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Endlich mal keine Viren! Bei der neuesten Variation des Kooperations-Erfolgs Pandemic kämpfen wir in Nordend gegen die Untotenarmee. In World of Warcraft: Wrath of the Lich King spielen wir legendäre Held*innen aus Horde und Allianz – lässt sich Arthas leichter bezwingen als Corona?

Pandemic hat 2008 einen Boom kooperativer Brettspiele ausgelöst. In drei großen Erweiterungen und sieben Spin-offs, darunter die dreiteilige Legacy-Variante (lest hier unsere Berichte zum zweiten Teil und zum Prequel) kämpfen wir meist gegen Krankheiten, aber auch gegen Hochwasser und Barbaren. In Pandemic: Reign of Cthulhu haben wir uns einem fanatischen Kult entgegengestellt, um die Beschwörung des Großen Alten zu verhindern.

Aber auch das größte MMORPG aller Zeiten World of Warcraft hat bereits eine kleine Brettspiel-Historie. Bislang handelte es sich dabei, neben den obligatorischen Sammelkarten- und Miniaturen-Spielen, großenteils um Spiele, die versucht haben, der Vorlage nahe zu kommen. Ein erstes ungewöhnliches Crossover-Projekt mit einem modernen Brettspiel-Franchise gab es bereits 2020 mit Small World of Warcraft. Jetzt kämpfen wir als Thrall, Jaina und Konsorten gegen die Geißel.

Spielablauf

Spielziel

Die Geißel des Lichkönigs überzieht die eisigen Gefilde von Nordend. Doch Allianz und Horde sind gekommen, um sich der Flut der Untoten entgegenzustellen, weitere Abenteuer zu bestehen und zu guter letzt in der Eiskronenzitadelle dem Problem und Arthas ein Ende zu bereiten.

Allein oder mit bis zu fünf Personen verkörpern wir die Rollen mächtiger Charaktere aus Azeroth und besuchen die aus dem Spiel bekannten Orte, um sie immer wieder von Ghulen zu befreien (geradeso als wären es Krankheitsmarker). Der Kontinent ist dabei in drei große Gebiete unterteilt und in jedem müssen wir an einem bestimmten Ort eine längere Quest-Reihe bestehen, indem wir Aktionen ausgeben und die richtigen Handkarten parat haben. Aber auch der Lichkönig wacht stets über eins der Gebiete und erschwert dort unseren Fortschritt. Waren wir beim Questen erfolgreich, zieht sich Arthas in die Eiskronenzitadelle zurück, in der wir eine finale, längere Quest absolvieren müssen, ohne dass der restliche Kontinent von den Untoten überrannt wird.

Beim Setup werden Arthas, Ghule und die Monstrositäten verteilt.
Beim Setup werden Arthas, Ghule und die Monstrositäten verteilt.

Zu Spielbeginn

Die Charaktere haben unterschiedliche viele Lebenspunkte und Fähigkeiten.
Die Charaktere haben unterschiedliche viele Lebenspunkte und Fähigkeiten.

Als Spielvorbereitung wird bestimmt, an welchen Orten bereits ein bis drei Ghule sowie eine schwergewichtige Monstrosität warten und welche von jeweils drei Quests in den Gebieten zu absolvieren sind. Diese bestehen jeweils aus den bekannten Raids der Erweiterung des Computerspiels, wie Naxxramas oder Ulduar, und bringen unterschiedliche Schwierigkeiten und Sonderregeln mit sich.

Demgegenüber stehen die sieben Charaktere, aus denen wir auswählen dürfen. Sie verfügen über die aus Pandemic bekannten Sonderfähigkeiten, die stimmig umgesetzt wurden: So kann Sylvanas mit ihrem Bogen einmal pro Runde auf einem benachbarten Feld einen Ghul beseitigen und Jaina kann sich bis zu vier Felder weit teleportieren.

Spielablauf

Wie aus Pandemic bekannt, darf ein Charakter bis zu vier Aktionen ausführen, um danach zwei Heldenkarten zu ziehen, die wir fürs Questen und verbesserte Aktionen nutzen können. In diesem Stapel verbergen sich aber auch die gefürchteten „Ausbrüche“, hier als „Die Geißel erhebt sich“ umgesetzt. Anschließend erscheinen neue Ghule durch Ziehen der Orts-/Geißelkarten und – hier neu – die Monstrositäten greifen an.

Die Aktionsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, umfassen:

Bewegung: Der Charakter kann sich auf ein benachbartes Feld bewegen. (Gegnerische Figuren halten ihn nicht auf.)

