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Personalmanagement in der Steinzeit: Wir führen kooperativ kleine Gruppen durch eine prähistorische Welt und müssen immer wieder schwerwiegende Entscheidungen treffen. Bei unseren Erkundungen können wir Nahrung und Material sammeln, Waffen herstellen, aber auch auf bedrohliche Gefahren treffen. Werden wir alle Herausforderungen meistern und unseren Stamm am Leben erhalten?

Auf der SPIEL.digital 2020 gehörte Paleo zu den Brettspielen, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Nicht zuletzt hatte mich das Cover mit dem wunderschön gemalten Mammut sehr neugierig gemacht. Wer wollte nicht als Kind ein echtes, riesiges Mammut durch den Wald stapfen sehen? Ich auf jeden Fall. Und jenes Mammut spielt eine wichtige Rolle in Paleo: Die fünf Teile des Mammut-Panoramas bilden die Siegpunkte des kooperativen Brettspiels, denn unsere Aufgabe ist es, diese fünf Teile im Spielverlauf zu sammeln, um zu gewinnen. Und ganz nebenbei müssen wir unsere Steinzeitmenschen am Leben erhalten! So eine Mammutjagd macht hungrig, es muss also ordentlich gejagt werden. Und auch weitere Aufgaben wollen erfüllt sein, damit das Überleben gesichert bleibt. Wir sind also gezwungen, die Waffen und Ausrüstungsgegenstände unseres Stamms zu verbessern, um die Chancen für erfolgreiche Jagden zu erhöhen. Aber nur gemeinsam sind wir stark, indem wir uns absprechen und gegenseitig helfen.

Wie das Ganze spieltechnisch funktioniert? Für euch haben wir uns in die Steinzeit begeben.

Blick auf die Spielpackung
Blick auf die Spielpackung

Spielaufbau

Der Spielaufbau von Paleo ist grundsätzlich immer ähnlich. Lediglich kleine Anpassungen, wie bestimmte Karten, kommen durch die Wahl der Module hinzu. Der Tisch sollte groß genug für die Werkbank und die verschiedenen Spielplateaus sein, außerdem benötigt jede*r Mitspielende vor sich etwas Platz zum Auslegen der Karten in der Spielphase und für die Gruppe von zwei Steinzeitcharakteren, die gesteuert werden. Es gibt ein Spieltableau, das das Innere der Höhle signalisiert, zum Auslegen von Mammutplättchen oder Totenkopfmarkern, eins zum Ablegen der Karten in der Spielphase und einen vorderen Teil als Ablage für mehrere Kartenstapel und die im Spielverlauf gesammelten Ressourcen. Davor wird außerdem die dreidimensionale Werkbank platziert, sie wird benötigt, um Werkzeuge und Hilfsmittel herzustellen: Fackeln, Speere, Zelte, für deren Bau wir jedoch die angezeigten Rohstoffe benötigen.

Dreidimensionale Werkbänke
Dreidimensionale Werkbänke

Das Herzstück des Spiels ist der Kartenstapel, der aus einem Basisstapel und mehreren Modulstapeln gebildet wird. Jene Module enthalten außerdem individuelle Missionskarten, die untergeordnete Ziele enthalten, welche es zu erfüllen gilt. Die Karten werden möglichst gleich unter den Mitspielenden aufgeteilt.

Dann können wir auch schon loslegen. Unsere gemütliche Höhle soll wie erwähnt noch schöner werden, dort platzieren wir sammelbare Teile des Mammut-Panoramas, das uns den Sieg bringt, wenn alle fünf Stück komplett sind. Wir verlieren, wenn wir zu viele Totenkopfmarker sammeln, also zu viele Stammesmitglieder sterben.

Ziel: das Mammut-Panorama vervollständigen
Ziel: das Mammut-Panorama vervollständigen

Spielablauf

Die Spielmechanik von Paleo ist prinzipiell sehr simpel. Gespielt werden abwechselnd eine Tag- und eine Nachtphase, wobei die Tagphase den größeren Spielanteil hat. In dieser Phase legt jede*r Spielende die drei obersten Karten des eigenen Stapels vor sich aus und schaut die Rückseiten an. Dann wird gemeinsam entschieden, welche Karte angeschaut wird. Eine nette Idee, denn obwohl es verschiedene Typen von Rückseiten gibt, wie Gefahr, Flussland, Berglandschaft, Wald und weitere, sind doch manche Details auf den Rückseiten individuell, etwa Tiere. Finden wir hinter der Karte mit dem Reh am Fluss vielleicht Nahrung? Oder können wir im Wald Holz zur Herstellung von Gegenständen sammeln? Es gibt jedoch die besagten roten Gefahrenkarten, hinter denen eine Bedrohung steckt. Sie einfach abzulegen, bringt jedoch auch negative Effekte.

