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Munchkin ist seit seinem Erscheinen zu einem festen Begriff in der Brettspielwelt geworden. Zahlreiche Erweiterungen und Spin-Offs hat das Franchise hervorgebracht. Nun hat sich Erfolgsautor Eric M. Lang einer Version angenommen und den Humor in einen Dungeon Crawler überführt. Wir sagen euch, ob das Prinzip funktioniert.

Steve Jackson hat im Jahr 2001 ein Kartenspiel auf den Markt gebracht, welches bis heute als perfektes Beispiel für das Prinzip „Take That“ in der Spielewelt angeführt werden kann (grob übersetzt „Nimm das!“, also ein Mechanismus, um anderen „einen reinzuwürgen“). Damals nahm das Munchkin-Universum seinen Anfang, welches heute zu enormer Größe angewachsen ist. Um die einhundert Erweiterungen wurden seitdem auf die Spieletische der Welt geschwemmt. Es gab unzählige Crossover zum Beispiel mit dem Marvel-Universum, Harry Potter oder Rick and Morty. Eine Videospielumsetzung erblickte ebenso das Licht der Welt wie zahlreiche Spin-Offs, die das Spiel mit neuen Elementen füttern wollten.

Munchkin Panic vermischte das Kartenspiel mit dem Tower-Defense Brettspiel Castle Panic, und Munchkin Quest brachte 2008 das Element des Dungeon Crawlers mit in die Verlosung. Das letztgenannte dürfte das geistige Elternteil des 2019 als Kickstarter gestarteten Spiels Munchkin Dungeon sein, dem wir uns in diesem Test annehmen. Steve Jackson und sein Verlag Steve Jackson Games taten sich mit den Miniaturspezialisten von CMON und dem Spieleautor Eric M. Lang zusammen, um den Abstieg in die Tiefen des namensgebenden Dungeons mit einigen Push your Luck-Elementen neu aufzulegen. Ob der neuerliche Ausflug zu gefallen weiß, erfahrt ihr in unserem Test der bei Asmodee erschienenen, deutschen Handelsversion.

Spielablauf

Der Aufbau ist schnell erledigt. Auf dem Spielfeld werden die Karten für die jeweiligen Stockwerke des Dungeons inklusive der Wächtermonster platziert und die Gruppe entscheidet sich für einen Boss, dessen Miniatur sowie die zugehörigen drei Phasenkarten auf die unterste Ebene gelegt werden. Die Schatzauslage wird mit vier offenen Karten befüllt, jede*r erhält vier Bedrohungskarten für die eigene Hand und die restlichen beiden Kartentypen werden zu separaten Nachziehstapeln beiseitegelegt. Alle entscheiden sich nun noch für eine Startklasse und die Gruppe wählt, wer beginnt. Die Testrunde hatte sehr viel Spaß mit dem Vorschlag aus der Anleitung, dass beginnen darf, wer das „Große wütende Huhn“ am besten imitiert. Und schon kann es losgehen mit der Eroberung des Dungeons.

Der Dungeon ist bereit, erobert zu werden. © CMON

Wer schon einmal eine Runde „normales“ Munchkin gespielt hat, wird sich hier direkt heimisch fühlen. Insgesamt gibt es vier verschiedene Phasen, auf die wir nun näher eingehen.

Jeder Spielzug beginnt mit „Tür eintreten“. Die aktive Person bewegt den eigenen Charakter die Treppen hinab, von Stockwerk zu Stockwerk. Zurückgehen oder in einen benachbarten Raum laufen ist ohne spezielle Effekte nicht gestattet. Für jeden betretenen Raum sammelt man die entsprechende Belohnung ein und fügt die auf den Raumkarten angegebene Menge an Bedrohungsmarkern zum Pool hinzu. Die Phase endet entweder, wenn man auf ein Wächtermonster oder eine andere Spielfigur trifft, oder wenn man selbst entscheidet, die Reise in einem Raum zu unterbrechen.

Anschließend bekommt man Ärger. Richtig gelesen, die Phase nennt sich „Ärger bekommen“. In dieser Phase dürfen die Kontrahent*innen am Tisch reihum die Bedrohungsmarker aus dem Pool nutzen, um dem aktiven Charakter eine der eigenen Bedrohungskarten um die Ohren zu hauen. Alle dürfen reihum eine Karte spielen und hören erst auf, wenn sie nichts mehr spielen können oder wollen. Bedrohungskarten können zusätzliche Monster oder auch Ereignisse sein. Die Monster werden erst in Phase Drei relevant, die Ereignisse werden in den meisten Fällen sofort abgehandelt. Sehr schön gelöst ist bei den Ereignissen, dass die Kartentexte in der Ich-Form geschrieben sind. Das ermöglicht es, dem Opfer beim Ausspielen der Karten genau mitzuteilen was ‚ICH ihm da gerade antue‘. Sind alle fertig, geht es ans Eingemachte.

