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„He who controls the spice controls the universe.“ – Das Rollenspiel Dune – Adventures in the Imperium ermöglicht es, in das monumentale literarische Universum des Sciene-Fiction-Klassikers von Frank Herbert einzutauchen. Als Mitglied eines Adelshauses oder einer anderen Organisation im Imperium wird man Teil des ewigen interplanetaren Spiels aus Intrige und Gewalt.

„I must not fear.
Fear is the mind-killer.
Fear is the little-death that brings total obliteration.
I will face my fear.
I will permit it to pass over me and through me.
And when it has gone past, I will turn the inner eye to see its path.
Where the fear has gone there will be nothing. Only I will remain.“

– The Litany Against Fear

Der Dune-Zyklus, Frank Herberts zuerst 1965 erschienenes Science-Fiction-Epos, dürfte den meisten Menschen in jüngster Zeit durch die Verfilmung von Denis Villeneuve aus dem Jahr 2021 bekannt sein. Für das Rollenspiel Dune – Adventures in the Imperium arbeitete Modiphius unter anderem eng mit den Autoren Kevin J. Anderson und Brian Herbert, dem Sohn des verstorbenen Autors, zusammen, die die Saga nach Herberts Tod maßgeblich ergänzten.

Das Regelwerk ermöglicht es den Spielenden, in ein tiefgründiges Universum einzutauchen, in dem die Fähigkeiten des menschlichen Geistes so weit ausgedehnt wurden, dass es nahezu magisch anmutet. Zentrum des imperialen Intrigenspiels ist dabei der unwirtliche Wüstenplanet Arrakis. Denn nur hier kann der wichtigste Rohstoff des bekannten Universums abgebaut werden: das Spice Melange. Ob es gelungen ist, die weitschweifige Spice … äh … Space-Opera angemessen in Rollenspielform zu bringen, erfahrt ihr hier.

Im Kampf der Adelshäuser kann man niemandem vertrauen (S. 92)

Die Spielwelt

„Thou shalt not make a machine in the likeness of a human mind.“ – Orange Catholic Bible

Wenn es um Umfang und Tragweite geht, muss sich das Universum von Dune neben anderen Klassikern der Science-Fiction nicht verstecken. Dennoch gelingt es dem Regelwerk auf circa 80 Seiten, die wichtigsten Elemente der Spielwelt gut zusammenzufassen. Theoretisch steht es jeder Spielgruppe frei, in welcher Epoche der langen Geschichte und an welchem Ort ihr Abenteuer spielen soll. Empfohlen wird jedoch der Wüstenplanet Arrakis, kurz bevor der erste Roman Herberts beginnt. Noch beutet also das niederträchtige Haus Harkonnen den Wüstenplaneten rücksichtslos aus, noch haben die Atreides ihre Herrschaft nicht angetreten.

Ein wenig Geschichtsunterricht

Dune ist in etwa 20.000 Jahre nach dem Zeitpunkt angesiedelt, zu dem es den Menschen gelang, in den Weltraum aufzubrechen und andere Planeten zu kolonisieren. „Old Terra“, also unsere Erde, ist nur noch eine ferne und sagenhafte Erinnerung. Im Laufe der Zeit entwickelten die Menschen extrem leistungsfähige künstliche Intelligenzen, die die Menschheit versklavten. Im sogenannten „Butlerian Jihad“ gelang es den Menschen, die Maschinen in einem langen Kampf zu besiegen. Dieser mythische Krieg ist der zentrale Anstoßpunkt für den „gegenwärtigen“ Stand des Universums und der Menschheit: Nach den Erfahrungen im Kampf mit den Computern wurde es zum religiösen Gebot, keine Maschinen mehr nach dem Ebenbild des menschlichen Geistes zu entwickeln. Die Erschaffung jedweder künstlichen Intelligenz ist also unter Todesstrafe verboten.