Gemeinsam wird sich auf die Karten geeinigt, die in dieser Runde angeschaut werden. Dann gibt es kein Zurück mehr. Die Karten müssen abgehandelt werden. Hinter den Karten können zu erlegende Beutetiere, Begegnungen oder zu sammelnde Ressourcen sein. Um dies aber tun zu können, muss die Gruppe die nötigen Fähigkeiten mitbringen, zum Beispiel genug Angriffsstärke für die Jagd.

Neben der Möglichkeit die eigene Karte mit der Gruppe zu erledigen, kann man auch verzichten und lieber der anderen Gruppe helfen. Dieser kooperative Anteil ist sehr wichtig, denn gerade zu Beginn ist eine Gruppe alleine meist zu schwach, um die Anforderungen zu erfüllen.

Außerdem symbolisiert jede Karte im Prinzip eine Zeiteinheit im Spiel, somit müssen manchmal auch Karten abgelegt werden, um eine Aufgabe zu erfüllen, was thematisch signalisieren soll, dass die Aufgabe langwierig ist. Es dauert nun mal, so einen Beerenbusch komplett abzuernten!

Sind keine Karten mehr übrig oder wenn sich alle Spieler*innen in dieser Runde entschieden haben, keine mehr aufzudecken, gehen sie schlafen und diese Phase endet.

Spielaufbau
Spielaufbau

Soviel zur Tagphase. Wenn alle sich entschieden haben, schlafen zu gehen, wird gemeinsam die Nachtphase durchgespielt. Wir müssen jedes Stammesmitglied mit Nahrung versorgen und ansonsten einen Totenkopf Schaden dafür nehmen. Nun werden zudem die Missionskarten relevant, die wir während der Tagphase optimalerweise schon im Blick behalten haben. Die Ziele sind thematisch passend zum Setting, wir müssen etwa ein Zelt als Unterschlupf bauen, um nachts nicht zu frieren. Auch hier erwarten uns meist Totenkopfmarker, wenn wir nicht in der Lage sind, die geforderten Bedingungen zu erfüllen.

Abwechselnd spielen wir beide Phasen, bis wir gewonnen oder verloren haben.

Wie ist das Spielerlebnis?

In den Partien ist meist der Spieleinstieg etwas zäh, am Anfang lässt sich nicht so viel machen. Es braucht ein wenig, bis man die Schlagfertigkeit der Gruppe mit Ausrüstungsgegenständen so weit erhöht hat, dass es leichter wird und man in der Lage ist, sich mit dem eigentlichen Ziel, der Mammutwandmalerei, auseinander zu setzen. Und dann plötzlich ist die Partie meist auch schon fertig, wenn sie nicht vorzeitig durch Tod endet.

Andererseits ist dies auch eine gelungen thematische Umsetzung des Steinzeitthemas, Paleo bringt in der Tat das Gefühl zum Ausdruck, dass man nur sehr arg am Limit lebt und ständig zwischen Entdeckerfreude und Lebensgefahr schwankt.

Auch die spielbaren Missionen, die aus den Modul-Kartensets gebildet werden, sind sehr schön thematisch umgesetzt, mal erkrankt der ganze Stamm und die Gruppe erleidet leichten Schaden, ein andermal müssen wir ein Dorf beschützen. Die Module geben Paleo zudem einen großen Wiederspielwert. Wenn man möchte, kann man sich den eigenen, individuellen Kartenstapel zusammenstellen und damit den Schwierigkeitsgrad wirklich sehr feingranular anpassen. Da ist für jeden Erfahrungshorizont der Spielegruppe etwas dabei. Für die allererste Partie empfiehlt der Verlag, nur mit maximal drei Gruppen zu spielen und bei mehr Mitspieler*innen Teams zu bilden, gespielt wird ja ohnehin kooperativ. Nach meinem Empfinden ist das Spielerlebnis mit drei Gruppen auch am besten, weil der Einstieg weniger träge ist als bei zwei Gruppen, man aber auch nicht ganz so viel zu tun hat wie bei vier Gruppen.

Der Glücksfaktor ist wie bei allen Spielen mit Kartendecks zwar gegeben – in einer Partie, wo die Karten unpassend fallen, kann man schnell verlieren – in Summe aber nicht so stark, dass er das Spielerlebnis ständig kippen lässt. Eine gute Abstimmung zahlt sich aus und nach mehreren Partien hat man auch viel Spielverständnis gesammelt, um sich Taktiken zurechtlegen zu können.

