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Ein textbasiertes Adventure aus der Feder von ChatGPT? Nachdem mir die Eingabemöglichkeiten des Klassikers Zork von Infocom zu eingeschränkt waren, wollte ich ausprobieren, wie die künstliche Intelligenz ein textbasiertes Abenteuer generiert. Wie das lief und welche Schlüsse ich daraus ziehen konnte, erfahrt ihr hier.

Im November 2022 wurde der von OpenAI entwickelte Chatbot ChatGPT zur öffentlichen Nutzung freigegeben. Dabei handelt es sich um ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Sprachmodell, das natürliche Sprache verarbeiten und in ebenso natürlicher Sprache darauf reagieren kann. Falls ihr euch fragt, wie genau das funktioniert und was für Chancen und Risiken das birgt – fragt doch einfach mal ChatGPT.

Im Mai 2023 war ich mit meinem Mann in Berlin und als Gamer haben wir uns natürlich das Computerspielmuseum angeschaut. Neben lehrreichen Fakten und historischer Hardware gab es auch eine Menge Spiele auszuprobieren. Eines dieser Spiele ist Zork – ein textbasiertes Adventure von Infocom aus dem Jahre 1980. Das Programm schildert die Umgebung und die Geschehnisse, während Spielende durch Texteingaben ihren Charakter steuern. „Go north“ lässt unseren Charakter nach Norden laufen, mit „take sword“, nehmen wir das herumliegende Schwert auf und mit „attack ogre“ können wir uns dem gefährlichen Monster stellen.

Das Erlebnis hat erstaunlich viel Spaß gemacht, doch stolperte ich immer wieder über die sprachlichen Grenzen des Spiels: Nur sehr konkrete, einprogrammierte Stichwörter können verarbeitet werden. Im schlimmsten Fall kann das heißen, dass wir drei, vier unterschiedliche Formulierungen ausprobieren müssen, bis die Software weiß, was wir von ihr wollen. Im Hinblick auf den aktuellen KI-Hype drängte sich mir der Gedanke auf: Wie wäre es wohl, mit ChatGPT ein textbasiertes Adventure zu spielen?

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Keine Trigger

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Willkommen in Eldoria

„Kannst du ein textbasiertes Adventure mit mir spielen? Wie das Spiel Zork?“ Mit diesen Worten nahm das Abenteuer seinen Anfang. Innerhalb von etwa einer Woche entstanden rund 19 Seiten Text, in denen ich meinen Charakter durch den königlichen Hof der von ChatGPT erdachten Welt namens Eldoria navigierte. Im Rahmen dieses Abenteuers machten sich Stärken und Schwächen von ChatGPT bemerkbar und ich lernte einiges über die Funktionsweise der sprachbasierten KI. Letzten Endes bleibt jedoch die wichtigste Frage: Wie viel Spaß hat der Austausch mit der künstlichen Intelligenz gemacht?

Ist ChatGPT dumm oder hält es mich für dumm?

Gleich zu Beginn macht ChatGPT aus Spielleitersicht alles richtig. Statt sich sofort eine Geschichte aus den virtuellen Fingern zu saugen, fragt der Chatbot zunächst, was für ein Abenteuer ich mir genau vorstelle. Daraufhin gebe ich die Vorgabe: „Die Geschichte soll in einem phantastischen Reich spielen und sich um politische Intrigen in einem höfischen Setting drehen.“

Sofort generiert ChatGPT die Beschreibung einer Fantasywelt. Zwar ist diese im Hinblick auf das Fantasy-Genre nicht sonderlich einzigartig (der König kränkelt, in den Ränken der Adligen entstehen Unruhen, die Zukunft des Reichs steht auf der Kippe), auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie besonders und kompliziert eine Welt für ein einfaches Text-Abenteuer sein soll und darf.

Nach der kurzen Beschreibung fragt mich ChatGPT nach meinem Charakter und gibt mir drei Optionen, wo am Hofe ich mein Abenteuer beginnen kann – ich taufe meinen Charakter Thaea und wähle den Ballsaal. Daraufhin beschreibt ChatGPT den Saal, die Personen, die ich darin treffe und die Fraktionen, zu denen sie gehören. Dabei geht der Chatbot für ein Intrigen-Setting erstaunlich freizügig mit Informationen um: Hier ist die „Silver Talon League“, die loyal gegenüber der Königin ist; dort ist die „Crimson Feather Alliance“, die für mehr Gleichberechtigung im Reich kämpft. An diesem Hof scheint es keine Geheimnisse zu geben.