Da eine hochentwickelte, interplanetare Gesellschaft, vor allem im Bereich des Weltraumreisens, nicht ohne übermenschliche Intelligenzen auskommt, wurden Mittel und Wege gefunden, dies zu kompensieren. Der Schlüssel hierzu ist das sogenannte „Spice Melange“ oder kurz „Spice“. Mit Hilfe der wertvollen Droge, die die Körper der Konsumierenden verändert und deren Augen blau verfärbt, können geistige Fähigkeiten erweitert und die Lebenserwartung verlängert werden.

Planeten und Fraktionen

Als einziger Ort, an dem dieser Stoff abgebaut werden kann, ist Arrakis das wichtigste Lehen, das der höchste Herrscher, Padisha-Imperator Shaddam Corrino IV, vergeben kann. Wie bereits gesagt, ist Arrakis oder Dune, ein gnadenloser, extrem wasserarmer Wüstenplanet, der prominenteste Spielort des Pen-and-Papers. Der Spice-Abbau wird dabei durch drei Faktoren erschwert: erstens die Sandwürmer, kolossale Ungetüme, die durch die Dünen pflügen und alles verschlingen, was ihnen in den Weg kommt. Zweitens das Klima des Planeten, das nicht nur extreme Hitze, sondern auch tödliche Sandstürme hervorruft. Und drittens die Fremen. Dabei handelt es sich um die Bewohner*innen der Wüste, harte und militante Kämpfer*innen, die sich perfekt an das Leben in ihrer Heimat angepasst haben. Hinzu kommen zahlreiche andere mögliche Planeten aller vorstellbaren Ausprägungen, von denen einige im Regelwerk beschrieben werden.

Ein Fremen und ein Mentat (S. 111)

Der Imperator selbst muss sich nur vor dem Landsraad verantworten, in dem sich einflussreiche und weniger einflussreiche Adelshäuser zusammengeschlossen haben. Um ihre Ziele im ständigen Machtkampf zu erreichen, gehen die Adelshäuser bis zum Äußersten. Es sagt viel über die Welt aus, dass mit dem „Kanly“ eine ritualisierte Form der Vendetta existiert.

Neben den Adelshäusern existieren noch andere Organisationen, die auf ihre eigene Weise in die Geschicke des Universums eingreifen:

  • Die Weltraum-Gilde ist die einzige Organisation, die effektives interplanetares Reisen zur Verfügung stellt, und somit ungemein einflussreich.
  • Dem Orden der Mentaten ist es gelungen, den menschlichen Geist zu Berechnungen zu befähigen, zu denen es sonst einen hochentwickelten Computer braucht.
  • Die „CHOAM“ oder im Deutschen „MAFEA“ ist eine mächtige Handelsorganisation, an der die meisten Häuser Anteile haben.
  • Die Suk-Schule bildet die besten Ärzt*innen aus. Diese werden auf eine Art und Weise konditioniert, die es ihnen absolut unmöglich macht, Menschen zu schaden.
  • Bei den allgemein verachteten Bene Tleilax – auch „dreckige Tleilaxu“ genannt – handelt es sich um fragwürdige Bioingenieur*innen.
  • Unter den „Swordmasters of Ginaz“ findet man die besten Schwertkämpfer*innen – neben den imperialen Truppen, den Sardaurkar.
  • Eine besondere Position nimmt gewiss die Schwesternschaft der Bene Gesserit ein. Dieser mysteriöse Orden, dem ein Training von Körper und Geist unter anderem manipulative und hellseherische Kräfte beschert, verfolgt mit großem politischem Geschick seine ganz eigenen Ziele.
Giedi Prime – Gefängnisplanet des Imperators (S. 78)

Obwohl die Einführung des Regelwerks gut verständlich ist, ist der Einstieg in die Welt von Dune deutlich niedrigschwelliger, wenn man bereits den ein oder anderen Roman des Zyklus gelesen hat. Sonst kann es sein, dass man von der Informationsfülle über dieses einzigartige Universum erschlagen wird. Vor allem die Spielleitung sollte sich gut in der Welt auskennen, um den Spielenden die wichtigsten Grundzüge vermitteln zu können. Für das Spiel in Dune gilt: Wissen ist Macht, eine Phrase, die das Regelwerk geradezu inflationär wiederholt. Je mehr die Spielenden wissen, desto leichter wird es ihnen fallen, ihre Agenda zu verfolgen. Die Einstiegshürde des Rollenspiels, rein in Bezug auf das erforderliche Vorwissen, liegt also auf einem gewissen Niveau.

