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Schließt euch Isaac an und wagt euch in den Keller, um dem Zorn von Mom zu entkommen. Begegnet furchterregenden Monstern, sammelt Schätze und kämpft um Seelen. Konkurriert mit anderen Charakteren oder schließt fragile Allianzen, aber seid auf alles gefasst. Willkommen bei The Binding of Isaac: Four Souls – Requiem!

Zugegeben: Die Überschrift ist provokant. Es ist aber gar nicht böse gemeint, denn exakt so wurde für diesen Test das Spiel den Spielenden vorgestellt.

The Binding of Isaac: Four Souls ist ein Kartenspiel, das auf dem beliebten Rogue-like Indie-Videospiel The Binding of Isaac basiert. Das Videospiel wurde von Edmund McMillen entwickelt und erzählt die Geschichte von Isaac, einem Jungen, der vor seiner fanatischen Mutter, im Spiel besser bekannt als Mom, in den Keller flieht, wo er auf allerlei bizarre und grausame Kreaturen trifft. Das Kartenspiel wurde ebenfalls von McMillen entworfen, zusammen mit seiner Frau Danielle und seinem Freund Tyler Glaiel. Die Erstauflage des Kartenspiels wurde 2018 über eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne finanziert, die innerhalb von gerade einmal anderthalb Stunden ihr Ziel erreichte. Das Kartenspiel ist ein kompetitives Spiel für bis zu vier Personen, bei dem alle einen Charakter aus dem Videospiel übernehmen. Viele Elemente des Spielablaufs sind aus Munchkin bekannt, wie beispielsweise die zwei Decks mit Monstern und Schätzen, das „In-den-Rücken-Fallen“ und die Normalität des Sterbens. Wir haben uns die Ultimate Collector’s Box einmal angesehen.

Triggerwarnungen

Religiöser Fanatismus, Body Horror, Fäkalien

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Spielablauf

Um das kompetitive The Binding of Isaac zu gewinnen, muss man vier Seelen kontrollieren. Seelen sind Schätze, die man erhält, wenn man Bossmonster besiegt oder andere Effekte auslöst.

Alle Spielenden erhalten eine zufällige Charakterkarte und eine Startgegenstandskarte, die zum Charakter passt. Die Charaktere selbst haben, bis auf wenige Ausnahmen, keine besonderen Fähigkeiten. Ihre Unterschiede werden durch die Gegenstände, die sie zum Start erhalten, deutlich.

Alle erhalten außerdem drei Beutekarten und drei Münzen. Beutekarten ermöglichen verschiedene Aktionen, beispielsweise das Ziehen von mehr Karten, das Angreifen von Monstern oder das Beeinflussen von Würfelwürfen. Besonders mächtig sind die Beutekarten, die Schaden oder sogar den Tod verhindern können.

Ein paar der spielbaren Charaktere mit ihrem Startgegenstand.
Ein paar der spielbaren Charaktere mit ihrem Startgegenstand.

Das Spiel hat neben diesem Beutekartendeck noch drei weitere und gerade die ersten beiden erinnern stark an das spielerische Vorbild: das Schatzdeck, das Monsterdeck, und das optionale Raumdeck. Schätze sind besondere Gegenstände, die ähnliche Eigenschaften besitzen wie die Startkarten. Zwei dieser Schatzkarten liegen stets offen als Shop aus und können zum Preis von zehn Münzen gekauft werden. Ebenso gibt es zwei offene Monsterplätze neben dem entsprechenden Deck. Diese Karten können von den Spielenden angegriffen werden. Wenn ein Raumdeck verwendet wird, gibt es noch eine weitere offenliegende Karte. Diese Karte bestimmt die Eigenschaften des aktuellen Raums, in dem sich die Spielenden befinden. Der Raum wird gewechselt, wenn ein Monster besiegt wird.

Das Spiel verläuft in Runden, wobei alle Spielenden einen Zug haben. Ein Zug besteht aus drei Phasen: Startphase, Aktionsphase und Schlussphase.

Zum Start gibt es den Aufladen-Schritt in dem alle zuvor erschöpften Gegenstände und Effekte bereit gemacht werden. Sollte es Karten mit „Am Anfang deines Zuges“-Effekten geben, werden diese nun ausgelöst. Nun zieht man noch eine Beutekarte. In der Aktionsphase können die Spielenden eine Beutekarte und beliebig viele Fähigkeiten aktivieren. Eine zweite Beutekarte kann gespielt werden, wenn man den eigenen Charakter erschöpft. Einige Gegenstände erfordern für ihre Effekte das Bezahlen von Münzen, Leben oder Token. Diese können entsprechend nur aktiviert werden, wenn die Kosten bezahlt werden können. Eine Faustregel, nicht nur hierbei, sondern auch bei allen anderen Effektauslösungen in der Aktionsphase ist, dass es, nachdem die aktive Person ihre Aktion inklusive Effekt ankündigt, immer eine Reaktionsrunde gibt. In dieser können die anderen Spielenden reihum Gegenstände einsetzen (wenn bereit) oder Beutekarten spielen, wenn der Charakter nicht erschöpft ist. Wieder ein Element, das aus Munchkin bekannt ist, aber leider in manchen Runden zu massiver Analyse-Paralyse führt, wenn im Kopf alle Möglichkeiten durchgegangen werden, um den anderen ein Schnippchen zu schlagen.

