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Was tun, wenn wir aufgrund einer Pandemie zu Hause rumsitzen? Warum nicht selbst die Welt retten bei Pandemic Legacy: Season 0, dem dritten Teil und Prequel der erfolgreichen Legacy-Reihe. Werden unsere Erwartungen und Hoffnungen erfüllt, wenn wir es in den 60ern erst mal mit feindlichen Agenten zu tun haben?

Gar nicht so einfach, Krisenherde weltweit in den Griff zu bekommen und gleichzeitig Heilmittel und Impfstoffe zu entwickeln. Das wissen Politik und Wissenschaft, aber auch Spieler*innen der erfolgreichen kooperativen Pandemie-Reihe und insbesondere der ersten beiden Teile von Pandemic Legacy. Pünktlich zum Corona-Jahr und daher mit einigem Galgenhumor begrüßt, bescherten uns Z-Man Games und Asmodee mit dem Abschluss der Trilogie.

Doch dieses Mal spielen wir nicht heute oder in der postapolyptischen Zukunft, sondern gehen in die Vergangenheit, in der ja leider auch nicht alles in Ordnung war. Genauer gesagt ins Jahr 1962, in die heiße Phase des Kalten Krieges. Feindbilder sind klar auf beiden Seiten, und so starten wir auch, frisch aus dem Medizinstudium, in unseren neuen Job in Washington, nachdem wir uns auf eine interessant klingende Stellenanzeige der CIA für ein Regierungsprogramm beworben haben. Denn der Geheimdienst hat herausgefunden, dass Forscher*innen der selbstverständlich bösen Kommis eine biologischen Waffe namens MEDUSA entwickeln, mit dem Ziel, den freien Westen auszulöschen.

Wir starten den Prolog mit speziellen vorläufigen Identitäten
Wir starten den Prolog mit speziellen vorläufigen Identitäten

Wer die vergangenen Teile gespielt hat, weiß, dass uns so einige Enthüllungen und Wendungen erwarten in diesem erst mal doch recht einfachen Narrativ; aber zunächst sind unsere Aufträge für den Prolog – denn selbstverständlich wollen wir hier nicht für Spoiler vor ein Kriegsgericht – eindeutig: Beschafft eine Probe von Projekt MEDUSA aus einem Geheimlabor an einem Ort irgendwo in Europa. Dann gibt es da noch den Top-Agenten Charles Sabik, der offenbar nach sowjetischer Gefangenschaft fliehen konnte. Ihn sollen wir in Nowosibirsk aufstöbern und nach Hause holen, aber nur falls er nicht zu den Roten übergelaufen sein sollte.

Überall auf der Welt lauern die feindlichen Roten
Überall auf der Welt lauern die feindlichen Roten

Dieses Mal behindern also keine Seuchen-Klötzchen unseren Weg auf der Weltkarte; zunächst geht es darum, Informationen zu gewinnen, und nebenbei feindliche Spion*innen auszuschalten, bevor sie weitere Städte zum Überlaufen bewegen können. Das Ganze natürlich im gewohnten Pandemie-Prinzip, aber doch mit einigen Änderungen und Weiterentwicklungen.

Spielablauf

In gewohnter Manier haben wir reihum vier Aktionen zur Auswahl, mit denen wir uns von Stadt zu Stadt bewegen, Unterschlüpfe bauen, vor Ort feindliche Spion*innen ausschalten (entfernen) und Handkarten tauschen. Denn mit passenden Karten-Sets können wir weitere Sonderaktionen ausführen, die uns den Zielen näherbringen. Dieses Mal gibt es jedoch nicht einfach vier verschiedenfarbige Viren, sondern einerseits eine kontinentale Zuordnung und vor allem eine politische Zugehörigkeit zu den Alliierten, den Sowjets oder Neutralen Mächten – und vielleicht ja noch weitere Spielelemente.

Mit fünf Handkarten einer Polit-Fraktion kann man jetzt in einem Unterschlupf Einsatzteams zusammenstellen. Dadurch kommen der Fraktion entsprechende Autos ins Spiel, die alternativ zur eigenen Figur bewegt werden können. In einer Stadt der gleichen Zugehörigkeit entfernen sie am Ende des Zuges alle feindlichen Agent*innen automatisch und erleichtern damit das spätere Spiel ungemein. (Bei uns wurden diese Teams liebevoll Saugroboter genannt.) Vor allem aber braucht man diese neuen Schlüsseleinheiten für das Erledigen der Aufträge. Wie oben erwähnt, suchen wir den Agenten Sabik – der soll sich in Nowosibirsk aufhalten, das natürlich zu den Sowjets gehört. Also basteln wir ein Rotes Einsatzteam und schicken es ans Ziel, um einen der Aufträge zu erledigen.