Die Regeln

„Arrakis teaches the attitude of the knife–chopping off what’s incomplete and saying: Now, it’s complete because it’s ended here.“ – from Collected Sayings of Muad’Dib, by the Princess Irulan.

Wie auch die Systeme Star Trek Adventures, Conan, Infinity oder Homeworld von Modiphius basiert Dune auf dem sogenannten 2W20-System – mit leichten Veränderungen. Dabei muss möglichst tief gewürfelt werden, wobei eine 1 als zwei Erfolge zählt und eine 20 eine Komplikation bedeutet. Der Schwierigkeitsgrad, die Zahl der erforderlichen Erfolge, wird von der SL festgelegt und bewegt sich in der Regel zwischen 0 (Simple) und 5 (Epic).

Die grundlegenden Regeln sind ähnlich wie in den anderen 2W20-Systemen und werden dementsprechend hier nur knapp zusammengefasst: Der Spielverlauf baut auf einer Gliederung in einzelne Szenen auf. Jede Szene wird durch bestimmte „Traits“ definiert, also situative Gegebenheiten, die Würfe potenziell erleichtern oder erschweren können.

SC und NSC basieren zentral auf „Drive“, also dem moralischen Antrieb des Charakters und den „Skills“ also dessen Fähigkeiten. Auf beides wird im Rahmen der Charaktererschaffung noch genauer eingegangen. Bei jedem Würfelwurf werden ein situativ passender Drive und der notwendige Skill addiert und ergeben die „Target Number“. Alle Würfe unter oder gleich dieser Zahl sind ein Erfolg.

Beispielcharakter Dr. Yueh (S.249)

Der Würfelpool kann durch weitere Elemente wie Momentum und Threat erweitert werden. Bei Momentum handelt es sich um einen gemeinsamen Pool der Gruppe, der sich aus besonders erfolgreichen vorherigen Proben ergibt und somit die Moral der Gruppe oder besonders günstige Vorbedingungen repräsentiert.

Die Spielenden können der SL auch Threat-Punkte für zusätzliche Würfel geben. Mit diesen Punkten können den SC im weiteren Spielverlauf Steine in den Weg gelegt oder ein Finale möglichst knackig gestaltet werden. Durch Verwendung dieser Elemente kann der Würfelpool theoretisch bis auf 8 Würfel ansteigen.

Zusätzliche Faktoren können einen Wurf noch weiter beeinflussen. Bei einem erfolglosen Wurf können sich die Spielenden entscheiden, Komplikationen hinzunehmen: Man ist also erfolgreich, aber zu potenziell hohen Kosten.

Ein kurzes Beispiel:

Dr. Wellington Yueh, ein Arzt der Suk-Schule, möchte eine Wunde seines Herren Herzog Leto versorgen. Es ist seine Pflicht und er muss dazu medizinisches Verständnis besitzen und anwenden können. Also wählt man den Drive „Duty“ (4) und den Skill „Understand“ (8). Man addiert Drive und Skill und erhält eine Target Number von 12. Jeder Wurf unter oder gleich 12 ist also ein Erfolg.

Der Schwierigkeitsgrad ergibt sich folgendermaßen: Es handelt sich um eine etwas tiefere Bauchwunde, die fast die inneren Organe verletzt hätte. Ganz einfach ist es also nicht. Yueh muss mindestens 2 Erfolge erzielen. Zudem befinden sie sich in der Wüste. Aufgrund des situativen Traits „Hitze“ wird es also noch schwieriger. Es werden 3 Erfolge benötigt – eine wahrhafte Herausforderung.