Es kann ebenso mit anderen verhandelt und mit Münzen gefeilscht werden. Das Tauschen von Karten ist nicht erlaubt. So kann versucht werden, mit genügend Bestechungsgeldern die anderen zu überreden, keine Beutekarten zu spielen oder nur solche, die helfen. Ein wunderschönes Zitat aus der Anleitung sagt jedoch „Ihr müsst Versprechen, die ihr gegeben habt, nicht einhalten.“ Oh du wunderschöne Korruption … Außerdem kann als Aktion von einem der Shop-Plätze gekauft werden, indem zehn Münzen bezahlt werden. Es kann auch der die oberste Karte des Schatzdecks blind gekauft werden. Pro Zug darf nur ein Schatz gekauft werden.

Eine Auswahl möglicher Schätze.
Eine Auswahl möglicher Schätze.

In der Angriffsaktion kann der aktive Charakter ein Monster auf einem der Monsterplätze angreifen oder den obersten Stapel des Monsterdecks blind angreifen. Um ein Monster anzugreifen, muss der Spieler einen W6 werfen und eine Zahl erreichen oder übertreffen, die dem Verteidigungswert des Monsters entspricht. Wenn er erfolgreich ist, erleidet das Monster Schaden. Sind seine Lebenspunkte auf null reduziert, ist es besiegt und der Charakter erhält die Belohnung auf der Monsterkarte. Sollte es ein Bossmonster gewesen sein, erhält man eine der wertvollen Seelen. Wenn der Wurf missling, verteilt das Monster den Schaden analog seines Angriffswerts. Manche Monster haben auch besondere Effekte, die beim Angriff oder beim Besiegen ausgelöst werden. Wenn ein Kampf einmal eingeleitet wurde, muss er bis zum Tod eines Beteiligten ausgefochten werden. Stirbt der eigene Charakter, endet der Zug sofort und man bezahlt die Todesstrafe: Ein Gegenstand wird zerstört (Ausnahme sind Gegenstände mit der Eigenschaft „Ewig“), eine Beutekarte wird abgeworfen und man verliert eine Münze. Alle Gegenstände und der Charakter selbst werden erschöpft. Es wird sofort in die Schlussphase übergeleitet.

Monströse Monster und fiese Fallen.
Monströse Monster und fiese Fallen.

In der Schlussphase wird bei den Beutekarten auf das Handkartenlimit von zehn geprüft und gegebenenfalls abgeworfen. Es werden die „Am Ende deines Zuges“-Effekte abgehandelt und alle Personen und Monster heilen vollständig. Wenn mit dem Raumdeck gespielt wird und mindestens ein Monster besiegt wurde, wird ein neuer Raum aufgedeckt.

Das Spiel endet sofort, wenn jemand vier Seelen kontrolliert. Dieser Charakter gewinnt.

Solo-Regeln

Im Solo-Modus kontrolliert die spielende Person zwei Charaktere. Beute, Gegenstände und Münzen sind für beide Charaktere getrennt zu nutzen. Neben dem normalen W6 kommt hier auch der beiliegende W8 zum Einsatz. Das Spiel hat seinen normalen Ablauf mit leichten Abweichungen: Wenn für beide Charaktere ein Zug gemacht wurde, wird der Wert des W8 um eins reduziert. Ebenso, wenn einer der Charaktere stirbt. Müsste der Würfel von der 1 reduziert werden, endet das Spiel und gilt als verloren.

Ausstattung

Die Ultimate Edition ist schon von außen ein optischer Genuss. Um die eigentliche Box zu schützen und grafisch schlicht halten zu können, gibt es eine Banderole mit den üblichen Verlagslogos, Hinweisen et cetera. Die Box ist wie eine Schatztruhe gestaltet, was eine Referenz auf die Kiste ist, in die Isaac im Intro des Videospiels springt, um vor seiner Mom zu flüchten. Mit einem kleinen Klappschloss versehen, kann man die Box öffnen und es zeigen sich die vier Sortierspalten. Dort können die Karten sauber eingeräumt werden. Es stehen einige Kartentrenner zur Verfügung, sogar mehr als eigentlich benötigt werden, um mehr Individualität bei der Sortierung zu ermöglichen. Auch gesleevte Karten finden genügend Platz in der Box. Das Artwork ist größtenteils aus dem Videospiel entlehnt und Fans werden sich sofort zuhause fühlen. Auch die Effekte der Karten sind (soweit wie eben möglich) die perfekte Übersetzung in das analoge Spielprinzip. Stichwort Übersetzung: Bei den Namen der Gegenstände, Monster und Charaktere hat man verzichtet, diese ins Deutsche zu übersetzen und die Entscheidung ist gelungen. Auch im Videospiel wurde viele Jahre auf eine Übersetzung verzichtet. Die Würfel sind eher Standard-Qualität. Der W6 hat jedoch beim Ergebnis 1 das Konterfei von Isaac. Die Gesundheit von Charakteren kann durch die roten Herz-Acrylmarker angezeigt werden. Andere Effekte, die Marker benötigen, können durch die Acryl-Tränen (analog zu den „Geschossen“ aus dem Videospiel) angezeigt werden. Die Münzen sind aus einem rauen Plastik und es gibt einen ansehnlichen, aber etwas dünnen Stoffbeutel, um diese zu verstauen.

