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King Raccoon Games und Autor Felix Mertikat haben sich durch das Area-Control Schwergewicht Tsukuyumi einen Namen gemacht. Nun startet im September 2021 der Kickstarter für EOS – Island of Angels. Wir haben uns den Prototypen genauer angesehen und geben euch einen Einblick in das Rennen um die Erweckung der Angels.

Das aktuelle Boxart.
Das aktuelle Boxart.

Bereits Anfang des Jahres haben wir über EOS – Island of Angels berichtet und ein ausführliches Interview mit dem Autor geführt. Der ursprüngliche Termin der Kickstarter-Kampagne wurde verschoben und startet nun am 7. September 2021. Als Grund für den späteren Start wurde unter anderem angegeben, dass man die Mechaniken und das Balancing noch vor Kampagnenbeginn verbessern wollte und nicht im Laufe des Crowdfundings. Möglicherweise waren es auch noch die letzten Nachwehen aus dem nicht hundertprozentig perfekten Versand der Miniaturen-Version von Tsukuyumi.

Wir haben dankenswerterweise einen der ersten Prototypen des Worker-Placement-/Engine-Building-Spiels erhalten und diesen genauer unter die Lupe genommen.

Spielablauf

Am Grundprinzip des Spielablaufs hat sich seit unserem letzten Bericht über EOS nicht viel verändert. Dennoch können wir nun auf einen „fertigeren“ Ablauf blicken, den wir euch vorstellen möchten.

Bei EOS schlüpfen zwei bis fünf Personen in die Rolle konkurrierender Nationen. Diese Nationen liefern sich einen gefährlichen Wettlauf um die Gunst der schlafenden Götterwesen (im weiteren Verlauf Angels genannt).

Im Verlauf gibt es zwei „große“ Spielphasen: Ship Action und Crew Actions. Die Aktion des eigenen Schiffes wird von jeder Nation zu Spielbeginn sowie wenn man im weiteren Verlauf des Spiels keine Meeple zum Einsetzen mehr hat, durchgeführt. Zu Beginn des Spiels sind die vier Schritte der Phase für alle Nationen noch fast identisch. Sie differenzieren sich erst durch den Erwerb von Aufwertungen für die eigenen Schiffe.

Der Aufbau bei fünf Nationen.
Der Aufbau bei fünf Nationen.

Schritt eins besteht darin, alle zuvor eingesetzten Meeple (mehr dazu in der Erklärung der Crew Action) vom Crew Board zu nehmen und wieder einsatzfähig zu machen. Anschließend findet eine sogenannte Sail Action statt. Die Nation, die am Zug ist, spielt hierbei eine Journey Card aus der eigenen Hand aus. Diese enthält einen Effekt (einmalig oder permanent) und die Anzahl von Feldern, die das Schiff weitergezogen werden darf. Der Effekt wird ausgelöst oder in den eigenen Spielbereich gelegt und das Schiff anschließend maximal um diese Zahl von Feldern weitergezogen. Auf dem Spielplan warten nun verschiedene Effekte. Es ist beispielsweise möglich, Gold oder Siegpunkte zu erhalten, auf Demon Lords und Angels zu treffen oder einer Gefahr ausgeliefert zu sein. Im letzteren Fall wird eine der Threat Cards vom Stapel gezogen, deren Effekt sofort ausgeführt wird. Nach der Sail Action wird das eigene Handkartenlimit geprüft; möglicherweise müssen Karten abgeworfen werden. Zum Abschluss der Ship Action werden im letzten Schritt Bonuseffekte ausgelöst. Einige Nationen haben direkt zu Beginn solche Boni, andere müssen erst ihr Schiff aufwerten. Die Phase endet und die nächste Nation ist am Zug.

Schiffstableau der Noom mit Erklärung der Ship Action.
Schiffstableau der Noom mit Erklärung der Ship Action.