Zwei Aufträge gilt es in den ersten Spielen zu meistern – später drei
Zwei Aufträge gilt es in den ersten Spielen zu meistern – später drei

Für den anderen müssen wir jedoch erst einmal herausbekommen, wo dieses Geheimlabor sich in Europa befindet. Hierzu haben wir alle Europakarten bei Spielbeginn gemischt und verdeckt eine unter den Auftrag gelegt. Herausfinden, wo wir unser Einsatzteam hinschicken müssen, können wir entweder mit der Aktion „Zielstadt identifizieren“, für die einer von uns drei Europakarten ablegen muss, oder wir haben das Glück und Karten unseres Heimkontinentes werden sehr schnell gezogen – denn jede bereits gezogene Karte kann es ja nicht sein. Für die erfolgreiche Erledigung des Auftrages brauchen wir auch nur ein passendes Team in der identifizierten Stadt. Falls wir mehrere mögliche offen haben, können wir alternativ in möglichst viele von ihnen Teams platzieren, und ein wenig auf unser Glück vertrauen. Nur müssen die Einsatzteams eben zur lokalen Politikausrichtung passen, und in Europa gibt es alle drei.

Ob das noch mal gut geht? Da sind schon sechs Vorfall-Marker
Ob das noch mal gut geht? Da sind schon sechs Vorfall-Marker

Aber wo ist denn da die Pandemie? Nun, das müssen wir erst einmal herausfinden; schließlich geht es um eine Biowaffe, deren Einsatz wir ja präventiv zu verhindern suchen. Nach jedem Zug werden natürlich weiterhin entsprechend der Spielendenanzahl zwei Handkarten gezogen und anschließend zwei oder mehr Bedrohungskarten aufgedeckt. Auf die letzteren wird wie üblich je ein*e Spion*in gelegt und falls dort bereits drei liegen, kommt es zu einem Vorfall. Beim achten Vorfall oder falls die Spion*innen oder der Handkartenstapel ausgehen, ist das Spiel ebenso vorbei, wie wenn alle Aufträge abgeschlossen wurden.

Das Legacy-Spiel

Für die Abrechnung wird dann geschaut, wie viele Aufträge erfolgreich waren und je nachdem geht es weiter, zunächst einmal in die erste Januar-Partie. Alle Aufträge geschafft? Super, auf in den nächsten Monat, allerdings gibt es künftig ein geringeres Budget, also eine Ereigniskarte (für mächtige jederzeit spielbare Einmaleffekte) weniger. War einer nicht erfolgreich, geht es trotzdem weiter – wir haben ja keine Zeit – allerdings erhalten wir von der Regierung eine Karte mehr. Nur wenn zwei oder drei (ab Mai gibt es monatlich einen dritten Auftrag) gescheitert sind, wird der Monat wiederholt und wir bekommen die Chance, alle nicht erfüllten Aufträge noch mal anzugehen, und erhalten dafür zwei Karten mehr. Auf diese Weise wurde der Balancingmechanismus etwas glimpflicher umgesetzt (in den letzten beiden Spielen gab es immer gleich zwei Karten mehr oder weniger).

Dieses Mal starten wir nicht beim CDC in Atlanta, sondern natürlich in Washington, D.C.
Dieses Mal starten wir nicht beim CDC in Atlanta, sondern natürlich in Washington, D.C.

Aber der wahre Reiz von Legacy-Spielen liegt ja in den Dutzenden geheimen Adventskalender-Türchen und den acht Tresoren sowie den ganzen neuen Spielmaterialien und -mechanismen, die auf uns warten und zu denen ich hier natürlich und leider nichts verraten darf. Außer vielleicht, dass mehr noch als in vorherigen Teilen das Spiel selbst recht unterschiedlich weitergehen kann. Die monatlichen Aufgaben aus dem Legacy-Kartenstapel bleiben die gleichen, aber welche Aufträge wir erfüllen, entscheidet dieses Mal nicht nur darüber, wo etwas passiert, sondern auch ob überhaupt etwas passiert. Zudem warten am Ende von Aufträgen Entscheidungen sowie Mitarbeitenden-Fragenbögen und Evaluationen auf uns, die über Fortgang der Story wie auch über Spielmechaniken entscheiden.

Nach jeder einzelnen Partie der Kampagne können wir uns dauerhafte Upgrades kaufen
Nach jeder einzelnen Partie der Kampagne können wir uns dauerhafte Upgrades kaufen

Selbstverständlich können wir auch am Ende jeder Partie wieder Punkte ausgeben, um uns dauerhafte Vorteile zu sichern. So können wir zum Beispiel Unterschlüpfe dauerhaft machen oder unseren Charakteren Fähigkeiten verleihen. Eine spannende und sehr stimmungsvolle Weiterentwicklung der Charakterbögen findet sich in den Reisepässen. Hier ist nämlich gleich Platz für drei unterschiedliche Geheimidentitäten vorgesehen, die jeweils zur politischen Ausrichtung der drei Fraktionen passen.