Ausstattung

Das Spielmaterial in Paleo ist so hübsch wie die Packung. Mit dabei sind, neben Anleitung und Begleitblättern für den Aufbau der Module, jede Menge Karten, Würfel, Ressourcenmarker für Nahrung, Holz und Steine, mehrere Spielplateaus und viele weitere Marker für Schaden oder Werkzeuge. Außerdem gibt es eine zusammensteckbare Werkbank, auf der Ideenkarten platziert werden, und einen Friedhof als Ablagestapel. Die Dreidimensionalität hat zwar mechanisch keinen Mehrwert, ist aber eine ähnlich optische Nettigkeit wie der dreidimensionale Baum in Everdell.

Packung mit Spielmaterial
Packung mit Spielmaterial

Das gesamte Material und auch die Karten sind von solider Haptik, was gerade weil man sie oft in die Hand nimmt, nicht unwichtig ist. Und die Optik ist auch in den Details stimmig, so dass Tableaus und Marker nicht perfekt rund sondern „grober“ aussehen, um die steinzeitliche Atmosphäre zu transportieren. Ein kleiner Kritikpunkt, der nach der ersten Partie auffällt, ist, dass die aufgebaute Werkbank leider nicht mehr ganz in die Spielpackung passt, man ist gezwungen, sie zumindest ein klein wenig wieder auseinander zu bauen.

Sehr hervorzuheben sind die schicken Illustrationen mit ihrer starken, aussagekräftigen Farbwahl, die sogar die in vielen anderen Spielen eher nutzlosen Kartenrückseiten zu einem besonderen Hingucker machen und auch tatsächlich spielmechanische Relevanz bekommen.

Ein definitiver Kritikpunkt ist leider die Spielanleitung. Diese sieht schön aus, aber in der eigentlichen Regel fehlen wichtige Informationen, vor allem beim Teil zum Spielaufbau zur Zusammenstellung der Module, die erst das Beiblatt verrät. Daher sucht man vor den ersten Partien deutlich länger die Informationen für den Spielstart zusammen, als es nötig gewesen wäre, wenn man die Anleitung anders strukturiert hätte. Nicht jeder nimmt das Beiblatt als notwendigen Teil der Spielanleitung wahr, im schlimmsten Fall baut man somit zunächst auch falsch auf.

Blick in die Spielanleitung
Blick in die Spielanleitung

Glücklicherweise sind die Regeln aber nicht übermäßig kompliziert. Für einen guten Einstieg kann man sich auf der Verlagsseite ein sechsminütiges Video anschauen, das die Regeln gut zusammenfasst.

Der Preis ist für das schöne, hochwertige Material und angesichts des hohen Wiederspielwerts zwar nicht klein, aber gerechtfertigt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hans im Glück
  • Autor*in(nen): Peter Rustemeyer
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 45-90 Minuten
  • Spieler*innenanzahl: 2 3 4
  • Alter: Ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 45-55 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Wer einen Blick in die Regeln oder das Beiblatt mit den Modulen werfen möchte, kann dies auf der Webseite des Verlags Hans im Glück tun.

Auf der Landingpage zu Paleo werden außerdem in einem kurzen Video die wichtigsten Regeln erklärt.

Fazit

Ich hatte gehofft, dass Paleo meine Erwartungen erfüllt, und so war es auch. Der Einstieg war durch die erwähnten Regelschwächen zwar leider länger als nötig, aber das Spielen lief schon in der ersten Partie flüssig, und es macht Spaß, bei manchen Entscheidungen minutenlang mit den Mitspieler*innen über die Möglichkeiten zu beraten.

Schön an Paleo ist außerdem, dass es in der Tat familientauglich ist und Jung und Alt viel Spaß machen kann. Es ist strategisch herausfordernd genug, um auch erwachsene Köpfe rauchen zu lassen, legt die Latte aber nicht derart hoch, dass Kinder oder Brettspiel-Neulinge gar nicht mitreden können. Die hohen Level sind schon eine harte Herausforderung, sogar für Vielspieler, aber glücklicherweise kann sich jede Gruppe ihren eigenen Schwierigkeitsgrad individuell zusammenbauen.

Paleo ist eine runde Sache. Das Spiel ist angenehm thematisch und bringt sowohl Entdeckerfreude als auch Unzulänglichkeiten der Steinzeit gut rüber. Durch die Möglichkeit zur individuellen Zusammenstellung des Kartenstapels wird das Spielen immer wieder zu einem neuen Erlebnis. Gefahren hin oder her, der Ausflug in die Steinzeit weiß zu begeistern, und ich würde jederzeit aufs Neue die Begegnung mit einem Mammut an die Höhlenwand bannen. 

Artikelbilder: © Hans im Glück
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Thekla Barck
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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