Die Crew Actions bilden das Herzstück des Engine Buildings in EOS – Island of Angels. Sind unsere Crewmates zu Beginn noch recht eindimensional und einzelne Aktionen in der Crew-Phase dauern selten länger als eine Minute, werden nach und nach immer stärkere Kombinationen freigeschaltet. Bevor die verfügbaren Meeple ganz nach gewohnter Worker-Placement-Art eingesetzt werden, wird eine Prepare Action ausgeführt. Diese Aktion gibt kleine Boni wie Kostenreduzierung für folgende Aktionen, Gold für die eigene Kasse oder einen Wurf mit dem Destiny Die. Hiernach platziert die aktive Nation einen der Meeple auf einen der fünf verfügbaren Crewmates. Auch wenn die fünf sich bei allen Nationen um Nuancen unterscheiden, haben die Rollen im Grunde dieselben Grundfunktionen:

Die Crew der Kwanan, mit dem Kraken, einer Besonderheit der Nation.
Die Crew der Kwanan, mit dem Kraken, einer Besonderheit der Nation.

Die Scouts helfen bei der Beschaffung neuer Journey-Karten und beim Segeln. Für die Verstärkung der Crew sorgen die 1st Officers, die einzelne Crewmates im Rang steigen lassen und somit die Aktionen stärken. Für den Ausbau des Schiffes sind die Quartermaster verantwortlich. Um die kleinen Dämonen auf den Schiffen loszuwerden sind die Kräfte der Warrior vonnöten. Und da keine Schiffscrew umsonst arbeitet, braucht man Gold und Moral. Diese beschaffen die jeweiligen Treasurer. Mit „nicht umsonst arbeiten“ ist gemeint, dass jede Aktion der vier zuerst genannten Crewmates je nach Rang bei der Aktivierung Gold kostet. Dieses Gold bringen in erster Linie die Treasurer ein. Und wenn diese Gold in die eigenen Schatzkammern spülen, steigert das auch die Moral der eigenen Crew. Moral sorgt zum einen für kleine Boni wie kostenlose Sail Actions, Siegpunkte, dauerhafte Erhöhung des Handkartenlimits et cetera. Vor allem ist es aber nur Crewmates mit voller Moral gestattet, Angels zu erwecken und Demon Lords zu besiegen. Befindet man sich mit dem eigenen Schiff auf einem identischen Feld wie eine dieser allmächtigen Entitäten, kann ein Crewmitglied mit voller Moral genutzt werden, um entweder den Demon Lord endgültig zu besiegen oder Angels durch Erweckung der eigenen Nation zuzuführen.

Die Angels sind sehr mächtig und sollten der eigenen Nation zugeführt werden.
Die Angels sind sehr mächtig und sollten der eigenen Nation zugeführt werden.

Und nicht nur die Crew kann stärker werden, indem man Ränge und Moral steigert. Der Ausbau des eigenen Schiffes kann, wie bereits beschrieben, die Ship Action um zusätzliche Aktionen erweitern. Zusätzlich können für die eigene Nation mächtige Effekte gewonnen werden, die für Siegpunkte sorgen können oder immun gegen Negativeffekte machen. Zudem ist eine Community Action freischaltbar. Eine Bonus-Aktion während der Crew-Phase, die es der eigenen Nation erlaubt, im Austausch gegen Siegpunkte den Kontrahenten zur Hand zu gehen.

Sind keine Meeple mehr zum Einsetzen verfügbar, muss wieder eine Ship Action ausgeführt werden. Da nicht allen Nationen die gleiche Menge Meeple zur Verfügung stehen, ist dieser Zeitpunkt bei allen Spielenden unterschiedlich.

Kommen wir nun zu weiteren Mechaniken, die im Laufe des Spiels zum Tragen kommen. Da wären zunächst die Missionen, die zu Beginn des Spiels verteilt werden. Jede Nation erhält zwei dieser Karten und wählt eine davon aus. Auf den Missionskarten sind einmalige Siegpunktebedingungen oder Siegpunkte für die Endabrechnung zu finden.

Bereits mehrfach angedeutet, aber noch nicht namentlich genannt, wurde die Blessing Action. Mit dieser Aktion kann mithilfe eines voll motivierten Crewmitglieds ein Angel erweckt oder ein Demon Lord besiegt werden. Zudem muss sich das eigene Schiff in derselben Region (bzw. demselben Feld auf dem Spielbrett) wie die jeweilige Entität befinden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird ein verfügbarer Meeple auf ein passendes Crewmitglied platziert. Die aktive Nation erhält daraufhin die große Segnung, die auf der Moralleiste angegeben ist. Alle anderen erhalten jeweils die Hälfte der Segnung (Beispiel: Wenn die große Segnung 20 Gold sind, erhalten alle anderen je 10 Gold). Nun darf man sich den erweckten Angel in den eigenen Spielbereich legen oder die Belohnung für das Besiegen des Demon Lords einheimsen. Neben der meist sehr großzügigen Belohnung für das Besiegen eines Demon Lords sind die Nationen nun auch vor den Störenfrieden sicher. Zu guter Letzt wird ein Eintrag in der Chronikleiste angelegt und der eigene Zug endet sofort.