Die Anleitung ist klein. Sehr klein sogar. Aber es bedarf auch keiner großen „Text-Bleiwüste“. Die Regeln des Spiels sind in Windeseile erklärt und verinnerlicht. Die spannenden Besonderheiten kommen durch die Karteneffekte ins Spiel und sind auf ihren jeweiligen Karten sehr gut erklärt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autor*in(nen): Edmund McMillen
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 Minuten (eher mehr)
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 (2) 3 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 150 EUR (oder knapp 45 EUR in der normalen Version)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Neben den Regeln gibt es auf der Webseite von Pegasus Spiele auch die Materialübersichten des Grundspiels und der Collector’s Edition. Perfekt, um zu schauen, ob man den Aufpreis für das zusätzliche Material zahlen möchte.

Zudem kann die Webseite foursouls.com wärmstens empfohlen werden. Neben einer Übersicht über alle Karten und Regeln gibt es auch einen Deck Builder. Dieser ist dafür gedacht, mit den nachträglich eingeführten Ratios zu arbeiten. Diese Ratios sind dafür da, um auch mit Erweiterungen, Kickstarter-Exclusives et cetera ein ausgeglichenes Spielgefühl zu haben. Wenn man nämlich einfach alle Karten zusammenwirft, hat man schnell ein frustrierendes, unausgeglichenes Spielerlebnis, da vielleicht nur besonders starke Bosse gezogen werden, keine Seelen auftauchen, oder die Beutekarten sehr unausgewogen auftauchen.

Fazit

Für das Fazit habe ich einmal nachgeschaut: 176 Stunden auf der Nintendo Switch und noch einmal 210 Stunden auf dem PC über Steam – ich denke, ich habe ein The Binding of Isaac-Problem. Daher kein Wunder, dass auch The Binding of Isaac: Four Souls – Requiem auf den Tisch kommen musste. Das Grundprinzip von Munchkin ist eines, welches ich gerne spiele, aber nach dem nicht sehr überzeugenden Here to Slay bin ich skeptisch bei „Weiterentwicklungen“. Doch die Neuinterpretation des Videospiels dreht an exakt den richtigen Stellschrauben. Ähnlich wie in der digitalen Variante ergibt sich der schier unendliche Abwechslungsreichtum durch die Kombination der Gegenstände. Dadurch ist es zwar manchmal möglich sogenannte „Game Breaking Combos“, also fast unbesiegbare Kombinationen, zu erlangen, aber es fühlt sich für die Person, die es schafft „verdient“ an. Und durch Beutekarten sind dann auch diese unbesiegbaren Kombos plötzlich doch schlagbar. Die Liebe, die in die Effektsuche für jede einzelne Karte geflossen ist, ist greifbar und dadurch macht Four Souls – Requiem vor allem eine Sache besser als der geistige Vater: Keine Karte wirkt austauschbar und beliebig. Natürlich gibt es Dopplungen bei den Beutekarten, aber alle Monster, alle Schätze laden dazu ein, mit jedem Aufdecken etwas Neues kennenzulernen. Die angegebene Spielzeit von 30 bis 60 Minuten ist nicht nachvollziehbar, eine Runde kann schon abendfüllend sein. Aber auch in diesem Fall fühlt es sich nicht gezogen an, sondern wie konstante Unterhaltung. Der Preis für die Ultimate Collector’s Edition ist selbstredend für ein reines Kartenspiel sehr bis zu hoch. Wer also auf ein paar spezielle Karten und die Schatztruhe verzichten kann, darf, ohne zu zögern zur Standard-Variante greifen und bekommt immer noch ein tolles Spiel.

The Binding of Isaac: Four Souls – Requiem erhält fünf von fünf fanatisch-religiösen Moms.

 

  • Sehr schnell gelernt

  • Hohe Identifikation mit der Vorlage

  • Perfekter „nächster Schritt“ für Munchkin-Fans

 

  • Sehr teuer

  • Reaktionsrunde kann zu Analyse-Paralyse führen

 

Artikelbilder: © Pegasus Spiele
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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