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Ein Kartenspiel, das modellierte Rohstoffe, Arbeiter in Form von Kleintieren, Metallmünzen und einen 25cm hohen Pappbaum mitbringt, das ist Everdell. Bei Kickstarter brachte das Spiel fast eine halbe Million USD von über 6.700 Unterstützern ein. Aktuell ist es im Rahmen der Kampagne zur Erweiterung Pearlbrook wieder bis zum 27.09. verfügbar.

Spielablauf

In Everdell schlüpfen bis zu vier Spieler in die Rollen der Kleintierarten Schildkröten, Eichhörnchen, Mäuse und Igel, im Solospiel kommen die Ratten als Gegner (und ein achtseitiger Würfel) hinzu. In vier Jahreszeiten (Spielphasen) versucht jede Tierart, die eigene Siedlung in Everdell so gut zu entwickeln, dass sie am Ende die meisten Siegpunkte wert ist. Um dieses Ziel zu erreichen, sammeln die Spieler Ressourcen (Beeren, Zweige, Harz und Kiesel), suchen die passenden Karten und setzen zwei bis sechs Arbeiterfiguren (hübsch in Form ihrer Tierart) je Jahreszeit ein. In seinem Spielzug hat jeder Spieler lediglich drei Optionen zur Auswahl:

Die vier Spielfiguren zu den verfügbaren Kleintierarten und die vier Rohstoffe
  1. Durch die elf möglichen Waldaktionsfelder und die 16 verschiedenen Zielkarten, von denen je vier im Spiel sind, ist jede Partie von Everdell unterschiedlich.

    Eine Tierfigur auf ein Aktionsfeld stellen. Alle Spieler haben zu Beginn des Spiels – dem Winterende – zwei dieser Figuren zur Verfügung, die in erster Linie zum Sammeln von Ressourcen sowie Handkarten eingesetzt werden. Später im Spiel lassen sich die Arbeiter auch zum Erfüllen von Zielen verwenden, die nur einer der Spieler für zusätzliche Siegpunkte erreichen kann.Sowohl bei den Aktionsfeldern, als auch bei den Zielen gibt es neben den Standardfeldern auf dem Spielbrett auch je vier, die zu Beginn des Spiels zufällig aus einem Stapel gezogen werden, was Everdell in jeder Partie etwas unterschiedlich macht.

 

  1. Eine Karte in die eigene Siedlung spielen. Jede Karte stellt dabei entweder ein Gebäude oder einen Bewohner und seinen Beruf in der Siedlung dar. Um eine Karte auszuspielen, müssen deren Kosten mit den zuvor gesammelten Ressourcen bezahlt werden. Dabei hat jede Karte einen Siegpunktwert für die Endwertung und einen Spieleffekt. Ist ein Gebäude in der Siedlung gebaut, bietet es die Möglichkeit, den passenden Bewohner kostenlos auszuspielen (z. B. Gericht -> Richter).Darüber hinaus bieten sie teilweise zusätzliche Aktionsfelder, die manchmal sogar vom Gegner benutzt werden dürfen. Auch eine eigene Ressourcenproduktion lässt sich über Gebäude und Bewohner aufbauen, damit teurere Gebäude errichtet werden können und die Arbeiter weniger einsammeln müssen.

 

  1. Die Jahreszeit wechseln. Nachdem ein Spieler alle seine Tierfiguren eingesetzt hat, kann er in seinem Zug in die nächste Jahreszeit wechseln. Er erhält dann seine eingesetzten Arbeiter zurück, zusätzliche Arbeiter aus der Reserve sowie Ressourcen aus seinen Produktionsgebäuden oder neue Karten aus der Auslage – der Lichtung.
Der Baum hält nicht nur den Nachzugstapel, sondern auch die neu hinzukommenden Arbeiter bereit. Noch dazu zeigt er die Boni für einen Jahreszeitenwechsel an

Neben den persönlichen Handkarten der Spieler (maximal acht) haben alle Spieler Zugriff auf acht in der Lichtung ausliegende Karten. Hier heißt es also, wie bei den Zielen, schnell sein, bevor ein anderer Spieler etwas wegschnappt. Das Spiel endet, wenn alle Spieler im Herbst nichts mehr tun können oder wollen. Jede Siedlung sollte bis dahin 15 Karten umfassen. Meist ist es eher schwierig, noch genug Platz zu finden für alle Karten, die noch gespielt werden wollen.