Eine Auswahl der Karten. Der gelbe Meeple ist das Spirit Animal unseres Autors. © CMON

Denn in Phase Drei müssen wir „den Raum abhandeln“. Dieser Schritt kann übersprungen werden, wenn keine Wächtermonster oder Bedrohungsmonster anwesend sind. Dann geht es sofort weiter zu Schritt Vier. Sollte aber auch nur ein einziges Monster vor Ort sein, muss versucht werden, dieses zu „verhauen“. Hierzu schnappt sich die aktive Person die Menge an Würfeln, die durch den eigenen Klassenbogen und Ausrüstung zur Verfügung steht und würfelt. Die Symbole auf den Würfeln sind selbsterklärend: Schwerter geben Angriff, Schilde Verteidigung und Blitze können Spezialfähigkeiten auslösen. Anschließend würfelt die Person links neben der*dem aktiven Spieler*in für die Monster (deren addierte Würfelanzahl einen großen Pool bildet) und entscheidet, wie die Würfel zugeordnet werden. Nicht abgewehrte Treffer erzeugen Schaden. Die aktive Figur darf entscheiden, wie dieser auf die Monster verteilt wird und erleidet im Gegenzug den durch die Monster verursachten Schaden.

Eine Auswahl der möglichen Klassen. © CMON

Ein Charakter kann also zum Beispiel vier gewürfelte Schäden beliebig auf die anwesenden Monster verteilen. Besiegte Wächtermonster wandern nun auf den Monsterfriedhof auf dem Spielbrett. Sollte ein Wächtermonster überlebt haben, bleibt es in seinem Raum und heilt vollständig. Bedrohungsmonster wandern auf den Ablagestapel, ob besiegt oder nicht. Sollte der eigene Charakter das letzte Leben verlieren, kehrt dieser sofort zum Dungeon-Eingang zurück. Man erhält einen Schandemarker, darf ansonsten aber mit der gleichen Ausrüstung im nächsten Zug das Glück erneut herausfordern.

Die letzte Phase vor dem Spieler*innen-Wechsel ist das „Plündern und Rasten“. Hier erhält die aktive Person die Belohnung für besiegte Monster und im Falle einer vollständigen Räumung (also alle Monster wurden besiegt) zusätzlich die Belohnung für das Sichern des Raumes. Man zieht noch, wenn durch vorherige Runden nötig, auf vier Bedrohungskarten nach und darf gegebenenfalls Münzen ausgeben, um eine Stufe aufzusteigen. Anschließend geht das Prozedere im Uhrzeigersinn von vorne los.

Das Spiel endet, wenn ein*e Mitspielende*r zwanzig oder mehr Ruhmpunkte ergattert hat. In diesem Fall wird der aktuelle Zug fertig gespielt und es geht zur Gesamtauswertung. Ähnlich wie die anderen Elemente im Spiel verläuft diese sehr unkompliziert. Alle Spielenden addieren ihre Ruhmpunkte und Punkte von Schätzen und ziehen davon je einen Punkt für jeden Schandemarker im eigenen Besitz ab. Die daraus resultierende höchste Punktzahl gewinnt, bei Gleichstand entscheidet die geringste Menge an Schandemarkern.

Ausstattung

Die Aufmachung des Spiels ist wertig. Die Karten und Marker haben eine vernünftige Dicke und Griffigkeit, das Spielfeld ist sehr aufgeräumt und klar aufgeteilt. Das Inlay ist vollkommen in Ordnung und alle Miniaturen haben ihren festen Platz. Und die Miniaturen sind das absolute Herzstück des Spiels. In CMON-typischer Art haben die Minis eine sehr gute Qualität und sehen wunderschön aus. Unser Autor hat sich sofort in den Drachen verliebt. Die Miniaturen der einzelnen Klassen können durch an der Basis anbringbare Farbringe den Siegpunktmarkern und den beteiligten Personen schnell zugeordnet werden.

Auch die beiliegenden Würfel sind schön anzuschauen. Das war es dann aber auch schon, was es Positives zu den Würfeln zu sagen gibt. Bei einem Spiel für diesen Preis und mit Miniaturen in dieser Qualität, muss erwartet werden, dass ausreichend Würfel zum Spielen vorhanden sind. Dass man sich, bei einem Wechsel zwischen dem Wurf des eigenen Charakters und dem der Monster, mal Wurfergebnisse merken muss oder weil man viel Ausrüstung und Power-Ups gespielt hat, sei dahingestellt, das ist kein Problem. Dass aber nicht genug Würfel in der Box enthalten sind, um einen Wurf eines aufgelevelten Super Munchkins OHNE Ausrüstung durchzuführen, ist absurd.