Flugrouten: Im Laufe des Spiels dürfen durch Heldenkarten Hochburgen platziert werden. Auf diese können wir danach jederzeit von überall aus „hinfliegen“.

Kämpfen: Anders als in Pandemic werden hier nicht einfach Klötzchen entfernt, sondern thematischer mit Würfeln gekämpft. Die Würfel haben Angriffs-Panzerhandschuhe und/oder Verteidigungsschilde. Für jeden Handschuh darf ein Ghul auf dem eigenen Feld entfernt werden. Um eine Monstrosität zu beseitigen, bedarf es jedoch gleich drei gleichzeitigen Angriffserfolgen. Alle Monsterfiguren, die noch stehen verursachen nach unserem Angriff automatisch jeweils einen Schaden – die Schilde reduzieren ihn entsprechend. Mit diesem recht einfachen, aber cleveren System kommt etwas Spannung auf, ohne eine Würfelorgie zu produzieren. Viele Charakterfähigkeiten so wie der Einsatz von Karten verändern hier natürlich noch das Kampfgeschehen.

Ausruhen: Wer hart kämpft, muss sich auch mal eine Auszeit gönnen. Für eine Aktion dürfen wir die beiden Würfel werfen und dadurch bis zu vier Schaden heilen (Panzerhandschuhe zählen als Erfolge).

Questen: In jedem Gebiet gibt es ein spezielles Questfeld – hier geht es ab in den Dungeon beziehungsweise Raid. Auf der Questleiste dürfen wir nach Würfelwurf für jeden Panzerhandschuh ein Feld vorrücken. Zusätzlich dürfen wir und alle anderen Charaktere, die sich aktuell auf demselben Feld befinden, auch noch jeweils eine Handkarte zeigen, die ein passendes Symbol aufweist, um je einen zusätzlichen Schritt zu gehen. Sind wir am Ende der Leiste angelangt, haben wir nicht nur einen großen Spielfortschritt erreicht, wir erhalten auch einen besonderen Gegenstand, den wir ab da jederzeit einsetzen dürfen. Diese funktionieren wie die Unterstützungskarten im Vorgängerspiel.

Die Handkarten verstärken die Aktionen, jeder Typ mit einzigartigem Artwork.
Die Handkarten verstärken die Aktionen, jeder Typ mit einzigartigem Artwork.

Nach den vier Aktionen müssen wir zwei Heldenkarten ziehen. Hierdurch dürfen wir manchmal Hochburgen bauen, aber am häufigsten erhalten wir Karten vier verschiedener Typen: Kampf, Verteidigung, Reise und Heilung. Diese können wir nicht nur beim Quest-Fortschritt vorzeigen; wir können sie auch abwerfen, um dadurch die dazugehörigen Aktionen zu verstärken. Indem wir zum Beispiel mehr Schaden auszuteilen, verhindern oder heilen sowie uns mit Boden- oder Flugmounts entsprechend weiter bewegen zu dürfen. Das Abwägen, wann wir diese Handkarten gezielt einsetzen oder doch lieber für die nächste Quest aufsparen, macht einen großen Teil des taktischen Spielreizes aus.

Aber es gibt natürlich noch besagte „Die Geißel erhebt sich“-Karten. Wie gewohnt, wird dann die unterste Ortskarte des Geißel-Stapels gezogen. Hier werden drei Ghule und eine Monstrosität platziert. Außerdem wird der Lichkönig bis zur nächsten Karte nun in diesem Gebiet dafür sorgen, dass wir bei jeder Quest- und Kampfaktion einen Schaden mehr erleiden. Anschließend wird der Ablagestapel der Geißel-Karten gemischt und auf den Nachziehstapel gelegt.

Aus dem Pool der bisherigen Geißel-Karten werden dann noch Karten gezogen, um weitere Ghule zu platzieren. Neu ist, dass die Monstrositäten, sich am Ende jeder Runde schrittweise zum nächstgelegenen Charakter bewegen und falls sie ihn erreichen, diesem dann auch jede Runde Schaden zufügen; also sollten wir sie nicht zu lange unbesiegt lassen. Falls ein Ghul platziert werden muss, sich aber bereits drei im Feld befinden, kommt stattdessen eine Monstrosität ins Spiel (im Spiel als Monsterflut bezeichnet).

Sind drei Quests erledigt, geht es an die finale Quest.
Sind drei Quests erledigt, geht es an die finale Quest.

