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Endlich ist es so weit: The Legend of Vox Machina startet auf Amazon Prime. Die Animationsserie nach Vorlage des beliebten Pen-and-Paper-Livestreams Critical Role hat schon zu Beginn der Produktion Rekorde gebrochen. Wir haben uns die ersten drei Folgen angesehen – es gibt bereits vieles zu entdecken.

Critical Role ist längst auch über den Pen-and-Paper-Bereich hinaus für viele ein Begriff. Was einst als Actual Play-Livestream einer Dungeons & Dragons-Kampagne begann, umfasst mittlerweile Comicbücher, Romane und sogar ein Brettspiel des hauseigenen Verlags Darrington Press. Mit der Animationsserie ist nun ein weiterer Meilenstein dazugekommen. Diese wurde ursprünglich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert, die überraschend über 10 Mio. US-Dollar einspielte. So wurden aus ursprünglich zwei Folgen animiertem Feature eine erste Staffel, die mit Amazon Prime als Vertriebsplattform dann bereits vorab um eine zweite erweitert wurde.

Entertainment für Erwachsene ist das erklärte Ziel der Gruppe rund um CEO Travis Willingham und Creative Director Marisha Ray. The Legend of Vox Machina geizt deshalb nicht an blutigen Szenen und derber Sprache, was der Trailer bereits deutlich macht. Die erste Staffel der Serie wird vom 28. Januar bis zum 18. Februar wöchentlich ausgestrahlt, jeweils zu 3 Folgen. Wie schafft es das Kreativteam, die über hundert Stunden an adaptiertem Material in 20- bis 30-minütigen Folgen wiederzugeben?

Vox Machina
Vox Machina

Kurz vorweg: Eine deutsche Tonspur ist vorhanden, und diese ist auch solide übersetzt. Empfehlen möchten wir an dieser Stelle aber, die Originalvertonung gegebenenfalls mit Untertiteln zu schauen. Es wurde viel Wert auf die Auswahl der Nebendarsteller*innen gelegt, und natürlich repräsentiert die Crew von Critical Role ihre Charaktere. Die Synchronisierung ist bei The Legend of Vox Machina zweifellos ein großer Teil der künstlerischen Vision.

Story

Die Handlung folgt der Abenteuergruppe Vox Machina, welche aus den Spielercharakteren der ersten Kampagne von Critical Role besteht. Adaptiert werden soll der beliebte Briarwood– beziehungsweise  Whitestone Arc. Dieser beschäftigt sich mit der Hintergrundgeschichte des Charakters von Spieler Taliesin Jaffe, Percival „Percy“ de Rolo.

Im Whitestone Arc stellt sich Percy seiner Vergangenheit.
Im Whitestone Arc stellt sich Percy seiner Vergangenheit.

Die beiden Pilotfolgen erzählen allerdings ein Abenteuer der Truppe aus der Zeit vor Beginn des Livestreams. Sie starten in einer Taverne in Emon, der Hauptstadt von Tal’Dorei. Die darauffolgende Geschichte ist den Fans nicht gänzlich unbekannt: The Story of Vox Machina ist eine Erzählung des Cast, der die Ereignisse in der Kampagne vor Beginn des Streams zusammenfasst und einige Schlüsselelemente des in der Serie vorkommenden Plots erwähnt. Allerdings wird in der Adaption recht liberal damit umgegangen. Zum Beispiel ist Lady Kima hier bereits vor Ort in Emon, sodass der Handlungsstrang der ersten Folgen von Critical Role übersprungen werden konnte.

Vox Machina ist zu diesem Zeitpunkt noch eine Gruppe aus zusammengewürfelten, sich prügelnden Abenteurer*innen ohne Geld und Perspektive. Innerhalb von sechzig Minuten wird über zwei Folgen verteilt demnach eine Geschichte des Helden*innen-Werdens erzählt, die durch die begrenzte Zeit leider etwas gehetzt wirkt. Überhaupt werden Zuschauer*innen am tiefsten Punkt der Gruppe mit dieser bekannt gemacht. So nehmen unsere zukünftigen Held*innen aus purer Verzweiflung die gefährliche Mission an, ein unbekannte Kreatur zu besiegen, die das Land von Tal’Dorei terrorisiert. 

Zu den Episoden 1 und 2

Schnell wird klar, der erste Gegner für Vox Machina ist der blaue Drache Brimscythe. Leider hätte es für die Entfaltung der Story gerne noch mindestens eine weitere Episode geben dürfen. Die Ansichten der Gruppe und deren Auftraggeber*innen springen binnen Augenblicken hin und her. Besonders deutlich wird dies, als es darum geht, die Motivation von Vox Machina für den Kampf gegen den Drachen zu etablieren. Den emotionalen, düsteren Szenen wie zum Beispiel im zerstörten Fischerdorf wird keine Zeit zur Entfaltung gelassen. David Tennant als General Krieg ist natürlich ein Schmaus für die Ohren, aber auch hier wirkt die Entdeckung von dessen wahren Gesicht ein wenig überstürzt und die Kampfszenen leider recht kurz. Wir haben dadurch kaum Spannungsaufbau wahrnehmen können.