Solo-Variante

Wie in vielen Kickstarter-Spielen mittlerweile üblich gibt es auch in Everdell eine Solo-Variante. In dieser tritt der Spieler gegen Rugwort die Ratte an. Rugwort nutzt schwarze Rattenfiguren. Der Spieler kann in drei Schwierigkeitsstufen gegen ihn antreten. Das Spiel funktioniert wie ein normales 2-Spieler-Spiel mit folgenden Ausnahmen:

  • Rugwort hat keine Handkarten.
  • Seine Ratten blockieren zu Beginn jeder Jahreszeit bestimmte Aktionsfelder.
  • In seinem Zug wird der achtseitige Würfel geworfen und er enthält die entsprechende Karte von der Lichtung in seine Siedlung.
  • Sobald er ausreichend Karten einer Sorte hat, um ein Basisereignis zu erfüllen, bekommt er dieses.
  • Rugwort hat eigene Punkteregeln für das Spielende.

 

Ausstattung

Everdell ist eines der schönsten Spiele 2018, die Rohstoffe sind hochwertig modelliert (leider rollen Beeren und Zweige schnell weg) und die Karten sowie das Spielbrett sind liebevoll gestaltet. Das Spiel ist auch aus der Ferne bereits gut zu erkennen, da sich über dem Spielfeld ein gut 25 cm hoher Pappbaum erhebt, der lediglich die Boni der Jahreszeitenwechsel anzeigt, den Vorrat an Tierfiguren und den Nachziehstapel beheimatet.

Leider fällt die Anleitung im Vergleich zum sonstigen Spielmaterial etwas ab, hier hätten mehr Struktur und Klarheit in einigen Details der Verständlichkeit sicher gutgetan. Die Sammleredition ist darüber hinaus mit Metallmünzen als Siegpunktemarkern, einem kleinen Zusatzkartendeck und einer Spielboxhülle im Galerielook ausgestattet.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Starling Games
  • Autor: James A. Wilson
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Dauer: 20 Minuten je Spieler
  • Spieleranzahl: 1–4
  • Mindestalter: 12
  • Sprache: Englisch (noch keine deutsche Version angekündigt)
  • Preis: 52 bzw. 69 USD (Standard Edition bzw. Collector’s Edition)
  • Bezugsquelle: Amazon, Kickstarter (Collector’s Edition getestet)

 

Erweiterung

Aktuell läuft bei Kickstarter die zweite Kampagne zum Spiel, dieses Mal wird die Erweiterung Pearlbrook finanziert. Im Rahmen der Kampagne kann natürlich auch das Grundspiel (allerdings nur in der Sammleredition) erworben werden. Pearlbrook erweitert das Spielbrett um einen Anlegeplan für den Bach Pearlbrook. Jeder Spieler erhält einen Froschdiplomaten in Spielerfarbe, und Perlen kommen als Rohstoff hinzu.

Der Diplomat lässt die Spieler mit den Bewohnern des Bachs in Kontakt treten, deren Dienste sich passenderweise mit Perlen sichern lassen. Ebenso lassen sich mit reichlich Perlen (und den Rohstoffen des Grundspiels) neue Prunkbauten, die mittlerweile in prunkvolle 3D-Modelle upgegradet wurden, errichten, die massig Siegpunkte für die Endwertung bringen. Die dritte Verwendungsmöglichkeit für die neuen Perlen ist, Schmuckstücke zu kaufen. Diese Schmuckstücke, von denen jeder Spieler zwei zu Beginn der Partie bekommt, haben einen Soforteffekt und erhöhen die Siegpunkte in einer bestimmten Kategorie in der Endwertung.