Ein Versagen wäre in jedem Falle problematisch. Man entscheidet sich also, einen Punkt Momentum auszugeben, und erhält einen weiteren Würfel. Leider ist der Momentum-Pool damit bereits ausgeschöpft. Zur Sicherheit gibt man der SL noch einen Punkt Threat. Somit hat man vier Würfel. Immer noch riskant, aber machbar. Der Wurf erzielt folgendes Ergebnis: 1, 12, 16, 19. Die Eins zählt als zwei Erfolge, die 12 ist gerade so ein Erfolg: Das ist noch einmal gut gegangen!

Charaktererschaffung

„A beginning is the time for taking the most delicate care that the balances are correct. This every sister of the Bene Gesserit knows.“ – from Manual of Muad’Dib, by the Princess Irulan.

Die Charaktere in Dune basieren auf sechs großen Elementen: „Drive“, „Skill“, „Traits“, „Ambition“, „Talents“. Hinzu kommen „Starting Assets“, also materielle wie immaterielle Ressourcen.

Charakterbogen

Die Drives „Duty“, „Faith“, „Justice”, „Power“ und „Truth“ sind spezifisch für Dune und repräsentieren die innere Motivation des SC oder NSC. Ist der Charakter also besonders pflichtbewusst, stark im Glauben oder strebt vor allem nach Macht? Für die drei höchsten Traits legt man für SC und wichtige NSC zudem ein „Statement“ fest. Dieses definiert den spezifischen Antrieb des Charakters noch genauer.

Unser Beispielcharakter Dr. Yueh, der dem Regelwerk entnommen wurde, definiert sich vor allem über seinen Glauben, sein Gerechtigkeitsempfinden und seinen Bezug zur Wahrheit. Sein Statement für Truth ist: „Ich weiß nicht mehr, was wahr ist, werde aber weiterhin handeln.“ Dies offenbart ein tief gespaltenes Wesen. Passt das Statement zur Handlung eines Charakters, kann die sogenannte „Determination“ eingesetzt werden, um das Würfelergebnis zu Gunsten des Spielenden zu beeinflussen. Sollte dies nicht der Fall sein, wenn also der Charakter seinen Grundüberzeugungen zuwiderhandelt, hat dies möglicherweise regeltechnische Auswirkungen auf den Drive.

Die Skills „Battle“, „Communicate“, „Discipline“, „Move“ und „Understand“ beschreiben die grundlegenden Fähigkeiten des Charakters. Diese werden durch einen „Focus“ spezifiziert. Dr. Yuehs höchster Skill ist „Understand“ mit einem Fokus auf Genetik und Chirurgie.

Die Traits beschreiben zwei bis drei grundlegende Rahmenbedingungen des Charakters, also seine gesellschaftliche Stellung, seinen Titel, seinen Ruf und seine Rolle in der Gesellschaft. Einer von Yuehs Traits ist also „Suk Doctor“. Dagegen sind die Traits von Paul Atreides – dem Helden des ersten Romans –, dass er ein Adelsspross, weiser als seinem Alter angemessen und zu Großem bestimmt ist. Wie die situativen Traits, die durch die SL definiert werden, beeinflussen auch die Traits der Charaktere den Würfelwurf. Ist ein Charakter also beispielsweise dafür bekannt, besonders ehrenhaft zu sein, werden ihm Verhandlungen in bestimmten Kreisen deutlich leichter fallen.

Die „Ambition“ ist das ultimative Ziel eines Charakters und entspricht dem höchsten Drive. Ein Charakter mit „Faith“ als höchstem Drive könnte es sich zum Ziel gemacht haben, seinen Glauben im gesamten Imperium zu verbreiten, während ein Charakter, der von seiner Machtgier dominiert wird, vor allem danach strebt, Oberhaupt seines Hauses zu werden.