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Alles in allem leiden die beiden Pilotfolgen unter der Zeitbegrenzung des Formats. Dies sei der Serie jedoch verziehen, lässt es doch ganze zehn Episoden für den versprochenen Kampf gegen die Briarwoods übrig. Dieser wird in Folge drei bereits eingeführt, und das sehr effektiv. Wir können es kaum abwarten, nächste Woche weiterzuschauen. Es bleibt also zu hoffen, dass sich zukünftig mehr Zeit gelassen wird, damit emotionalere Szenen etwas atmen können. Besonders im Hinblick auf das, was in den folgenden Episoden noch auf Vox Machina zukommt, ist dies auch bitter nötig.

Darsteller*innen

Die sieben Mitglieder von Vox Machina werden natürlich von ihren jeweiligen Spieler*innen gesprochen – schließlich besteht der Cast von Critical Role aus hochrangigen Synchronsprechenden. Matthew Mercer, der in der Kampagne in seiner Funktion als Dungeon Master sämtliche Nicht-Spieler-Charaktere (NSC) übernommen hat, tritt in der Serie nun hauptsächlich als Antagonist Silas Briarwood (sowie als der Bär Trinket und einige wenige Hintergrundcharaktere) auf. Das bedeutet natürlich, dass für den Rest der Nebencharaktere ein neuer Cast gefunden werden musste.

Es ist kaum verwunderlich, dass an dieser Stelle nicht gespart wurde. „Alte Freunde“ der Show vermischen sich gekonnt mit prominenten Namen – allen voran Stephanie Beatriz, die mit ihrer Rolle als Mirabel in Disneys Encanto jüngst einen Mega-Erfolg feierte. Beatriz kommt als Lady Kima mit an Bord der Serie – ihre raue Intonierung passt wie die Faust aufs Auge. Ihr zur Seite gestellt wurde Indira Varma als Lady Allura Visoren, welche unter anderem aus Game of Thrones bekannt ist und deren Leistung bisher leider etwas in den Schatten gedrängt wird. Andere Namen, die bei ihrer Ankündigung als Gastsprechende für Überraschung gesorgt haben, sind David Tennant als General Krieg (Doctor Who, Good Omens) sowie Dominic Monaghan (Der Herr der Ringe).

Besonderes Augenmerk lag auf der Besetzung vom charmanten Händler Shaun Gilmore mit Darsteller Sunil Malhotra, sowie Grey Griffin als Antagonistin Delilah Briarwood. Gilmore ist einer von Matt Mercers beliebtesten Charakteren, und lange Zeit wurde spekuliert, ob Mercer die Rolle selbst übernehmen würde. Malhotra kann als flirtender Magier allerdings vollends überzeugen; auch die Chemie zwischen ihm und O’Brien als Vax’ildan stimmt. Fans der Show reagierten überwiegend positiv auf die Besetzung, vor allem da die Inspiration für den Charakter aus dem südostasiatischen Raum stammt und Gilmores Design in der Serie dies widerspiegelt. Grey Griffin (Künstlername der Schauspielerin Grey DeLisle) ist in der Animationswelt wiederum vor allem als Prinzessin Azula in Avatar – der Herr der Elemente bekannt. In der Rolle der bösen Gegenspielerin ist sie bestens aufgehoben.

Silas und Delilah Briarwood, gesprochen von Matt Mercer und Grey Griffin.
Silas und Delilah Briarwood, gesprochen von Matt Mercer und Grey Griffin.

Inszenierung

Die Animation der Serie wurde vom amerikanischen Studio Titmouse, Inc. übernommen. Besonders sticht hervor, welche Mühe sich selbst für das Hintergrundgeschehen gemacht wurde. Ob wir tatsächlich zu sehen brauchen, wie Scanlan sich im Hintergrund die Hose hochzieht, sei einmal dahingestellt. Aber der Fakt, dass solche Kleinigkeiten nicht off-screen passieren, zeugt von der Mühe, die sich mit der Serie gemacht wurde. Jede einzelne Szene wirkt dadurch dynamisch und belebt. Auch die Animation selbst ist flüssig und die Designs sehr gelungen.

Erzählstil

The Legend of Vox Machina erhält in Deutschland ein FSK-Label mit einer Altersbeschränkung von 16 Jahren wegen exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum, Gewalt und Obszönität. Wie schon erwähnt geizt die Serie nicht damit – und schlägt teilweise auch etwas über die Stränge. In der ersten Szene reißt Grog einem Besucher der hiesigen Taverne die Hand ab, und das Einzige, was daraus gemacht wird, ist ein geschmackloser visueller Witz.