Zwei der nervigen Demon Lords. Attacken werden bei Kontakt aktiviert und die Aura gilt für alle Nationen.
Zwei der nervigen Demon Lords. Attacken werden bei Kontakt aktiviert und die Aura gilt für alle Nationen.

Die angesprochene Chronikleiste ist eine der vielen Fortschrittsleisten (neben der Siegpunktleiste) des Spiels. Sie zeigt an, wie weit das Spiel fortgeschritten ist. Der letzte Eintrag läutet das Spielende ein. Bei jedem Schritt auf der Leiste erwartet die Nation, die den Eintrag ausgelöst hat, eine Siegpunktebelohnung. Auf manchen Feldern gibt es außerdem die Möglichkeit, dass alle Nationen von Dämonen befallen werden oder ein Demon Lord in der Welt erwacht.

Die weiteren Leisten sind der Glory Track und der Support the Forces Track. Bei letzterer können überschüssige Benefits wie Schilde oder Ränge gegen Fortschritte eingetauscht werden, die wiederum zu Siegpunkten oder schlussendlich einem Chronikeintrag führen können.

Der Glory Track hält den Ruhm der Nationen fest. Ein Aufsteigen auf dieser Leiste gibt ebenfalls Siegpunkte und einen Eintrag auf der Chronikleiste wenn die höchste Stufe erreicht werden sollte. Ruhm erhält man durch Fähigkeiten der Crewmates oder durch das Besiegen der kleinen Dämonen.

Ein Blick auf die Fortschrittsleisten.
Ein Blick auf die Fortschrittsleisten.

Kleine Dämonen sind das große Ärgernis in der Welt. Nicht so gefährlich wie ihre Gebietenden, aber furchtbar nervig. „Erhält“ man Dämonen, müssen die entsprechenden Marker auf dem eigenen Schiff oder dem Crewboard eingesetzt werden. Sie können so Schiffaufwertungen entweder be- oder ganz verhindern, Fähigkeiten von Crewmates sperren und vieles mehr. Hilfreich sind in diesem Fall die Schildmarker, die durch Fähigkeiten der Crew, Journey Cards et cetera gewonnen werden können. Ein kleiner Dämon auf einem Schild behindert nämlich nicht die Engine der jeweiligen Nation.

Hier behindern die kleinen Dämonen die Gilde bei ihren Prepare Actions und Ship Upgrades.
Hier behindern die kleinen Dämonen die Gilde bei ihren Prepare Actions und Ship Upgrades.

Auf Reisen finden sich auch die sogenannten Epic Adventures, quasi die Nebenmissionen in EOS. Wenn eine Nation ihr Schiff auf eines der Gebiete mit einem solchen Epic Adventure zieht, kann die Nebenmission in Angriff genommen werden. Dabei geht es beispielsweise um das Ablegen von Ressourcen, das Besiegen eines Demon Lords, das „Aushalten“ mehrerer Threat-Cards und vieles mehr. Das Erfüllen der Missionen beschert der siegreichen Nation meist sehr mächtige Belohnungen

Wird das Ende des Spiels eingeläutet, sind alle Nationen noch einmal an der Reihe. Anschließend wird die Endwertung vorgenommen. Die Endpunktzahl ergibt sich aus den im Laufe der Partie bereits erhaltenen Siegpunkten, Bonuspunkten durch beispielsweise Angels, den Missionspunkten und den Siegpunkten für Moral und Ränge der Crew (je ein Siegpunkt pro „Level“), zwei Punkte für jede ausgespielte Journey Card und einem Punkt Abzug für jeden kleinen Dämon auf dem eigenen Tableau (Schiff und Crew). Bei Gleichstand entscheidet das verbliebene Gold über die Platzierung.

Ausstattung

Zur Ausstattung ist aktuell noch keine valide Aussage zu treffen. Uns wurde ein in Handarbeit zusammengestellter Prototyp zur Verfügung gestellt, der flüssiges Spielen ermöglicht, aber natürlich nicht als Maßstab für das spätere Material gesehen werden darf.