Bei den „Talents“ handelt es sich um Sonderfähigkeiten eines Charakters. Sie machen bestimmte Handlungen überhaupt erst möglich und haben unterschiedliche Einflüsse auf den Würfelwurf. Während einige Talente frei verfügbar sind, sind andere, wie die Befehlsstimme der Bene Gesserit oder die analytische Vorhersagefähigkeit eines Mentaten, spezifisch für eine bestimmte Fraktion.

Wie in Bezug auf die Traits deutlich wird, ist es besonders bedeutsam, welcher Fraktion ein Charakter angehört. Dabei kann der SC einfach einem Haus angehören und zwischen diversen Archetypen wie Schmuggler*in, Soldat*in, Bote*in oder Spion*in wählen. Diese Wahl beeinflusst, nach Art einer Charakterklasse, zentral die regeltechnischen Eigenschaften und Fähigkeiten des SC, aber natürlich auch seine Rolle im Spiel. Die Spielenden können sich zudem entscheiden, einer der großen Fraktionen – zum Beispiel der Raumgilde oder den Bene Gesserit – anzugehören und dadurch den eigenen Charakter noch weiter festzulegen. Alles in allem steht es den Spielenden völlig frei, welche Rolle sie im Imperium bekleiden möchten – jede Vorstellung ist letztlich umsetzbar.

Abb.7
Bogen für das Adelshaus.

Neben den eigenen Charakteren können die Spielenden zudem bisweilen „Supporting Characters“, also unterstützende Charaktere, verkörpern, die jedoch – je nach Relevanz – weniger ausdefiniert sind. Während die militärische Befehlshaberin des eigenen Hauses also eine wichtige Unterstützung ist, ist es der Küchenjunge vielleicht weniger.

Sollten nicht alle Charaktere zufällig der Weltraumgilde oder den Fremen angehören und damit der Kontrolle des Adels entzogen sein, ist es neben dem Bau des Charakters zentral, sich Gedanken über das eigene Adelshaus zu machen. Dabei müssen verschiedene Faktoren definiert werden. Handelt es sich beispielsweise um ein gerade erst etabliertes Haus oder um ein großes Haus mit langer Geschichte? Je höher der Status ist, desto größer sind Reichtum und Mittel, aber auch die Zahl der Feinde und die Gefahr, in der alle Angehörigen beständig schweben. Zudem wird festgelegt, in welchen Bereichen das Haus sich besonders hervortut und auf was es seinen Einfluss begründet, sei es in Technik, Kunst, militärischer Stärke oder politischem Geschick. Weitere Faktoren sind die zentralen Rollen, wie zum Beispiel das Oberhaupt des Hauses (in der Regel ein NSC), der Heimatplanet, die Traits, die Feinde und natürlich das Wappen.

Die Regeln von Dune: ein Zwischenfazit

Zwar nehmen die Grundregeln von Dune lediglich 20 Seiten ein, hinzu kommen jedoch noch die Regeln zur Erschaffung der Charaktere und Häuser und umfassende Regeln zu Konflikten. Alles zusammengenommen umfasst der Regelteil rund 100 Seiten. Kurz und knackig ist das nicht. Vieles muss aber nicht genau bis ins Detail gelesen werden, sondern kann bei Bedarf nachgeschlagen werden.

Man kann dem Würfelsystem zugutehalten, dass es sehr adaptiv auf alle Situationen angepasst werden kann. Dementsprechend sind bei jedem Wurf aber auch viele verschiedene Faktoren in Betracht zu ziehen: Traits, Sill-Fokusse, Assets, Momentum und Threat. Solche Dinge detailliert zu regeln, bedeutet natürlich, dass man im Zweifelsfall keine wichtigen Faktoren vergisst. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass jeder Würfelwurf in einem langwierigen Abwägen aller Faktoren endet. Für Rollenspielneulinge könnten die Regelmechanismen des Systems potenziell einschüchternd wirken, wobei dieser Faktor bei Dune auch nicht mehr zu Buche schlägt als bei anderen tendenziell regelintensiven Systemen wie DSA oder D&D.

