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Wie kein anderer Held aus dem Hause DC Entertainment hat Aquaman gegen einen schlechten Ruf und eine Reihe von Vorverurteilungen zu kämpfen. Zu sehr klingt den Zuschauern das eingängige „Aquaman ist scheiße!“ aus der Serie The Big Bang Theory in den Ohren. Kann James Wan die Ehre des Helden retten?

DC Entertainment hatte mit seinen letzten filmischen Projekten oft kein glückliches Händchen. Während mit Wonder Woman ein Hoffnungsschimmer für das große erweiterte Filmuniversum um Superman, Batman und Konsorten aufflackerte, schwand diese Hoffnung recht schnell wieder. Denn Justice League musste man mit seinen erzählerischen Schwächen und seinen unausgegorenen CGI-Effekten schlichtweg als gescheitert ansehen.

Horror-Regisseur James Wan, der mit Filmen wie Saw, Insidious und Annabelle Erfolge feierte, trat also kein leichtes Erbe an, als er den Auftrag für Aquaman Besonders, weil dem großen Konkurrenten Marvel gerade mit dem letzten Titel der Avengers ein ganz großer Wurf gelungen war. Das dürfte den Druck auf Wan noch deutlich erhöht haben. Es brauchte einen eigenständigen, lebendigen und unterhaltsamen Film, der mit den bisherigen Konventionen der DC-Filme und vielleicht sogar des Superhelden-Genres bricht. Doch ist eine solche Aufgabe überhaupt lösbar?

Story

Zunächst wird dem Zuschauer die Liebesgeschichte eines Leuchtturmwärters aus Maine und einer atlantischen Königin präsentiert. Die junge Meerkönigin wird an Land gespült und von dem einfühlsamen Einsiedler in seinem Turm, der von der Szenerie deutlich an Lovecraft-Geschichten erinnert, gerettet. Die Szenerie wird nicht die einzige Lovecraft-Anleihe des Films bleiben. Natürlich entbrennt zwischen Leuchtturmwärter und Königin eine Liebe, und das Produkt des Ganzen ist Arthur Curry, der später zu Aquaman wird. Soweit bleibt der Film den Erwartungen an einen Superheldenfilm absolut treu.

Die eigentliche Handlung von Aquaman setzt kurz nach den Ereignissen aus Justice League ein.

Während Aquaman ein wenig ziellos als inoffizielle Wasserschutzpolizei durch die Weltmeere dümpelt, entdeckt er ein U-Boot, das von Piraten angegriffen wird. Der Held zweier Welten greift in die Situation ein, die nicht ohne Opfer bleibt. Fans der Comics erkennen hier unschwer die Geburtsstunde von Black Manta, einem sehr beliebten Schurken der Aquaman-Reihe.

Heimgekehrt, erwartet Arthur eine schlechte Nachricht in Gestalt einer schönen Frau. Die atlantische Prinzessin Mera informiert den Helden, dass sein Halbbruder Orm einen Krieg gegen die Oberwelt lostreten möchte. Orm hat die Nase voll von Umweltzerstörung und Vermüllung der Ozeane. Noch dazu dürstet ihn nach Macht, und ein Krieg würde helfen, die Königreiche von Atlantis unter einem Hochkönig zu vereinigen. An dieser Stelle vereint der Film Elemente des Justice League-Kultcomics Der Thron von Atlantis mit Elementen der Artus-Sage.

Der zögerliche Arthur lässt sich überzeugen, und es entbrennt ein harter Kampf um die Herrschaft über die Reiche unter dem Meer. Für den finalen Triumph fehlt Aquaman allerdings ein wichtiges Artefakt. In einer abenteuerlichen Suche macht er sich auf, diese Herrschaftsinsignie zu finden. Wieder kippt an dieser Stelle die Stimmung des Films, und Elemente von Indiana Jones und Jules Verne sind deutlich erkennbar. Außerdem erwartet den Zuschauer eine Begegnung mit Geschöpfen, die deutlich an Lovecrafts Tiefe Wesen aus Schatten über Innsmouth erinnern und weiteren cthulhuid wirkenden Schrecken.