So schöne und so wenige Würfel … © CMON

Die Charaktertableaus können leider nicht mit der Qualität der Spielkarten mithalten. Schon beim Öffnen der Schachtel schienen die Tableaus Flügel zu bekommen, so sehr haben sie sich gebogen. Und auch das Spielfeld hatte dieses „Biegephänomen“, wobei der bedruckte Karton sich eigentlich sehr wertig und fest anfühlte, sodass dies auch einfach Pech unseres Autors sein kann.

Die Spielanleitung ist klar strukturiert und die einzelnen Schritte sind dadurch schnell verinnerlicht. Es mangelt auch erneut nicht am Humor, den man auch in die Anleitung und die Errata einfließen ließ. Dem Spiel liegt eine kleine Errata-Karte mit Regelklarstellungen bei. Nach einigen Partien muss man aber festhalten, dass nicht alle Unklarheiten beseitigt wurden. So gab es in jeder Runde Fragen, die durch die Anleitung nicht endgültig geklärt werden konnten, wie zum Beispiel, ob Wächtermonster, die durch Bedrohungskarten bewegt wurden, wieder in ihre ursprünglichen Räume zurückkehren.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CMON, Steve Jackson Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Andrea Chiarvesio, Eric M. Lang
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Asmodee sind die deutschen Spielregeln als PDF zum Download verfügbar.

Fazit

Munchkin Dungeon ist nett. Und damit ist nicht, wie im Sprichwort, der kleine Bruder eines Fäkalwortes gemeint, sondern eine ehrliche Feststellung. Es ist ein wirklich nettes Spiel, mit tollen Miniaturen und dem gewohnten Munchkin-Humor. Man findet sich schnell im Spiel ein, die Regeln sind fix erklärt und gerade mit Kenner*innen des Franchise kann die Runde nach dem Aufbau sofort losgehen. Aber das reicht eben „nur“ für ein nettes Spiel. Unser Autor mag Munchkin, gerade wegen des Humors. Aber wenn die x-te humoristische Referenz zu Popkultur oder zur Brettspiellandschaft gefunden wurde (wir sehen dich an, „Tausche Holz gegen Schaf“-Karte) und man nicht mehr in Reminiszenz an liebgewonnene Spiele in ein zartes Schmunzeln verfällt, bleibt lediglich ein mittelmäßiger Dungeon Crawler mit zum Teil sehr langer Wartezeit zwischen den einzelnen Runden.

Der Anteil des „Take That“ funktioniert, wie aus anderen Munchkin-Spielen gewohnt, sehr gut. Durch die Bedrohungsmarker bietet das hinzugefügte, strategische „Wie tief traue ich mich zu gehen“-Element eine gelungene Abwechslung. Aber ähnlich wie beim Ursprungsspiel kristallisiert sich schnell heraus, dass der gesamte Tisch schnell ein Ziel hat: die in Führung liegende Person. Es gibt kaum ein Spiel, bei dem unser Autor so sehr darauf achtet, niemals am weitesten auf der Siegpunkteleiste vorne zu liegen wie bei den Munchkin-Spielen. Ja, es ist logisch, in einem kompetitiven Spiel den Sieg der anderen verhindern zu wollen. Aber bei Munchkin Dungeon ist zu viel Jagd nötig. Zudem ist das Spiel hochgradig glückslastig. Auch das ist per se nicht dramatisch, aber es kann wirklich zu frustrierenden Situationen führen. So gab es einen Spielverlauf, in dem ein Teilnehmer innerhalb seines dritten Zuges zu einem Super Munchkin werden konnte. Diese Sonder-Klasse ist (gewollt) viel mächtiger als die anderen, sodass ein Sieg quasi nicht mehr abzuwenden war.

Diese negativen Punkte sind möglicherweise etwas drastisch formuliert. Das liegt aber darin begründet, dass unser Autor das Potential in dem Spiel sieht. Es ist gut – vor allem besser als der geistige Vorgänger Munchkin Quest – und Liebhaber*innen von Munchkin werden ihre Freude mit dem Spiel haben. Aber es wäre einfach mehr möglich gewesen als „nur“ ein schnell erklärter und schnell aufgebauter Dungeon Crawler mit der richtigen Menge an Humor.

 

  • Wunderschöne Miniaturen
  • Einfache Regeln
  • Der bekannte Munchkin-Humor
 

  • Viel zu wenig Würfel
  • Glückselement sehr beherrschend
  • Regeln hätten klarer formuliert sein können

 

Artikelbilder: © wie angegeben
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

1 Kommentar

  1. Leider habe ich diesen Beitrag erst jetzt gelesen, nachdem wir den Dungeon bereits gekauft und gespielt haben und zu genau denselben Schlüssen gekommen sind.

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