Der Chatbot macht es lieber zu leicht statt zu schwer. © Depositphotos | Andrew_Rybalko

Schnell zeigt sich, dass es ChatGPT an einer gewissen Finesse für subtiles Storytelling und feinsinnige Unterhaltungen fehlt. Einer der ersten Sätze, die ein Charakter zu mir sagt, ist: „Seid Ihr ebenfalls fasziniert von den Intrigen am Hof?“ Die plumpe Aussage ärgert mich, doch gleichzeitig habe ich auch mal versucht, ein Rollenspiel in einem höfischen Setting zu leiten und weiß, dass die Spielleitung im Rollenspiel stets in dem Spannungsfeld zwischen zu schwer und zu einfach gefangen ist. Allzu schnell kann es passieren, dass man Informationen zu offensichtlich platziert oder so gut versteckt, dass niemand sie herausfindet. Ich beschließe daher, das Beste draus zu machen und lasse mich auf die Story der KI ein.

Großartige Improvisation und Spielleitung

ChatGPTs plumper Erzählweise steht ein hübscher sprachlicher Stil entgegen. Der Chatbot ist zu angenehmer Satzführung in der Lage und benutzt dabei Wörter wie „enigmatisch“ und Formulierungen wie „die Stunde, zu der die Bücherregale im Mondlicht baden“.

Eine weitere Stärke von ChatGPT: Die KI ist ein hervorragender Improvisator. Eine der wichtigsten Regeln der Improvisation ist, nicht nein zu sagen, beziehungsweise stets ein „ja, und …“-Mindset innezuhaben. In der Ausführung heißt das, dass wir stets aufgreifen, was unsere Improvisationspartner*innen vorlegen und damit weiterarbeiten. Die KI geht bestens mit allen meinen Ideen um und gibt hilfreiche Denkanstöße, sodass ich nie um Ideen ringen muss.

Auch als Spielleitung stellt sich die künstliche Intelligenz auf einer formalen Ebene gut an. Rollenspieler*innen sind schnell überfordert, wenn es zu viele Möglichkeiten gibt, wollen aber auch nicht gerailroadet werden. ChatGPT gibt stets mögliche Optionen an und lässt dabei auch Spielraum für eigene Ideen. An einer Stelle fragt der Chatbot beispielsweise „Was möchtest du als nächstes tun? Willst du den Ballsaal weiter beobachten, mit anderen Personen in Kontakt treten oder dich für den Abend zurückziehen und Vorkehrungen für die bevorstehende Verabredung treffen?“ Beim Spielen habe ich stets das Gefühl, tun zu können, was ich will, muss mir aber auch nicht mühsam Ideen aus den Fingern saugen, da ChatGPT stets Vorschläge einbringt.

Keine Weltherrschaft für KI

Der Funktionsumfang von ChatGPT ist bemerkenswert: Allein die Fähigkeit des Systems, natürliche Sprache zu verstehen und in ebensolcher zu antworten, ist schon beeindruckend. Dass der Chatbot auf diesem Wege informatives Wissen ausgeben und verständlich zusammenfassen – und sogar ad-hoc ein textbasiertes Abenteuer generieren – kann, fühlt sich an wie reine Science Fiction.

Dennoch: Im Rahmen von knapp 10.000 Wörtern Text-Adventure macht sich die eine oder andere technische Grenze von ChatGPT bemerkbar – vielleicht wird die Welt doch noch nicht von künstlicher Intelligenz übernommen.

Zwischendurch verliert ChatGPT den Faden. © Depositphotos | klyaksun

So hat der Chatbot Schwierigkeiten, über ein langes Gespräch hinweg Konsistenz zu wahren. Beispielsweise lädt der Charakter Lady Elysia meine Thaea zu einem nächtlichen Treffen in der Bibliothek ein; dieses Treffen soll am folgenden Tag stattfinden. Nachdem Thaea noch einige Zeit im Ballsaal verbringt, verschiebt ChatGPT das Treffen jedoch spontan auf denselben Abend. Also schicke ich Thaea in die Bibliothek, suche noch eine Weile nach Büchern und ziehe mich dann in einen Alkoven zurück, um auf Lady Elysia zu warten. Doch dann beschreibt ChatGPT plötzlich den Ballsaal und die Charaktere, die ich darin beobachte.

Diese Fehler brechen zwar die Immersion, lassen sich aber glücklicherweise leicht beheben. In meiner nächsten Antwort weise ich den Chatbot einfach darauf hin, dass er durcheinandergekommen ist und stelle klar, wo ich mich befinde. Die KI ist allzu bereit, ihren Fehler auszubessern und generiert sogleich eine korrigierte Antwort.