Darsteller

Die Besetzung des Films ist hochkarätig.

Jason Momoa spielt einen Arthur, der liebenswert, lebendig und kindsköpfig wirkt. Er ist wie der große, knuddelige Metaller, den man gern in seiner Rollenspielgruppe hätte. Nichts scheint ihn wirklich aus der Ruhe zu bringen und seine Sprüche, die er gelegentlich ablässt, wirken natürlich und ungezwungen.

Ihm zur Seite steht Amber Heard als Mera, die den etwas intelligenteren Part des Gespanns übernimmt. Heard spielt solide, wirklich glänzende Momente sind jedoch nicht auszumachen.

Patrick Wilson gibt den finsteren Orm, der dem Titel des Ocean Master nachjagt. Wilson hat bereits bei Insidious mit Wan gearbeitet und liefert einen zerrissenen, emotional verkrüppelten Orm, bei dem bis zum Ende unklar bleibt, ob er tatsächlich ein Schurke oder vielmehr ein fehlgeleiteter Antiheld ist.

Nicole Kidman präsentiert sich als Königin Atlana und scheut sich in dem Film nicht, auch einmal würdevoll ihr wahres Alter erkennen zu lassen.

Dolph Lundgren überzeugt als König Nereus, der Orm als Unterkönig dient und zwischen Vaterpflichten gegenüber Mera und Machtgelüsten hin- und hergerissen ist.

Nicht zu vergessen ist Willem Dafoe, dem streckenweise eine CGI-Verjüngung so gar nicht gut ansteht, und der engagierte Yahya Abdul-Mateen II, der Black Manta mit echtem Leben und Herzblut füllt.

 

Inszenierung

Aquaman überrascht durch eine gelungene und mutige Inszenierung, die zu großen Teilen Schwächen im Erzählerischen wettzumachen weiß. Ganz klar: Die Drehbuchautoren von Aquaman haben das Rad nicht neu erfunden. Sie haben vielmehr einen unglaublich mutigen Genremix produziert, der aber Ecken und Kanten hat. Durch großartige Bildwelten, brillantes Farbenspiel unter Wasser und weitestgehend überzeugende Effekte gelingt es dem Film trotzdem, den Zuschauer zu fesseln und eine kleine Weile in seine Welt zu entführen.

Wan, der sich aus seinem Stammgenre des Horrors herausgewagt hat, zaubert einen überzeugenden Fantasy-Streifen, dessen Akustik den Zuschauer streckenweise in den Sitz drückt und dessen Bilderfluten fast hypnotisch wirken. Dennoch bleibt er auch dem Horror treu, wenn er subaquatische Monstren zum Leben erweckt, die selbst die Meister des literarischen Grauens kaum besser hätten beschreiben können, und Tauchgänge in die Tiefe zu Eintritten in den Schlund der Hölle stilisiert.

Erzählstil

Das Mutige an diesem Film ist tatsächlich der interessante Genre-Mix, der sich schwer in Worte fassen lässt. Lovecraft trifft auf Jules Verne, Comic trifft auf Abenteuerroman, Artus-Sage trifft auf Superhelden. Leider ist die Mischung nicht immer ganz geglückt. So wird eine gewaltige Möglichkeit verschenkt, indem die Artefaktsuche sehr kurz gehalten, dafür aber eine Schießerei auf Sizilien (es bleibt im Übrigen unklar, wie Aquaman da nun genau hingekommen ist) in epischer Breite und mit miserablen Schützen schier endlos ausgedehnt wird. Ein geschickteres Balancieren der einzelnen Elemente hätte dem Film gut getan.