Dennoch lässt sich erahnen, dass es zwar keine Marker- und Materialfülle wie bei Tsukuyumi geben wird, man sich aber durchaus auf viel Inhalt einstellen sollte. Allein die Menge an Journey und Threat Cards ist erstaunlich (vor allem mit erstaunlich wenig Dopplungen). Artwork und allgemeines Design ziehen sofort in ihren Bann. Hatte Tsukuyumi noch einen leichten Anime-Manga-Stil, fühlt sich EOS fast „disneyesk“ an. Und das gute alter Disney der 90er-Jahre steht für Abenteuer, wie wir sie auch in diesem Spiel erleben.

Die Symbolsprache in der Übersicht.
Die Symbolsprache in der Übersicht.

Die Symbolik im Spiel ist eine große Hilfe, den Spielverlauf flüssig zu gestalten. Die Symbole sind sehr klar differenziert und machen für ihre jeweilige Funktion vollkommen Sinn. Lediglich bei den Symbolen für „Angriff“ und temporäre Angriffsstärke kann man im Eifer des Gefechts mal durcheinanderkommen, das ist aber eher auf Flüchtigkeitsfehler der Spielenden als auf schlecht gewählte Symbole zurückzuführen.

Für die „Vollversion“ hoffen wir noch darauf, dass auf Goldmarker verzichtet und stattdessen mit Drehscheiben gearbeitet wird. Die Marker wandern sonst viel zu oft hin und her, da sie ständig für das Bezahlen der Crew Aktionen verwendet werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: King Raccoon Games
  • Autor*in(nen): Felix Mertikat, Till Bröstl
  • Erscheinungsjahr: voraussichtlich 2022
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 90 bis 120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Preis: noch ohne Angabe
  • Bezugsquelle: ab dem 07.09.2021 auf Kickstarter.

 

Bonus/Downloadcontent

King Raccoon Games hat einen sehr aktiven Discord-Channel, auf dem auch in regelmäßigen Abständen Demorunden für EOS angeboten werden.

Wer sich noch intensiver mit den Regeln auseinandersetzen möchte, kann sich diese von dem immer aktuell gehaltenen Dropbox-Laufwerk herunterladen.

Fazit

Unser Autor freut sich sehr auf das fertige EOS – Island of Angels. Und das noch nicht einmal so sehr, weil es neue Maßstäbe im Bereich Worker-Placement beziehungsweise Engine-Building setzt. Vielmehr ist es das stimmige Gesamtpaket, was das Spiel besonders macht. Jede Aktion fühlt sich passend an. Zu keiner Zeit wirkt das Thema aufgesetzt, und das, obwohl Designer Felix Mertikat dieses Mal die Story um einen fast fertigen Mechanismus gebaut hat. Zudem hat es uns beeindruckt, mit welcher Akribie das Team das Feedback aus den Runden am Tabletop Simulator mit der Community (und uns) aufgesogen und verinnerlicht hat. Das Projekt enthält sehr viel Herzblut aller Beteiligten.

Die Journey Cards sind ein gutes Beispiel für die Liebe, die in die Details gelegt wurde. Jeder Karteneffekt passt hundertprozentig „logisch“ zum Namen der Karte. Dadurch wirkt es nicht wie das bloße Ausspielen eines Effekts, sondern wie ein wahrhaftiges Mini-Abenteuer auf unserer großen Fahrt.

Ein Überblick über einige der Journey- und Threat-Karten.
Ein Überblick über einige der Journey- und Threat-Karten.

Das Spiel ist abendfüllend, dessen muss man sich bewusst sein. Auch zu zweit kratzt man gerne an den zwei Stunden. Und wenn dann noch Personen teilnehmen, die nur durchoptimierte Züge ausführen, kann es manchmal zu Wartezeiten kommen. Doch das ist kein Problem des Spiels an sich.

Schaut euch ab dem 7. September die Kampagne an. Wir empfehlen, dem Spiel eine Chance zu geben.

  • Artwork und Design
  • Liebe zum Detail
  • Sehr eingängige Symbolik
 

  • Viel Downtime, wenn Züge perfekt optimiert werden

 

 

Artikelbilder: © King Raccoon Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos als Prototyp zur Verfügung gestellt.

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