Die Erweiterung steht dem Grundspiel in Sachen Preis nicht nach und startet bei sportlichen 39 USD (zzgl. 18 USD Versand nach Deutschland). Erscheinen wird die Erweiterung erst im September 2019. In den Stretch Goals und Add-Ons werden bereits einige Mankos des Grundspiels angegangen. So ist ein Punkteblock für die Endwertung als Stretch Goal dabei und es können ein aktualisiertes Regelheft sowie nichtrollende Zweige dazu gekauft werden. Darüber hinaus wird es weitere Tierfraktionen/Spielfarben (bislang Axolotl und Schnabeltiere) geben.

Fazit

Ansprechendes Artwork und hochwertiges Material machen Everdell zu einem Hingucker auf dem Spieltisch, auch die Mechaniken sind schnell erlernt und greifen gut ineinander. Unsere Testspiele haben etwa 25 Minuten pro Spieler und etwa 30 Minuten für die Regelerklärung benötigt. Wir sind nach wie vor begeistert von der Einfachheit, mit der das Spiel daherkommt, und wie es sich dynamisch entwickelt: vom Erste-Rohstoffe-Sammeln im Winter, mit Skepsis, die Siedlung jemals gefüllt zu bekommen, über einen spannenden Aufbau im Frühling auf der Suche nach den besten Startkarten hin zur Optimierung im Herbst, bei der die Spieler versuchen, noch höherwertige Karten in die langsam übervolle Siedlung zu zwängen.

Zum Ende des Spiels wird sich meist geärgert, dass zu Beginn des Spiels doch die falschen Karten abgeworfen wurden, um das Handkartenlimit einzuhalten oder dafür Rohstoffe zu bekommen.

Der Mechanismus des individuellen Jahreszeitenwechsels führt dazu, dass die Spieler zwischendurch in unterschiedlichen Jahreszeiten spielen – es wird wohl nicht überall im Tal gleichzeitig Sommer –, ist aber ein interessanter taktischer Mechanismus. Hier kann abgewogen werden, wann die besetzten Aktionsfelder für die anderen Spieler wieder freigegeben werden und wer zuerst von zusätzlichen Arbeitern, Ressourcen und Karten profitiert.

Jede Partie startet mit zufälligen Zielen und Aktionsfeldern, was die Wiederspielbarkeit hochhält. Zusätzlich können legendäre Gebäude und Bewohner in der Sammleredition (je 1 pro Spieler) und fiese Rattenkarten ins Spiel genommen werden, die das Spiel noch einmal verändern.

Mit den Rugwort-Karten macht man sich bei seinen Mitspielern sicher nicht beliebt.

Spieler, die das Kartendeck kennen, sind Neulingen gegenüber natürlich deutlich im Vorteil. Dennoch bleibt auch Glück ein bedeutender Bestandteil des Spiels. Wer die Karten für seine Kombinationen aus Gebäuden und Bewohnern in der richtigen Reihenfolge zieht, wird sich deutlich leichter durchs Spiel bewegen.

Wir hoffen, dass Starling Games bald einen Partner für eine deutsche Version findet, da es sich sicher auch gut als Familienspiel mit älteren Kindern eignet. Der Preis vor allem der Sammleredition ist für ein Kartenspiel mit Premium-Komponenten hoch, was ebenso wie die schwache Spielanleitung und die wegrollenden Ressourcen zu Abzügen in der B-Note führt. Das Spiel wurde nicht im Solospiel getestet. In den Besetzungen mit zwei bis vier Spielern würden wir es gleich gut bewerten, wobei die Spielzeit mit vier Spielern bereits an den zwei Stunden kratzt. Empfehlen würden wir daher drei Spieler als Idealbesetzung.

Mit Tendenz nach unten

Artikelbilder und Logos: Starling Games, Game Salute
Fotografien: Niko Kwekkeboom
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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