Auch über das Threat-System lässt sich streiten: Natürlich schafft es ein Stück weit, dass die Spielenden nachvollziehen können, wie riskant ihre Situation ist. Inwiefern eine SL allerdings Punkte benötigt, oder benötigen sollte, um eine Situation adäquat zu gestalten und ob dies nicht eine ungesunde Opposition zwischen beiden Seiten des Spieltisches schafft, ist fraglich.

Eine sehr passende Idee ist das Drive-System, repräsentiert es doch gut den Geist von Dune, in dem sich viele Charaktere einem ganz bestimmten Wert oder Ziel verschrieben haben. In diesem Universum prallen Interessen und Vorstellungen aufeinander, und es ist interessant, diese auch regeltechnisch zu einem Element des Spiels zu machen und den potenziellen, ideologischen Wandel eines SC nachzuvollziehen.

Erscheinungsbild

„Be prepared to appreciate what you meet.“ – Fremen proverb.

Das Titelbild von Bastien Lecouffe-Deharme

Die Standard-Ausgabe des Regelwerks ist ein gewichtiges 330 Seiten langes Din-A4-Hardcover. Das Papier ist dabei angenehm dick und glänzend. Bereits auf den ersten Blick macht das Regelwerk einen sehr guten Eindruck, vor allem aufgrund der fantastischen Cover-Illustration von Bastien Lecouffe-Deharme, der auch die Neuauflage des Kult-Regelwerkes illustrierte. Die zahlreichen vollfarbigen Illustrationen des Regelwerks sind von durchgehend hoher Qualität und fügen sich in die Ästhetik der Verfilmung Villeneuves ein – schließlich wurde auch mit der Produktionsfirma Legendary Entertainment zusammengearbeitet. Der relativ hohe Preis erklärt sich wohl aus der hochwertigen Produktion.

Das Inhaltsverzeichnis, das im PDF komplett verlinkt ist, ist sehr kleinteilig und ermöglicht mit treffenden, knappen Überschriften eine schnelle Orientierung innerhalb des Regelwerks. Dies wird durch einen Index mit den wichtigsten Begriffen ergänzt.

Obgleich es also durchaus umfassend ist, ist das Regelwerk äußerst übersichtlich gestaltet. Bei einem kleinen Druck und der schieren Fülle von Informationen ist das ebenso erfreulich wie angemessen. Ebenso positiv fällt die nachvollziehbare Sprache auf, die zum Verständnis beiträgt und die Lektüre – besonders der Beschreibungen der Spielwelt – bisweilen sehr spannend macht.

Ähnlich den Romanen, wird jedes Kapitel von einem Zitat des Muad’Dib, meist aus einem Werk der Prinzessin Irulan, eingeleitet. Dies lässt die Lesenden in die Atmosphäre der Spielwelt eintauchen.

Dune – Adventures in the Imperium kann in seiner optischen und stilistischen Umsetzung, ebenso wie in seiner Strukturierung durchweg überzeugen. Besonders bei der 40 € teureren, in Kunstleder gebundenen und mit den Wappen eines großen Hauses (Atreides, Harkonnen oder Corrino) geprägten Sammel-Editionen handelt es sich um ein Schmuckstück im Rollenspielregal.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Modiphius Entertainment Ltd.
  • Autor: Richard August u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Format: A4
  • Seitenanzahl: 330
  • ISBN: 978-1-912744-59-9
  • Preis: 55,95 EUR (Hardcover), 18,95 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Sphärenmeisters Spiele, Fachhandel, Amazon, idealo, DriveThruRPG

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Website des Verlags kann man sich kostenfrei den Charakterbogen downloaden. Ebenfalls kostenlos findet man hier einen Quickstart Guide, der einen simplen und schnellen Einstieg in das System ermöglicht. 

Ein Schiff der Weltraumgilde (S. 8)

Zusatzmaterialien, wie optisch passende Würfel, einen SL-Schirm und ein Notizbuch, sind im Handel erhältlich. Ebenso ist bereits der Quellenband Sand and Dust erschienen, der weitere Informationen für das Spiel auf Arrakis bietet.