Spielende

Das Spiel endet mit einer Niederlage, wenn der Verzweiflungsmarker das letzte Feld erreicht hat. Dieser wird stets vorgerückt, wenn es zu einer Monsterflut kommt, keine Heldenkarte mehr gezogen oder Figuren mehr platziert werden können, weil der Vorrat leer ist, oder direkt um zwei Felder, falls ein Charakter besiegt wurde, also mehr Schaden als Leben erhalten hat. Der Charakter wird dann auf seinem Startfeld wiedergeboren, verliert allerdings auch sämtliche Handkarten.

Konnten wir die drei Quests und anschließend die finale Herausforderung in der Eiskronenzitadelle abschließen, bevor der Verzweiflungsmarker uns aus den Fugen gerät, so können wir das Spiel für uns entscheiden und vielleicht auf einer höheren Schwierigkeit einen neuen Versuch wagen.

Ausstattung

Die kleinen blauen Plastik-Ghul-Minis kommen in vier verschiedenen Posen daher und sind doch um einiges ansprechender, als die Pandemic-üblichen Klötzchen. Die sieben Charaktere, drei Monstrositäten und der große Lichkönig sind von solider Qualität in dynamischen Posen eingefangen.

Drei Charaktere im Vergleich zur Geißel.
Drei Charaktere im Vergleich zur Geißel.

Die zweiteilige Eiskronenzitadelle drohend auf der Karte stehen zu haben, um die Basis dann in der letzten Spielphase umzudrehen und den Lichkönig dort zu platzieren ist ein nettes Gimmick. Wahre Freude bereitet das Artwork der über 50 Heldenkarten, die allesamt unterschiedliche Illustrationen zeigen. Fans der Serie erkennen Klassen, Rassen und Charaktere in heroischen Posen, wie auch das ein oder andere Lieblings-Reittier. Und so sind es diese Details, die erkennen lassen, dass hier Fans von Computer- wie Brettspiel am Werk waren.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee, Z-Man Games
  • Autor*in(nen): Alexandar Ortloff, Justin Kemppainen, Michael Sanfilippo
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 45- 90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 55 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Asmodee befindet sich die Anleitung zum Download.

Fazit

Als jemand, der mit den drei Legacy-Teilen allein über 36 Partien Pandemic gespielt hat, würde ich das einfache Grundspiel nicht mehr anfassen. Das belebende thematische Setting der World of Warcraft-Lizenz, wie auch der variablere Aufbau mit den unterschiedlichen Quests/Raids, hat es jedoch geschafft, mich wieder an den Tisch zu locken. Die vier vorgeschlagenen Schwierigkeitsstufen tun ihr übriges, um auch für Folge-Runden noch Herausforderungen zu bieten.

Während Muradin im Nexus questet, kümmern sich Thrall und Jaina um die Untoten.
Während Muradin im Nexus questet, kümmern sich Thrall und Jaina um die Untoten.

Die Monstrositäten schaffen eine sinnvolle Ergänzung, da man sie, anders als die statischen Ghule, nicht einfach je nach Risikoaffinität ignorieren kann. Das Questen selbst ist ein wenig thematischer, als einfach ein Kartenset zu sammeln, aber am Ende zeigt man bei Aktionen Karten vor. Das ist eine logische Fortentwicklung des Grundsystems, aber eben auch nicht immersiver. Dafür liegt der Reiz viel mehr auf dem sonstigen Spielbrett, wo wir abwägen müssen, ob wir diese Karten für unsere Bewegung, Kampf oder Heilung ausgeben. Dadurch, wie auch durch das Würfeln beim Ghule-Beseitigen kommt weit mehr Spielgefühl auf, als beim reinen Optimieren des Spielzugs, um Klötzchen wegzunehmen. Diese Zufallskomponente bietet auch etwas mehr Schutz gegen das sonst recht Alpha-Gaming-anfällige Grundspielprinzip der Pandemic-Reihe.

Für Fans der Brettspielreihe eine bereichernde Alternative, aber auch für alte MMO-Hasen ein solider Einstieg in die Welt kooperativer Brettspiele.

  • Abwechslungsreiche Alternative eines beliebten Spielprinzips
  • Stimmige Ergänzungen wie Monstrositäten und Belohnungskarten nach Abschluss einer Queste
  • Vielfältiges Nutzen der Lizenz für variables Artwork
 

  • Questen fühlt sich ähnlich thematisch tief an, wie Hinweis-Marker zu sammeln

 

Titelbild: © Blizzard Entertainment / Wei Wang.
Artikelbilder: © Asmodee, Z-Man Games

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Daniel Hoffmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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