Als ich ChatGPT auf seinen Fehler hinweise, stellt sich allerdings ein kurioser Effekt in meinen Gedanken ein: Ich merke, dass es mir schwerfällt, Kritik an der KI zu üben und formuliere diese vorsichtig, als spräche ich mit einem echten Menschen. Obwohl allzu deutlich ist, dass ich mich im Austausch mit einem Computer befinde, kann ich doch nicht umhin, freundlich zu bleiben.

Zusammen zu einer besseren Geschichte

Im Laufe des Spiels zeigt sich ein weiterer Fehler: Nach weiterem Austausch von Nachrichten beginnt der Chatbot, zu beschreiben, was Thaea tut und mich zu fragen, wie die anderen Charaktere darauf reagieren. Mir zwängt sich der Eindruck auf, ChatGPT könnte vergessen haben, was wir gerade tun – möglicherweise denkt der Chatbot, wir schreiben gerade gemeinsam eine Geschichte, statt ein textbasiertes Abenteuer zu spielen. Mit ein paar vorsichtig formulierten Nachrichten lenke ich die KI jedoch wieder auf die richtige Bahn.

Ich beschließe, nachzuforschen, woran das liegen könnte, und frage den Chatbot in einem anderen Chat, wie er den Überblick über das Gespräch behält. Die Antwort: „Als KI-Sprachmodell habe ich die Fähigkeit, Informationen und den Kontext während unserer Unterhaltung zu behalten, einschließlich der Informationen, die zuvor im Gespräch ausgetauscht wurden. Dadurch kann ich im Verlauf unserer Unterhaltung kohärentere und kontextuell relevante Antworten geben. Bitte beachte jedoch, dass es möglicherweise Grenzen für die Menge an Kontext gibt, die ich speichern kann, insbesondere in längeren Gesprächen, und es kann vorkommen, dass ich mich nicht an bestimmte Details aus früheren Teilen unseres Chats erinnern kann.“

Als ich genauer nachfrage, wie genau die KI den Kontext in Erinnerung behält, antwortet ChatGPT: „Als KI-Sprachmodell verwende ich eine Kombination von Techniken, um zu bestimmen, welche Informationen ich während unserer Unterhaltung im Gedächtnis behalte. Diese Techniken umfassen Aufmerksamkeitsmechanismen und das Verwalten eines Kontextfensters.

Wenn du Eingaben gibst oder eine Frage stellst, richtet das Modell seine Aufmerksamkeit auf die relevanten Teile der vorherigen Gesprächshistorie, um den Kontext zu verstehen. Es weist den neuesten und relevantesten Teilen der Unterhaltung höhere Gewichte oder Aufmerksamkeit zu, sodass es sich auf die aktuellsten Informationen konzentrieren kann.

Es gibt jedoch eine Begrenzung für die Länge des Kontextfensters, das das Modell effektiv behalten kann. In der Praxis kann die Fähigkeit des Modells, spezifische Details oder Informationen aus früheren Teilen einer sehr langen Unterhaltung zu erinnern, beeinträchtigt sein. Die genauen Details der Größe des Kontextfensters und des Mechanismus zur Speicherung können je nach spezifischer Implementierung des Modells variieren.

Es ist wichtig zu beachten, dass ich zwar bestrebt bin, genaue und hilfreiche Antworten zu geben, aber es möglicherweise Situationen geben kann, in denen meine Antworten von den Einschränkungen des Modells oder den mir zur Verfügung stehenden Trainingsdaten beeinflusst werden könnten.“

Einmal den Umgang gelernt, können wir die Zusammenarbeit mit der KI verbessern. © Depositphotos | Photocreo

Zu guter Letzt frage ich, wie sich das im Rahmen eines textbasierten Abenteuers äußern kann. „Während eines textbasierten Abenteuers werde ich mein Bestes tun, um mich an die wichtigsten Charaktere und Ereignisse zu erinnern, die zuvor in der Geschichte aufgetreten sind. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die spezifische Implementierung und die Einschränkungen des Modells meine Fähigkeit beeinflussen können, jedes einzelne Detail oder jede Interaktion aus einem umfangreichen Abenteuer abzurufen.

Wenn unser Abenteuer über einen längeren Zeitraum hinweg stattfindet und zahlreiche Charaktere und Ereignisse involviert sind, besteht die Möglichkeit, dass ich nicht jedes spezifische Detail oder jede Verbindung aus früheren Teilen der Geschichte erinnern kann. Dennoch werde ich weiterhin ein allgemeines Verständnis des Kontextes der Geschichte bewahren und versuchen, zusammenhängende und fesselnde Antworten auf Basis der mir zur Verfügung stehenden Informationen zu geben.