Fazit

„ God created Arrakis to train the faithful. “–from The Wisdom of Muad’Dib, by the Princess Irulan

Dune – Adventures in the Imperium ist in mehrfacher Hinsicht ein anspruchsvolles Regelwerk: Es bietet eine äußerst interessante und einzigartige Spielwelt, die aber möglicherweise überfordert, wenn keinerlei Vorwissen besteht. Das Regelwerk schafft es aber durchaus, diese Spielwelt äußerst nachvollziehbar und übersichtlich darzulegen, sodass auch denjenigen ein Einstieg ermöglicht wird, die zuvor gar nichts oder wenig mit Frank Herberts Welt zu tun hatten.

Das 2W20-System wurde durch einige Veränderungen gut an das Dune-Universum und dessen Bewohner*innen angepasst. Besonders das Drive-System, dass die SC bei jeder Handlung vor moralische Fragen stellt und dazu einlädt, den eigenen Charakter zu hinterfragen, könnte den Grundstein für reflektiertes und tiefgehendes Rollenspiel liefern. Dennoch haben die Regeln durchaus auch Ecken und Kanten und lassen durch Komplexität in den Details langwierige Würfelprozesse vermuten.

Abseits von den blanken Regeln handelt es sich bei dem Regelwerk allerdings um ein überaus liebevoll designtes und illustriertes Regelwerk. Für Liebhaber*innen der Romane ist es bereits eine Freude, durch die Seiten zu blättern.

Trotz kleinerer Schwächen laden System und Regelwerk also sehr dazu ein, nun auch endlich rollenspielerisch in eines der faszinierendsten Science-Fiction-Universen der Literaturgeschichte einzutauchen.  

  • Übersichtliches Regelwerk
  • Ausgezeichnete Einführung in die Spielwelt
  • Ansprechende Gestaltung des Regelwerks
 

  • Potenzielle Überforderung ohne Vorwissen
  • Sehr viele Regeln

 

Artikelbilder: © Modiphius Entertainment Ltd.
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Alle Bilder entstammen dem PDF des Regelwerks
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

6 Kommentare

  1. Kann man dich für eine Systemvorstellung gewinnen (und einen gemeinsamen Blick in den Roll20 Bogen), um es neuen Spielern leichter zu machen, sich im System und Bogen schneller zurechtzufinden?

    So in der Art sähe das aus:



    VG

    Dustin (Hitdice)

    • Hi Dustin
      Sorry für die verspätete Antwort. Prinzipiell schon und ich freue mich über das Angebot – deine Videos sind super informativ. Ich muss aber dazu sagen, dass ich kein 2W20-Experte bin und auch „Dune“ bisher gelesen, aber noch nicht gespielt/geleitet habe. Ebenso habe ich ein wenig, aber nicht viel Erfahrung mit Roll 20. Ich weiß also nicht, ob ich hier ein angemessen kompetenter Gesprächspartner wäre.

  2. Schön wäre es gewesen direkt zu Beginn darauf hinzuweisen, das dieses Regelwerk nur auf Englisch verfügbar ist. So war dies eine Zeitverschwendung für mich.

  3. ….Ebenfalls kostenlos findet man hier einen Quickstart Guide,
    zum GRATIS dowenlode muss man sich bei Modiphius anmelden
    Was da Kosten frei und Quick ist mag jeder selbst entscheiden (und nur Englisch )

  4. Danke für diese umfangreiche Würdigung. Mir ist zwar noch nicht klar warum das Regelwerk als sehr umfangreich gekennzeichnet wird, aber ich habe bislang auch noch keine Erfahrung mit den 2W20 Systemen.
    Bei den Bioingenieur*innen handelt es sich hoffentlich um einen Tippfehler. Es ist wohl eines der zentralen und best gehütetsten Geheimnisse der Bene Tleilax, dass man niemals ihre Frauen sieht.

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