Die harten Fakten:

  • Regie: James Wan
  • Darsteller: Jason Momoa, Amber Heard, Dolph Lundgren, Nicole Kidman, Willem Dafoe
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: 3D

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Fazit

Es wäre falsch, Aquaman zum Erlösungsschlag für das schwer angeschlagene Filmuniversum von DC Entertainment zu ernennen. Denn kleine Schwächen in der Dialoglogik, nicht ganz gelungenes Ausgewichten der Handlungsbögen und furchtbar unfähige atlantische Soldaten sind nun einmal nicht wegzudiskutieren. Dennoch bleibt Aquaman ein hochgradig unterhaltsamer Superheldenfilm. Er weiß geschickt, Fallen zu vermeiden. Das sieht man unter anderem daran, dass er zwar eine lockerere und fröhlichere Stimmung transportiert als bisherige DC-Filme, aber den Humor nicht so gnaden- und sinnlos überreizt wie einige Konkurrenzprodukte.

James Wan entführt uns in bildgewaltige Unterwasserwelten voll wimmelndem und phosphoreszierendem Leben. Er erweckt Klangwelten, die im wahrsten Sinne des Wortes erschüttern. Und er wagt einen mutigen und aberwitzig wirkenden Genre-Mix, der seinen Film sehr eigenständig wirken lässt. Jason Momoa verbreitet mit seiner unverkrampften Art und dem lockeren Zusammenspiel mit Amber Heard eine Wohlfühl-Atmosphäre. Dieser Film ist sicher nicht der intellektuell-philosophische Stein der Weisen. Er ist ambientiges Popcorn-Kino mit Entspannungsfaktor, bei dem man Seele und Verstand baumeln lassen darf.

Die zweite Meinung

von Holger Christiansen

Ein isoliertes Königreich, ein junger König, ein Herausforderer um den Thron, der sein ganzes Leben in der Außenwelt verbracht hat, der Versuch, mit der überlegenen Technologie des Reiches die Welt zu unterjochen. Hatten wir das dieses Jahr nicht schon einmal? Richtig – Aquamans Geschichte hat an vielen Stellen Ähnlichkeit zu Black Panther. Nur ist dieses Mal der Held der Außenseiter und der bisherige König der Aggressor. Und wo Marvels schwarzer Panther mit seiner Geschichte zum Nachdenken darüber anzuregen vermag, wer von den beiden denn nun eigentlich recht hat, stellt Aquaman diese Frage gar nicht erst.

Und auch ansonsten lässt die Geschichte an vielen Stellen zu wünschen übrig. Übergänge von einer Szenerie zur nächsten sind komplett offen, die Motivationen der Charaktere manchmal dürftig erklärt, oftmals fehlen sie aber komplett.

Gerade die von Kollege Leander in der Einleitung angesprochenen Schwächen der CGI und der Storyline sind leider auch in Aquaman nur allzu präsent. Die geschaffene Unterwasserwelt wirkt zwar durch und durch fantastisch, schon fast wie Pandora aus James Camerons Avatar. Aber sobald an den Gefechten dort Personen beteiligt sind oder eine Nahaufnahme Gesichter im Gespräch unter Wasser zeigt, wirkt es schnell sonderbar bis albern.

Ist Aquaman damit ein durch und durch schlechter Film? Nein, so weit würde ich auch nicht gehen. Er ist bunt, actionreich, und weiß über weite Strecken zu unterhalten. Aber nur, wenn man das Gehirn in der Zeit komplett auszuschalten vermag. Und große Schauspielkunst sollte man auch nicht erwarten.

Alles in allem ein unterhaltsamer Film, den man aber nicht gesehen haben muss.

Artikelbilder: © Warner Bros

16 Kommentare

    • Leander Linnhoff Nein. Alles, was Snyder als Regisseur disqualifiziert, lässt sich bereits an „Sucker Punch“ ablesen: seinem Wunschprojekt, bei dem er komplette kreative Kontrolle ohne Studioeinmischung oder persönliche Tragödien hatte. Snyder liebt Spektakel, hat aber keinerlei Sinn für Spannungsbögen, Dramaturgie oder stringente Plots/Charakterisierung.

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