Das Team von Critical Role wollte hier wohl deutlich zeigen, dass sie Content für Erwachsene machen. Das begrüßen wir generell, da die Vorzüge des Animationsformats von der Serie wirklich fabelhaft hervorgehoben werden. Leider ist nur gefühlt jeder zweiter Satz mit Schimpfwörtern, jede zweite Szene mit unnötiger Gewalt oder ekelerregenden Handlungen gespickt. Das finden wir schade – in gut platzierten Maßen hätte die Bereitschaft für solche Darstellungen deutlich mehr Gewicht in der Narrative gehabt. Einzig die dritte Folge konnte hier etwas Balance bieten.

Besonders erfreut waren wir dagegen über all die liebevollen kleinen Details, die Fans der Show aufgefallen sein dürften. Von einer Ausgabe Tusk Love über verdächtig bekannt aussehende Spielwürfel bis hin zu den schamlosen Flirts zwischen Gilmore und Vax’ildan gab es vieles zu entdecken. Kleinere Andeutungen auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Gruppe wurden ebenso eingestreut wie Hinweise auf den weit späteren Verlauf der Geschichte, welche fast schon Hoffnung auf weitere Staffeln der Serie machen.

Die harten Fakten:

  • Regie: Young Heller
  • Darsteller*innen: Laura Bailey (Vex’ahlia), Taliesin Jaffe (Percy de Rolo), Ashley Johnson (Pike Trickfoot), Liam O’Brien (Vax’ildan), Marisha Ray (Keyleth), Matthew Mercer (Silas Briarwood, Trinket), Travis Willingham (Grog Strongjaw), Sam Riegel (Scanlan Shorthalt)
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch, Deutsch
  • Format: TV-Serie
  • Preis: Enthalten in Amazon Prime-Mitgliedschaft

 

Bonuscontent

Die Entstehung der Serie wurde auf dem Youtube-Kanal von Critical Role mit mehreren Videoclips begleitet, in denen unter anderem die Mitwirkenden vorgestellt werden. Zu finden sind diese unter dem Titel The Legend of The Legend of Vox Machina. Für Interessierte stehen somit mehrere Stunden an Bonuscontent kostenlos zur Verfügung.

Fazit

The Legend of Vox Machina macht Spaß anzusehen. Fans von Critical Role werden nicht enttäuscht: Endlich sind ihre geliebten Charaktere auf der „Leinwand“ zu sehen, und das ziemlich beeindruckend. Das Format entfaltet seine volle Wirkung. Der Cast an Sprecher*innen brilliert, und die Animationen selbst sind flüssig und mit viel Liebe gemacht. Auch Nicht-Kenner*innen der Show dürften hier den Anfang einer vielversprechenden Geschichte in einer charmanten Welt voller moralisch grauer Charaktere finden. Besonders gut aufgenommen wurde die Ausrichtung der Show auf ein erwachsenes Publikum. Dem schließen wir uns an – es ist erfrischend zu sehen, dass das Format der Animation seinen Platz auch in einer weniger familienfreundlichen Sphäre a la Disney behaupten kann.

Wir freuen uns darauf, was Vox Machina als nächstes erwartet.
Wir freuen uns darauf, was Vox Machina als nächstes erwartet.

Abzüge gibt es von uns in der B-Note. Die ersten beiden Folgen hätten gut und gerne noch eine dritte gebrauchen können, um die Wirkung der erzählten Vorgeschichte vollends zu entfalten. So war alles ein wenig gehetzt und konnte nicht ganz die emotionale Tiefe herausbilden, die es gebraucht hätte. Die teilweise unnötig beiläufige, exzessive Gewalt hat ebenfalls ihren Teil hierzu beigetragen – es wäre sehr viel schöner gewesen, diese nur in den Szenen zu sehen, die die nötige Gravitas haben. So wirkte die Beiläufigkeit der Brutalität eher abstoßend. Folge drei verspricht allerdings bereits Besserung.

Wir melden uns zum Ende der Staffel noch einmal mit einem finalen Eindruck und freuen uns bis dahin auf den Rest der Serie.

 

  • Flüssige, detaillierte Animation
  • Herausragender Cast
  • Erwachsene Unterhaltung
 

  • Unnötige beiläufige Gewalt, die die ernsteren Szenen abschwächt
  • Die Pilotfolgen hätten etwas mehr Zeit gebrauchen können

 

Artikelbilder : © Amazon Prime Studios
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

2 Kommentare

  1. Oh Gott, das kann man ja überhaupt nicht mehr vernüftig lesen, mit der beschissenen Genderei. Ihr solltet die deutsche Sprache aufrecht erhalten und nicht so einem Mode Schwachsinn hinterherrennen.

    • Oh Gott, den Kommentar kann man ja überhaupt nicht mehr vernünftig lesen, mit der beschissenen ewig gestrigen Attitüde eines alten weißen Mannes. Du solltest dich beschäftigen, wie die deutsche Sprache entstanden ist und auch weiterhin entsteht und nicht so einem schwachsinnigen Kommentar posten.

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