Ausstattung

Und genau bei diesen Pässen sieht man die Liebe zum designten Detail. Wir suchen uns ein Set Passbilder aus einem erfreulich diversen Set-Up und können dann in Anzieh-Puppen-Manier Haare, Bärte, Brillen und Kleidung hinzukleben. Im gleichen Retro-Layout finden wir die Spielanleitung sowie die Debriefings im natürlich streng geheimen Abschlussbericht, in dem wir die vielen Storymomente lesen.

Die Charakterbögen sind als Reisepässe gestaltet – für jede politische Fraktion gibt es eine Identität
Die Charakterbögen sind als Reisepässe gestaltet – für jede politische Fraktion gibt es eine Identität
Für unsere Passbilder gibt es noch jede Menge Perücken, Kleidung und Accessoires
Für unsere Passbilder gibt es noch jede Menge Perücken, Kleidung und Accessoires

Die Designidee zieht sich konsequent durch das gesamte Spiel. Auf der Landkarte findet man so ebenso einen Kaffeepott wie unterschiedlichste Büromaterialien. Einsatzteams, Unterschlüpfe und vor allem die Spion*innen sind nett geformt – allein die vier Spielfiguren sind weiterhin schlichte Pöppel, dieses Mal nur in Pastellfarben. Ich verstehe, dass diese sehr neutralen Püppchen eine gute Projektionsfläche bieten, gerade für unterschiedliche Rollen und Geschlechter, aber irgendwie fühlt es sich weiterhin bei modernen Spielen etwas komisch an, eine Mensch-ärgere-dich-nicht-Figur in den Händen zu halten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Z-Man Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Rob Daviau, Matt Leacock
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 45-60 Minuten (12-24 Partien)
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 60 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die Spielanleitung findet sich auf der Seite von Asmodee. Die Einsatzbesprechung zum Prolog (also dem Basisspiel ohne Konsequenzen für die Folgespiele) gibt es auch auf dem deutschen YouTube-Kanal. Ebendieser Prolog ist auch komplett auf Tabletopia oder Tabletop Simulator spielbar, um Pandemic Legacy: Season 0 direkt auszuprobieren, allerdings nur auf Englisch.

Gemeinsam vorm Rechner oder Online kann man den Prolog bei Tabletopia ausprobieren
Gemeinsam vorm Rechner oder Online kann man den Prolog bei Tabletopia ausprobieren
Auch beim Tabletop Simulator gibt es Tische zum direkt losspielen
Auch beim Tabletop Simulator gibt es Tische zum direkt losspielen

Fazit

Das Ende einer Trilogie, die Legacy-Games groß gemacht hat. Ein Genre dessen Mehrwert dafür sorgt, dass ich voller Vorfreude Partie nach Partie spielen mag, von Spielen, die ich teilweise in der Grundversion gar nicht (mehr) auf den Tisch bringen würde wie Risiko, Machi Koro oder eben auch Pandemie. Nach diesem dritten Teil mit dann um die 50 Spielen ist es aber vielleicht auch genug damit.

Man merkt Pandemic Legacy: Season 0 an, dass die beiden Schöpfer Gutes aus den letzten beiden Versionen genommen und noch ein wenig weitergedacht haben. Als ich den zweiten Teil bewertete, war ich noch voller Euphorie. Weil es aber doch komplexer begann, war es auch Alpha-Gaming anfälliger und so hatten wir die anderen beiden Gruppenmitglieder wohl ein wenig abgehängt.

Auch wenn die Startsituation eine ganz andere ist, geht Teil drei wieder zurück zum bewährten Grundprinzip und schafft mit den Einsatzteams eine neue starke Komponente. Die Reisepässe mit den drei Identitäten schaffen zusätzliche Flexibilität, wenn wir letztlich aber auch nicht so sehr gewechselt haben. Mehr noch als die letzten Teile gab uns Season 0 das Gefühl, mehr Freiheit zu besitzen in der Priorisierung unserer Aufträge: Wollen wir vor allem gegen das Virus vorgehen, einem möglichen Doppelagenten das Handwerk legen oder Informationen für später sammeln? Das letzte dient sicher unserer Karriere, wie auch die recht amüsanten Fragebögen und Zwischenevaluationen.

Insgesamt ein würdiger Abschluss eines absolut empfehlenswerten Spielerlebnisses. Wir sind gespannt, was uns Rob Daviau und seine Kolleg*innen der Spielezunft an neuen, frischen Legacy-Ideen alter und neuer Spiele bereiten werden.

 

Artikelbilder: © Z-Man Games, © Asmodee, © Tabletopa
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien/Screnshots: Daniel Hoffmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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