der der eigenen Persönlichkeit entspricht.

Mit entsprechend heiterer Laune ging es zum Mittagessen. Es war üppig und schmackhaft, an dieser Stelle ein Lob an PAN und vor allem an das Catering!

Leidenschaft und Katzenvideos

Danach blieb es bei den netzaffinen Themen, denn Samira Blankestijn (Autorin) und Simon Czaplok (Redakteur Mephisto) entführten das Auditorium auf den roten Planeten. Gemeint war nicht der Mars, sondern YouTube, was Samira Blankestijn zu Beginn einmal direkt zu „Du Röhre“ übersetzte (sicher eine ausgezeichnete Beleidigung in einem Steampunkroman). Um der herrschenden Essensträge entgegen zu wirken, gab es zuerst ein kleines Spiel über die eigene YouTube-Nutzung.

Ein wenig Marketingtheorie über YouTube, Fotografie: Marie Mönkemeyer

 

Anschließend wechselten Marketingtheorie, Statistiken, Scherze und die Möglichkeiten, als Autorin oder Leser YouTube zu nutzen, miteinander ab. Hier konnte man die Begriffe Push- und Pull-Marketing erlernen, was Book-Tuber eigentlich sind und machen und dass die durchschnittliche YouTube-Nutzung 40 Minuten pro Tag sind, Tendenz steigend. Zum Abschluss durfte natürlich auch ein Katzenvideo nicht fehlen. Das PAN-Branchentreffen bewies erneut, dass es bildet (bis auf das Katzenvideo vielleicht).

Das letzte Panel begann mit einem emotionalen Plädoyer des Autors Christian von Aster für die Leidenschaft zum Schreiben. Dabei konnte man erfahren, dass die entscheidenden Auslöser kreativer Zweifel bei Autoren und letztlich aller anderen Kreativschaffenden Monetarisierung, Publikum und Vernunft sind. Er erzählte von seinem Schulpraktikum bei einem Landschaftsdichter, Lesungen auf dem Wave Gothic Treffen in Leipzig und dass Wände, die einem in den Weg gestellt werden, meistens eine Geheimtür enthalten.

Die anschließende Diskussion auf dem Podium war deutlich weniger kontrovers als das abschließende Panel am Donnerstag (nur über Bedeutung der Buchblogger für die Verkaufszahlen herrschte im Publikum keine Einigkeit). Christian von Aster, die Autorin Laura Flöter, Perry-Rhodan-Redakteur Klaus N. Frick, Thienemann-Esslinger-Lektorin Sandra Rothmund und Kathrin Dodenhoeft von Feder&Schwert widmeten sich der Frage, ob Autor ein Beruf mit Zukunft ist oder nicht. Diese Frage wurde letztlich nicht beantwortet, dafür gab es erneut einiges zu lernen: über Mischkalkulationen auf Lektoratseite, im Marketing und bei den Autoren, sowohl finanzieller Natur als auch zwischen verschiedenen Autorentypen und Büchern.

Christian von Aster berichtet über Zweifel, Geld und Geheimtüren, Fotografie: Marie Mönkemeyer

Letztlich waren sich alle einig, dass sich Autoren und Verlagsmenschen auf Augenhöhe begegnen sollten, besonders Lektoren haben dabei die oft undankbare und unsichtbare Aufgabe, zwischen Autoren, Verlag und Publikum zu jonglieren. Ebenso wurde für mehr Leidenschaft für Bücher, für Phantastik und für mehr Mut plädiert.

Was bleibt?

Diesen Worten können wir nicht mehr viel hinzufügen. Die Diskussion war am Donnerstag intensiver und kontroverser, der Freitag des PAN-Branchentreffens schwankte zwischen lernen und Unterhaltung, oft auch in einem Panel.

Ein wenig drängt sich der Eindruck auf, dass das PAN-Branchentreffen eine Mischung aus Familientreffen und lockerer Weiterbildung ist. Die Verbindungen von Politik und Phantastik wurden weniger diskutiert, diese Debatte hat sich auf verschiedene Social-Media-Kanäle und Autorenwebseiten verlagert. Vom Branchentreffen nehmen alle Anwesenden jetzt hoffentlich außerdem mit, dass die Freiheit der Kunst meistens erst bei Persönlichkeitsrechten endet, wo sie über die Fragen vom Donnerstag weiterdiskutieren und Verantwortung übernehmen können oder hilfreiches Material und Katzenvideos finden.

Artikelbilder: Wie genannt

 

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