Um die Kontinuität und Konsistenz unseres Abenteuers zu verbessern, kannst du mir auch helfen, indem du relevante Zusammenhänge herstellst oder mich an wichtige Charaktere, Ereignisse oder Entscheidungen erinnerst, die zuvor stattgefunden haben. Auf diese Weise kann ich sie besser in unsere fortlaufende Erzählung einbeziehen.“

Während ChatGPT also kein Problem hat, ein textbasiertes Abenteuer zu generieren und weiterzuspinnen, kann es immer mal wieder dazu kommen, dass die KI durcheinanderkommt oder wichtige Zusammenhänge vergisst. Zwar wird es vermutlich nicht zu Problemen dabei kommen, die Geschichte weiterzuspinnen, es ist jedoch fraglich, ob es funktioniert, einen befriedigenden Metaplot über einen langen Zeitraum zu spielen.

Zwar hilft es, Ereignisse und Personen noch einmal zu rekapitulieren, wenn ich Bezug darauf nehme, allerdings kann auch ich mir nicht alles merken, was bisher geschehen ist. Andererseits wirft das die Frage auf: Wie wichtig ist das überhaupt? Wenn die Geschichte im Laufe des Abenteuers nach und nach entartet und plötzlich eine ganz andere wird, ohne dass ich das bemerke, ist das Ergebnis vielleicht keine runde Geschichte mehr – auf der anderen Seite fragt sich, wie wichtig das ist, wenn ich Spaß dabei habe.

Teurer Spaß, völlig kostenlos?

ChatGPT auf Basis der Version GPT-3.5 ist kostenlos verfügbar, während ChatGPT Plus monatlich 20 Dollar kostet. Die bezahlte Version liefert Zugriff auf die neuste Version GPT-4, sowie schnellere Verarbeitungszeiten und weitere Features.

Doch alle Produkte und Dienste, die wir verwenden, haben einen Preis, der nicht zwangsweise durch das Preisschild wiedergegeben wird. Manchmal sind die Konsument*innen selbst das Produkt, sei es in Form der Daten, die sie an die Unternehmen abgeben oder in Form von Lebenszeit, die für Werbevideos draufgeht; in anderen Fällen sind es Tiere oder andere Menschen, die (sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands) ausgebeutet werden, um Produkte günstig anbieten zu können. Meist sind es jedoch künftige Generationen, die sich mit dem Schaden herumschlagen müssen, den wir auf der Erde hinterlassen.

Jeder Online-Dienst hat solche Kosten: Google-Anfragen, Krypto-Transaktionen und Netflix-Streaming kosten allesamt Energie für die Verarbeitung und Wasser zur Kühlung der Server. ChatGPT ist da keine Ausnahme – allein zum Training von künstlichen Intelligenzen werden diese Ressourcen massiv in Anspruch genommen und auch für jede Anfrage werden Energie und Wasser verbraucht. Jede Kilowattstunde erzeugt dabei CO2 und schadet damit unserer Umwelt. Wasserknappheit ist indes, besonders in den Sommermonaten, auch in entwickelten Ländern keine Seltenheit mehr.

Letzten Endes ist die Kontrolle von Umweltschäden durch Unternehmen eine politische Aufgabe – dennoch sollte der Einfluss von Online-Diensten auf die Umwelt nicht unterschätzt werden.

Fazit

Wenn ihr genau wissen wollt, wie mein Text-Abenteuer mit ChatGPT lief, könnt ihr es hier nachlesen und, wenn ihr wollt, sogar weiterspielen.

Ich hatte eine Menge Spaß mit meinem textbasierten Abenteuer mit dem Chatbot. Wir haben einen In-Game-Tag gespielt und dabei knapp 10.000 Wörter – oder 19 Word-Seiten – einer unterhaltsamen Fantasy-Geschichte geschrieben. Dabei kam vielleicht nicht das tiefgründigste, spannendste Spielerlebnis heraus, dennoch schlug das Erlebnis in dieselbe Kerbe wie ein amüsanter Rollenspielabend mit Freund*innen.

ChatGPT war dabei eine gute, wenn auch keine perfekte Spielleitung. Die KI hat ihre Grenzen, die deutlich zu spüren waren – und doch hat es Spaß gemacht, mit ihr zu spielen. Daraus nehme ich mit, dass es auch für eine Spielleitung in Ordnung ist, Fehler zu machen. Darüber hinaus ist es vielleicht gar nicht unbedingt wichtig, eine vollends kohärente Geschichte zu erzählen, wenn die Inkonsistenzen niemandem auffallen und alle Beteiligten ihren Spaß haben.

 

Artikelbilder: Titelbild: © Depositphotos | NextMars; OpenAI
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Giovanna Pirillo

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